Marine Le Pen – die Wunderfrau von rechts
Samstag, Juli 6th, 2024Ihr Name jagt derzeit regelrecht(e) kalte Schauer über die Rücken der europäischen Politiker! Zurecht(s)? Wie gefährlich ist Marine Le Pen tatsächlich für die Europäischen Demokratien? Fühlen wir heute doch mal der Zweifach-Wahlsiegerin Frankreichs auf den Zahn!!!
Marion Anne Perrine Le Pen wurde am 5. August des Jahre 1968 in Neuilly-sur-Seine als eine von drei Töchtern des rechtsextremen und mehrfach wegen Antisemitismus und Rassismus verurteilten Politikers Jean-Marie Le Pen und seiner Frau Pierette Lalanne (einem ehemaligen Fotomodell) geboren. Nach der Schule studierte sie Rechtswissenschaften an der Universität Panthéon-Assas/Paris II. Dieses schloss sie im Strafrecht mit dem „Diplôme d’études approfondies“ (DEA) an. Von 1992 bis 1998 arbeitete sie als Rechtsanwältin in Paris.
Ihr praktisch ganzes Leben ist vom Front National (FN) geprägt, der von ihrem Vater 1972 gegründet wurde. Die beiden Ehemänner Franck Chauffroy und Eric Lorio sowie der Lebensgefährte Louis Aliot entstammten dem FN. Letzterer ist seit 2020 Bürgermeister von Perpignau, das Paar trennte sich 2019.
Von 1998 bis 2004 betreute Le Pen den juristischen Dienst der Partei und belegte parallel dazu einen der acht Vizepäsidentenposten. Im Jahr 2003 wurde sie stellvertrtetende Vorsitzende. 2011 folgte sie ihrem Vater als Vorsitzende des FN nach. Bei der innerparteilichen Wahl setzte sie sich mit 67,65 % der Stimmen gegen Bruno Gollnisch durch, der v.a. durch antisemitische Sprüche traurige Bekanntheit erlangte.
In den Jahren 2012, 2017 und auch 2022 trat Le Pen zu den französischen Präsidentschaftswahlen an. In den beiden letzten Wahlen schaffte sie es jeweils bis zur Stichwahl gegen den derzeit amtierenden Emmanuel Macron. Politische Erfahrung hat die toughe Frau allemal. Zwischen 1998 und 2004 sowie im Jahr 2010 belegte sie die Position einer Generalrätin von Nord-Pas-de-Calais, im Regionalrat der Île-de-France war sie von 2004 bis 2009 vertreten. Le Pen war Mitglied des Europaparlaments und ist seit Juni 2017 Abgeordnete der französchischen Nationalversammlung,
Marine Le Pen versuchte stets die Partei zur gesellschaftlichen Mitte zu öffnen („Entdiapolisierung“). Antisemitische Mitglieder drängte sie an den Parteirand, den Holocaust verurteilte sie im Gegensatz zu ihrem Vater. Im April 2015 veranlasste sie eine Repositionierung des FNs. Ihren Vater forderte sie offiziell zum Parteiaustritt auf, im August wurde er wegen „schwerer Verfehlungen“ aus der Partei ausgeschlossen. 2019 änderte sie den als rechtsextrem assoziierten Parteinamen „Front National“ in „Rassemblement National“ (Nationale Sammlung, RN). Den Clou lieferte sie jedoch kurz vor den diesjährigen EU-Wahlen, als sie sich für die Ausschliessung der deutschen AfD aus dem EU-Rechtsbündnis ID einsetzte – die Deutschen seien inzwischen zu rechtsradikal geworden. Diese Entscheidung machte sie zur Matchwinnerin bei den EU-Wahlen und den nachfolgenden französischen Parlamentswahlen. Viele Wähler meinten wohl, dass aus der einst rechtsradikalen Partei eine Volkspartei geworden wäre, die wesentliche Veränderungen in Frankreich erwirken könne. Rechts wurde plötzlich salonfähig.
Doch für viele bleibt Marine Le Pen die gefährlichste Frau Europas. Sie forderte den Austritt Frankreichs aus dem Euro. Inzwischen vertritt sie die Position eines losen Bündnisses der Nationalstaaten. Kritiker aber befürchten, dass sofort nach einer solchen Änderung ein Austritt der Grande Nation folgen würde – ein Frexit.
