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Urbane Mobilität – Mit der Seilbahn zur Arbeit

„Parkende Autos sind eine gigantische Platzverschwendung! In Zukunft können wir uns das noch weniger leisten, weil unsere Städte widerstandsfähiger werden müssen gegen die Folgen des Klima-wandels.“

(Andreas Knie, Univ.-Prof. für Soziologie an der TU Berlin) 

Seine Arbeit spaltet die Meinungen, obgleich er nicht wie sein Kollege Hermann Knoflacher (emeritierter Professor für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik an der TU Wien) oder der ehemalige PDS-Bundestags-abgeordneter Winfried Wolf den völligen Verzicht auf Autos fordert. Andreas Knie ist seit 35 Jahren wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissen-schaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und leitet dort seit zwei Jahren die Forschungsgruppe „Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung“. Prof. Knie fordert vielmehr die Einschränkung des städtischen Individualverkehrs mit Privatautos. Anstatt dessen favorisiert er die Einführung von „Robo-Shuttles“ – selbstfahrenden Autos, die über das Handy geordert werden können. Die meisten unter Ihnen werden sie aus den unzähligen Sci-Fi-Filmen kennen! Im heutigen Blog wird es sehr technisch, aber auch sehr interessant werden.

Seit Jahrzehnten grübeln Städteentwickler, Verkehrsplaner und Soziologen über Lösungsmöglichkeiten des Individualverkehrs in den Städten. Ballungszentren, die aufgrund der Landflucht immer grösser werden, obwohl sich viele die Wohnung gar nicht mehr leisten können und ein Parkplatz vor dem Haus nahezu ebenso viel kostet, wie eine Garconniere auf dem Land! Übrigens ein ganz heisses Thema anscheinend auch für die Auto-Produzenten, denn wer hier eine derartige Lösung liefern kann, dürfte wohl eine Nasenlänge vor der Konkurrenz liegen. So gab es u.a. bereits ein gemeinsames Projekt von VW und Uber mit E-Cars. Und dann schlagen die Meldungen von Tesla ein wie eine Bombe, wonach der Autopilot Kinder offenbar nicht als Hindernis erkennt (3 von 3 Kinder wären angefahren oder überrollt worden). Das wirft nicht nur den Musk-Konzern, sondern alle Unternehmen um Meilen zurück, die am auto-nomen Fahren arbeiten. Kern ist also von diesem Konzept der Robo-Shuttles überzeugt, die des nächtens zum Aufladen in die Aussenbezirke fahren würden. 

Dennoch ist es nur eine Möglichkeit, die Städte wieder wohnbarer zu machen. Eine andere wäre sicherlich die Fahrrad-Stadt. Amsterdam gilt in diesem Bereich als die Fahrradhauptstadt Europas. In der nieder-ländischen Grossstadt leben rund 810.000 Menschen, doch gibt es geschätzte 880.000 Drahtesel. Es ist eine gesunde Möglichkeit, da Bewegung ja bekanntlich dem Körper in allen Belangen gut tut. Allerdings nur machbar mit massiven Einschränkungen des motorisierten Verkehrs oder gar komplett autofreier Zonen, da Radfahrer in so mancher Stadt als wesentlich gefährdeter als Fussgänger gelten – viele aufgrund ihrer Fahrweise auch durchaus selbstverschuldet. Stellt sich die Frage: Wie kann in einer autofreien Zone umgezogen werden und wie gestaltet sich das mit Lieferfahrten? Alles kann mit einem Lastenfahrrad nicht transportiert werden. Schon mit einem Wocheneinkauf kann es Probleme geben. Amsterdam hat zudem auch nur ganz wenige und geringe Steigungen. Stelle ich mir jedoch vor, wie es nur mit dem Fahrrad in Städten wie etwa Innsbruck ausschaut, wo teils ordentliche Steigungen zu meistern sind. 

Eine weitere Möglichkeit wäre Carsharing! Die Fixkosten wie Steuer und Versicherung, sowie Parkkarte oder Garagenstellplatz können eingespart werden. Wird ein Auto nötig, so kann man es sich buchen. Allerdings ist hier eine gute Planung vonnöten, schliesslich greifen mehrere auf ein und dasselbe Auto zu. Das kann gerade bei Stosszeiten zu Wartezeiten führen. Besser, man verschiebt dann seine Erledigungen und Termine auf die Randzeiten. Im Vergleich zu den Robo-Shuttles müssen dies nicht auto-nom fahrende Autos sein. Die Gefahr bei dieser Lösung: Bei einem Unfall stehen plötzlich mehrere Carsharing-Nutzer ohne Auto da. 

