Ingwer – die verkannte Wunderknolle

„Superfood“ ist ein Wort, das seit einigen Jahren nicht mehr aus der Ernährung wegzudenken ist. Viele dieser Früchte- und Gemüsesorten habe ich in einem eigenen Blog bereits abgearbeitet. Sie kommen zumeist aus tropischen Gefilden und sind dementsprechend nicht wirklich nach-haltig, da sie tausende Kilometer an Transportwegen hinter sich haben. Zudem bieten heimische Pflanzen denselben gewünschten Effekt, fristen jedoch meist ein Schattendasein. Ingwer kommt ebenfalls aus den Tropen und Subtropen, kann aber auch hierzulande erfolgreich angebaut werden. Alsdann ist seine positive Wirkung auf unsere Gesundheit bereits oftmals untersucht und nachgewiesen worden. Weshalb also nach den Sternen greifen, wenn es einfacher und umweltbewusster ebenfalls geht.

Ingwer (Zingiber officinale) zählt – ebenso wie Kurkuma oder Kardamon – zur Familie der Ingwergewächsen. Über dem Boden gleicht die Pflanze etwas einem Schilfgewächs: Lange Pflanzenstengel und Blätter mit einer wunderschönen purpur-farbenen Blüte. Im Boden bildet sie allerdings einen recht dicken Erdspross (Rhizom), eine Wurzelknolle, die aufge-schnitten gelblich gefärbt ist und einen sehr aromatischen Duft ver-breitet. Im Mund beeindruckt sie durch Schärfe und zitronenähnlichen Geschmack.

In der Küche wird der Ingwer deshalb gerne als Gewürz oder Speisen-veredler verwendet. Doch entdeckten bereits die alten Inder seine gesundheitsfördernde Wirkung und setzten ihn in der traditionellen indischen Medizin ein. In der ayurvedischen Medizin ist er auch heute noch präsent und erfrreut sich immer grösser werdender Beliebtheit. Das Geheimnis liegt im Gingerol (Chemische Formel: C17H26O4)! Jenem Stoff also, der für die Schärfe der Knolle verantwortlich zeichnet. Im Pulver nurmehr wenig enthalten, entfaltet er in einer frischen Knolle seine volle Wirkung. Deshalb sollten etwa Tees oder Wasser stets mit ganzen Ingwerstücken und nicht mit Pulver zubereitet werden. Der Geschmack selbst kommt vornehmlich von den beiden anderen Inhaltsstoffen Zingiberen und Zingiberol. Auch er ist in ganzen Stücken am meisten ausgeprägt. Insgesamt konnten in der Knolle nicht weniger als 400 Inhaltsstoffe chemisch nachgewiesen werden.

Ingwer wird auf dem indischen Subkontinent schon seit Jahrhunderten gegen Blähungen und Übelkeit (also zur Förderung der Verdauung), aber auch gegen Menstruationsbeschwerden eingesetzt. Im Ayurveda spricht man deshalb vom „Entfachen des Verdauungsfeuers und des Gallen-flusses“.

In anderer Hinsicht sind die Gingerole, v.a. aber deren Abbauprodukte Shogaole, ebenfalls sehr empfehlenswert: Sie wirken antioxidativ und antibakteriell, also hemmend bei Entzündungen (anti-inflammatorisch). Deshalb wird Ingwer in der traditionellen Medizin auch bei Rheuma oder Arthrosen verwendet. Eine dänische Übersichtsstudie aus dem Jahr 2015 hat dies in einer Studie nachgewiesen, an der sich 600 Arthrose-Patienten beteiligten.

Daneben beeinflussen die Shogaole die Bildung des Enzyms Stickstoff-monoxid-Synthase (NO-Synthase). Dieses Enzym katalysiert Stickstoff-monoxid aus der Aminosäure L-Arginin, das der Körper für die unter-schiedlichsten Funktionen benötigt. NO aber hat eine Halbwertszeit von gerade mal fünf Sekunden und muss deshalb stets auf’s Neue produziert werden. Dadurch wird beispielsweise die glatte Muskulatur der Arterien beeinflusst, sodass etwa bei Muskelverletzungen mehr Blut fliessen kann, das nicht nur Abwehrstoffe zu-, sondern auch Abfallstoffe abführt.

Ferner wird – wie bei allen scharfen Ingredienzien – der Kreislauf und das vegetative Nervensystem angeregt. Zudem wird die Blutzucker-konzentration im Blut geregelt – besonders wichtig als Vorbeugung gegen Diabetes.

Und schliesslich aktiviert das Gingerol das Immunsystem. So wurde in einer Pilotstudie aufgezeigt, dass schon eine halbe bis eine Stunde nach dem Genuss von Ingwer (Tee) die Konzentration von 6-Gingerol im Blut stark ansteigt. Wie dieser Stoff nun auf das Immunsystem wirkt, bewies eine weitere Studie des Leibnitz-Instituts für Lebensmittel-System-biologie der TU München. Einfach formuliert: Es dockt an die Rezeptoren der neutrophilen Granulozyten (eine bestimmte Art der weissen Blut-körperchen) an und stimuliert diese. Dadurch fährt der Körper die Produktion derselben hinauf. Die weissen Blutkörperchen bekämpfen v.a. Bakterien. Allerdings mussten die Probanden in dieser Studie innerhalb von 20 Minuten einen ganzen Liter des recht starken Ingwertees zu sich nehmen um diesen gewünschten Effekt zu erzielen.

Ingwer ist aber beispielsweise auch bei Kuren ein gern gesehener Gast. Wird jeden Morgen ein Glas Ingwerwasser getrunken, so zügelt dies den Appetit und lindert das Verlangen nach Koffein zum Wachwerden. Ingwerwasser lässt sich ganz einfach herstellen: Ein 3-5 cm langes Stück Ingwerwurzel raspeln oder in feine Scheiben schneiden, mit einem Viertel Liter heissem Wasser übergiessen und zumindest 10 Minuten abgedeckt ziehen lassen. Dies öfters getrunken hilft auch bei Erkältungen und Halsschmerzen.

Ingwer kann sehr einfach im eigenen Garten angebaut werden. Es bietet vor allem drei Vorteile: Man hat stets frischen Ingwer zur Hand, wenn man ihn braucht, die Geldersparnis im Vergleich zum Kauf ist wesentlich, v.a. da eine Ingwer-Kultur sehr ergiebig ist und die wunderschöne Pflanze sorgt für den Hingucker im Garten. Als „Mutterknolle“ reicht bereits ein frisches, etwa fünf Zentimeter langes Stück einer Knolle mit jedoch nur einer Schnittstelle. Allerdings sollte dieses wirklich frisch sein. Der Ingwer liebt ein warmes und sonniges Plätzchen. Das kann im Garten, Gewächshaus oder auch im Haus sein. Winter mag er nicht. Bei einer Outdoor-Pflanzung empfiehlt sich alsdann ein Pflanzentopf, der in einem rund 10 Grad warmen Raum überwintern kann. Bis zum neuerlichen Austreiben im Frühjahr braucht die Knolle nur wenig Wasser und keinen Dünger. Beim Anbau in einem Beet wird sich die Pflanze nach acht Monaten zudem binnen kurzer Zeit wie Unkraut ausbreiten. Als Pflanzzeit sollte man den Januar oder Februar ins Auge fassen, damit im Herbst erstmals geerntet werden kann. Die Pflanze bevorzugt humus- und nährstoffhaltigen sowie lockeren Boden. Damit sich keine Staunässe bildet, sollte am Topf-Boden eine „Drainage“ aus Scherben, Kiesel- oder Bimssteinen sowie Blähton eingebracht werden. Den Rest mit Humuserde auffüllen. Das Ingwerstück flach mit der Schnittseite nach unten auf die Erde legen, mit etwas Erde abdecken, leicht anfeuchten und den Topf mit Klarsichtfolie abdecken – die jedoch täglich zur Lüftung geöffnet werden muss. Das Gefäss nun an einem hellen, nicht der prallen Sonne aus-gesetzten Platz mit durchgehend 20 Grad stellen. Beim täglichen Lüftungsöffnen immer etwas Wasser hinzugeben, damit die Erde leicht feucht bleibt. Werden die ersten Triebe sichtbar, hat die Knolle gewurzelt, die Klarsichtfolie kann nun entfernt und der Topf an einen sonnigen Platz gestellt werden. Die Erde sollte stets leicht feucht, nicht jedoch nass sein. Die Pflanze kann auch regelmässig zusätzlich besprüht und mit etwas Dünger versehen werden. Der Pflanzenstengel wird durchaus einen bis eineinhalb Meter hoch wachsen, ist also nicht für jede Fensterbank geeignet. Übrigens – erfolgt die Anpflanzung zu spät, wird es nicht zur Blütenbildung kommen, da das Wachstum der Knolle für die Pflanze Priorität hat. Der Duft der Blüte ist sehr angenehm und lockt viele Schmetterlinge an. Ist sie verblüht, bilden sich Kapselfrüchte mit schwarzen Samen, die für eine Aussaat verwendet werden können.

Sollte die Ernte tatsächlich erheblich ausgefallen sein, so kann Ingwer als Ganzes oder in kleinen Stücken eingefroren werden. Das sollte aber so frisch als möglich erfolgen.

Ingwer kann somit nicht nur geschmacklich ihre Küche, Ihr Wohlbefinden verbessern, sondern auch optisch einen Akzent in Ihrem Garten oder der Wohnung setzen.


Links:

Lesetipps:

.) Ingwer: Natürlich gesund mit der asiatischen Heilwurzel; Dr. Jörg Zittau; Lüchow Verlag 2020

.) Ingwer: Gesundheit und Genuss; Heinz Schilcher/Ralf Hiener; Hädecke Verlag 2017

.) Alleskönner Ingwer: Die natürliche Kraft der Superwurzel; Susan Branson; Kindle Ausgabe

.) Magischer Ingwer; Die Top 77 Ingwer Tipps zur Entzündungshemmung, Schmerzlinderung, Fettverbrennung und einem erfüllteren Liebesleben; Marco Bach; Eigenpublikation 2019

.) Ingwer: Eine vielseitige Wurzel; Ute Scheffler; Buchverlag für die Frau 2011

.) Gesund mit Ingwer: Das vielseitige Heimittel für körperliche und geistige Fitness; Ellen Heidböhmer; Herbig Verlag 2019

.) Ayurveda – Der Weg des gesunden Lebens; V. Verma; Wilhelm Heyne Verlag 1996

.) Ayurveda für jeden Tag. Die sanfte Heilweise für vollkommene Gesundheit und Wohlbefinden; E. Schrott; Goldmann Verlag 1998

No Comments »

30 Jahre – trotzdem kein Grund zum Feiern

†In diesen Tagen feierten die Tafeln Deutschland 30 Jahre Dienst am Menschen. Doch ist den vielen Mitarbeitern und den noch wesentlich mehr Ehrenamtlichen nicht wirklich zum Feiern zumute. 30 Jahre Tafeln bedeutet 30 Jahre Lebensmittelverschwendung und 30 Jahre Armut im ansonsten so reichen Deutschland. Zudem wird es immer schwieriger, das Angebot aufrechtzuerhalten. Supermärkte kalkulieren strenger, die Preise steigen und mit ihnen auch die Zahl der Hilfesuchenden – gerade jetzt nach einem Jahr Ukrainekrieg.

1993 wurde in Berlin durch die Initiativgruppe Berliner Frauen e.V. mit Sabine Werth die erste Tafel mit dem Ziel gegründet, nicht mehr verkauf-bare, überschüssige Lebensmittel v.a. an die vielen Obdachlosen in der Stadt weiterzugeben. Unterstützung erhielten die Frauen dabei durch die Lebensmittelproduzenten und Einzelhändler. Die Medien griffen dies auf und es dauerte nicht lange, bis ähnliche Organisationen gegründet wurden. Die beiden ersten davon in München und Neumünster. Inzwischen sind es deutschlandweit über 960 mit nicht weniger als 60.000 Helferinnen und Helfern – das grösste sozio-ökonomische Unter-nehmen zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen. 90 % dieser Helfer agieren ehrenamtlich, also unentgeltlich, wie auch der ehemalige deutsche Fussballinternationale Paul Breitner mit Frau jeweils am Montag bei einer Tafel in München.

Unterstützt wurden im Jahr 2022 dadurch zwei Mio Menschen – Tendenz stark steigend (ein Plus von 50 % im Vergleich zum Vorjahr)! Ein Drittel davon sind übrigens Kinder und Jugendliche.

