„Wenn ich noch aktiv wäre, würde ich mich mit meinen Äußerungen zurückhalten, bis ich wieder im Flieger zurück sitze.“
(Sven Hannawald)
Ein Fest des Sports, der Spitzenleistungen, der Freude und des Mitein-anders, des „Über-den-Tellerrand-Hinausschauens“ der Sportler – das sind die Olympischen Spiele! Oder vielmehr waren sie dies einmal. Leider geht es seit geraumer Zeit schon um ganz andere Dinge. Und Beijing ist die Spitze der Perversion. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung titelte ganz zurecht am 05. Februar:
„China zeigt dem Rest der Welt den Mittelfinger“!
(Yaqiu Wang, Human Rights Watch)
Ich werde Ihnen nun die Gründe meines Denkens in Folgenden etwas näher bringen.
.) China und die Menschenrechte
Das Reich der Mitte steht nicht wirklich für den kommunistischen Gleich-heitsgrundsatz der Arbeiterklasse. Viele Völker, wie etwa die Tibeter oder Uiguren (muslimische Minderheit), werden nicht wie der Rest der Chinesen behandelt. Wenn nun also eine Uigurin als Fackelläuferin bei der Eröffnungszeremonie zum Einsatz kam, so hat dies wohl vornehmlich mit dem ständigen Lächeln der Regierungsvertreter zu tun. Menschenrechtler und auch Uiguren sprechen von einer „schändlichen“ Propaganda-Aktion. Langläuferin Dinigeer Yilamujiang ist auch in ihrer Heimat nicht wirklich bekannt. Die USA, Grossbritannien, Kanada, Australien und Japan haben die Spiele deshalb diplomatisch boykottiert (keine offizielle Entsendung von Regierungsvertretern), da sie sich mit dem Umgang mit Uiguren und anderen Minderheiten in China nicht als einverstanden erklären. So wurden in den letzten Jahren nur in Xinjiang rund eine Million an Ver-tretern von Minderheiten in sog. „Umerziehungslager“ (offiziell: „Fort-bildungseinrichtung“) kaserniert. Die Rede ist von Misshandlung, Folter, ideologische Indoktrinierung etc. Wenn nun die Sportlerin gemeinsam mit ihrem Kollegen von den Nordischen Kombinierern, Zhao Jiawen, die Olympische Flamme entzündet hat, so ist dies nur ein Trugbild. Die deutsche Regierung entschuldigte sich mit Terminkollisionen. Viele der österreichischen Regierung (unter ihnen auch Vizekanzler und Sport-minister Werner Kogler) blieben bewusst fern. Dies führte wiederum zu heftiger Kritik der FPÖ: So empfahl der 3. Nationalratspräsident Norbert Hofer eine „umfassendere Betrachtung der Beziehungen zwischen Öster-reich und der Volksrepublik“, heisst es aus seinem Büro.
„Als die zweistündige Show ihre spektakuläre Auflösung erreichte und zwei junge Athleten vereint die olympische Flamme entfachten, hatte die Sache einen Haken. Eine von ihnen, die den symbolischen Akt ausführte, war die chinesische Langläuferin Dinigeer Yila-mujiang, die uigurischer Abstammung ist. Um es milde auszu-drücken, das war ein hoch provokanter Akt.“
(Guardian)
.) China und das Recht auf freie Meinungsäusserung und Presse-freiheit
Das Reich der Mitte steht nicht wirklich für freies Gedankengut und Information. Davon weiss u.a. auch der ARD-Korrespondent in Shanghai, Steffen Wurzel, zu berichten. Seine Turnuszeit hätte ohnedies Ende Februar geendet, doch bereits zuvor wurde ihm die Arbeitserlaubnis entzogen. Er meint, dass untereinander sehr wohl kritisiert wird. Geht das Ganze jedoch an die Öffentlichkeit, so ist der Entzug der Arbeitserlaubnis noch die wohl harmloseste Konsequenz. Andere fahren ein – Knast oder Arbeitslager. Spricht man untereinander vom Staatschef, so wird es plötzlich sehr ruhig, im Gespräch ist dann nurmehr von „ihm“ die Rede. Ein Sportmoderator meinte ebenfalls kurz vor der Abreise nach China, dass er mit seltsam gemischten Gefühlen in den Flieger steige. „Die Welt ist zu Gast“ (Offizieller Slogan der Winterspiele) – jep, doch danach wird’s wieder Zeit, ohne vorher zu motzen, wieder gen Heimat zu fliegen. Davor werden noch fleissig Gesichtsscans gemacht, Social Media Konten kopiert, Telefonate und Interviews abgehört! Der Big Brother ist überall. Alleine im Pressezentrum sollen 63 Kameras hängen und jede Menge Mikrophone installiert worden sein.