Nurmehr öffentliche Verkehrsmittel. Ich war acht Monate lang in Wien. Viele Strecken legte ich zu Fuss zurück – ansonsten war ich mit der U-Bahn wesentlich rascher am Ziel als mit dem Auto. Allerdings wirft auch diese Lösung eine Frage auf: Was mache ich in der Früh und am Abend, wenn die halbe Stadt auf dem Weg zur oder von der Arbeit ist. Die Bilder der überfüllten U-Bahnen in Tokio sind nicht wirklich eine Werbung hierfür. Um das zu vermeiden, könnte man ja früher bzw. später unter-wegs sein. Jedoch meldet sich alsdann der Chef als Erster, da sich viele Überstunden ansammeln oder die Kernzeiten nicht eingehalten werden; schliesslich wird dies auch die Familie nicht wirklich gutheissen, wenn man nach der Arbeit noch auf ein Feierabend-Bierchen geht, obwohl zuhause das Abendessen wartet. 

Und da gibt es dann noch die Idee mit der Stadtseilbahn (Favorit des Schreiberlings). Die erste urbane Seilbahn wurde 1862 in Lyon errichtet. Mit ihren Drei-Wagen-Zügen konnten bis zu 324 Personen zwischen den hügeligen Stadtteilen befördert werden. In den letzten Jahren entwickelte sich die Stadtseilbahn zum interessantesten Projekt der Städte- und Verkehrsplaner. Verantwortlich dafür ist sicherlich auch der Erfolg der Bahn in Koblenz. Sie wurde anlässlich der Bundesgartenschau errichtet und verbindet die Altstadt mit der Festung Ehrenbreitstein. Ein Hotspot nicht nur für Touristen, sondern inzwischen auch für viele Einheimische, die die Bahn täglich nutzen. Bis vorläufig erstmal 2026, dann endet die Betriebsgenehmigung. 35 Personen passen in eine Kabine – pro Stunde und Richtung können bis zu 6.000 Personen befördert werden. 

Auch in London, Bozen, Madrid, Barcelona, Lissabon etc. findet man Stadtseilbahnen. In Ankara wurde 2014 zwischen der U-Bahnstation Yeni Mahalle und dem Stadtteil Sentepe die längste Stadtseilbahn Eurasiens in Betrieb genommen. Für die 3.228 m lange Strecke benötigt man 10 Minuten – die Verbindungsstrasse hingegen ist ständig verstopft – mit dem Auto wären es 60 Minuten. Stündlich können bis zu 2.400 Personen befördert werden. Die Kabinen verfügen über eine Sitzheizung, ein Multi-Informationssystem und erreichen eine Fahrhöhe von bis zu 60 m. 

Der Kontinent mit den meisten Stadtseilbahnen jedoch ist Südamerika. Die erste Bahn fuhr ab 2004 in Medellin/Kolumbien. Sie verbindet die Armenviertel mit der Innenstadt. Fünf Jahre später folgte Manizales (ebenfalls Kolumbien), 2010 Caracas (Venezuela), Rio de Janeiro 2011, Mexiko-Stadt 2016 und Bogotá 2018. Das beste Seilbahnen-Netz versieht in der bolivianischen Hauptstadt La Paz seinen Dienst. 2014 wurde der erste Abschnitt eröffnet – inzwischen ist auch der letzte in Betrieb: 33 Kilometer lang, verbindet das Seilbahnnetz vornehmlich die Hauptstadt La Paz mit der zweitgrössten Stadt des Landes El Alto (4.000 m Seehöhe). Die Bahn wird hauptsächlich von Pendlern benutzt, täglich sind es alsdann rund 125.000 Personen. 

Für Deutschland und Österreich liegen inzwischen auch bereits konkrete Pläne vor – nicht nur für den Wintertourismus. Auch in den Städten gibt es bereits baufertige Konzepte. 

