Das Moor – Quell des Lebens
Samstag, April 29th, 2023An dieser Stelle habe ich bereits über das gefährliche Auftauen der Permafrost-Regionen in Kanada und Russland berichtet. Dabei handelt es sich vornehmlich um Moor- und Sumpflandschaften, die nach der letzten Eiszeit nicht mehr wieder aufgetaut sind.
Als die Eispanzer geschmolzen sind, wurden auf den nicht gar so kalten Kontinenten gewaltige Mengen von Wasser freigesetzt. Nicht alles wurde in die Meere gespült oder versickerte, vieles verdunstete und kam als Niederschlag wieder zurück. Dadurch stieg der Grundwasserspiegel sehr rasch an, wodurch viele Senken und Täler überflutet wurden. Die Natur reagierte – feuchtigkeitsliebende Pflanzen siedelten sich an und über-zogen ganze Landschaften. Mancherorts allerdings konnten aufgrund des Wasserstandes die abgestorbenen Pflanzen nicht mehr abgebaut werden – es bildeten sich Moore. Die meisten davon dürfte es vor rund 12.000 Jahren gegeben haben. Soweit zum geschichtlichen Hintergrund.
Wie eine solche Moorlandschaft entsteht, erklärt uns die Biologie. Mehrere Faktoren müssen vorhanden sein, damit es zu einer solchen Laune der Natur kommen kann:
- Eine wasserstauende Schicht im Boden verhindert das weitere Versickern des Wassers
- In der Region muss ein starkes Niederschlagsaufkommen vorherrschen, wodurch auch eine hohe Luftfeuchtigkeit gegeben ist
- Der Pflanzenwuchs übertrifft die Zersetzung abgestorbenen Materials
- Das Gebiet darf nicht beschattet sein
Im Moor selbst herrscht aufgrund der ständigen Regenfälle nicht nur eine ständige Wassersättigung, sondern auch ein konstanter Sauerstoff-mangel. Dadurch können die Pflanzenreste nicht richtig zersetzt werden – der Abbau erfolgt unvollständig und wird als Torf abgelagert. Hierin besteht der Unterschied zu Sümpfen: Dort wird die Biomasse durch die regelmässigen Austrocknungen vollständig zu Humus umgesetzt. Die oberste Schicht des Moores besteht aus lebenden Pflanzen. Hier ist der Grossteil des Wassers gespeichert – je tiefer man kommt, umso mehr und dichter werden die Torfschichten. Für den Aufbau einer rund 10 m hohen Torfschicht benötigt ein lebendes Moor in etwa 10.000 Jahre. Den untersten, wasserundurchlässigen Bereich eines Moores bildet eine hart verdichtete Sandschicht. Der Experte spricht hierbei von „Seetonen“.
Vor 12.000 Jahren überzogen Moore noch rund 4,2 % der Landfläche Deutschlands (rund 1,5 Mio Hektar). Davon blieben jedoch gerade mal 1,28 Mio Hektar (3,6 % der Landfläche) übrig. Die meisten Hochmoore findet man heute noch in Niedersachsen. In Österreich sind es gegen-wärtig 26.600 Hektar in 3.000 Moorflächen, 192 Hektar in hochalpinem Gelände (Studie im Auftrag des WWF). Auch hier wurden knapp 90 % zerstört. Die Schweiz listet 24.000 Hektar (0,6 % der Landfläche) als Moorlandschaft auf.
Grundlegend wird zwischen drei unterschiedlichen Moorarten unter-schieden:
.) Das Hochmoor
Hochmoore entstehen zumeist in kühlen und feuchten Gebieten. Sie nähren sich vornehmlich aus den Niederschlägen („Regenwassermoor“). Oftmals haben sie sich aus Niedermooren entwickelt oder wuchsen direkt auf mineralischen Untergrund auf. Typisch für Hochmoore sind die Torfmoose (Sphagnum), die schwammartig das Wasser speichern. Ein Hochmoor produziert im Schnitt acht Tonnen Pflanzenmasse pro Hektar und Jahr. Durch die stete Ablagerung von Torf wächst das Moor ständig in die Höhe. Der pH-Wert ist sehr niedrig. Aus diesem Grunde siedeln sich auch nur darauf spezialisierte Pflanzen- und Tierarten an.
