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Wenn sich Medienmanager selbst bedienen

Hinweis: Für alle Fersonen – v.a. jenen, die namentlich in diesem Beitrag angeführt sind – gilt bis zum Abschluss der Untersuchungen bzw. einer rechtskräftigen Verurteilung, die Unschuldsvermutung!

Es brodelt ausserordentlich in den Führungsetagen der öffentlich-recht-lichen Rundfunk- und Fernsehstationen Deutschlands. Die Causa Patricia Schlesinger liegt ihren Kollegen schwer im Magen, müssen sie doch nun auch selbst mit erheblichem Gegenwind rechnen. Wären der RBB bzw. die ARD normale Unternehmen, so wäre die Sache wohl morgen wieder vergessen. Doch sind die Öffentlich-Rechtlichen eine Körperschaft, die sich zu einem erheblichen Teil durch Zwangsgebühren finanzieren. Und das wiederum stösst den Konsumenten sauer auf, da sie derzeit jeden Cent doppelt umdrehen müssen. 

Rückblende:

Patricia Schlesinger wurde am 14. Juli 1961 in Hannover geboren. Nach dem Abitur studierte sie in Hamburg Wirtschaftsgeographie, Politische Wissenschaft sowie Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Daneben jobbte sie als freie Mitarbeiterin ab 1983 beim NDR und dem Hamburger Abend-blatt. Nach dem Studienabschluss begann sie 1988 ein Volontariat beim NDR. Ab 1990 moderierte sie das ARD-Magazin Panorama, wo sie sich einen ausgezeichnete Ruf als investigative Journalistin erarbeitete. Es folgte von 1995 bis 1997 die Leitung des ARD-Auslandsstudios in Singapur. Nach einem kurzen Intermezzo bei den ARD-Magazinen Panorama, extra3, Brennpunkt und der Leitung der Auslandsredaktion Fernsehen übernahm sie die Korrespondentenstelle im ARD-Studio Washington. 2004 kehrte sie gemeinsam mit ihrem Mann Gerhard Spörl (bis 2010 Auslands-Redakteur und Ressortleiter Ausland bei „Der Spiegel“) nach Hamburg zurück. Beim NDR übernahm sie die Abteilung Dokumentation und Reportage des Programmbereichs Kultur. 2016 wurde sie nach nicht weniger als sechs (!!!) Wahlgängen zur Intendantin des Radios Berlin-Brandenburg (RBB) gewählt. Daneben bekleidete sie den Posten der Aufsichtsratsvorsitzenden der ARD-Produktionsfirma Degeto-Film und vom 01. Januar 2022 weg turnusmässig auch den ARD-Vorsitz. Am 04. August legte sie diesen zurück und schied auch als RBB-Intendantin aus – nach vertraglich vereinbarter Ankündigungspflicht zum 28. Februar 2023 – vorzeitig nur gegen Zahlung einer Abfindung. Auch die Pensionsansprüche in der Höhe von rund 15.000,- € pro Monat sollen bestehen bleiben. 

„Persönliche Anwürfe und Diffamierungen haben ein Ausmaß angenommen, das es mir auch persönlich unmöglich macht, das Amt weiter auszuüben.“

(Patricia Schlesinger)

Was aber ist in diesen Tagen geschehen? Für grossen Unmut sorgte die durch den Verwaltungsrat des RBB genehmigte Gehaltserhöhung auf 303.000 € (+16 %) plus Bonus von mehr als 20.000,- € plus einem zu versteuernden geldwerten Vorteil für die Privatnutzung des Dienstfahr-zeuges (Angaben: Business Insider). Daneben tauchten Gerüchte über Vetternwirtschaft auf – auch die Geschäftsbeziehungen ihres Ehemanns zum Vorsitzenden des Verwaltungsrates, Wolf-Dieter Wolf, führten zu weiteren Spekulationen. Mitte Juli wurde durch die RBB-Revision eine externe Prüfung in Auftrag gegeben. Zugleich kündigten die Landes-rechnungshöfe von Berlin und Brandenburg eine gemeinsame Prüfung an. Die derart letzte wurde im Jahr 2018 durchgeführt. Bereits damals kritisierte der Landesrechnungshof Berlin neben anderem auch „übermässige Gehaltserhöhungen und Sonderzahlungen“. Inzwischen führte zudem der Landtag Brandenburg eine Sondersitzung hierzu durch, beantragt durch den Hauptausschuss. Nicht zur Sitzung erschienen ist Patricia Schlesinger. Ab diesem Zeitpunkt überschlugen sich die Meldungen zu Unregelmässigkeiten. Federführend daran beteiligt die Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ ( Verleger: Dieter von Holtzbrinck) und die Wirtschafts- und Nachrichten-Plattform „Business Insider“ (Axel Springer SE). Dort war zu lesen von teuren Umbaumassnahmen, hochdotierten Beraterverträgen, einem luxuriösen Dienstwagen, Abrechnungen von Dienstessen in der Privatwohnung etc. – dies alles wird inzwischen von Fachleuten geprüft. Über ihren privaten Mail-Account bei AOL soll Schlesinger entgegen der Dienstanweisung „Informations-management“ alsdannn interne Nachrichten verschickt und vertrauliche Papiere des Senders empfangen haben.  