.) Salzburg beabsichtigte den Bau einer U-Bahn zwischen dem Haupt-bahnhof und dem Mirabellplatz. Kosten anno 2018: 150 Mio € mit viel Luft nach oben, da es aufgrund des Setons zu Bauproblemen kommen könnte. Also schlug der Stadtverein eine Seilbahn-Lösung vor, damit all die Touristen-Busse nicht mehr in die Stadt fahren müssen. Geplant in einem ersten Schritt ist eine Linie vom Messegelände im Norden zum Rot-Kreuz-Parkplatz, der zweite vom Park & Ride Platz an der Alpenstrasse Süd bis zum Nonntal. In der Früh und am Abend würde damit den Pendlern, tagsüber den Touristen geholfen. Die Baukosten von 160 Mio für beide Bahnen und Betriebskosten von rund 6 Mio (ebenfalls für beiden Bahnen) würden sich innerhalb weniger Jahre amortisieren. 

.) Linz arbeitet ebenfalls an einem Projekt von Pichling zum Pleschinger See. Gesamtlänge: 10 km. Der Knackpunkt: Die Kosten in der Höhe von 283 Mio €. Bürgermeister Klaus Luger sprach sich zuletzt im März erneut für dieses Projekt aus, schliesslich pendeln tagtäglich rund 100.000 Menschen in die oberösterreichische Hauptstadt. Pro Stunde und Fahrt-richtung könnten 5.500 Fahrgäste transportiert werden. In drei Bau-phasen soll es umgesetzt werden: 1. Bauphase über 3,5 km von Ebelsberg in das Linzer Industriegebiet. 2. Bauphase über 4,9 km bis zum Handelshafen und Bauphase 3 über die Donau bis nach Plesching. Errechnete Fahrzeit: 29 Minuten. Die Betriebskosten würden jährlich rund sieben Mio € ausmachen. 

.) Graz – Nach einer Studie der Technischen Universität Graz könnte die Einwohnerzahl bis 2035 auf 500.000 ansteigen, derzeit pendeln täglich rund 180.000 Personen im Grossraum Graz. Die Seilbahn soll über 12 km entlang der Mur führen und dabei auch die Park & Ride-Parkplätze im Norden und Süden der Stadt einbinden. Die Baukosten belaufen sich auf rund 200 Mio €, auch Güter könnten mit der Bahn transportiert werden.

.) Wien könnte um eine Attraktion reicher werden mit der Stadtseilbahn vom Bahnhof Hütteldorf zum Bahnhof Ottakring. Die Partei der NEOs brachte diese Möglichkeit bereits 2017 in die Diskussion ein – anstatt des geplanten Lobautunnels. Zuletzt wurde eine Machbarkeitsstudie durch-geführt – das Ergebnis sollte gegen Jahresende präsentiert werden.

In Deutschland hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr bereits 2019 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit der urbanen Mobilität mit Stadtseilbahnen befasst. Workshops fanden bislang in Bonn, Frankfurt am Main, München, Stuttgart, Leipzig und Kiel statt. Erstellt wurde ein Leitfaden, der bei der Cable Car World (Fachmesse für Stadt-seilbahnen) in Essen vorgestellt wurde. 2021 wurde Förderbedarf für nicht weniger als 266 Vorhaben angemeldet (2020 waren es noch 127) – darunter jedoch nur ein Seilbahnprojekt. Derzeit gebaut wird an der Seil-bahn für die Bundesgartenschau in Mannheim 2023. Sie verbindet das Spinelli-Gelände mit dem Luisenpark, führt über 2 Kilometer und soll ab April bis zu 2.800 Gäste pro Stunde befördern. Es handelt sich hierbei um eine Leihgabe, die nach der BUGA 23 wieder abgebaut werden soll. Die erste Stütze steht bereits seit Ende Juli, der Bau sollte bis Jahresende fertig sein. Kosten: 8 Mio €. Der Breakeven liegt bei 150 bis 200 zahlenden Fahrgästen die Stunde – das sollte erreichbar sein!

In Frankreich hingegen boomt der Stadtseilbahnbau: Brest, Grenoble, Toulouse, Paris,… 

Es gibt viele Vorteile einer Stadtseilbahn: 

– läuft immer – es gibt also keine Staus

– nahezu geräuschlos

– umweltfreundlich

– hohe Kapazität

– hoher Unterhaltungswert

– geländeunabhängig

– flächengünstig

Nachteile: Ab einer Windgeschwindigkeit von 100 km/h muss der Betrieb der meisten Bahnen eingestellt werden. Ebenso bei Gewitter, da ein Blitzschlag ein relativ hohes Risiko darstellt.