„Zeitweise hatten in diesem Jahr rund 30 Prozent der Tafeln einen Auf-nahmestopp. Mehr als 70 Prozent der Tafeln haben zudem angegeben, dass sie weniger Lebensmittel haben.“

(Bundesvorsitzender Jochen Brühl)

Sie alle gehören dem Dachverband „Tafel Deutschland e.V.“ an. Jährlich werden durch sie rund 265.000 Tonnen Lebensmittel gerettet, die ansonsten wohl im Müll gelandet wären. Hinzugekauft wird nichts, gekaufte Sachspenden von Helfenden werden jedoch gerne angenommen. Auch dem Ausland blieb das Erfolgsrezept nicht verborgen: In der Schweiz gründeten sich die „Stiftung Schweizer Tafel“ und „Tischlein deck‘ Dich“, in Österreich die „Wiener Tafeln“, die „Salzburger Tafeln“, die „Pannonische Tafel“ bzw. in Vorarlberg „Tischlein deck‘ Dich“. Im süd-afrikanischen Kapstadt wurden mit „Feedback“, im australischen Sydney mit der „Food Bank“ ähnliche Organisationen gegründet.

Unzählige Spender und Sponsoren (wie die Unternehmensberatung McKinsey oder die Stiftung Deutsche Klassenlotterie) unterstützen die Tafeln finanziell, sodass Mieten und auch Betriebskosten bzw. Fahrzeuge bezahlt werden können. Die öffentliche Hand hielt sich (mit Ausnahme einiger Gemeinden) lange mit Zuwendungen zurück. Verweisen aber sehr wohl darauf. Wie etwa bei jenem Arbeitslosen, der im Jobcenter meinte, wie er mit diesem Geld überleben solle. Darauf meinte der Berater: „Dann gehen Sie doch zur Tafel!“

„Tafeln unterstützen manchmal nicht nur, sondern werden schon fest einkalkuliert.“

(Bundesvorsitzender Jochen Brühl)

Inzwischen werden einzelne Projekte des Dachverbandes durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, dem Bundes-ministerium für Bildung und Forschung sowie indirekt durch Zahlungen der Europäischen Union gesponsert.

Berechtigte (Berechtigungsausweis als Nachweis lt. Abgabenordnung § 53 und lokalen Begebenheiten) können nicht nur billiger oder gar kostenfrei bei den Tafeln einkaufen. Das Angebot wurde dank der vielen Freiwilligen erweitert: Mancherorts gibt es einen Mittagstisch (17 % der Tafeln bieten eine Suppenküche), Kinderbetreuung und Nachhilfeunterricht. Kein gutes Zeichen für die vielen überbezahlten Volksvertreter, die nach wie vor der falschen Auffassung sind, dass die Sozialmassnahmen des Bundes und der Länder ausreichen, ein Fallnetz zu bilden.

„Über 70 Prozent der Tafel bekommen weniger Lebensmittel – ich sage es nochmal – bei immer mehr Kundinnen und Kunden. Da sehen wir die Politik in der Verantwortlichkeit, denn es ist nicht unsere Aufgabe, Menschen zu versorgen.“

(Bundesvorsitzender Jochen Brühl)

Und – in den immer länger werdenden Schlangen vor den Tafeln sind nicht nur Flüchtlinge oder Arbeitsfaule zu finden. Immer mehr allein-erziehende Mütter, Senioren und Menschen, die einer Arbeit nachgehen, deren Gehalt aber zum Überleben nicht ausreicht, stehen ebenfalls teils stundenlang an. Viele weigerten sich bislang aus Stolz oder Scham, das Angebot anzunehmen. Durch die durch die Gierflation eingeleitete Teuerungswelle bleibt ihnen aber nichts anderes mehr übrig.

Die Tafeln selbst unterscheiden sich regional. Nicht nur im Angebot, sondern zudem in den Öffnungszeiten und den Serviceleistungen. So werden neben der Lebensmittelausgabe auch Projekte (wie eine kosten-lose Schulspeisung) oder Möbelbörsen angeboten.

Im Jahr 2006 gründete Claudia Hollm die Tiertafel Deutschland e.V., die Futter kostenlos an mittellose Tierbesitzer verteilt. Solche Tiertafeln gibt es inzwischen in den meisten deutschen Bundesländern – in Österreich bekannt als „Futterbox“. Auch eine Medikamententafel für verschrei-bungsfreie Arzneimittel unterstützt die Armen.

30 Jahre Lebensmittel retten und Menschen helfen (die Mission der Tafeln) – das gebührt grössten Respekt gegenüber der dort kostenlos Arbeitenden, sollten aber dennoch zum Überlegen anregen. Milliarden werden jedes Jahr in die Entwicklungshilfe für Afrika, Asien und Latein-amerika gesteckt, doch zuhause wird weiterhin verschwendet und trotz-dem steigt die Armut. Umso irrsinniger ist die Rechtssprechung: Con-tainern ist zwar inzwischen erlaubt, nicht jedoch auf dem Betriebsgelände des Unternehmens (Besitzstörung, Hausieren,…). Hier geht es nach wie vor um juristische Spitzfindigkeiten wie:

„… der Entsorgung überführt werden“ sollten, aber noch nicht in einen Abfallcontainer geschafft wurden, sondern ohne Überdachung in hohen, nach oben hin offenen Gitterwagen auf dem vollständig umzäunten „Gelände des R-Marktes“ lagerten.“

(Amtsgericht Düren)

Stellt also ein umsichtiger und humaner Marktleiter die nicht verkauften Lebensmittel möglicherweise in einem eigenen Karton auf die Strasse, so lockt er damit Ungeziefer wie Ratten an und wird insofern belangt. In einem nicht verschlossenen Container auf der Strasse agiert er gegen das Abfallwirtschaftsgesetz. Zudem könnte er ja auch belangt werden, wenn eine Person aufgrund des Containern zu gesundheitlichen Schäden kommt.

Das ist also die Vorstellung über soziale Absicherung der Bevölkerung aus der Bundes- und den Landeshauptstädten!

Die Produktion von Lebensmitteln ist sehr aufwendig und teuer. Millionen Menschen hungern auf anderen Kontinenten. Ihnen kann mit diesen Lebensmitteln nicht geholfen werden. Den Armen hierzulande jedoch sehr wohl. Nahrungsmittel sind zu wertvoll um weggeworfen zu werden. Die Tafeln übernehmen durch ihre Arbeit soziale Verantwortung – ein Wert, der vielen Menschen inzwischen abhanden gekommen ist. Auch Sie können helfen. Nehmen Sie einfach Kontakt mit der nächsten Tafel in Ihrer Umgebung auf. Geld- oder Sachspenden – aber auch Arbeit und Zeit – die Tafeln sind froh über jede Hilfe. Jochen Brühl übrigens, der Vorstand des Bundesverbandes, ist Sozialarbeiter, Diakon und Fundraiser. Er übt seine Funktion ehrenamtlich aus – dafür stellt ihn sein Arbeitgeber stundenweise frei.

Filmtipp:

– DAS! – NDR vom 09.12.2022

Lesetipps:

.) Tafeln im flexiblen Überfluss, Ambivalenzen sozialen und ökologischen Engagements; Hrsg.: Stephan Lorenz; transcript Verlag 2012

.) Tafeln in Deutschland – Aspekte einer sozialen Bewegung zwischen Nahrungsmittelumverteilung und Armutsintervention; Stefan Selke; VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009

.) Zwischen Mitleidsökonomie und Professionalisierung – Tafeln in wirtschaftsethischer Perspektive; Hrsg.: Alexander Dietz/Stefan Jung/ Daniel Wegner; LIT 2021

.) TafelGesellschaft. Zum neuen Umgang mit Überfluss und Ausgrenzung; Hrsg.: Stephan Lorenz; transcript verlag 2010

.) Fast ganz unten – Wie man in Deutschland durch die Hilfe von Lebens-mitteltafeln satt wird; Stefan Selke; Verlag Westfälisches Dampfboot 2009

Links:

No Comments »

Mercosur – Erneute Pleite für heimische Produzenten?

-†Ein Handelsabkommen jagt das andere – bei den meisten auf Kosten der heimischen Produzenten. Doch zumeist interessiert dies die Verhandler nicht – sie haben nur das Dollar-Zeichen in den Augen, wenn es um Exportmöglichkeiten geht. Erst bei der Ratifizierung durch die nationalen Parlamente kann dieser eine Moment des kurzen Überlegens einsetzen, sofern derartige Abkommen abgelehnt werden. Oftmals allerdings ist den Volksvertretern gar nicht bewusst, über was sie da abstimmen. Schliess-lich gilt der Fraktionszwang! Zudem bedarf es eines Master-Titels in Volkswirtschaft, v.a. aber in Wirtschaftsenglisch um derartige Werke überhaupt lesen zu können. Oder – man darf sie gar nicht lesen – wie im Handelsabkommen TTIP mit den USA!

JEFTA – das Handelsabkommen mit Japan trat erst am 01. Februar 2019 in Kraft – Langzeitauswirkungen sind somit noch nicht ausmachbar. Und schon befindet sich das nächste Abkommen auf Spur: Mercosur! Ein Freihandels-Abkommen mit den lateinamerikanischen Mercosur-Mit-gliedsstaaten. Für einen Markt mit zehn Prozent der Weltbevölkerung und 20 % des weltweiten BIPs. Seit zwei Jahrzehnten wird an diesem gefeilt – 2019 hätte es endlich unterschrieben werden sollen. Da legte Österreich ein Veto ein. Doch – dass dies nicht die einzige Kritik an einer künftigen Zusammenarbeit ist – das will ich in diesen heutigen Zeilen aufzeigen.

Die Geschichte von Mercosur („Mercado Común del Sur“ – Gemeinsamer Markt des Südens) begann am 26. März 1991 mit der Unterzeichnung des „Vertrages von Asunción“ mit dem Ziel eines südamerikanischen Binnen-marktes ohne Grenzen. Die Unterzeichnerstaaten damals waren Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Hinzu kam 2006 Venezuela. Drei Jahre später wurde das Abkommen mit dem „Protokoll von Ouro Preto“ konkretisiert. Trotzdem führte das Ende der 1990er-Jahre zu einem Stillstand. Zu Beginn des neuen Jahrtausends wurde deshalb ein „Neustart“ mit einer einhergehenden Stärkung der Zollunion nach innen und nach aussen durchgeführt.

Inzwischen hat sich einiges getan: Venezuela wurde am 1. Dezember 2016 dauerhaft suspendiert, Bolivien, Chile, Peru, Kolumbien, Ecuador, Suriname und Guyana geniessen als assoziierte Mitglieder nahezu Mit-gliederstatus. Als Beobachterstaaten agieren Mexico und Neuseeland. Mercosur steht für über 260 Mio Menschen, steht aber auch für politisch sehr unsichere Mitgliedsstaaten, wie zuletzt Brasilien unter dem Rechts-populisten Bolsonaro aufzeigte. Oder die Absetzung des Staats-präsidenten von Paraguay, Fernando Lugo, 2012, die zu einer vorüber-gehenden Suspendierung des Landes führte. Mitglieder des Mercosur können nämlich nur demokratische Staaten sein bzw. werden („Protocolo de Ushuaia sobre Compromiso Democrático“). Zudem geht es auch zunehmend um eigene Interessen der Mitgliedsstaaten. So fühlt sich etwa Uruguay, aber auch Paraguay, durch die Statuten des Mercosur vor allem bezüglich bilateraler Handelsabkommen mit anderen Ländern einge-schränkt. Diese sind laut Statuten eigentlich verboten.

Und es kriselt zudem in anderer, geschichtlicher Hinsicht: Immer wieder prallen Arbentinien und Brasilien aufeinander, aber auch Chile und Bolivien („Salpeterkrieg“) sind sich sehr ans Herz gewachsen. Tja und dann wäre da noch Venezuela. Dort regiert seit 2013 der damals frei gewählte Staatspräsident Nicolás Maduro Moros, der sich jedoch (etwa durch die Entmachtung der Nationalversammlung) immer mehr zum Despoten bzw. Diktator entwickelt. Daraufhin beschlossen am 02. Dezember 2016 die Gründungsmitglieder die dauerhafte Suspendierung des Landes. Delcy Rodriguez, die damalige Aussenministerin Venezuelas, wollte noch am 14. Dezember 2016 am Mercosur-Treffen in Buenos Aires teilnehmen, wurde aber mittels Polizeieinsatz daran gehindert. Ein Vorgang, der jederzeit auch in anderen Mitgliedsstaaten vor sich gehen könnte. So spricht etwa die Deutsche Forschungsgemeinschaft in ihrer Demokratiematrix 2021 von einer defizitären Demokratie in Uruguay und einer moderaten Autokratie in Venezuela.