„Die Position des IOC muss angesichts seiner Neutralität sein: Wir kommentieren politische Angelegenheiten nicht. Wenn wir einen politischen Standpunkt einnehmen, zwischen Spannungen geraten, Streit und Konfrontation politischer Mächte, dann bringen wir die Spiele in Gefahr.“
(Thomas Bach, Präsident des IOC)
Dem beugten jedoch die Veranstalter vor. So meinte der hocghrangige chinesische Sportfunktionär Yang Shu, dass sich Verhalten oder Meinungsäusserungen, die sich „gegen den olympischen Geist“ richten „mit einer bestimmten Bestrafung geahndet werden, insbesondere wenn sie chinesische Gesetze oder Regeln verletzen“. Damit ist wohl alles gesagt! Das Reich der Mitte wünscht sich offenbar keinen zweiten Fall „Peng Shuai“, in dem die Tennisspielerin dem Vize-Regierungschef Zhang Gaoli vorgeworfen hatte, sie zum Sex gezwungen zu haben. Unter welchen Umständen Peng Shuai ihre Vorwürfe zurücknahm, ist nach wie vor nicht ganz geklärt.
.) China und die Instrumentalisierung des Sports
Sie steht in Zhangjiakou – das Vorzeigeprojekt Chinas bei diesem Olympischen Winterspielen: Die neue Schisprungschanze! Ein riesiges Monument, mit dem sich die Macher ein Denkmal setzen wollten. Was wird wohl aus dieser Anlage, wenn die olympische Flamme erloschen ist??? Der Doppelweltmeister und Gewinner der Silbermedaille im Biathlon bei den Olympischen Winterspielen von Sotschi 2014, Erik Lesser, bringt’s wohl auf den Punkt: „Geld, Geld generieren. Um nichts anderes geht es hier!“ Durch Gigantomanie wollen wohl die Veranstalter noch mehr Investoren ins Land holen. Hauptsache besser und grösser als bei den Russen, Südkorea und Japan!
„Die Anlagen sind einfach geisteskrank.“
(Erik Lesser)
Und das ist noch lange nicht alles. IOC-Präsident Thomas Bach verbeugte sich bei der Eröffnung der Spiele vor China’s Nummer 1, Xi Jinping. Dieser jedoch erwiderte die Verbeugung nicht, wie es ansonsten in Fernost zur guten Sitte gehört. Können sportliche Grossveranstaltungen tatsächlich nicht mehr in demokratischen Staaten abgehalten werden? Autokratien oder Diktaturen treiben das Spiel immer weiter, höher, poah – was ist das denn?!!! Wenn das olympische Feuer von Soldaten im Stechschritt begleitet wird – sind die Bilder von Berlin 1936 komplett in Vergessenheit geraten?
„Ein lang gehegter Traum geht in Erfüllung!“
(Cai Xi, OK-Chef China)
Fragt sich, welcher Traum! Nun, das IOC wird sich auch weiterhin weigern, politisch Stellung zu nehmen. Schliesslich soll der Sport im Mittelpunkt stehen. Doch werden nach wie vor Spiele an Ausrichter vergeben, die solche wundervolle, gigantische Bilder in die Welt schicken. Die Athleten avancieren immer mehr zu Statisten. Stellt sich somit die Frage: Sport als Mittel zum Zweck?
.) China und Corona
Sportliche Grossveranstaltungen im Zeichen Coronas: Brot und Spiele? Dabei ist Kritik an den Sportlern fehl am Platz. Sie trainieren auf den Punkt hin, um an ihrem Einsatztag das Möglichste, nein, das Beste geben zu können. Schliesslich ist die olympische Goldmedaille ideell immer noch das höchste Ziel, das im Sport erreicht werden kann. Selbst-verständlich auch wirtschaftlich, da die Haltbarkeit im Leistungssport sehr begrenzt ist und wohl die meisten in diesen wenigen Jahren auch wirklich gut verdienen wollen. Es sei ihnen gegönnt! Doch hat Corona in diesem Falle nichts mit Berufsrisiko zu tun! Hier wird eindeutig die Gesundheit der Athleten in den Hintergrund gestellt. Zudem stachelt das Publikum im Stadion, entlang der Strecke oder im Zielraum jeden (auch den Schlechtesten) zu persönlichen Höchstleistungen an. Fehlt dieses Publikum bleibt ein bedrückendes Gefühl übrig. China hat ferner die massivsten Pandemiemassnahmen auf diesem Globus gesetzt. Einerseits um dadurch aufzuzeigen, dass das, was aus diesem Land gekommen ist, jetzt unter Kontrolle scheint. Andererseits um zu vermeiden, dass bei einem Fehler, einem Lapsus plötzlich einige Millionen davon betroffen sind. Andere, für unsereins unvorstellbare Massstäbe! Inzwischen wurden immer mehr Stimmen laut, die die Art der Quarantäne kritisieren. So soll der deutsche nordische Kombinierer, Doppel-Olympiasieger (2014/2018) und Medaillenfavorit Erik Frenzel in einem Zimmer untergebracht worden sein, das wohl eher einer Gefängnis-Zelle entspricht. Vielen anderen Sportlern und Sportlerinnen werden zuhause dasselbe zu berichten wissen. Der Chef de Mission des deutschen Teams, Dirk Schimmel-pfenning, sprach nicht nur in diesem Falle, sondern auch beim Eis-kunstläufer Nolan Seegert von „unzumutbar“! Erst nach dieser Kritik konnten Frenzel und Seegert in ein anderes Zimmer umziehen. Diese Umstände waren jedoch bereits bekannt. Nach dem ersten Weltcup der Saison in Yangqing hatten sich die deutschen Rodler lautstark darüber beschwert. Die Zusicherung über eine Verbesserung sei jedoch nicht eingehalten worden, betont Schimmelpfennig. Übrigens lag Frenzel bei seiner Testung unter 30 CT – der Grenzwert in China liegt jedoch bei 40 CT! Sven Hannawald war es schliesslich, der die Vermutung äusserte, dass bei kritischen Sportlern plötzlich aus einem negativen ein positiver PCR-Test werden könnte.