Seilbahnen können die sog. „Rückgrat-Systeme“ wie U-Bahn, Bahn, Strassenbahn nicht zur Gänze ersetzen. Sie können sie jedoch sehr attraktiv miteinander verbinden. Stellt sich alsdann die Frage, weshalb solche Bahnen nach wie vor nur in einigen ausgesuchten Städte im Einsatz sind, da eine Linienführung etwa entlang eines Flusses oder Hauptstrasse auch keinerlei Auswirkungen auf die Privatsphäre der Eigentümer darunterliegender Grundstücke hätte.

Ach ja – und da gibt es übrigens auch noch weitere Konzepte, die ich der Vollständigkeit halber erwähnen möchte: 

.) City-Cable-Car (Doppelmayr)

.) Conn-X (Leitner)

.) Ropetaxi (Bartholet)

https://www.bartholet.swiss/de/ropetaxi

.) UpBUS (RWTH Aachen)

Filmtipp:

.) ARTE – Xenius „Stadtseilbahn“

.) SWR – „Ohne Auto mobil – Wie kann das gehen?“

.) Web Fleet Mobility Conference 2022 – „Urbane Mobilität und Smart Cities in den nächsten zehn Jahren“

.) Free Now – „Urbane Mobilität: Ein Blick hinter die Kulissen“

Lesetipps:

.) Urbane Mobilität – Politische Perspektiven und rechtlicher Rahmen; Hrsg.: Martin Kment/Matthias Rossi; Mohr Siebeck 2021

.) Urbane Mobilität als Schlüssel für eine neue Gesellschaft; Torsten Ambs/Kathrin Pipahl; Springer Gabler 2020

.) Zukunft Urbane Mobilität: Eine ganzheitliche Betrachtung; Hrsg.: Bernhard Müller; Urban Future Edition 2020

.) Urbane Mobilität im Umbruch; Uta Schneider; Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017

.) Bewegende Zeiten: Mobilität der Zukunft; Julian Weber; Springer 2020

Links:

– ec.europa.eu/info/es-regionu-ir-miestu-pletra/temos/miestai-ir-miestu-pletra/prioritetines-temos/judumas-mieste_de

– www.plattform-urbane-mobilitaet.de/de/

– verkehrsforschung.dlr.de

– www.bmvi.de

– www.bmk.gv.at/kontakt.html

– www.th-nuernberg.de

– www.kit.edu

– mobilitaetderzukunft.at/de/

– www.vcoe.at

– www.vda.de

– www.profilregion-ka.de/

– www.doppelmayr.com/de/

– www.leitner.com

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Wenn sich Medienmanager selbst bedienen

Hinweis: Für alle Fersonen – v.a. jenen, die namentlich in diesem Beitrag angeführt sind – gilt bis zum Abschluss der Untersuchungen bzw. einer rechtskräftigen Verurteilung, die Unschuldsvermutung!

Es brodelt ausserordentlich in den Führungsetagen der öffentlich-recht-lichen Rundfunk- und Fernsehstationen Deutschlands. Die Causa Patricia Schlesinger liegt ihren Kollegen schwer im Magen, müssen sie doch nun auch selbst mit erheblichem Gegenwind rechnen. Wären der RBB bzw. die ARD normale Unternehmen, so wäre die Sache wohl morgen wieder vergessen. Doch sind die Öffentlich-Rechtlichen eine Körperschaft, die sich zu einem erheblichen Teil durch Zwangsgebühren finanzieren. Und das wiederum stösst den Konsumenten sauer auf, da sie derzeit jeden Cent doppelt umdrehen müssen. 

Rückblende:

