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Das Märchen von der Gleichberechtigung

In Österreich wurde am 31. Oktober der „Equal Pay Day“ (EPD) begangen – „Gefeiert“ ist in diesem Zusammenhang absolut der falsche Ausdruck! Doch was bedeutet dieser ganz besondere Tag, der inzwischen in nahezu jedem Land der westlichen Hemisphäre als Mahndatum gelten soll? In Österreich gar zweimal – in der islamischen Welt hingegen undenkbar!

Der „Equal Pay Day“ ist in diesem Falle jener Tag, ab dem Frauen statistisch gesehen für den Rest des Jahres kostenlos arbeiten. In der Frühjahrsversion jener Tag, bis zu dem … – in Deutschland das nächste Mal am 06. März 2024! Beides im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen. Anders ausgedrückt: Bis zu diesem Tag im Herbst haben Männer das verdient, was Frauen für das komplette Jahr ausbezahlt bekommen. Zwei Monate bzw. regional sogar noch mehr, in welchen Männer mehr Geld auf dem Lohnzettel stehen haben als ihre Kolleginnen mit vergleichbarer Qualifikation in vergleichbaren Jobs! Hallo? Wir schreiben das Jahr 2023!!!

Dieser Missstand ist auch als „Geschlechter-Gehaltsschere“ bekannt. Beschämend der EU-Indikator „Gender Pay Gap“: Dieser Lohnunterschied im Jahres-Brutto-Einkommen bei Vollbeschäftigung lag 2021 im Alpen-staat bei 18,8 % (derzeit bei 16,9) während sich der EU-Schnitt im selben Jahr bei 12,7 % bewegte. V.a. das westlichste Bundesland Vorarlberg schlägt dabei aber sowas von zu: Der Equal Pay Day lag dort dieses Jahr beim 02. Oktober (22 %) – in Wien hingegen erst am 21. November!!!

https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Gender_pay_gap_statistics

Nur Estland ist mit 20,5 % in der EU noch schlechter. Am anderen Ende der Tabelle liegt Luxemburg mit -0,2 (Frauen verdienen hier ein paar Cent mehr als Männer), gefolgt von Rumänien mit 3,6 und Slowenien mit 3,8 %. Deutschland bewegt sich gleich nach Österreich bei 17,6, die Schweiz bei 17,7 % (alle Zahlen 2021). Eine Schande für reiche Industrie-staaten, die eigentlich diesen Gleichheitsgrundsatz jeweils in der Verfassung/dem Grundgesetz verankert haben.

Dass gar nichts getan wird, stimmt nicht: Es wird zu wenig und zu lang-sam für gleiche Bezahlung unternommen!

“Lohndiskriminierung ist ungerecht und schwächt unsere Gesellschaft als Ganze. †Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern ist ein zentrales Verfassungsversprechen, das es endlich einzulösen gilt.”

(Alain Berset, Bundesrat, Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern EDI)

Der Equal Pay Day wurde bereits 1966 in den USA eingeführt; organisiert durch das „National Committee on Pay Equity“ (NCPE), dem unter-schiedliche Frauenorganisationen, die Gewerkschaften uvam. angehören. Der Hintergrund: Damit sollte, drei Jahre nach dem Beschluss der Gleich-behandlung durch die US-Regierung, auf die ungerechte Ungleich-behandlung der Frauen, insbesondere aber der afro-amerikanischen Frauen hingewiesen werden. Auf dem europäischen Kontinent waren 3.800 Frauen im belgischen Herstal die ersten: Sie legten am 16. Februar 1966 ohne Vorwarnung die Arbeit nieder. Eigentlich sollte der Streik nur einen Tag lang dauern – daraus wurden aber 12 Wochen. 2007 folgte Deutschland mit der “Red Purse Campaign” nach Vorbild der USA, wonach mit roten Taschen auf die Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz hinge-wiesen werden sollte, ein Jahr später kam der EPD. Die Eidgenossen setzten ihn erstmals 2009 fest – dort trat am 01. Juli 2020 ein Gesetz zur besseren Durchsetzung der Lohngleichheit in Kraft. In Österreich wurde der Equal Pay Day erstmals im Jahr 2010 berechnet (ein Jahr später auf Initiative der EU-Kommission in Europa) – damals lag er beim 29. September, 2022 beim 30. Oktober – also nur einen Tag vor dem diesjährigen. Diese auf der nationalen Einkommensdifferenz berechnete Zahl wird vom Jahr abgezogen – ob hinten oder vorne ist eigentlich gleichgültig. Hinten jedoch erweckt einen sensibleren Eindruck! Am 06. Juni 2023 trat eine neue EU-Richtlinie in Kraft, die bis 2026 derartige Lohnunterschiede transparenter machen und damit abschaffen soll. Definiert werden alsdann “gleiche” und “gleichwertige” Arbeit. Enthalten ist zudem die Pflicht zu Einkommensberichten (auch in kleineren Unter-nehmen) und eine Aufschlüsselung der durchschnittlichen Gehälter. Arbeitnehmer-Vertretungen fordern die sofortige Umsetzung der Richtlinie – nicht so eilig hingegen haben es naturgemäss die Arbeit-geber.

Die Ursachen für diese Ungleichbehandlung sind vielfältig: Frauen leisten mehr unbezahlte Arbeit als Männer (Haushalt, Kindererziehung, Ehren-amt,…), haben zumeist eine geringfügige oder Teilzeit-Beschäftigung (“Care-Beschäftigung” für die Familie), arbeiten oftmals in Niedriglohn-Branchen, haben schlechtere Aufstiegschancen, erhalten tatsächlich ein geringeres Gehalt, …!

Was kann veranlasst werden? Neben dem Meinungswechsel der Chefs bedarf es auch eines Ausbaus von Kinderbetreuungs-Einrichtungen, Ganztags-Schulen etc., sodass Frauen nach der Karrenz wieder in’s Berufsleben einsteigen bzw. Vollzeit arbeiten können. Die Handhabung der letzten Jahrzehnte führt automatisch im letzten Lebensabschnitt vieler Frauen zur Altersarmut. Davon sind vor allem alleinstehende Frauen betroffen.

Den verantwortlichen Sozialpolitikern der DACH-Länder sei deshalb etwa Island an’s Herz gelegt: Verpflichtende Papa-Karenz, Wochenends- und Nacht-Kitas (für die Schichtarbeiter) und gleiches Gehalt bei gleicher Arbeit für Frau und Mann per Gesetz. Island lag übrigens 2021 im EU-Gehaltsscheren-Vergleich bei 10,4 %.

Lesetipps:

.) Gender Pay Gap – Vom Wert und Unwert von Arbeit in Geschichte und Gegenwart; Hrsg.: Rainer Fattmann; Dietz 2023

.) Arbeit, Entlohnung und Gleichstellung in der Privatwirtschaft; Hrsg.: Hans-Böckler-Stiftung; edition Sigma 2010

.) Frauen auf dem Sprung. Wie junge Frauen heute leben wollen. Die Brigitte-Studie; Pantheon 2009

.) Sieben Jahre Equal Pay Day – Eine Forderung wird zur Kampagne; Hrsg.: BPW Germany; BWV Berliner Wissenschafts-Verlag 2015

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