Jedes halbe Jahr findete ein Gipfeltreffen der Präsidenten der Mercosur-Staaten statt.

„Der Rat des Gemeinsamen Marktes tritt jedes Mal zusammen, wenn er es für sinnvoll erachtet, verpflichtend ist mindestens eine Sitzung im Semester unter der Beteiligung der Präsidenten der Mitgliedstaaten.“

(Art. 6 des Protokolls von Ouro Preto)

Mit den USA wird schon seit langer Zeit über eine gesamtamerikanische Freihandelszone (FTAA) verhandelt – doch wer Washington kennt, weiss: Unter Vorgaben der US-Amerikaner. Mit der EU besteht seit dem 15. Dezember 1995 ein Assoziierungsabkommen. Zu Beginn erschwert wurde das Prozedere, da es kein einheitliches Mercosur-Verhandlungsteam gab, sondern die Gründungsstaaten jeweils ein eigenes Team abstellten. Durch neue Regierungen dort kam es immer wieder zu teils gegen-sätzlichen Interessen. 2004 schliesslich wurde mit dem Abschluss der Verhandlungen gerechnet – jedoch forderten die Mercosur-Staaten für ihre Agrarprodukte den Zugang zum europäischen Markt. Dies reduzierte die Gespräche auf eine rein technische Ebene. In der DOHA-Runde versuchte die WTO zu vermitteln, was jedoch nicht wirklich von Erfolg gekrönt war. 2017 stimmte die EU laxeren Kontrollstandards bei Lebens-mittelimporten zu, wenn im Gegenzug dafür mehr Autos nach Süd-amerika exportiert werden dürfen. Ende Juni 2019 schliesslich lenkte die EU ein („agreement in principle“). Vornehmlich die deutsche Autoindustrie jubelte, die Bauernverbände hingegen kritisierten lautstark die Entscheidung, da es eine Wettbewerbsverzerrung zu Ungunsten der heimischen Bauern bedeute. Der damalige österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz legte daraufhin sein Veto ein. War Kurz zumindest poli-tisch alleine, so erhielt er durch wissenschaftliche Einrichtungen Zustimmung: Das Abkommen widerspräche den drei Grundprinzipien des „European Green Deals“:

.) Bis 2050 keine weiteren Netto-Treibhausemissionen

.) Entkoppelung des Wirtschaftswachstums von der Ressourcennutzung

.) Keine Benachteiligung von Gruppen oder Regionen durch die wirt-schaftliche Entwicklung.

Der Meinung schlossen sich das Helmhotz-Zentrum für Umwelt-forschung, das Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum und auch die Humboldt-Universität Berlin an.

Durchaus nach wie vor ein schwergewichtiger Streitpunkt. Agrarprodukte bedeutet für die lateinamerikanischen Länder heute vornehmlich Soja, Rindfleisch und Mais. Für den Anbau von Soja und Mais, aber auch für Grünfläche in der Rinderzucht wird wertvoller Regenwald zumeist brandgerodet. Daneben hat die EU genug Rindfleisch, wie die grauen-vollen Rindertransporte in den Nahen Osten immer wieder aufzeigen. Und zuguterletzt scheren sich die südamerikanischen Produzenten nicht im geringsten um die Rechte ihrer Arbeiter – hier kommt es zu enormem Sozial- und Lohndumping. Doch nicht nur in der EU gab es krtische Stimmen – auch die Schweiz sah sich mit ähnlichen Fragen konfrontiert, verhandelte Mercosur doch parallel dazu auch mit den EFTA-Staaten. So titelte am 23. Dezember 2017 die eidgenössische Bauernzeitung: „Wer will Fleisch aus Südamerika?“

Zu den Punkten im Einzelnen:

.) Abholzungen und Rodungen

Unter der Regierung des rechtspopulistischen Bolsonaro wurde in Brasilien so viel Amazonas-Regenwald wie noch nie gerodet. Die dadurch freigesetzte Anbaufläche ist aber nur für wenige Jahre nutzbar und liegt schliesslich brach. Der Regenwald jedoch hat eine enorme Bedeutung für das Weltklima. Wird nun der Absatz von Soja, Mais und Rindfleisch erhöht, so wird wohl noch mehr Regenwald zerstört werden, auch wenn dies wie vor Bolsonaro gesetzlich verboten ist. Aber auch die Savannen-wälder am brasilianischen Cerrado und die Trockenwälder des argentinischen Gran Chaco werden dies wohl nicht überstehen. Das EU-Gesetz vom Dezember 2022, wonach Waren in der EU nicht verkauft werden dürfen, wenn für deren Herstellung Regenwald geopfert wurde, sei mit einem lautstarken Lachen quittiert. Schliesslich wird Soja nach wie vor verkauft – auch Hühnerfleisch oder Zuckerrohr. Zudem stehen bereits Bergbau-Unternehmen Schlange, die an die Rohstoffe unter den Wäldern wollen und dabei keinen Wert auf Klima- und Regenwaldschutz legen. Ähnlich wie das Klima nähert sich auch der Amazonas Regenwald einem Punkt, an dem er zu kippen droht – das eigentlich selbsterhaltende Ökosystem bricht zusammen. Dann wird es kein Zurück mehr geben.

.) Agrarprodukte

Mais und Rindfleisch werden auch in Deutschland und Österreich „produ–ziert“. Sogar mehr, als regional gebraucht wird. So weist die Statistik Austria zum 01.12.2022 einen Rinderbestand von 1,86 Mio (9.000 Tiere weniger als im Jahr zuvor) auf, das Statistische Bundesamt Deutschland zum 01.11.2022 11,0 Mio (42.700 weniger als im Jahr zuvor). Gründe dafür sind sicherlich u.a. das Bauernsterben und die Neuorientierung bei den Ess- und Lebensgewohnheiten. Neben den unmenschlichen Rinder-exporten zeigt auch die Vergasung von Mais anstelle der Einbindung in die Nahrungskette auf, dass zuviel davon da ist. Kommen nun noch mehr Billigfleisch, Soja und Mais über den grossen Teich nach Europa, so muss durchaus mit einer Existenzbedrohung der verbliebenen Vieh- und Ackerbauern gerechnet werden. Eine gemeinsame Studie von Green-peace und Misereor geht davon aus, dass durch Mercosur der Import von Rind- und Hühnerfleisch jeweils um die Hälfte zunehmen wird.

.) Bioethanol

Dieser wird in Lateinamerika massenweise aus Zuckerrüben gewonnen. Sollte nun Europa damit überschwemmt werden (die zuvor ange-sprochene Studie von Greenpeace und Misereor geht von einer Versechs-fachung aus), so wird sich dies durchaus kontraproduktiv auf die weitere Nutzung von Biogas aus Gülle und Mist auswirken. Bereits heute könnte wesentlich mehr davon produziert und genutzt werden – das billige Erdgas aus Russland hatte dies bis zum Ukrainekrieg unterbunden. Anstatt dessen entweicht Methan einfach nach wie vor in die Umwelt, wo es wesentlich aggressiver als CO2 das Klima beeinflusst.

.) Standard und Arbeitsschutz

Viele der Produkte aus Lateinamerika entsprechen nicht den EU-Standards, die jedoch von hier ansässigen Produzenten eingehalten werden müssen. Hierzu zählen neben dem vermehrten Einsatz von Pestiziden (die in der EU nicht mehr zugelassen sind) selbstverständlich auch die gerechte Entlohnung und zumutbaren Verhältnisse der Arbeiter. Während hierzulande Mindestlöhne eingehalten werden müssen, liegt die Entlohnung der lateinamerikanischen Landwirtschaftsarbeitern weit darunter. Dies führt zu einer enormen Wettbewerbsverzerrung, die durch qualitative Unterschiede schlussendlich auch den Konsumenten treffen wird.

.) Klimaschutz

Wenn auch der Klimaschutz in Südamerika möglicherweise eingehalten wird, so wird dies durch den Transport über tausende von Kilometern wieder zunichte gemacht. So hat ein Apfel aus brasilianischer Erzeugung, ein Steak aus argentinischer oder gar Grillkohle aus Paraguay einen wesentlich grösseren CO2-Fussabdruck als dieselben Produkte aus heimischer Erzeugung. Ja – richtig gelesen: Grillkohle! Paraguay expor-tiert jährlich Grillkohle im Wert von 40 Mio US-Dollar, damit Herr Schmidt in Buxtehude seiner samstäglichen Lieblingsbeschäftigung nachgehen kann.

Für die neue Verhandlungsrunde fordert Brüssel eine beschleunigte Durchsetzung durch ein Splitting der Assoziierungsabkommen. Soll heissen, dass die EU-Mitgliedsstaaten vor vollendete Tatsachen gestellt werden und keinerlei Mitspracherecht mehr besitzen. Die österreichische Bundesarbeiterkammer spricht bereits von einem „Angriff auf die Demo-kratie“ und fordert gemeinsam mit 200 anderen Organisationen einen sofortigen Stopp der Verhandlungen.

Unterstützt wird dies alsdann vom „Trend zur Deglobalisierung“. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass eine zu grosse Abhängigkeit von weltweiten Handelsströmen existenzbedrohend werden kann. Die Produktionen werden wieder zurückgeholt. Dies bescheinigt das Kieler Institut für Weltwirtschaft anhand der harten Wirtschaftsdaten. Die Tatsache blieb auch Buenos Aires und Brasilia nicht verborgen: Seit 2021 stagnieren die argentinischen Exporte und auch Brasilien musste zuletzt einen spürbaren Rückgang verzeichnen. Durch eine rasche Umsetzung der Freihandelszone mit der EU könnte dem entgegen gewirkt werden.

Trotzdem gibt es in der EU einen spürbaren Gegenwind. Den Bedenken Österreichs haben sich inzwischen Frankreich und Belgien angeschlossen. Für den Vertrag hingegen ausgesprochen hat sich der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz. Kein Wunder, machen doch die Exporte von Produkten aus dem Maschinen- und Fahrzeugbau rund ein Drittel der Gesamtexporte aus. Das käme der bundesdeutschen Industrie sehr zugute. Allerdings besteht eine Zwickmühle für den Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen, die noch 2019 lautstark zum Ausdruck brachten: „… fatale Entscheidung für Klimaschutz und Menschenrechte“ – nachzulesen etwa in „Der Stern“ vom 29. Juni 2019.

In anderer Richtung ist die EU schon jetzt der wichtigste Absatzmarkt der Mercosurstaaten. Sie liefern vornehmlich Produkte aus der Landwirt-schaft, Lebensmittelindustrie und dem Bergbau. Zudem will Argentinien auch einen verlässlichen Abnehmer für das aus Fracking gewonnene Flüssiggas.

Es dürfte nun alles von Luiz Inácio Lula da Silva und seiner Regierung in Brasilien abhängen. Nicht nur da Brasilien das wirtschaftlich und flächen-grösste Mercosur-Mitgliedsland ist, sondern auch aufgrund seiner Versprechen. So will er die Abholzung des Regenwaldes stoppen, die soziale Gerechtigkeit wiedereinführen und Brasilien zurück zur Demo-kratie führen.

Nicht, dass Sie mich nun falsch verstehen: Eine intensivere Zusammen-arbeit zwischen Lateinamerika und Europa ist durchaus wünschenswert. Allerdings hat gerade der Fall Bolsonaro aufgezeigt, dass das politische Abkommen zwischen beiden Kontinenten, die „biregionale Partnerschaft der EU mit den Staaten Lateinamerikas und der Karibik („Comunidad de Estados Latinoamericanos y Caribeños“, CELAC)“, sehr rasch zu Schall und Rauch werden kann und das Papier mehr wert ist als die darauf enthaltene Unterschrift. Zudem – wenn ein Abkommen auf dem Rücken und zu Ungunsten der Bevölkerung geschlossen wird – sollten die Volks-vertreter lautstark auf ihre eigentliche Funktion hingewiesen werden. Dies geschieht nun gottlob anlässlich des Mercosur-Abkommens!