Patricia Schlesinger wurde am 14. Juli 1961 in Hannover geboren. Nach dem Abitur studierte sie in Hamburg Wirtschaftsgeographie, Politische Wissenschaft sowie Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Daneben jobbte sie als freie Mitarbeiterin ab 1983 beim NDR und dem Hamburger Abend-blatt. Nach dem Studienabschluss begann sie 1988 ein Volontariat beim NDR. Ab 1990 moderierte sie das ARD-Magazin Panorama, wo sie sich einen ausgezeichnete Ruf als investigative Journalistin erarbeitete. Es folgte von 1995 bis 1997 die Leitung des ARD-Auslandsstudios in Singapur. Nach einem kurzen Intermezzo bei den ARD-Magazinen Panorama, extra3, Brennpunkt und der Leitung der Auslandsredaktion Fernsehen übernahm sie die Korrespondentenstelle im ARD-Studio Washington. 2004 kehrte sie gemeinsam mit ihrem Mann Gerhard Spörl (bis 2010 Auslands-Redakteur und Ressortleiter Ausland bei „Der Spiegel“) nach Hamburg zurück. Beim NDR übernahm sie die Abteilung Dokumentation und Reportage des Programmbereichs Kultur. 2016 wurde sie nach nicht weniger als sechs (!!!) Wahlgängen zur Intendantin des Radios Berlin-Brandenburg (RBB) gewählt. Daneben bekleidete sie den Posten der Aufsichtsratsvorsitzenden der ARD-Produktionsfirma Degeto-Film und vom 01. Januar 2022 weg turnusmässig auch den ARD-Vorsitz. Am 04. August legte sie diesen zurück und schied auch als RBB-Intendantin aus – nach vertraglich vereinbarter Ankündigungspflicht zum 28. Februar 2023 – vorzeitig nur gegen Zahlung einer Abfindung. Auch die Pensionsansprüche in der Höhe von rund 15.000,- € pro Monat sollen bestehen bleiben. 

„Persönliche Anwürfe und Diffamierungen haben ein Ausmaß angenommen, das es mir auch persönlich unmöglich macht, das Amt weiter auszuüben.“

(Patricia Schlesinger)

Was aber ist in diesen Tagen geschehen? Für grossen Unmut sorgte die durch den Verwaltungsrat des RBB genehmigte Gehaltserhöhung auf 303.000 € (+16 %) plus Bonus von mehr als 20.000,- € plus einem zu versteuernden geldwerten Vorteil für die Privatnutzung des Dienstfahr-zeuges (Angaben: Business Insider). Daneben tauchten Gerüchte über Vetternwirtschaft auf – auch die Geschäftsbeziehungen ihres Ehemanns zum Vorsitzenden des Verwaltungsrates, Wolf-Dieter Wolf, führten zu weiteren Spekulationen. Mitte Juli wurde durch die RBB-Revision eine externe Prüfung in Auftrag gegeben. Zugleich kündigten die Landes-rechnungshöfe von Berlin und Brandenburg eine gemeinsame Prüfung an. Die derart letzte wurde im Jahr 2018 durchgeführt. Bereits damals kritisierte der Landesrechnungshof Berlin neben anderem auch „übermässige Gehaltserhöhungen und Sonderzahlungen“. Inzwischen führte zudem der Landtag Brandenburg eine Sondersitzung hierzu durch, beantragt durch den Hauptausschuss. Nicht zur Sitzung erschienen ist Patricia Schlesinger. Ab diesem Zeitpunkt überschlugen sich die Meldungen zu Unregelmässigkeiten. Federführend daran beteiligt die Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ ( Verleger: Dieter von Holtzbrinck) und die Wirtschafts- und Nachrichten-Plattform „Business Insider“ (Axel Springer SE). Dort war zu lesen von teuren Umbaumassnahmen, hochdotierten Beraterverträgen, einem luxuriösen Dienstwagen, Abrechnungen von Dienstessen in der Privatwohnung etc. – dies alles wird inzwischen von Fachleuten geprüft. Über ihren privaten Mail-Account bei AOL soll Schlesinger entgegen der Dienstanweisung „Informations-management“ alsdannn interne Nachrichten verschickt und vertrauliche Papiere des Senders empfangen haben.  

Zu den Anschuldigungen im Einzelnen:

.) CNC – Das Crossmediale News-Center

Um den Anforderungen der Gegenwart und Zukunft entsprechen zu können, wurde durch den RBB ein eigenes Newscenter in Berlin errichtet. Ziel ist es, jene Schichten zu erreichen, die sich nahezu ausschliesslich im Internet über die Geschehnisse kundig machen. Das Zentrum des CNC ist ein 400 qm grosser Newsraum, der keinerlei Wünsche offen lässt. Insgesamt wurden 2.400 qm des sechsten und siebten Stockwerks des Landesfunkhauses komplett umgestaltet. Die Kosten für all dies sind inzwischen auf 150 Mio Euro explodiert. Hier wird nun dem Verwaltungs-ratsvorsitzenden Wolf vorgeworfen, dass einige seiner Geschäftspartner in diesem Zusammenhang und auch bei anderen Immobilienprojekten zu durchaus hochdotierten Beraterverträgen und Aufträgen kamen – dabei geht es offenbar um sechsstellige Honorare. 