Zu den Anschuldigungen im Einzelnen:

.) CNC – Das Crossmediale News-Center

Um den Anforderungen der Gegenwart und Zukunft entsprechen zu können, wurde durch den RBB ein eigenes Newscenter in Berlin errichtet. Ziel ist es, jene Schichten zu erreichen, die sich nahezu ausschliesslich im Internet über die Geschehnisse kundig machen. Das Zentrum des CNC ist ein 400 qm grosser Newsraum, der keinerlei Wünsche offen lässt. Insgesamt wurden 2.400 qm des sechsten und siebten Stockwerks des Landesfunkhauses komplett umgestaltet. Die Kosten für all dies sind inzwischen auf 150 Mio Euro explodiert. Hier wird nun dem Verwaltungs-ratsvorsitzenden Wolf vorgeworfen, dass einige seiner Geschäftspartner in diesem Zusammenhang und auch bei anderen Immobilienprojekten zu durchaus hochdotierten Beraterverträgen und Aufträgen kamen – dabei geht es offenbar um sechsstellige Honorare. 

„Das CNC ist unsere neue Werkstatt, in der wir journalistische Exzellenz und plattformgerechte Aufbereitung verbinden können. Davon profitieren alle aktuellen Programme.“

(Patricia Schlesinger)

Die Sinnhaftigkeit dieser crossmedialen Einrichtung, die nicht nur die bisherigen, sondern auch die digitalen „Ausspielwege“ bedienen kann, steht dabei nicht zur Diskussion. Es sind vielmehr die Verträge und die Kosten, die nun genau überprüft werden.

.) Miet-Dienstwagen

Der Intendantin stand ein Audi A8 mit zwei Chauffeuren zur Verfügung. Das Fahrzeug soll mehrere Sonderausstattungen wie etwa Massagesitze aufweisen, die es auf einen Listenpreis von 145.000,- € bringen. Anschuldigungen stehen nun im Raum, wonach auch der Ehegatte, Familienmitglieder und gar Freunde dieses Fahrzeug inklusive der Chauffeure für private Zwecke verwendet haben sollen. Zum Vergleich: Die Leasingkosten für das Dienstauto, das der Intendant der Deutschen Welle selbst fährt, belaufen sich auf 336,- € monatlich, der SR, das Deutschlandradio und der SWR haben kleinere BMW- bzw. Toyota-Modelle für die Direktoren, Radio Bremen verzichtet gänzlich auf einen Dienstwagen. Der Intendant des HR hat das bisherige Dienstauto, einen BMW 745e, gegen ein kleineres Elektroauto eingetauscht. ZDF-Chef Himmler hat sein Dienstauto, einen BMW 740Ld xDrive, von seinem Vorgänger übernommen – mit ihm werden auch andere Mitglieder der Geschäftsführung gefahren. Privatfahrten gibt es nur auf Fahrtenbuch – monatliche Leasing-Kosten: 508,16 € plus MwSt.

.) Bewirtungsabrechnungen

Schlesinger rechnete einige Abendessen ab, die sie angeblich aus dienstlichen Gründen in ihrer Privatwohnung in Berlin abgehalten haben soll. Abgerechnet wurden mehrfach Abendessen mit 3 bis 11 Personen zu einem Kostenbeitrag von 69,20 € pro Person. Hier besteht der Vorwurf, dass diese teils erheblich frisiert wurden bzw. für private Festivitäten missbraucht wurden. 