.) China und die Nachhaltigkeit
Das IOC wäscht stets die Hände in Unschuld: Die Vergabe von Olympischen Spielen erfolgt stets auch unter der Vorgabe der Nach-haltigkeit! Das betrifft nur geringfügiger Eingriff in die Umwelt, Nutzung bestehender Infrastruktur und die weitere Verwendung der Sportanlagen. Bereits in Sotschi/Russland wurden Einwohner enteignet, zwangsum-gesiedelt und ganze Landstriche für die perfekte Piste planiert.
„Aber zu wissen, wie dieses Gebiet vorher ausgesehen hat, macht mich traurig. All das für drei Wochen.“
(Erik Lesser auf Instagram)
Dort, wo diese Pisten, Stadien und Anlagen aufgezogen wurden, stand zuvor nichts, das für eine wintersportliche Nutzung sprechen würde. Die weitere Nutzung danach steht gross in Frage. Erik Lesser ist Biathlet. Die riesige Anlage für die Biathlon-Bewerbe wurde in Kuyangshu errichtet. Nicht nur dort, sondern in den grössten Teilen Chinas weiss man mit dem Begriff „Biathlon“ rein gar nichts anzufangen. Auch über weitere grosse internationale Bewerbe dort ist nichts bekannt.
Viele hochrangige Sportfunktionäre aus Deutschland und Österreich bezeichnen es inzwischen als grossen Fehler, angesichts vornehmlich der Menschenrechtssituation in China die Vergabe im Jahr 2015 an das Land vorgenommen zu haben. So etwa auch die ehemalige Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer, Sylvia Schenk. Sie ist heute als Sport-beraterin bei Transparency International tätig. Diese Entwicklung sei möglicherweise damals noch nicht vorhersehbar gewesen – inzwischen verlange der Ausrichtervertrag von Bewerbern die Achtung der Menschenrechte. Übrigens haben sich viele der Sponsoren der Olympischen Spiele wie Allianz, Airbnb, Coca Cola, Intel, Procter & Gamble oder Visa nicht von möglichen Menschenrechtsverletzungen des Ausrichterlandes distanziert.
„Für uns als IOC-Sponsor stehen die Werte der olympischen Bewegung – Exzellenz, Freundschaft und Respekt – sowie die Leistungen der Athleten an erster Stelle!“
(Pressemitteilung Allianz)
Und von Andrea Fairchild von Visa war zu erfahren:
„Wir sind gegen Völkermord, wo immer so etwas passiert!“
Vom US-Senator Tom Cotton befragt, ob sie das, was im chinesischen Landesteil Xinjiang als Völkermord bezeichnen würde, meinte sie, dass das von ihr vertretene Unternehmen sich nicht in der Lage sehe, dies zu beurteilen. Dabei müsste es diesen Global-Players bekannt gewesen sein, dass dort etwas nicht stimmt, meint auch die Wirtschaftsethikerin Alicia Hennig vom Internationalen Hochschulinstitut (IHI) in Zittau. Schliesslich gäbe es die Unterdrückung der uigurischen Minderheit in China und die Lage in Tibet und Hongkong ja schon seit längerer Zeit („Man wusste ja schon, was in China Sache ist.“). Japan hingegen ist hier einen Schritt weiter – allerdings aus anderen Gründen: Der Automobil-Hersteller Toyota stoppte bereits im Sommer seine Olympia-Werbung! Seine Befürchtung: Imageschaden!
Der Vollständigkeit halber erwähnt: Neben den bereits benannten Unter-nehmen treten auch folgende Unternehmen als Sponsoren der Olympischen Spiele in China auf:
Alibaba
Atos
Omega
Panasonic
Samsung