„Das CNC ist unsere neue Werkstatt, in der wir journalistische Exzellenz und plattformgerechte Aufbereitung verbinden können. Davon profitieren alle aktuellen Programme.“

(Patricia Schlesinger)

Die Sinnhaftigkeit dieser crossmedialen Einrichtung, die nicht nur die bisherigen, sondern auch die digitalen „Ausspielwege“ bedienen kann, steht dabei nicht zur Diskussion. Es sind vielmehr die Verträge und die Kosten, die nun genau überprüft werden.

.) Miet-Dienstwagen

Der Intendantin stand ein Audi A8 mit zwei Chauffeuren zur Verfügung. Das Fahrzeug soll mehrere Sonderausstattungen wie etwa Massagesitze aufweisen, die es auf einen Listenpreis von 145.000,- € bringen. Anschuldigungen stehen nun im Raum, wonach auch der Ehegatte, Familienmitglieder und gar Freunde dieses Fahrzeug inklusive der Chauffeure für private Zwecke verwendet haben sollen. Zum Vergleich: Die Leasingkosten für das Dienstauto, das der Intendant der Deutschen Welle selbst fährt, belaufen sich auf 336,- € monatlich, der SR, das Deutschlandradio und der SWR haben kleinere BMW- bzw. Toyota-Modelle für die Direktoren, Radio Bremen verzichtet gänzlich auf einen Dienstwagen. Der Intendant des HR hat das bisherige Dienstauto, einen BMW 745e, gegen ein kleineres Elektroauto eingetauscht. ZDF-Chef Himmler hat sein Dienstauto, einen BMW 740Ld xDrive, von seinem Vorgänger übernommen – mit ihm werden auch andere Mitglieder der Geschäftsführung gefahren. Privatfahrten gibt es nur auf Fahrtenbuch – monatliche Leasing-Kosten: 508,16 € plus MwSt.

.) Bewirtungsabrechnungen

Schlesinger rechnete einige Abendessen ab, die sie angeblich aus dienstlichen Gründen in ihrer Privatwohnung in Berlin abgehalten haben soll. Abgerechnet wurden mehrfach Abendessen mit 3 bis 11 Personen zu einem Kostenbeitrag von 69,20 € pro Person. Hier besteht der Vorwurf, dass diese teils erheblich frisiert wurden bzw. für private Festivitäten missbraucht wurden. 

Schlesinger selbst versprach noch in Amt und Würden eine lückenlose Aufklärung. Doch war die Reue offenbar nicht so gross, als sie der Sondersitzung im brandenburgischen Parlament hätte selbst beiwohnen wollen. Immer mehr Details kamen schliesslich ans Tageslicht, die sie zu ihrem Rücktritt bewogen. So wurde offenbar auch die Chefetage des RBB im 13. Stock umgebaut und neu möbliert. Rechnungssumme: 650.000 €! Alleine der hochwertige Öko-Parkettboden soll 17.000 € verschlungen haben, die Designer-Möbel den Klacks von 60.000 €. 

Nach Angaben der Tageszeitung „Die Welt“ (Axel Springer SE) bezeichnet der RBB-Personalrat und die Redaktion die Arbeitsatmosphäre als „Klima der Angst“. 

Auch die Kollegen des ZDF recherchierten inzwischen über diesen Fall für das TV-Investigativ-Magazin „Frontal 21“ – in der Vergangenheit nach ungeschriebenem Gesetz durchaus unüblich.

Selbstverständlich gilt für alle hier namentlich Erwähnten bis zum Ende der Untersuchungen die Unschuldsvermutung. Der Verwaltungsrats-vorsitzende Wolf hat zwischenzeitlich ebenfalls seinen Rücktritt erklärt. Er soll Spörl nach Angaben von Business Insider übrigens zudem einen mit 72.000 € dotierten Vertrag für Mediencoaching des Chefs der Messe Berlin zugeschanzt haben. Die Leiterin der Intendanz, Verena F.-M. wurde mit sofortiger Wirkung freigestellt.