Lesetipps:

.) Lateinamerika im internationalen System. Zwischen Regionalismus und Globalisierung; Hrsg.: Bodemer/Gratius; VS Verlag für Sozial-wissenschaften 2003

.) Die Freihandelszone zwischen Mercosur und EU. Eine von Hindernissen geprägte Kooperation; Silvia Hunger; VDM Verlag Dr. Müller

.) Der Mercosur. Wirtschaftliche Integration, Unternehmer und Gewerk-schaften; Wolfram Klein; Arnold-Bergstraesser-Institut 1996

.) Der Mercosur in der Weltökonomie. Eine periphere Handelsgemein-schaft in der neoliberalen Globalisierung; Ingo Malcher; Nomos 2005

.) Der Mercosur. Rechtsfragen und Funktionsfähigkeit eines neuartigen Integrationsprojektes und die Erfolsaussichten der interregionalen Kooperation mit der Europäischen Union; Ulrich Wehner; Nomos 1999

Links:

No Comments »

Das blutige Schlachten geht weiter

r

Ich liebe Kanada! Ja, ganz ehrlich. Das Land lebt unter dieser Regierung vor, wie es gehen könnte. Doch in einem Bereich bin ich ein scharfer Gegner und erbitterter Kritiker: In der Fischerei und im Speziellen im „Seal Harvest“ – der Robbenjagd!

Wenn es um kleine Babies oder Kinder geht, wird sogar das Herz des härtesten Mannes weich! Tja – leider ein Irrglaube! Auch in diesem Jahr werden in Kanada Sattelrobben-Babies, sog. „Heuler“, auf die grausamste Art und Weise getötet! Die EU verhängte im Jahr 2009 ein Importverbot für „Waren“ aus dem kommerziellen kanadischen Robbenmassaker (Ver-ordnung (EG) Nr. 1007/2009). Nach Schätzungen konnten dadurch seit-her rund 4 Mio Robbenbabies gerettet werden. Zum Vergleich: Die russische Regierung hat die Jagd im Frühjahr 2009 per Gesetz verboten, zwei Jahre später folgte ein Einfuhrverbot für Robbenprodukte. Russland war der grösste Abnehmer der Felle.

„Das Fehlen internationaler Märkte, die zunehmend unsichere Eissituation und zuletzt Corona haben zu einer drastischen Verkleinerung der Jagd bei-getragen.“

(Andreas Dinkelmeyer, Campaignsmanager IFAW)

Norwegen strich 2014 alle Subventionen. Damit rentiert sich die kommer-zielle Jagd nicht mehr. Doch nimmt hier das blutige Treiben bizarre Züge ein: Unter https://www.bookyourhunt.com/de/grey-seal-hunting kann zwischen 19. Januar und 19. Februar eine Jagd auf Kegel-robben gebucht werden. Für 850,- € in Kanada, Norwegen oder Finnland, wo die Jagd nach wie vor erlaubt ist! Nicht das einzige Angebot: Auch TTA-Jagdreisen bietet derartige blutige Erlebnis-Urlaube an!

Nur in Kanada, auf den Faröern/Grönland und in Namibia werden die vermeintlichen Fischräuber noch kommerziell in grosser Zahl auf gross-teils bestialische Art und Weise getötet – in Jahren ohne Corona mehrere Zigtausend jedes Jahr!

Die Sattelrobbe (lat.: Phoca groenlandica ) entstammt eigentlich der Familie der Hundsrobbe und lebt bevorzugterweise in der Arktis, also in der Grönlandsee, dem Weissen Meer und im Golf des Sankt-Lorenz-Stromes. Die Säugetiere ernähren sich vornehmlich von Fischen und Krebsen, sind hervorragende Schwimmer und tauchen bis zu 200 m tief. Dies alles aber hilft ihnen auf dem Land nicht weiter – dort sind sie hilflos. Während die männliche Sattelrobbe ein silbergraues Fell mit einem schwarzen Kopf und einer schwarzen, hufeisenförmigen Markierung von den Schultern führend über beide Flanken besitzt, sind die Weibchen viel blasser und neigen ab und an zur Fleckenzeichnung. Dies macht das Fell der erwachsenen Tiere für die Jäger uninteressant! Sie haben es auf das weiche und weisse Fell der Jungtiere im Alter von zwei Wochen bis drei Monaten abgesehen. Diese Tiere können noch nicht schwimmen und sind deshalb ihren Mördern unmittelbar und hilflos ausgeliefert.

Robben wurden immer schon durch die Völker der Nordregionen (wie etwa den Inuits) wegen ihres Fleisches und des Fells gejagt. Doch sie taten dies um zu überleben. Und das unterscheidet die Inuits von den kommerziellen Robbenjägern: Die Ureinwohner töten keine Tier-Babies! Die kommerzielle Jagd hingegen begann im 16. Jahrhundert und erreichte ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert. So wurde nicht selten auf Neu-fundland der komplette Nachwuchs, eine ganze Generation ausge-löscht.

Um den Pelz nicht zu schädigen, werden die Tiere durch einen oder mehrere Hiebe mit der stumpfen Seite des Hakapiks auf den Kopf geschlagen. Dadurch soll der Schädelknochen brechen. Danach erfolgt ein tiefer Stich mit der spitzen Seite in das Gehirn. Durch einen Schnitt in die vorderen Gliedmaßen soll das Tier verbluten! Doch viele halten sich nicht daran! Damit das Fell nicht verschmutzt, wird meist nur der erste Schlag ausgeübt und das Kleine bei lebendigem Leib gehäutet. Es geht elendigst zu Grunde. Auch das Abschiessen ist nicht besser – oftmals werden die Tiere nur verletzt und können fliehen. Schätzungsweise treffen 50 % der Schüsse nicht richtig. Sie krepieren dann an der Verwundung oder ertrinken.

2009 wurden auf diese Art und Weise offiziell 338.200 Tiere gemordet – 2011 wurde mit 468.200 die höchste Quote freigegeben – massakriert wurden allerdings „nur“ 38.000 Tiere. Im Jahr 2017 waren es 82.341 Tiere (80.924 Sattelrobben, 1.417 Kegelrobben), 2019 32.102 – offiziell, die Dunkelziffer liegt weitaus höher! Im Jahr 2020 coronabedingt 388 – die Robbenjagd wurde am 15. März durch die Regierung gestoppt. Den Muttertieren sollte dadurch Zeit für die Aufzucht der Kleinen gegeben werden. Das aber sorgte für lautstarke Proteste der Jäger. Dieses Mal argumentierten sie jedoch nicht mit den Fellen der Jungtiere, sondern mit dem Fett der Mutterrobben, das in weiterer Folge zu Öl verarbeitet wird. Ein Barrel erzielt einen Preis von bis zu 257,- US-Dollar. Ist die Stillzeit vorüber, haben die meisten Muttertiere im wahrsten Sinne des Wortes „abgespeckt“! Dennoch ist dieses Massaker sinnlos, da der Verkauf von Robbenprodukten (inklusive des Öls) in der EU und den USA seit Jahren verboten ist, nur China nahm derartige Produkte noch ab – jedoch zuletzt immer weniger. Die Felle stapeln sich in riesigen Lagerhallen und vermodern. Einzige Ausnahme von diesem Einfuhrverbot der EU: Produkte der Inuits! Sie sind auch nicht Inhalt der scharfen Proteste der Tierschützer.

www.youtube.com/watch?v=E2nuyGa109o

Bereits in den 1960er Jahren kam erste Kritik an diesem blutigen Treiben auf. In den 80er Jahren wurde die breite Öffentlichkeit durch die Franz Weber Foundation aus der Schweiz auf diese Unmenschlichkeit aufmerk-sam gemacht, eine weltweite Unterschriftenaktion gestartet, das Ergebnis der kanadischen Regierung auf den Tisch gelegt. Doch jenseits des grossen Teiches rührte sich nichts! Protestkundgebungen gab es erneut während der Olympischen Winterspiele in Vancouver – auch auf das hin tat sich freilich nichts. Das ansonsten so hilfreiche und gast-freundliche Kanada verbittet sich eine Einmischung von ausserhalb – die Robbenjagd wird nach wie vor jährlich mit 2,5 Mio Dollar subventioniert – dies führte 2022 zu einem Gesamtpreis von rund 27 CAD$ (20 €) pro Robbe (2006 waren es noch 102 CAD$)! Die Rechtfertigung des Fischereiministeriums: Robben und Seelöwen fressen zu viel Fisch – v.a. Kabeljau. Dabei ist einzig und allein der Mensch für die Überfischung der Weltmeere verantwortlich (siehe hierzu die Fangquote Labradors und Neufundlands 2022 unter

https://www.inter.dfo-mpo.gc.ca/publications/reports_rapports/†Cod_Morue_2022_eng.htm)!

Die Kabeljau-Bestände auf den Grand Banks vor Neufundland brachen bereits in den 1990er Jahren wegen Überfischung zusammen. Daneben wären tausende Menschen auf das Einkommen aus der Robbenjagd angewiesen – immerhin mache dies rund 25-35 % der Einkommen der Fischer aus. Dann stellt sich mir jedoch die Frage, weshalb die zumeist noch lebenden Tiere enthäutet und blutverschmiert, grauenvoll krepierend auf den Eisschollen zurückgelassen werden. Ab März werden jedes Jahr innerhalb nur weniger Tage offiziell zigtausende Tiere abge-schlachtet. Für 2022 belief sich die die Fangquote des Fischerei-ministeriums auf 400.000 (mehr als 1/3 der gesamten Jungtier-population) – Zahlen für heuer sind noch nicht bekannt.

Weshalb es im 2020 und 2021 „nur so wenige“ waren, liegt nicht etwa an den weltweiten Protesten, sondern vielmehr an den Auswirkungen der Corona-Pandemie. So mussten viele der Workshops und Trainingscamps abgesagt werden – ein Präsenzbesuch ist jedoch für die Jäger verpflichtend. Die beiden Pelz-Verarbeitungsbetriebe auf Neufundland waren ebenfalls wegen CoVID-19 geschlossen. Daneben hatte im April 2020 das Fischereiministerium das Fischen in Küstennähe bis zum 01. Mai untersagt. Umwelt- und Tierschutzaktivisten deuten dies als ein positives Zeichen dafür, dass ein Ende der Robbenjagd endlich bevor-stehen könnte. Vor allem, da auch die Tiere sehr unter den Klima-änderungen zu leiden haben – 2021 starben bereits viele der Neugeborenen, die auf dem Eis zur Welt gebracht wurden. Das Eis im Golf des St. Lorenzstroms war schlichtweg zu dünn.

Das Einfuhrverbot für Produkte aus der kommerziellen Robbenjagd besteht seit Anfang 2010. Deren Inkrafttreten war von heftigen Protesten aus Kanada begleitet. 2013 allerdings entschied die Welthandels-organisation (WTO), dass dieses Einfuhrverbot mit den WTO-Gesetzen übereinstimme, da öffentliche, moralische Bedenken dem zugrunde liegen. Kanada unternahm im Rahmen des Freihandelsabkommens CETA einen erneuten Versuch, das Ganze zu kippen, scheiterte jedoch. Erhielt ein „Jäger“ vor diesem Verbot noch rund 100,- € pro Fell, so waren es zuletzt nurmehr 9,- €. Das macht dies auch nicht mehr unbedingt lukrativ – 2006 gingen noch 5.594 auf die Jagd – zehn Jahre später waren es nurmehr 1.000 – offiziell!

Auch die Modeindustrie reagierte darauf – als erster der verstorbene Karl Lagerfeld, der schon 2010 in seinen Shows Kunstpelze präsentierte und betonte, dass dies ein hervorragendes Ausgangsmaterial für die Produktion wundervoller Bekleidung wäre. Trotzdem gibt es nach wie vor Menschen, die sich ein totes Tier um den Hals oder über die Schultern hängen! Bitte verstehen Sie mich dabei nicht falsch: Ich will den Berufsstand der Kürschner hiermit nicht verteufeln! Es liegt in der Natur des Menschen, dass er sich das Tier zum Untertan macht und es im wahrsten Sinne des Wortes auch „verwertet“. Hat ein solches Geschöpf ein erfülltes Leben gehabt, lasse ich mit mir reden! Doch: Werden kleine Babies abgeschlachtet, nur um damit die vollen Rendite zu machen, dann hört zumindest bei mir der Spass auf. Das gilt auch für Namibia, wo ab dem 01. Juli wieder tausende Robben am Strand abgeschlachtet werden (jährlich bis zu 100.000 – zuletzt ebenfalls weniger).