.) Das Niedermoor
Niedermoore sind grundwassergenährte Landschaften in Senken, Mulden, Flussniederungen, verlandete Seen oder Quellwasseraustritten. Diese Moore benötigen die Wasserzufuhr nicht nur durch Niederschläge, sondern auch durch Grund- oder Quellwasser. Die Torfschicht am Boden ist zumeist dünn, da diese Moore ab und an zumindest teilweise trocken-fallen, da es an das nährstoffreiche Grundwasser gebunden ist. Hierdurch steigt das Moor auch nicht in die Höhe an, es verbleibt in Höhe des Grundwasserspiegels. Niedermoore sind wahre Nährstoffoasen, weshalb sich hier auch die meisten Pflanzen- und Tierarten finden. Ein Nieder-moor produziert pro Hektar und Jahr rund 16 Tonnen Pflanzenmasse. Der ph-Wert liegt zwischen 3,5 und 7,0.
.) Das Übergangsmoor
Entwickelt sich ein Nieder- zum Hochmoor, so bezeichnet dies der Experte als Übergangs- oder auch Zwischenmoor. Es bezieht das Wasser sowohl aus dem Grundwasser als auch den Niederschlägen. Sofern genügend Regenfälle vorhanden sind, entwickelt sich das Nieder- zum Hochmoor.
Hydrologisch gibt es noch weitere Unterteilungen in etwa Quell-, Hang-, Versumpfungs-, Verlandungsmoore etc., ökologisch in bespielsweise Sauerarm-, Sauerzwischen-, Basenzwischenmoor etc.
Die Pflanzen- und Tierwelt in Moorlandschaften ist einzigartig, da es sich um wahre Spezialisten handelt, die mit teils widrigsten Lebensumständen zurecht kommen müssen.
Torfmoose (Sphagnum)
Wie bereits beschrieben, haben diese Moose eine ganz entscheidende Bedeutung beim Übergang der Nieder- auf Hochmoore. Sie benötigen nur ganz wenige Nährstoffe und kommen mit den extremen Verhältnissen perfekt zurecht. Torfmoose geben Wasserstoffionen ab. Dies steigert den Säuregehalt, wodurch andere Pflanzenarten nicht mehr wachsen können. Während die lebende Schicht nach oben wächst, stirbt die untere Schicht aufgrund des Sauerstoffmangels und sinkt auf den Boden ab, wodurch der Torf entsteht.
Moor-Birke (Betula pubescens)
Die Moor- oder auch Haar-Birke gibt der Moorlandschaft zumeist ihr typisches Bild. Sie passt sich sehr rasch den Verhältnissen an. Zu finden aber ist sie meist in Moorwäldern oder den trockenen Bereichen der Hochmoore.
Rosmarinheide (Andromeda polifolia)
Die Rosmarinheide ist vornehmlich auf stickstoffarmen Böden der Hoch- bzw. Heidemoore zu finden. Die Nährstoffe und das Wasser bezieht sie aus einer Symbiose mit den Mykorrhizapilzen, die sich an den Wurzeln der Rosmarinheide ansiedeln. Diese erhalten im Gegenzug die Assimilate aus der Photosynthese.
Sonnentau (Drosera rotundifolia)
Diese Pflanze zählt wie rund 130 andere Arten auch zur Familie der Droseraceae – den fleischfressenden Pflanzen. Sie deckt ihren Stickstoff-bedarf durch das Fangen und Verdauen von Insekten. Der Sonnentau verwendet dafür eine der klebrigsten Substanzen der Pflanzenwelt.
Geflecktes Knabenkraut (Dactylorhiza maculata)
Hier haben wir es mit einer wahrhaftigen Orchidee zu tun. Auch das Gefleckte Knabenkraut benötigt die Symbiose mit speziellen Wurzel-pilzen. Den Namen hat sie von den runden Flecken auf der Blattoberseite. Die Blüten sind rosa bis violett und zwischen Mai und August zu bewundern. Die Pflanze wird bis zu 60 cm hoch, sie liebt leicht sauren Magerrasen oder lichte Wälder. Das Gefleckte Knabenkraut steht unter strengem Artenschutz.
Ausserdem zu finden sind: Das Wollgras (Eriophorum vaginatum), die Rauschbeere (Vaccinium uliginosum), die Gewöhnliche Moosbeere (Vaccinium oxycoccos, syn. Oxycoccus palustris Pers.), der Sumpf-Bärlapp (Lycopodiella inundata), die Besenheide (Calluna vulgaris), die Glockenheide (Erica tetralix) uvam.