„Ihr Projekt würde die EU zerstören, wie sie heute ist!“
(Der Rechtsextremismus-Experte Jean-Yves Camus)
Französisches Recht soll über europäisches Recht gestellt werden. Den Kapitalismus und die Globalisierung will sie zugunsten Frankreichs bekämpfen („Links-Lepenismus“). Multi-Kulti lehnt sie strikt ab – die Ein-wanderung bezeichnet Le Pen als schädlichen Einfluss auf die französische Gesellschaft. Kriminelle Ausländer sollen sofort ausgewiesen und ein Referendum zur Einführung der Todesstrafte abgehalten werden. Wer eine französische Staatsbürgerschaft haben möchte, solle sich diese verdienen. Im Gegensatz zu ihren europäischen Gesinnungsgenossen respektiert Le Pen zumindest offiziell inzwischen das Pariser Klima-schutzabkommen. Auch die zuletzt durchgeführte Kurve, als sie dem ukrainischen Volk ihren Respekt aussprach, brachte ihr viele Stimmen. Gemeinsam mit ihrer Partei enthielt sie sich bei der Abstimmung über das Sicherheitsabkommen für die Ukraine in der Nationalversammlung ihrer Stimmen. Ihre Unterstützung der Ukraine halte sie von einem Nein ab – dabei war alles nur Wahlkampftaktik!
Für die anderen Parteien in Frankreich ist Le Pen deshalb so gefährlich, da sie einen Zustrom der weissen Wählerinnen in der Bevölkerung zum RN bewirkt. Die anderen Grossparteien sind männlich geführt. All diese Punkte (mit Ausnahme der Todesstrafe) hätten die grossen Mitte-Parteien schon längst zumindest teilweise umsetzen können. Deren Trägheit stärkt nun Marine Le Pen.
Das Sprachrohe des RN bekennt sich immer wieder zum russischen Kriegsaggressor Wladimir Putin. So bestritt sie die 2014 erfolgte Annexion der Krim als unrechtmässig (auch 2023 bezeichnete sie die Krim nach wie vor als „russisch“), fordert nach dem russischen Angriffskrieg eine intensivere Partnerschaft Frankreichs mit Russland (Wochen zuvor hatte sie Russland noch als „Aggressor der Ukraine“ bezeichnet) und spricht sich gegen Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland aus. Offizielle Begründung:
„Gewisse Sanktionen haben unsere Wirtschaft deutlich geschwächt und die französischen Haushalte mit voller Kraft getroffen.“
(Marine Le Pen)
Waffenlieferungen an die Ukraine schwächen die französische Armee im Falle einer „Krise hoher Intensität“! Das müsste ja dann wohl innerstaatlich sein, da Russland La France keinesfalls angreifen würde und die USA Verbündeter Frankreichs ist. Im Jahre 2014 gar wurde bekannt, dass der FN nicht weniger als 40 Mio € an Wahlkampf-Krediten aus Russland erhalten hatte. Investigativ-Journalisten der Washington Post deckten unter Bezugnahme von Geheimdienstquellen auf, dass der russische Präsident Putin den RN dazu verwendet, russische Argumente und Kriegspropaganda in Frankreich zu verbreiten („Transmissions-riemen“, Wortschöpfung des Politikwissenschafters Gilles Ivaldi). Nichts neues, sind doch auch die anderen europäischen Gesinnungskollegen ebenso recht erfolgreich darin.
Immer mal wieder schoss Le Pen über das Ziel hinaus. So verglich sie 2010 die muslimischen Strassengebete mit der Okkupation Frankreichs durch Nazi-Deutschland (Folge: Aufhebung der Immunität im EU-Parlament); 2014 hatte sie via Twitter Fotos von Greueltaten der islamis-tischen Terrormiliz IS verbreitet – erneut wurde ihre Immunität aufge-hoben und gegen Le Pen wegen Verbreitung von Gewaltbildern ermittelt; 2017 weigerte sie sich, 342.000 € an das EU-Parlament zurückzugeben. Sie hatte damit rechtswidrig Mitarbeiter des FN entlohnt. Le Pen wurde wegen Veruntreuung zweitinstanzlich zur Rückzahlung von 300.000 €verurteilt. Vor zwei Jahren wurde schliesslich bekannt, dass die ehe-malige Vorsitzende des RN in Ihrer Zeit als Mitglied des EU-Parlaments weitere 137.000 € für innenpolitische und/oder private Ziele zweckent-fremdet haben soll.
Ist der RN eine „Normale Partei“, als die er v.a. in ländlichen Regionen eingeschätzt wird? Was wird wohl aus Frankreich, was aus der EU, wenn diese Frau wirklich dermassen gefährlich ist, wie Experten sie ein-schätzen?
„Ich strebe eine absolute Mehrheit an, um das Land wieder aufzu-richten. Ich bin der einzige, der in der Lage ist, den linken Anführer Jean-Luc Melenchon zu schlagen!“
(Jordan Bardella, Vorsitzender des RN und dessen Spitzenkandidat für die Position des Premierministers)
Lesetipps:
.) Frankreich zwischen Le Pen und Macron; Julia Amalia Heyer; dtv 2017
.) Marine Le Pen: Tochter des Teufels. Vom Aufstieg einer gefährlichen Frau und dem Rechtsruck in Europa; Tanja Kuchenbecker; Herder 2017