Viele Umweltorganisationen haben auf die alljährlich stattfindenden Grausamkeiten hingewiesen, doch blieb ihr Ruf meist ungehört. Der IFAW hat vor acht Jahren eine Petition gestartet – die 97.144 Unterschriften wurden jedoch in Ottawa offenbar ignoriert. Ich habe – im Rahmen der damaligen Unterschriftenaktion von Franz Weber – auch meine Schule mit eingebunden – mit Ausnahme von zwei Personen haben inklusive des Lehrkörpers alle unterschrieben – die Foundation bedankte sich in einem Schreiben persönlich bei mir. Einige Jahre später protestierten auch Paul McCartney und Pamela Anderson gegen die Robbenjagd. Bereits 1976 war es Brigitte Bardot, die sich für die Heuler stark machte. Aufgrund der heutigen Möglichkeiten ist dies doch weitaus besser und komfortabler online zu bewerkstelligen! Deshalb bitte ich Sie: Unterstützen sie Organisationen wie den IFAW oder die Franz Weber Foundation bei deren Arbeit – es muss nicht immer unbedingt mit Geld sein! Zeitweise hilft auch eine einfache Unterschrift in einer Petition!!!

https://www.peta.de/themen/robbenjagd-kanada-petition/

oder

www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/artenschutz/robbenjagd

Bitte – im Sinne der kleinen Heuler!!!

PS: Ich habe auf Facebook eine Gruppe mit dem Titel „Schluss mit dem Massaker“ gegründet. Ein Beitritt von Ihnen würde mich sehr freuen.

Links:

– www.harpseals.org

– www.ffw.ch

– www.tierschutzbund.de

– www.ifaw.org

– www.peta.de

– www.robbenschutz.de

– www.stopptdierobbenjagd.de

– www.greenpeace.de

www.greenpeace.ca

– www.oceancare.org

– www.animal-spirit.at

– www.fondationbrigittebardot.fr

– www.rspca.org.uk

– www.humanesociety.org

www.seashepherd.org.uk

– www.nfl.dfo-mpo.gc.ca/

– www.gov.nl.ca/ffa/fishaq/sealing/

– www.nhes.org/will-canada-end-seal-hunting/

– www.sealharvest.ca

No Comments »

Die Show der Shows

Ganz Amerika fiebert derzeit auf ein Ereignis hin – auch hierzulande werden bereits massenweise Bier und Snacks eingekauft und die Plasma-TVs bzw. Beamer in den Party-Kellern oder Garagen zurechtgerückt: In der Nacht von Sonn- auf Montag (12. auf 13. Februar) wird der LVII. Super Bowl über die Bühne gehen – Kickoff ist um 00.30 Uhr MEZ bzw. 16.30 Uhr Ortszeit. Dabei treffen im Stade Farm Stadium in Glendale/ Arizona die Philadelphia Eagles auf die Kansas City Chiefs. Das Stadion ist die Heimstätte der Arizona Cardinals.

Die Kansas City Chiefs verloren 2021 das Finale gegen die Tampa Bay Buccaneers (mit Tom Brady als Quarterback) mit 31:9, gewannen jedoch das Jahr zuvor mit 31:20 gegen die San Francisco 49ers. Etwas rarer machten sich da die Philadelphia Eagles – sie gewannen 2018 mit 41:33 gegen die New England Patriots.

In diesem Jahr gibt es zudem eine Premiere: Den „Kelce Bowl“! Der Tight-End bei den Chiefs, dem Vertreter der NFC, ist Travis Kelce – sein Bruder Jason Kelce hingegen spielt als Center bei den Eagles in der AFC. Das gab’s noch nie in der ganzen Geschichte des Super Bowls. Jason meinte noch anlässlich des NFC-Finales der Mannschaft seines Bruders gegen die Cincinnati Bengals:

„Ich habe ein Kansas-City-Sweatshirt, das ich für die nächsten drei Stunden tragen werde. Das war’s dann aber auch für den Rest des Jahres!“

Der Super Bowl ist unumstritten die grösste Sportshow der Welt mit rund 800 Millionen TV-Zusehern bis ins hinterste Eck dieses Globusses, ja sogar bis ins Dorf Namenlos in Tirol!

Heute möchte ich allerdings weniger über Football berichten, obgleich sich zwei sehr attraktive Mannschaften gegenüber stehen. In den Wett-büros haben die Eagles mit einer Quote von 1,75 noch leichten Favoriten-Status – die Chiefs werden mit 2,15 gehandelt. Sehr knapp – es dürfte also eine äusserst interessante Partie werden. Nein – es gilt vielmehr, diese Veranstaltung etwas genauer zu beleuchten, denn beim Super Bowl ist alles etwas grösser, fulminanter und rekord-verdächtig. Superlative eben!

Zur Geschichte:

Der Super Bowl ist das Finalspiel des Saisonsiegers der Western Conference gegen den Saisonsieger der Eastern Conference in der National Football League. Das erste NFL Championship Game wurde im Jahre 1932 zwischen den Chicago Bears und den New York Giants ausgetragen – die Bears gewannen mit 23:21. Der Super Bowl wie wir ihn heute kennen, fand erstmals 1967 statt, als der Sieger der NFL gegen den Sieger der neu gegründeten American Football League (AFL) antrat. Die beiden Ligen wurden 1970 fusioniert. Seither wird das Finale zwischen der American Football Conference und der National Football Conference ausgetragen. Gespielt wird stets in südlichen Bundesstaaten, da es klimatisch wärmer ist. Wer schaut sich schon gerne ein Game bei Schneetreiben an. Bislang konnte noch nie eine Mannschaft ein Heim-Endspiel abliefern, also im eigenen Stadion spielen. Das Heimrecht wechselt jedes Jahr – heuer hätten die Eagles als NFC-Champion Heim-recht. Die Vergabe jedoch erfolgte bereits am 23. Mai 2018 nach Glendale. Das Stadion wurde 2006 eröffnete, kostete die Cardinals rund 500 Mio Dollar und fasst 70.000 Zuschauer – zum Super Bowl wurde die Kapazität auf 100.000 aufgestockt. Gleich im Anschluss wurde auch der Austragungsort für den nächsten Super Bowl bekannt gegeben: Er sollte eigentlich in New Orleans/Louisiana stattfinden. Da dies jedoch mit dem dortigen Karneval/Fasching „Mardi Gras“ zusammenfällt, wurde das NFL-Finale dem Allegiant Stadium in Paradise/Nevada zugesprochen.

Als Spieltermin fungiert zumeist der erste Sonntag im Februar – in den USA ist dies der Super Bowl Sunday – ein inoffizieller Feiertag. Eintritts-karten sind heiss begehrt – sie werden jedoch zwischen den NFL-Teams aufgeteilt: 17,5 % gehen jeweils an die Endspielteams, 5 % an die veranstaltende Mannschaft (heuer die Arizona Cardinals) und 34,8 % an die restlichen NFL-Mannschaften. Einige wenige Karten werden durch die NFL selbst verlost.

Jeweils sechs Mal gewannen die New England Patriots und die Pittsburgh Steelers die Vince Lombardi Trophy – ein Pokal, der nach dem Trainer des ersten Super Bowl-Gewinners, den Green Bay Packers benannt wurde und eigens von Tiffany & Co angefertigt wird (Sterling-Silber, 3,5 kg schwer, 55 Zentimeter hoch). Preis: 25.000,- US-Dollar – für Football-Fans jedoch unbezahlbar. Zudem erhält der wertvollste Spieler des Abends (MVP) einen Extrapreis, die Pete Rozelle Trophy und jeder Spieler aus dem Siegerteam einen Ring aus Gold und Diamanten, den Super Bowl-Ring (Wert: Jeweils 5.000,- $). Auch sie haben einen unheimlichen Lieblings-wert bei den Fans – so sollen einzelne Ringe bereits für eine sechsstellige Summe verkauft worden sein.

Bislang erfolgreichster Teilnehmer ist der Head Coach der New England Patriots, Bill Belichick, der acht dieser Finals für sich entscheiden konnte (2x Giants und 6x Patriots). Erfolgreichster Spieler ist der Quarterback Tom Brady mit sieben Ringen (6x für die New England Patriots, den letzten gewann er mit den Tampa Bay Buccaneers).

Bis zu 140 Millionen TV-Zuschauer sind an den US-amerikanischen TV-Geräten zuhause, bei Super Bowl Parties oder in Clubs an den Fern-sehgeräten versammelt. Der übertragende TV-Sender ist in diesem Jahr Fox – er verlangt für einen 30 Sekunden-Spot erstmals teils über 7 Mio Dollar (fast 6,7 Mio €) – vor drei Jahren waren es noch 5,5 Mio. Werbespots werden eigens für dieses Event produziert. Der teuerste dieser Clips kam 2018 von Amazon – alles in allem kostete er 15 Mio Dollar. Zwischen den beiden Hälften findet die Halbzeitshow statt. Hier gibt sich zumeist das Who is Who der Pop- und Rockmusik das Mikrophon in die Hand: Aerosmith, Bruce Springsteen, Lady Gaga, Michael Jackson, Prince, Rolling Stones, U2, … Heuer wird die aus Barbados stammende R’n’B- und Pop-Sängerin Rihanna ihr Bestes geben. Die Nationalhymne „The Star-Spangled Banner“ singt Chris Stapleton, der sich in die Liste grosser Stars einreiht: Whitney Houston, Mariah Carey, Lady Gaga, Alicia Keys, Pink oder auch Neil Diamond. Babyface wird den Song „America the beautiful“ intonieren.

Der Super Bowl hat sich, wie überhaupt der US-amerikanische National-sport, zum Politikum entwickelt. Viele werden wohl noch jene Spieler vor Augen haben, die während des Abspielens der Nationalhymne knieten. Diese Aktion rief der bis zum Jahr 2016 bei den 49ers spielende Quarterback Colin Kaepernick als Protest gegen die Unterdrückung der afroamerikanischen Bevölkerung und die Polizeigewalt im Lande aus. Ex-Präsident Trump forderte damals die Entlassung all jener Spieler, die sich diesem Protest anschlossen. Inzwischen müssen sich Spieler und Publikum positionieren. Allerdings auch die Promis, die die Halbzeitshow abliefern sollen. Angeblich sagten die Superstars Rihanna, Jay Z und Pink deshalb den Ritterschlag eines Auftritts vorerst ab – doch wie in diesem Jahr zu sehen: Nichts ist für ewig! Auch Jennifer Lopez meinte vor drei Jahren im Magazin „Variety“ mit einem ordentlichen Seitenhieb auf die Regierung Trump:

„Ich denke, es ist sehr wichtig für zwei Latino-Frauen in diesen Zeiten – in denen Latinos in diesem Land auf eine bestimmte Art und Weise behandelt oder gesehen werden – auf dieser Bühne zu stehen und zu zeigen, dass wir eine wunderschöne wertvolle Kultur haben, und in diesem Land etwas notwendiges beisteuern.“

Gegen Live-Proteste in der Halbzeitpause haben sich allerdings die TV-Sender seit dem Nippelgate-Skandal von Janet Jackson und Justin Timberlake im Jahre 2004 gesichert: Die Halbzeitshow wird zeitversetzt ausgestrahlt, damit derartige „Unannehmlichkeiten“, die nicht ins Bild passen, herausgeschnitten werden können. Auch haben selbstver-ständlich die Politiker die Gelegenheit und Zugkraft dieser Veranstaltung erkannt. So strahlte Fox bei seiner letzten Live-Übertragung 2020 vor dem Spiel eine Rede Donald Trumps aus. Zudem buchte er zwei 30-Sekunder, der für die Demokraten startende Michael Bloomberg kaufte sich eine Minute – Kostenpunkt: 11 Millionen Dollar! Der Milliardär wird’s wohl aus seiner Portokasse beglichen haben.

Rund 6.000 Medienvertreter berichten jedes Jahr über diesen Super Bowl Sunday vorort. Im vergangenen Jahr übertrug CBS das Spektakel, im Jahr zuvor NBC. In Deutschland liegen die Übertragungsrechte bei ProSieben, in Österreich bei Puls4 – ab kommender Saison dann bei RTL.

Ran präsentiert für all jene, die sich für den Montag nicht freinehmen konnten, ein Relive des Spektakels. Den Livestream (wahlweise auch mit Original-Kommentar) gibt es bei DAZN oder direkt bei der NFL – hierfür ist jedoch ein NFL Game Pass erforderlich.

