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Gib Gummi!

Wohl ein Jeder kennt das Wort „Plastik“! Viele kennen auch „Kunststoff“! Doch bei „Kautschuk“ tun sich die meisten schwer. Lapidar wird er immer gerne dem Plastik zugeordnet – stimmt aber nicht. Plastik und Kunststoff werden zumeist aus Erdöl hergestellt, Kautschuk hingegen stammt von Bäumen! Er ist also ein Naturprodukt!!! Und – da haben wir schon wieder das Problem: Für alle Naturprodukte, die mit Gewinnabsicht hergestellt sind, werden immense Schäden an gerade dieser Natur in Kauf genommen. So leider auch beim Kautschuk. Riesige Ur- und Regenwälder müssen etwa in Südostasien den Kautschuk-Plantagen weichen. Klima-tologen und Botaniker schlagen deshalb Alarm. Zumeist bleibt diese jedoch ungehört.

Der Kautschukbaum (Hevea brasiliensis) stammt ursprünglich aus dem brasilianischen Amazonasgebiet. Er bevorzugt alsdann das feucht-tropische Klima mit viel Regen. Auch heute noch stammen rund 99 % des Naturkautschuks aus dem Hevea brasiliensis. Gewonnen wird der Kautschuk oder auch Gummi elasticum bzw. Resina elastica durch ein Anritzen der Rinde dieser Kautschukbäume. Der herausfliessende Milchsaft (Latex) wird in Eimern aufgefangen. Er ist übrigens geniessbar und schmeckt nach süsser Sahne.

Chemisch betrachtet ist Latex eine kolloide Dispersion, bestehend aus rund einem Drittel Kautschuk in einer wässrigen Lösung (Serum). Dabei ist der Hauptbestandteil ein Polymer aus Isopren-Einheiten mit Proteinen und Harzen. Der Kautschuk selbst ist bräunlich, er wird beim Abkühlen ab +3 Grad Celsius spröde, ab +145 Grad klebrig und zerfliesst ab 170 Grad Celsius. Löslich ist er durch Benzin, Ölen und chlorierten Kohlen-wasserstoffen.

Mitte des 18. Jahrhunderts brachte der Franzose La Condamine das Latex aus dem Amazonas-Gebiet nach Europa Nach Überlieferungen der Mayas und anderer indigener Völker wurde Kautschuk jedoch schon ab 1600 v. Chr. in Mittel- und Südamerika verwendet – nicht selten in Ballform für den Sport. Gegen 1770 entstand der erste Radiergummin, 1823 der Regenmantel und die Gummistiefel (“Mackintoshs”). Richtig bekannt wurde der Kautschuk allerdings erst ab 1839, als Charles Goodyear die Vulkanisation von Kautschuk (Vernetzung der Polymerketten) erfand. Das wurde von Henry Ford für seine Automobile aufgegriffen.

Die labortechnische Herstellung von Kautschuk gelang bis heute nur sehr schwer. Die wohl bekannteste Version davon brachte die Standard Oil of New Jersey während des 2. Weltkrieges mit dem Buna-Kautschuk heraus, der aber qualitativ nicht an den Natur-Kautschuk herankommt. Die deutsche Wehrmacht forschte parallel dazu an einer Naturvariante aus russischem Löwenzahn (Taraxacum kok-saghyz Rodin). Dies wurde jedoch aufgrund des Kriegsverlaufes wieder eingestellt.