Die grösste Gefahr für die Moore stellt die Trockenlegung dar. Ganze Landstriche wurden in der Vergangenheit ausgetrocknet. Immer wieder entstehen deshalb Torfbrände. Vornehmlich die Landwirtschaft zerstört die grössten Flächen für die Landgewinnung, gefolgt von der Forst-wirtschaft. Aber auch die Industrie greift mit vollen Händen ein: Verrichteten früher die Torfstecher diese Arbeit, so wird in der Gegenwart der Torf maschinell abgebaut um dadurch wichtige Substrate für den Gartenbau zu gewinnen.
Moore sind einzigartige Ökosysteme, die nicht nur für viele bedrohte Pflanzen- und Tierarten das für sie so wichtige Rückzugsgebiet darstellt. Als Wasserrückhalteflächen haben Moore zudem eine enorm wichtige Bedeutung für den Wasserhaushalt dieser Gebiete. Verschwindet das Moor, sinkt auch der Grundwasserspiegel ab, da Niederschläge nicht mehr gespeichert werden und zumeist oberflächig abfliessen. Und zudem speichern Moorlandschaften enorme Mengen an Kohlenstoff (nahezu doppelt so viel wie die Wälder weltweit). Dadurch wird weniger des Treibhausgases CO2 abgegeben. Wird nur ein Hektar Moorlandschaft zerstört, so setzt dies soviel Kohlendioxid frei wie bei einer 4,5 maligen Erdumrundung eine PKWs mit Verbrennungsmotor. Das Moor wirkt somit als entscheidender Faktor gegen die Klimaerwärmung.
„Losgelöst von einer internationalen Moor-Lösung droht die Wirkung jedoch zu verpuffen und Probleme wie den großflächigen Torfabbau nur überregional zu verschieben.“
(Agnes Zauner, Global 2000-Geschäftsführerin Österreich)
Am 2. Februar wird der „World Wetlands Day“ (Tag der Feuchtgebiete) gefeiert. An diesem Tag soll auf die Bedeutung der Moore hingewiesen werden. Schliesslich spüren wir es inzwischen unmittelbar aufgrund der ausbleibenden Regenfällen im Sommer. Die Wasserknappheit ist alsdann einmal mehr durch den Menschen verursacht. Der Schutz der wichtigen Moore ist auch in der Alpenkonvention bzw. der „Moorstrategie Öster-reich 2030+“ niedergeschrieben. Das Ziel stellt eine „Wiedervernässung“ ehemaliger Moorflächen dar. Erste Erfolge konnten auch bereits vorgewiesen werden: So wurde im Naturschutzgebiet Weisser Graben in Niedersachsen durch den NABU und die Volkswagen Leasing GmbH das Lichtenmoor wiedervernässt. Weitere Projekte stehen in den Moor-landschaften Nordrhein-Westfalens oder auch dem sog. „Theikenmeer“ mit dem angrenzenden Hochmoor „Wehmer Dose“ auf dem Hümmling in Niedersachsen an – beide Regionen zählen zu den ältesten bzw. schönsten Naturschutzgebieten Deutschlands.
Filmtipps:
.) Magie der Moore; Jan Haft 2015
.) Planet Wissen „Faszination Moor“
.) Planet Wissen „Moore und der Klimawandel“
.) Planet Wissen „Das Moor – Kulturlandschaft und Klimafaktor“
Lesetipps:
.) Deutschlands Moore: Ihr Schicksal in unserer Kulturlandschaft; Michael Succow, Lebrecht Jeschke; Natur & Text 2022
.) Moore in der Landschaft: Entstehung, Haushalt, Lebewelt, Verbreitung, Nutzung und Erhaltung der Moore; M. Succow, L. Jeschke; Urania 1990
.) Landschaftsökologische Moorkunde; M. Succow u. a.; Schweizer-bart’sche Verlagsbuchhandlung 2001
.) Auen, Moore, Feuchtwiesen; Gefährdung und Schutz von Feucht-gebieten; Gabriele Colditz; Birkhäuser Verlag 1994
.) Moor- und Torfkunde; Karlhans Göttlich; E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung
.) Botanisch-Geologische Moorkunde; Fritz Overbeck; Wachholtz, Neu-münster 1975
.) Sümpfe und Moore – Biotope erkennen, bestimmen, schützen; Hrsg.: Claus-Peter Hutter; Weitbrecht Verlag 1997
.) Altes Naturheilmittel Moor – Neues Wissen für die praktische Anwendung; Christa Klickermann, Petra Wenzel; Klickermann 2003
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