Siegerin des Super Bowls 2023 ist so oder so die Mutter von Travis und Jason Kelce. So meinte etwa der 33-jährige Travis:

„Ein cooles Szenario – unsere Mutter kann nicht verlieren!“

Übrigens wurden beide Kelce-Brüder von demselben Mann in die Liga geholt: Der Head-Coach der Chiefs, Andy Reid, verpflichtete 2011 Jason Kelce nach Philadelphia, zwei Jahre später dann Travis für Kansas City. So schaut auch Andy Reid dem Ereignis mit Freude entgegen:

„Ich habe in beide Zeit investiert. Ich fühle mich also wie ein Teil der Familie!“

Doch steht und fällt im American Football das Spiel mit den Quarter-backs, den Spielmachern der Teams. Mit Jalen Hurts steht bei den Eagles ein Starvertreter seines Könnens im Mittelpunkt. Er lieferte mit seiner Mannschaft eine geradezu grandiose Saison ab und kam durch einen überzeugenden 31:7-Sieg gegen die San Francisco 49ers im AFC-Finale in den Superbowl. Hurts spielte im College Football für Oklahoma und Alabama, während der Highschool wurde er zum „Most Valuable Player“ gewählt. Seit 2020 steht er in Diensten der Phillys. Als Senior warf er für 2.384 Yards auch 26 Touchdown-Pässe und rannte für 1.391 Yards (darunter 25 Touchdowns). Auf der anderen Seite steht Patrick Mahomes, der trotz Knöchelverletzung mit seinen Kansas City Chiefs in der NFC gegen die Cincinnatti Bengals mit 23:20 gewonnen hat. Mahomes spielte bei Texas Tech College Football. Seit 2017 steht er in Diensten bei den Chiefs – sein Vertrag wurde anno 2020 bis 2032 verlängert – bis dahin könnte dieser ihm die Summe von 503 Mio Dollar einbringen. In seinem Abschlussjahr in der Highschool warf er für 4.619 Yards mit 50 Touch-downs und rannte für 948 Yards mit 15 Touchdowns. Doch war er auch im Baseball sehr erfolgreich: So warf er für die Whitehouse Highschool einen No Hitter mit 16 Strikeouts. In der Saison 2013/14 wurde er zum Maxprep-Athlet des Jahres gewählt. Auch bei den Quarterbacks gibt es eine Premiere: Erstmals stehen keine weissen, sondern zwei schwarze Quarterbacks im Finale.

Insgesamt werden acht Schiedsrichter das Spiel leiten – der „Referee“ (Hauptschiedsrichter) ist in diesem Jahr Carl Cheffers. Er wurde nach 2017 und 2021 zum bereits dritten Mal für den Super Bowl berufen. Vier weitere haben ebenfalls Finalerfahrung.

Nicht nur hierzulande melden sich viele am folgenden Montag nach dem Spiel krank – in den USA ist das nahezu gang und gebe (+6 % – viele erscheinen zwar zur Arbeit, sind jedoch nicht ansprechbar!). Und das verdrücken die Amerikaner vor, während und nach dem Spiel: 1,25 Milliarden Chicken Wings, 120 Millionen Liter Bier, 14.000 Tonnen Chips und 4.000 Tonnen Popcorn – mit anderem macht dies rund 10 Milliarden US-Dollar, die sich Herr und Frau Smith landesweit zum Highlight des Jahres gönnen. Übrigens machen die Pizza-Lieferdienste mit rund 11 Mio Pizzen rund ein Drittel ihres Jahresumsatzes an nur diesem einen Tag.

Etwas teurer geht’s im Stadion her. Während die Karten regulär in der NFL-Verlosung für 600,- Dollar erhältlich sind, kosten sie am zweiten Markt schon mal zwischen 5-6.000,- Dollar – die teuersten gar das Zehnfache.

Hoffen wir auf ein faires und spannendes Spiel!

Link:

www.nfl.com

No Comments »

Altersarmut – Eine katastrophale Situation

Kaum eine Nachrichtensendung in TV und Rundfunk kommt seit Wochen an der derzeitigen Situation der Tafeln in Deutschland und Österreich vorbei. Die Nachfrage auf Waren des täglichen Bedarfs und v.a. Lebens-mitteln ist grösser als das Angebot. Viele können sich die stark angestiegenen Preise im Handel schlichtweg nicht mehr leisten. Für sie ist das normale Leben zu teuer geworden. Daran zeichnet nicht nur der Ukraine-Krieg, sondern oftmals die Gier der grossen Konzerne nach mehr Gewinn verantwortlich. Und – es sind nicht nur Flüchtlinge, sondern immer mehr auch Senioren, die sich in den endlosen Schlangen anstellen. Die Rente/Pension reicht nicht mehr aus – und dies, obwohl die meisten Betroffenen sparen, wo sie nur können. Jene Menschen also, die den Wohlstand aufgebaut und nun selbst nichts davon haben.

Im September hat das Statistische Bundesamt Deutschland Zahlen zur Altersarmut vorgelegt – jetzt erfolgte der Nachschlag. Es sind wahrhaft erschreckende Daten.

In medias res: Die Zahl der Altersrentenbezieher stieg von 16,6 Mio im Jahr 2011 auf 17,6 Mio im Jahr 2021. 12,9 % der 65- bis 75-jährigen sind noch erwerbstätig. 2011 waren es 7 %! Viele, weil sie es wollen (40,8 % – etwa Personen mit Hochschulabschluss), doch die Zahl derer, die es müssen steigt stark an. Im Dezember 2021 erhielten 589.000 ältere Menschen Grundsicherung (2,6 % Deutsche, 17,5 % Ausländer). 2022 mussten gar 12 % mehr um Grundsicherung ansuchen – der tatsächliche Bedarf wäre wesentlich höher, doch beschreiten viele diesen Weg aus Stolz oder Scham nicht. Zahlen? Alleine zwischen Juni und September 2022 waren dies nach Angaben des Redaktionsnetzwerks Deutschland unter Bezugnahme auf das Statistische Bundesamt 18.945 Anträge mehr.

27,8 % der Rentner, das sind rund 4,9 Mio Männer und vor allem Frauen, hatten 2021 ein monatliches Netto-Einkommen von weniger als 1.000,- €. Nach Geschlecht geteilt: 38,2 % der Rentnerinnen und 14,7 % der Rentner. Im Vergleich dazu die Zahlen zur Gesamtbevölkerung: 2011 lebten zwischen Nord- und Ostsee bis zu den Alpen 80,3 Mio Menschen, zehn Jahre später waren es bereits 83,4. Der Anteil der 65+-Bevölkerung stieg von 20,7 auf 22,1 %. All diese Zahlen stammen aus einem Bericht des deutschen Statistischen Bundesamtes vom 29. September 2022. Durch die Preistreiberei und Inflation hat sich jedoch in den letzten Monaten die Lage zugespitzt.

„Die Altersarmut jagt von Rekord zu Rekord. Zwölf Prozent mehr seit der Bundestagswahl – die Inflation kommt im Sozialamt an.“

(Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linkspartei)

Bartsch fordert deshalb verschärfte Preisbremsen und eine konsequente staatliche Preis-Kontrolle bei Lebensmitteln und Energie.

Diese demographische Entwicklung stellt die Politik, aber auch die Wirtschaft vor schwierige Aufgaben. Dargestellt wird dies mit dem sog. „Altenquotienten“. Die Experten verstehen darunter den Anteil der potentiellen Rentenbezieher 65+ auf 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 65 Jahren. Dieser Altenquotient lagt 1991 bei 24, 30 Jahre später bei 37 und im Jahr 2031 (nach der Pensionierungswelle der Baby-Boomer) bei 48, bis er 2060 mit rund 54 bereits über die Mitte gesprungen sein wird. Nicht zuletzt deshalb hat die Politik einen schrittweisen Anstieg des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre beschlossen. Unternehmen müssen mehr Arbeitsplätze für ältere Arbeit-nehmer einrichten – den Jugendboom werden viele nicht mehr überleben. Er ist zu einem grossen Teil für die derzeitige Situation verantwortlich. Schon jetzt ist der Schrei der Firmeninhaber nach Fachkräften nicht mehr zu überhören, bilden jedoch keine aus und schicken die Älteren vorzeitig in die Pension.

Auch Österreich präsentiert ähnliche Zahlen – die Alpenrepublik liegt bei der Altersarmut gar unter dem OECD-Duchschnitt. Im Jahr 2021 hatten rund 75.000 Männer (11 % – ein Plus von 6,5 %) und gar 157.000 Frauen (18 % – ein Plus von 7,6 %) mit der Altersarmut zu kämpfen. Das sind 15 % der 65+-Gruppe, die akut betroffen sind. Insgesamt waren 2021 1.546.000 Menschen im Alpenstaat 65 Jahre alt und älter. 17,80 % davon müssen jeden Cent zweifach umdrehen, bevor sie ihn ausgeben. Viele sind gar „materiell depriviert“, haben also Zahlungsrückstände bei Krediten, den Betriebskosten oder beispielsweise der Miete. Die Pension-sversicherungsanstalt errechnete für das Jahr 2020 die Durchschnitts-pensionen von 1.622,- € bei den Männern und 1.016,- € bei den Frauen. Die grössten Unterschiede zwischen Mann und Frau („Pension Pay Gap“) gibt es mit 46,4 % in Vorarlberg. Die Armutsgefährdungsschwelle liegt bei 1.371,- € bei einem Einpersonenhaushalt. Auch mit den Anpassungen der Pensionen blieben die Frauen mit 1.294,- € unter dieser Schwelle. Liegt die monatliche Pension unter 1.030,49 € in einem Einpersonen-haushalt, so greift das Sozialsystem mit einer Ausgleichszulage ein.

Wo aber nun liegen die Ursachen für die Altersarmut?

Es sind sowohl in Deutschland als auch Österreich dieselben Gründe: Frauen arbeiten oftmals aus Rücksicht auf die Familie nur Teilzeit oder gar geringfügig. Zudem pflegen sie oftmals unentgeltlich Familien-mitglieder. Nach Angaben der österreichischen Arbeiterkammer sind rund 64 % der weiblichen Arbeit nicht bezahlt. Beide Geschlechter arbeiten zu Gehältern, die zwar während der Erwerbszeit geradeso ausreichen, für die Altersvorsorge oder gar der Anhäufung eines Vermögens oder schluss-endlich die Rente jedoch zu gering sind. Daneben werden bei der lebenslangen Durchrechnung (Österreich) bzw. dem Äquivalenzsystem in Deutschland (wer mehr in der Erwerbszeit einzahlt, bekommt alsdann eine grössere Rente) auch schlechte Erwerbsphasen oder gar Arbeits-losigkeit einbezogen. Um dies auszugleichen, bedürfte es also mehrerer gut bezahlter Jobs, was oftmals nicht der Fall ist. Zudem gehen viele zu früh in Pension. So waren etwa in Deutschland 2021 66 % der Männer zwischen 60-64 Jahren erwerbstätig, bei den Frauen gar nur 57 %. In Österreich etwa tritt nur jede zweite Frau aus einer Beschäftigung in die Pension über. Dadurch werden die notwendigen Versicherungsjahre nicht erreicht, nicht selten muss deshalb mit erheblichen Abzügen gerechnet werden. Zudem sind die meisten Frauen vor dem Pensionsantritt arbeitslos – im Schnitt sieben Jahre lang. Bei harter körperlicher Arbeit (etwa Metallbauer bzw. Pflegeberufe – Schwerarbeiter) oder den Körper anderweitig beanspruchender Arbeit (Berufskraftfahrer beispielsweise) ist ein niedrigeres Pensionsantrittsalter durchaus verständlich. Für jemanden allerdings, der sein Leben lang im ergonomischen Arbeitsstuhl am Schreibtisch verbracht hat, komplett unverständlich.

Um eine Altersarmut eingrenzen zu können, liegen viele Vorschläge von Interessensvertretungen auf den Tischen – alleine: Es fehlt die Motivation der Politik.