Schlesinger selbst versprach noch in Amt und Würden eine lückenlose Aufklärung. Doch war die Reue offenbar nicht so gross, als sie der Sondersitzung im brandenburgischen Parlament hätte selbst beiwohnen wollen. Immer mehr Details kamen schliesslich ans Tageslicht, die sie zu ihrem Rücktritt bewogen. So wurde offenbar auch die Chefetage des RBB im 13. Stock umgebaut und neu möbliert. Rechnungssumme: 650.000 €! Alleine der hochwertige Öko-Parkettboden soll 17.000 € verschlungen haben, die Designer-Möbel den Klacks von 60.000 €. 

Nach Angaben der Tageszeitung „Die Welt“ (Axel Springer SE) bezeichnet der RBB-Personalrat und die Redaktion die Arbeitsatmosphäre als „Klima der Angst“. 

Auch die Kollegen des ZDF recherchierten inzwischen über diesen Fall für das TV-Investigativ-Magazin „Frontal 21“ – in der Vergangenheit nach ungeschriebenem Gesetz durchaus unüblich.

Selbstverständlich gilt für alle hier namentlich Erwähnten bis zum Ende der Untersuchungen die Unschuldsvermutung. Der Verwaltungsrats-vorsitzende Wolf hat zwischenzeitlich ebenfalls seinen Rücktritt erklärt. Er soll Spörl nach Angaben von Business Insider übrigens zudem einen mit 72.000 € dotierten Vertrag für Mediencoaching des Chefs der Messe Berlin zugeschanzt haben. Die Leiterin der Intendanz, Verena F.-M. wurde mit sofortiger Wirkung freigestellt.

„Jetzt ist es notwendig, dass der RBB unverzüglich mit absoluter Transparenz die Sachverhalte aufklärt!“

(Daniel Keller, Vorsitzender des Hauptausschusses im Brandenburger Landtag)

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen eingestellt, der hierfür erforderliche Anfangsverdacht wurde verneint. Inzwischen jedoch antwortete die Berliner Generalstaatsanwaltschaft auf Anfrage am vergangenen Donnerstag, dass sie Ermittlungen wegen des Anfangsver-dachtes der Untreue und Vorteilsnahme aufgenommen hat. Die Prüfungen durch eine externe Kanzlei werden bis Oktober andauern. Sollten diese Anschuldigungen jedoch der Wahrheit entsprechen, wird dies wohl weitreichende Folgen für den gesamten öffentlich-rechtlichen Bereich haben. So wurde erst vor einigen Jahren die GEZ zur zwangshaften Haus-haltsabgabe umgewandelt, die zu erheblichen Mehreinnahmen führte. Dennoch kommen viele der Landesfunkhäuser nicht mit dem Geld zurecht – jetzt erschein es klar, weshalb. Erst am 20. Juni 2021 beschloss der Bundesverfassungsgerichtshof die Beitragsanpassung von bislang 17,50 € pro Haushalt auf 18,36 €. Ausschlaggebend war eine Verfassungs-beschwerde von ARD, ZDF und Deutschlandradio gegen die Landes-regierung von Sachsen-Anhalt, die eine Landtagsabstimmung zum 1. Medienänderungsstaatsvertrag und damit einer Anpassung der Rund-funkgebühren abgesagt hatte. Am 01. August wurde der Beitrag erhöht – im Jahr 2021 flossen 8,42 Milliarden Euro Gebühren in die Kassen der Öffentlich-Rechtlichen. Doch – immer mehr sprechen sich inzwischen gegen die Zwangsgebühren aus.

Auch in den Nachbarstaaten durchaus umstritten. In Frankreich entschied sich nach der Nationalversammlung auch der Senat gegen die Rundfunk-gebühren (138,- € pro Jahr und Haushalt) – der öffentlich-rechtliche Bereich wird künftig aus dem Staatshaushalt finanziert. 

In der Schweiz sprachen sich zwar 71,6 % in einer Volksabstimmung am 04. März 2018 gegen die Abschaffung der Rundfunk- und Fernsehge-bühren (BILLAG) aus, dort kommen die Gebühren jedoch auch regionalen Fernsehstationen, Lokalradios und nicht-gewinnorientierten Radioan-stalten zugute. 