Kautschuk ist vor allem in der Reifenindustrie sehr begehrt, da er unheimlich resistent ist. Bestehen die Reifen von Privat-PKW zu rund einem Drittel aus Kautschuk, so ist dessen Anteil in LKW- und Flugzeug-reifen wesentlich höher. Der Preis für das Naturprodukt explodierte richtiggehend zur Jahrtausendwende. Verantwortlich dafür zeichnete v.a. die chinesische Automobilindustrie, die mit Riesenschritten expandierte. Hierin erkannten sehr viele Bauern die Chance ihres Lebens und pflanzten ganze Kautschukbaum-Plantagen. Doch weit gefehlt: Bereits 11 Jahre später gab es dermassen viele Plantagen, das Wirtschaftswachstum Chinas verlangsamte sich, die Lagerbestände stiegen und stiegen. Die Preise purzelten in den Keller. Nahezu um 70 %. Und dies trotz nach wie vor grosser Nachfrage. Zudem setzte der Klimawandel auch den Kleinbauern immens zu: Hitze und Trockenheit, Frost und Taifune verrichteten enorme Ernteverluste. Viele chinesische Landwirte verloren durch Ernteausfälle Hab und Gut.

Ein gänzlich anderes Bild in Südostasien: In Ländern wie Thailand, Indonesien und Malaysia werden Regenwälder grossflächig abgeholzt um Platz für Kautschukplantagen zu schaffen. Sehr zum Unwohl der Botaniker und Klima- bzw. Umwelt-Forscher. Wie bei allen Monokulturen besteht die grosse Gefahr von Bodenerosion, Erdrutsche und Sedi-mentierungen von Flussläufen. Und schliesslich brechen die Stämme und Äste des Baumes bereits bei mittleren Windgeschwindigkeiten. Hinzu kommen unvorstellbare Mengen an Pestiziden, Fungiziden und Dünge-mittel.

Die grössten Produzenten von Naturkautschuk sind Thailand, Indonesien, Malaysia, Indien und China – zunehmend auch die Elefenbeinküste, Liberia und Nigeria. Damit Sie sich einen Überblick über das Ausmaß verschaffen können: Die Weltproduktion an Naturkautschuk belief sich 2020 auf 12,9 Mio Tonnen Naturkautschuk – der Weltmarktpreis ist zuletzt im April 2023 auf 1,54 US-Dollar pro Kilo gestiegen (Angaben: statista.de). Im Südwesten Chinas (Präfektur Xishuangbanna) beläuft sich die Bebauungsfläche auf nahezu 20 % der Landfläche. Auf dem Festland Südostasiens sind es 20.000 Quadratkilometer (eine Fläche grösser als Niederösterreich), zählt man die Inselstaaten hinzu, so sind es unglaubliche 250.000 Quadratkilometer – das ist weitaus mehr als die Fläche von Rumänien.

Eigentlich wäre es relativ einfach, die ökologischen Schäden zu bekämpfen oder gar zu verhindern. Etwa durch Mischwälder mit anderen Nutz- oder Obstbäumen und Kaffee, Tee oder Kakao im Unterholz. Entprechende Versuche laufen bereits seit einiger Zeit in Thailand und Indonesien durchwegs positiv. Hierbei müssen zudem wesentlich weniger Pestizide angewendet werden. In China wird wohl die Regierung dem Kautschukanbau Grenzen setzen. Viele der dortigen Plantagen befinden sich auf steilem Gelände. Peking möchte nun durch den Klimawandel begünstigten Naturkatastrophen ein Ende setzen – solche Regionen sollen renaturiert werden.

Bleibt zuletzt eine Frage:

Wieviel Naturkautschuk wird bei einem Formel I-Rennen verbraucht und wieviele Hektar Regenwald mussten dafür weichen???

Lesetipps:

.) Einführung in die Kautschuktechnologfie; Georg Abts; Hanser 2007

.) Handbuch der Kautschuk-Technologie; Hrsg.: Werner Hofmann/Heinz B. Gupta; Gupta 2001

.) Analysis of Rubber and Rubber-like Polymers; M.J.R. Loadman; Springer Dordrecht 1999

.) Chemistry, Manufacture and Applications of Natural Rubber; Shinzo Kohjiya/Yuko Ikeda; Woodhead Publishing Limited 2014

.) Einführung in die Kautschuktechnologie; Georg Abts; Carl Hanser Verlag 2007

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