.) Kinderbetreuungszeiten sollten besser angerechnet werden (in Öster-reich beispielsweise wird ein Jahr Kinderbetreuung mit gerade mal 28 € in der monatlichen Pension berücksichtigt)

.) Finanzielle Berücksichtigung der Elternteilzeit wie etwa bei der Pflege-teilzeit

.) Flexiblere Arbeitszeitmodelle für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie

.) Grundsätzlich eine bessere Entlohnung von Frauen

.) Höhere Berücksichtigung der Arbeitslosigkeit

.) Anrechnung von Ausbildungszeiten (Praktika – die Unsitte der Betriebe, für die Arbeitskräfte nur wenig bezahlen zu müssen) werden beispiels-weise gar nicht in der Pension eingerechnet

.) Mehr Möglichkeiten zur Altersteilzeit

Speziell für Österreich:

.) Partnerunabhängige Ausgleichszulage (nach wie vor wird die Pension des Partners in die Berechnungen einbezogen, sodass besonders viele Frauen um die Ausgleichszulage umfallen (Österreich)

.) Dieser Ausgleichszulagenrichtsatz in Österreich sollte erhöht werden

.) Die lebenslange Durchrechnung muss geändert werden – sie führt etwa dazu, wenn zuletzt ein durchaus gut bezahlter Job erfüllt wurde, die Pension möglicherweise weit unter dem letzten Verdienst liegt. Ein Faktor, der zu erheblichen finanziellen Schwierigkeiten führen kann.

Papst Franziskus hat anlässlich des „Welttags der Armut“ am 19. November 2017 in seiner Botschaft folgenden Satz geäussert:

„Wir sind also gerufen, den Armen die Hand zu reichen, ihnen zu begegnen, ihnen in ihre Augen zu schauen, sie zu umarmen, sie die Wärme der Liebe spüren zu lassen, die den Teufelskreis der Einsamkeit zerbricht. Die Hand, die sie ihrerseits uns entgegen strecken, ist eine Einladung, aus unserer Sicherheit und Bequemlichkeit auszubrechen!“

Franziskus weiss durchaus, wovon er spricht. Schliesslich war er auch noch als Kardinal sehr oft in den Armenvierteln von Buenos Aires unter-wegs. Dennoch ist es gerade die Kirche (nicht nur die römisch-katholische Kirche), die ohne die ehrenamtliche und somit unbezahlte Arbeit vor allem der Frauen nicht funktionieren würde. Deshalb sollten Betroffene von den Angeboten der Caritas und Diakonie auf jeden Fall Gebrauch machen.

Links:

No Comments »

Scharlachrot – nicht von ungefähr!

Droht nun nach Corona, RS, der Influenza und der Vogelgrippe eine weitere Infektionswelle? Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht von ungewöhnlich vielen Fällen einer Krankheit, die durch A-Strept-okokken ausgelöst werden kann: Scharlach (Scarlatina)! Diese Entwick-lung wurde bereits im September in England auffällig, inzwischen hat die Welle auch Schweden und Frankreich erreicht.

Das in Deutschland für Infektionskrankheiten zuständige Robert-Koch-Institut hat ebenfalls bereits eine Warnung ausgesprochen. Scharlach ist zwar in Deutschland und der Schweiz nicht meldepflichtig (in Österreich sehr wohl), dennoch sind auch hierzulande vermehrte Fälle einer solchen Erkrankung festgestellt worden. Dieser Warnung schliesst sich alsdann das nationale Referenzzentrum für Streptokokken an. Zwar lägen zwischen Flensburg und Berchtesgaden die Zahlen noch unter jenen vor der Pandemie, doch steigt die Kurve ungewöhnlich steil an, obgleich kein neuer Stamm der Bakterien festgestellt wurde.

Scharlach ist eine klassische Kinderkrankheit, die vornehmlich Vor- bzw. Grundschulkinder betrifft. Sie ist hochinfektiös, weshalb mit ihr nicht zu spassen ist. Zumeist sind die Symptome eine starke Halsentzündung und Hautausschlag. Früher ging man davon aus, dass nach einer einmaligen Erkrankung eine Immunität des Körpers aufgebaut werde. Davon sind die Experten inzwischen jedoch abgekommen. Ausgelöst wird Scharlach durch Bakterien – Streptococcus pyogenes. Sie produzieren nach der Übertragung ein Toxin, das für die Reaktion des Immunsystems verant-wortlich zeichnet. Wissenschafter haben nun entdeckt, dass nicht immer dasselbe Gift erzeugt wird, sondern unterschiedliche. Deshalb kann ein bereits genesener Patient durchaus erneut an Scharlach erkranken.

Hauptsaison der Bakterien sind die Herbst- und Wintermonate zwischen Oktober und März. Hotspots Kitas und Grundschulen. Übertragen werden die Bakterien von Mensch zu Mensch durch die sog. „Tröpfcheninfektion“, also kleinen Aerosolen, die beim Sprechen, Husten oder Niesen aus dem Rachenraum geschleudert werden. Nur äusserst selten ist eine Übertragung durch die Haut möglich – allerdings durchaus durch Spiel-zeug, wenn der Erreger darauf haftet und es in den Mund genommen wird. Viele erkranken nicht an dieser Infektion – trägt doch jeder fünfte bis zehnte Mensch die Bakterien in sich. Allerdings kann auch ein Nicht-Erkrankter die Erreger weitergeben.

Scharlach ist recht einfach an den Symptomen zu erkennen. Ein bis drei Tage nach der Übertragung beginnt es mit Hals- und Kopfschmerzen, geht über Schluckbeschwerden und Schüttelfrost bis hin zu stark ansteigendem Fieber. Dabei sind Gaumen und Rachen rot, die Mund-schleimhaut und Mandeln fleckig gefärbt. Hinzu gesellt sich ein nicht juckender Hautausschlag (Exanthem). Er bildet sich, da das Toxin der Erreger die Blutgefässe schädigt und rote Blutkörperchen austreten. Der Ausschlag beginnt meist in der Leistengegend bzw. der Innenseite der Oberschenkel und breitet sich schliesslich auf den ganzen Körper aus. Nach 6 – 9 Tagen klingt er wieder ab – allerdings beginnt sich dann die Haut vor allem in den Handinnenflächen und den Fusssohlen zu schälen. Die Zunge ist zunächst stark weiss belegt, dann himbeerrot.

Ganz harmlos ist die Erkrankung nicht. So kann es durchaus zu Kompli-kationen, wie etwa Lungenentzündung sowie Entzündungen der Neben-höhlen und des Mittelohres kommen. Sehr selten sind rheumatische Spätfolgen (akutes rheumatisches Fieber) vor allem im Kniegelenk, aber auch Entzündungen den Herzmuskels, des Herzbeutels, der Herzklappen und der Nieren (akute Glomerulonephritis). Solche Komplikationen wurden öfter beobachtet, wenn die eigentliche Erkrankung nicht mit Antibiotika behandelt wurde.

Ohne entsprechende Antibiotika bleibt der Erkrankte für rund drei bis vier Wochen infektiös – mit hingegen nur bis zu 24 Stunden nach der Ersteinnahme. Das ist auch der Vorteil der Krankheit: Die Erreger mutieren offenbar nicht – Antibiotika und Penicillin helfen schnell und wirkungsvoll.

Erkranken an Scharlach kann grundsätzlich jeder, also auch Erwachsene. Sollte es Sie erwischt haben, helfen neben dem Arztbesuch (mit Maske) und den Medikamenten einige einfache Massnahmen, um den Zustand zu verbessern:

  • Bettruhe
  • Warme Getränke und weiche Nahrung gegen die Schluckbeschwerden
  • Und grundsätzlich: Bei Fieber muss viel Flüssigkeit wie Kräutertees oder verdünnter Fruchtsaft getrunken werden (sofern er beim Schlucken nicht brennt)

Präventiv schützen kann man sich nicht vor einer Scharlacherkrankung. Als sehr hilfreich jedoch zeigen sich die Massnahmen, die grundsätzlich für jeder Erkrankung der Atemwege eingehalten werden sollten. Greifen Sie auf gar keinen Fall vorsorglich zu Antibiotika! Sie könnten dadurch ihre Wirkung bei anderen Krankheiten verlieren. Sollte ein Kind erkrankt sein, so muss es sofort aus der Gemeinschaftseinrichtung herausge-nommen werden. Die Eltern stehen zudem in der Informationspflicht gegenüber der Erzieher! Auch erkrankte Erwachsene dürfen die Einrichtung nicht mehr betreten, gilt also auch für Lehrer oder Betreuer. Wann die Tätigkeit wieder aufgenommen oder der Schul-/Kitabesuch fortgesetzt werden kann, entscheidet der Arzt.

Gute Besserung!

Links:

No Comments »

Fracking – O’zapft is!!!

†„Um es klar zu sagen: Ich halte die Festlegung des Koalitionsvertrages, dass wir in der Nordsee nicht mehr Öl und Gas fördern wollen und keine neuen Felder explorieren wollen, für aus der Zeit gefallen.“

(Der dt. Bundesfinanzminister Christian Lindner)

Vor einigen Tagen forderte der deutsche Finanzminister Christian Lindner die Bundesregierung in Berlin, in welcher auch er ein schwergewichtiges Wort mitzureden hat, dazu auf, das Verbot des Frackings in Deutschland aufzuheben. Ich glaube, Herr Lindner überschreitet damit seine mögliche Fachkompetenz in diesem Bereich um Meilen und dürfte keinerlei Ahnung haben, welche Konsequenzen das für Deutschland hätte. Aus diesem Grunde möchte ich an dieser Stelle Aufklärungsarbeit liefern, da diese Methode der Erdöl- und Erdgas-Gewinnung ein Spiel mit dem Feuer ist. Oder anders ausgedrückt, wie es bereits Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1797 in seinem „Zauberlehrling“ schilderte: „Die Geister, die ich rief, werd’ ich nun nicht mehr los!“

Viele reden darüber, wenige wissen wirklich was es ist. Und trotzdem wird es seit Jahrzehnten gemacht, ohne irgendwie gross beachtet worden zu sein: Das Fracking!

Das sog. „Hydraulic Fracturing“ (richtige Bezeichnung) ist eine spezielle, inzwischen jedoch höchst umstrittene Methode, um fossile Brennstoff-Vorkommen in der Erde zu fördern. Erdöl und auch Erdgas kommen zumeist in Blasen in tieferen Erdschichten vor. Wird nun die Blase angebohrt, schiesst das Material aufgrund des Eigendrucks durch das Bohrloch an die Oberfläche. Dies ist die herkömmliche Methode, das „schwarze Gold“ oder Erdgas zu gewinnen. Bohrungen nun ergaben, dass unglaubliche Vorkommen in der Erde lagern, die allerdings auf diese Art und Weise nicht gewonnen werden können. Soll heissen, dass die Gesteinsporen von schwarzem Ton- oder Alaunschiefer nicht ausreichend miteinander verbunden sind. Man spricht auch gerne vom Schieferöl oder -gas. Diese Lagerstätten entstanden vor rund 350 Millionen Jahren durch die Ablagerung grosser Mengen organischen Materials. Hier müssen in meist 5.000 Metern Tiefe zuerst Fliesswege in Form von künstlichen Rissen geschaffen werden. Da dies so ohne weiteres nicht möglich ist, wird mit sehr hohem Druck eine gelartige Flüssigkeit in den Boden gepumpt. Damit sich die künstlichen Risse („Fractures“) rund um das Bohrloch nicht wieder durch den nachgebenden Boden schliessen, nachdem die Pumpe abgestellt ist, werden Quarzsand oder kleine Keramikkügelchen eingeführt. Dadurch können Gas bzw. Öl leichter zur Bohrstelle gelangen und abgepumpt werden. Diese Methode wird in Deutschland seit bereits 60 Jahren verwendet (allerdings nicht in solcher Tiefe) – in etwa ein Drittel des heimisch geförderten Erdgases kam auf diese Weise an die Oberfläche. Auch in der Geothermie ist die Methode durchaus in Verwendung.

Was nun für derartigen Wirbel sorgt, ist jene gallertartige Masse und deren Additive, die für die Risse verantwortlich zeichnet: Die „Frack-Fluids“. Sie bestehen zum grössten Teil aus Wasser – allerdings auch aus Chemikalien, die die Volksseele zum Kochen bringen. Dabei geht es vor allem um die unmittelbaren, aber auch mittelbaren Folgewirkungen der Stoffe vor allem auf das Trinkwasser. So muss beispielsweise mit solchen Fluiden kontaminierte Erde als Giftmüll entsorgt werden. Bei 100 der 750 verwendeten Additiven besteht nachgewiesenermassen erhöhtes Gesundheitsrisiko durch sog. „endokrine Disruptoren“ (EDC). Sie wirken wie das Geschlechtshormon Östrogen und können zu Missbildungen der männlichen Genitalien inklusive Unfruchtbarkeit und bei beiden Geschlechtern zu Krebs führen. Die Industrie arbeitet fieberhaft an der Entwicklung von Materialien, die umwelt- und gesundheitsverträglicher sind. Angeblich werden bereits Tests durchgeführt, in welchen diese Flüssigkeit dem Abwasser einer Spülmaschine entspricht (unterste Wassergefährdungsklasse).