In Österreich findet im September erneut ein Volksbegehren für die Abschaffung der GIS statt. Das letzte im Jahr 2018 erzielte 320.000 Unterschriften, wurde jedoch ausgerechnet unter einer Regierung abgewiesen, der die FPÖ angehörte, die selbst schon mehrfach gegen die GIS-Zwangsabgaben eintrat. Inzwischen wurden die Rundfunkgebühren erhöht. Nach der Entscheidung der Bundesverfassungsrichter soll auch dieses System reformiert werden – entweder nach dem Vorbild der deutschen Haushaltsabgabe oder jenem der Finanzierung aus dem Staatshaushalt, wie in Frankreich.

In Dänemark machte die „medielicens“ 1.353,- Kronen (rund 182,- €) jährlich pro Haushalt aus. Sie wurde stufenweise bis zum 31.12.2021 abgeschafft und wird nun durch eine Reduktion des steuerlichen Personenfreibetrages finanziert.  

Abschliessend nun noch eine kleine Auflistung der Gehälter der Inten-danten. Ob solche Zuwendungen angesichts der derzeitigen wirtschaft-lichen Entwicklungen in Deutschland und Österreich moralisch noch vertretbar sind, überlasse ich Ihren Überlegungen.

Deutschland (2022 – Angaben Tarifstruktur ZDF/interner Gehaltsreport ARD, veröffentlicht durch „Die Welt“)

.) WDR – Tom Buhrow 413.000,- € (2017 – 399.000,-)

.) ZDF – Norbert Himmler 372.000,- € (Vorgänger Thomas Bellut 2019 – 369.000,-)

.) SWR – Kai Gniffke 361.000,- € (Vorgänger Peter Boudgoust – 338.000,-)

.) NDR – Joachim Knuth 346.000,- € (Vorgänger Lutz Marmor 365.000,-)

.) BR – Katja Wildermuth 340.000,- € (Vorgänger Ulrich Wilhelm – 403.000,-)

.) RBB – Patricia Schlesinger 303.000,- € + Bonus (2017 – 257.000,-)

.) MDR – Karola Wille 295.000,- € (2017 – 275.000,-)

.) Radio Bremen – Yvette Gerner 281.000,- € (Voränger Jan Metzger – 257.000,-)

.) HR – Florian Hager 255.000,- € (Vorgänger Manfred Krupp 305.000,- )

.) SR – Martin Grasmück 245.000,- € (Vorgänger Thomas Kleist – 257.000,-)

Diese Gehälter werden von den Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten beschlossen.

Österreich (Angaben Gehaltsbericht bzw. „Der Standard“)

Hier recherchierte ich bereits mehrfach sehr intensiv nach dem Gehalt des Generalintendanten – jedoch leider erfolglos. Und dies, obgleich die Gehälter transparent sein müssten. Nach Angaben des „Der Standard“ könnten es 420.000,- € für Alexander Wrabetz im Jahr 2020 gewesen ein (inkl. Sach- und Sozialleistungen). Die weiteren Geschäftsführer nach dem Gehaltsbericht des Bundes:

.) ORF Direktoren im Schnitt 248.000,- € 

4 Frauen zu je im Schnitt 255.800,- / 10 Männer zu je im Schnitt 244.900,- €

.) 2 GIS-Direktoren zu jeweils im Schnitt 223.700,- €

.) ORF-Vermarktungstochter Enterprise (Werbung)

1 Geschäftsführer zu 332.200,- € / 1 Geschäftsführerin zu  212.300,- 

Schweiz (2020 – Angaben: Geschäftsbericht)

.) SRG-Direktor Gilles Marchand 533.000,- CHF (inkl. Bonus von 101.000,- CHF)

.) SRF-Direktorin Nathalie Wappler 450.000,- CHF

.) 7 weitere Mitglieder der Geschäftsleitung jeweils 390.000 CHF (inkl. Bonus über je 73.400,- CHF)

Links:

.) www.rbb-online.de

.) www.daserste.de

.) www.zdf.de

.) www.orf.at

.) www.srgssr.ch

.) www.businessinsider.de

.) www.tagesspiegel.de

.) www.welt.de

.) www.derstandard.at

.) www.landtag.brandenburg.de

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