Allerdings sind auch die seismischen Reaktionen nicht zu unterschätzen. So werden durch den entstehenden Druck künstliche Erdbeben hervor-gerufen. Daneben kann es zu Senkungen in Gebirgskörpern kommen.

Vonseiten der Energiewirtschaft versuchte bereits 2013 der damalige Vorstandsvorsitzende des deutschen Stromriesen E-On, Johannes Teyssen (inzwischen Verwaltungsratspräsident des schweizerischen Energieproduzenten Alpiq Holding), zu beruhigen. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur betonte er, dass man sich neuer Technologien nicht verschliessen solle. Das Fracking in tiefen Schichten jedoch erst dann vorangetrieben würde, wenn nachgewiesen ist, dass die eingesetzten Chemikalien beherrschbar sind. Dies ist jedoch nach mehreren epidemiologischen Untersuchungen aus dem Jahr 2020 nach wie vor nicht der Fall. Dabei wird u.a. auch von „Geburtsdefekten“ gesprochen. Andere deutsche und internationale Studien (unter Mitwirkung des Deutschen Krebsregisters, des Umweltbundesamtes und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) haben zudem einen Zusammenhang zwischen Fracking und der Häufung von Krebs-erkrankungen aufgezeigt, die im Juni 2016 auch dem Deutschen Bundestag vorgelegt wurden.

Berlin reagierte im Jahre 2017 mit einem Verbot des Frackings. Erst kürzlich meinte Bundeskanzler Olaf Scholz, dass daran nicht zu rütteln sei. Davor war die Ausbeutung dieser Vorkommen zwar nicht verboten, allerdings für Heilquellen- oder Trinkwasserschutzgebieten ausge-schlossen. Deshalb wurden auch auf der deutschen Seite des Bodensees entsprechende Unternehmungen eingestellt, da eine Kontaminierung des Wassers für Millionen Menschen in Baden-Württemberg Konsequenzen hätte. Zudem müssten umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfungen absolviert werden. Dies war nicht etwa die Entscheidung des Bundestags, sondern vielmehr der Ländervertretung, des Bundesrats. Offiziell hiess es damals vonseiten der Industrie, dass solche UVPs zwar unterstützt werden, jedoch einen klaren zeitlichen Rahmen haben sollten, damit „die Planungssicherheit für die Unternehmen gewährleistet sei“, so Klaus Angerer, Deutschlandchef des multinationalen Konzerns BNK gegenüber des Handelsblattes.

Länder wie beispielsweise Baden Württemberg, Bayern oder auch das österreichische Vorarlberg haben sich bereits damals von dieser Förderung distanziert. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) forderte im Nachrichten-Magazin „Der Spiegel“ ebenso wie der damalige bayerische Umweltminister Marcel Huber (CSU) ein Verbot dieser Methode „solange die Risiken für Mensch und Natur nicht sicher abschätzbar sind!“ (Huber in der Süddeutschen Zeitung). Auch viele von Huber’s Amtskollegen (nicht nur aus dem rot-grünen Lager) haben sich gegen das Fracking ausgesprochen und damit diese umstrittene Gesetzesvorlage als „untauglich“ zurückgewiesen. So auch sein damaliger grüner Kollege aus Nordrhein-Westfalen, Johannes Remmel. Hier ergab sich eine durchaus brisante Situation, befürwortete doch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) grundsätzlich das Fracking mit strengen Auflagen. Schliesslich wurden die ersten vier Genehmigungen in NRW erteilt – und sofort wieder ausgesetzt. Gleichzeitig ist jedoch NRW das bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands. Undenkbar was passieren könnte, wenn etwas schief läuft. Kraft übrigens war damals auch sozialdemokratische Verhandlungs-führerin im Bundesrat. Der hatte die Fracking-Gesetzes-Vorlage schon einmal an die Bundesregierung zurückgewiesen, da diese wichtigen Auflagen fehlten. Auch der damalige Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) betonte – so wird er in den Ruhr-Nachrichten zitiert:

„Mit unserem Gesetz wird nichts erlaubt, was vorher verboten war… Es wird sogar einiges verboten, was bisher erlaubt war.“

Und nun holt ausgerechnet der studierte Politikwissenschafter und Philosoph Christian Lindner in seiner Funktion als Bundesfinanzminister, der schon alleine aufgrund seiner politischen Herkunft (FDP) für wirtschaftliche Interessen eintritt, die Akte wieder aus der Schublade hervor. Allerdings haben sich auch der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart und überraschend Bayerns Ministerpräsident Markus Söder für eine ergebnisoffene Prüfung ausgesprochen, obgleich Bayern das Fracking ja vor einigen Jahren partout zurückgewiesen hat. Es kann also sehr rasch gehen, da etwa die Industrie nach wie vor zu 30 % vom Erdgas als Energielieferant abhängig ist!

„Das wird gesellschaftlich und politisch nicht unterstützt. Das hat die Industrie verstanden, und das respektiert sie!“

(Miriam Ahrens, Pressesprecherin des BVEG)

Allerdings auch ein Zeichen dafür, dass Deutschland die Energiewende nicht geschafft hat. Der „Motor der EU“ verfehlte auch im abgelaufenen Jahr seine Klimaschutzziele – durch die Nutzung von Fracking-Gas bzw. –Öl wird es auch weiterhin so bleiben. Von einer Energieautonomie sei hier angesichts der Ereignisse der letzten Monate gar nicht zu reden. Wie war kürzlich zu lesen: Wenn Tanker mit LNG-Fracking-Gas am Terminal anlegen, ist Deutschland dort angelangt, wo es niemals sein wollte: Ganz unten!

Doch – wie nutzten die USA den Fracking-Hype? Dort purzelte der Gaspreis durch die Erschliessung solcher Schiefervorkommen vornehmlich in North Dakota innerhalb kürzester Zeit. Zudem wurden die Vorkommen alleine hier auf mehrere hundert Milliarden Barrel Schieferöl geschätzt – eine gute Quelle kann bis zu 500 Barrel pro Tag bringen. Der kleine Bundesstaat der USA lag mit einem Monatsausstoss von 23,08 Millionen Barrel bereits nach Texas auf Platz zwei der US-amerikanischen Ölproduzenten. Und beim Erdgas mussten gar bis zu 30 % des Ausstosses abgefackelt werden, da die Gewinnung zu rasch vonstatten ging. Im Vergleich dazu fördert Saudi Arabien eine solche Menge binnen zweier Tage! Einige wenige sind in North Dakota zu Millionären geworden. Die Pläne für wirtschaftliche Blüte und Reichtum jedoch schlugen fehl. Eine Studie der Duke University wies schon 2016 hohe Kontaminationen im Wasser nach! „Frackingstädte“ sind inzwischen verwaist. Zurück bleibt eine Bevölkerung, die das Wasser aus ihren Wasserhähnen zwar anzünden, jedoch nicht trinken kann.

Der Global Player Shell macht inzwischen mehr Umsatz mit Gas als mit Öl: 60,3 Mrd. Dollar (Zahl: 2021, Quelle: statista.de). Dies wird auch weiterhin so bleiben, schliesslich ist der Konzern der weltweit grösste Anbieter von LNG-Gas. Trotzdem wird vonseiten des Unternehmens betont, dass die normalen Gasreserven für rund 240 Jahre ausreichen würden. Schiefergas wäre da nicht unbedingt erforderlich. Alsdann gilt es hierzulande als ausgeschlossen, dass schon bald die Bohrtürme allerorts in den Himmel wachsen. Schliesslich ist das Fracking sehr aufwendig, noch dazu wenn es in einem solch dicht besiedelten Gebiet wie in Deutschland oder Österreich durchgeführt wird. Soweit ebenfalls die Einschätzung bei E-On, aber auch beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Ferner sind 14 % der betroffenen Fläche als Wasserschutzgebiet deklariert. Damit ergeben sich drei signifikante Unterschiede zu den USA: Strengere Umwelt- und Genehmigungsstandards und alsdann liegen die Vorkommen aufgrund der geologischen Beschaffenheit wesentlich tiefer.

Sehr grosses Interesse hatte dennoch der Öl-Multi ExxonMobil aus den USA. Das Unternehmen führte bereits Tiefenbohrungen bei Rotenburg-Wümme durch. Aber auch die heimische BASF-Tochter Wintershall hatte sich zu Wort gemeldet. All das selbstredend wohlwollend für den Staat, bliebe doch die Wertschöpfung im Lande – es würden Milliarden mehr in den Staatssäckel fliessen. Und dies nicht nur durch die privaten Konsumenten, obwohl noch rund 70 % des Erdgases in Deutschland zum Heizen verwendet wird. Schliesslich wurden neben Kohle- auch Gaskraftwerke wieder hochgefahren (nicht gerade förderlich für das Erreichen der Kyoto-Ziele). Kritische Stimmen betonen: Nur bei dauerhaft niedrigem Gaspreis kann wieder von der umweltschädigenden Kohle abgekommen werden.

Zum Abschluss noch einige Zahlen, die das Interesse der Wirtschaft verdeutlichen sollen: Herr und Frau Schmidt verbrauchten zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen rund 90 Milliarden Kubikmeter Gas (Privathaushalte und Unternehmen) – aufgrund des Gaspreises und entsprechender Massnahmen dürften es im abgelaufenen Jahr 2022 weniger sein (bis November waren es 749 Mrd kWh). Gazprom-Chef Alexej Miller spricht in diesem Zusammenhang von einem „schwierigen Jahr“ – dennoch hat der Import von russischem LNG-Gas in die EU und Grossbritannien um 1/5 seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine zugenommen. Shell etwa spricht von langfristigen Verträgen. Gerade mal 5,2 Mrd. Kubikmeter Erdgas waren 2021 Made in Germany (hauptsächlich aus Onshore-Förderungen in Niedersachsen). Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) schätzt das Schiefergasvorkommen unter Deutschland auf 1000 Milliarden Kubikmeter. Dies könnte den Gasbedarf in Deutschland für rund 10 Jahre zur Gänze decken. Doch – zu welchem Preis? Und mit Energiewende und Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen hat dies nicht im Geringsten zu tun.

In den Mitgliedsbetrieben des deutschen Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) waren 2021 insgesamt 7.669 Personen beschäftigt. Der durch Unternehmen wie Uniper, Shell Erdgas, Wintershall Dea, Esso Deutschland, Exxon Mobile, EnBW, RWE oder auch VNG erzielte Umsatz lag 2021 bei ca. 42 Milliarden €. Noch vor zwanzig Jahren wurden 20 % des Bedarfs durch heimisches Gas abgedeckt. Das Schiefergas könnte diesen Wert nach oben schnellen lassen. Und v.a. könnte es wertvolle Zeit bringen. Zeit, die dringend benötigt wird, um die bislang stark vernachlässigten alternativen, erneuerbaren Energien weiter auszubauen. Doch birgt es auch eine andere Gefahr: Öl und Gas werden dermassen billig, dass an einen solchen Aufbau von Alternativen erneut nicht mehr gedacht wird – wie zu Zeiten der Kernenergie oder seinerzeit in den USA! Für welche dieser beiden Varianten Sie sich entscheiden, überlasse ich Ihnen!

Links:

No Comments »

Nächster Blog

Es kommt meist anders, als man es sich denkt!

Den nächsten Blog gibt’s erst am kommenden Freitag, den 13.01.2023!!!

No Comments »

Frohe Weihnachten und ein glückliches 2023

†Das Jahr 2022 neigt sich langsam seinem Ende zu! Zeit, mich bei Ihnen für Ihre Treue zu bedanken!

Ich hoffe, es waren immer mal wieder interessante Texte für jeden dabei – freue mich selbstverständlich auch über jeden Anstupser zu einem interessanten Themenfeld!

Ihnen und Ihren Lieben wünsche ich ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch in ein glückliches und hoffentlich gesundes Jahr 2023!

Würde mich sehr freuen, wenn Sie mir gewogen bleiben – den nächsten Blog gibt’s am 6. Januar 2023!

No Comments »

WP Login