„Jetzt ist es notwendig, dass der RBB unverzüglich mit absoluter Transparenz die Sachverhalte aufklärt!“

(Daniel Keller, Vorsitzender des Hauptausschusses im Brandenburger Landtag)

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen eingestellt, der hierfür erforderliche Anfangsverdacht wurde verneint. Inzwischen jedoch antwortete die Berliner Generalstaatsanwaltschaft auf Anfrage am vergangenen Donnerstag, dass sie Ermittlungen wegen des Anfangsver-dachtes der Untreue und Vorteilsnahme aufgenommen hat. Die Prüfungen durch eine externe Kanzlei werden bis Oktober andauern. Sollten diese Anschuldigungen jedoch der Wahrheit entsprechen, wird dies wohl weitreichende Folgen für den gesamten öffentlich-rechtlichen Bereich haben. So wurde erst vor einigen Jahren die GEZ zur zwangshaften Haus-haltsabgabe umgewandelt, die zu erheblichen Mehreinnahmen führte. Dennoch kommen viele der Landesfunkhäuser nicht mit dem Geld zurecht – jetzt erschein es klar, weshalb. Erst am 20. Juni 2021 beschloss der Bundesverfassungsgerichtshof die Beitragsanpassung von bislang 17,50 € pro Haushalt auf 18,36 €. Ausschlaggebend war eine Verfassungs-beschwerde von ARD, ZDF und Deutschlandradio gegen die Landes-regierung von Sachsen-Anhalt, die eine Landtagsabstimmung zum 1. Medienänderungsstaatsvertrag und damit einer Anpassung der Rund-funkgebühren abgesagt hatte. Am 01. August wurde der Beitrag erhöht – im Jahr 2021 flossen 8,42 Milliarden Euro Gebühren in die Kassen der Öffentlich-Rechtlichen. Doch – immer mehr sprechen sich inzwischen gegen die Zwangsgebühren aus.

Auch in den Nachbarstaaten durchaus umstritten. In Frankreich entschied sich nach der Nationalversammlung auch der Senat gegen die Rundfunk-gebühren (138,- € pro Jahr und Haushalt) – der öffentlich-rechtliche Bereich wird künftig aus dem Staatshaushalt finanziert. 

In der Schweiz sprachen sich zwar 71,6 % in einer Volksabstimmung am 04. März 2018 gegen die Abschaffung der Rundfunk- und Fernsehge-bühren (BILLAG) aus, dort kommen die Gebühren jedoch auch regionalen Fernsehstationen, Lokalradios und nicht-gewinnorientierten Radioan-stalten zugute. 

In Österreich findet im September erneut ein Volksbegehren für die Abschaffung der GIS statt. Das letzte im Jahr 2018 erzielte 320.000 Unterschriften, wurde jedoch ausgerechnet unter einer Regierung abgewiesen, der die FPÖ angehörte, die selbst schon mehrfach gegen die GIS-Zwangsabgaben eintrat. Inzwischen wurden die Rundfunkgebühren erhöht. Nach der Entscheidung der Bundesverfassungsrichter soll auch dieses System reformiert werden – entweder nach dem Vorbild der deutschen Haushaltsabgabe oder jenem der Finanzierung aus dem Staatshaushalt, wie in Frankreich.

In Dänemark machte die „medielicens“ 1.353,- Kronen (rund 182,- €) jährlich pro Haushalt aus. Sie wurde stufenweise bis zum 31.12.2021 abgeschafft und wird nun durch eine Reduktion des steuerlichen Personenfreibetrages finanziert.  

Abschliessend nun noch eine kleine Auflistung der Gehälter der Inten-danten. Ob solche Zuwendungen angesichts der derzeitigen wirtschaft-lichen Entwicklungen in Deutschland und Österreich moralisch noch vertretbar sind, überlasse ich Ihren Überlegungen.

Deutschland (2022 – Angaben Tarifstruktur ZDF/interner Gehaltsreport ARD, veröffentlicht durch „Die Welt“)

.) WDR – Tom Buhrow 413.000,- € (2017 – 399.000,-)

.) ZDF – Norbert Himmler 372.000,- € (Vorgänger Thomas Bellut 2019 – 369.000,-)

.) SWR – Kai Gniffke 361.000,- € (Vorgänger Peter Boudgoust – 338.000,-)

.) NDR – Joachim Knuth 346.000,- € (Vorgänger Lutz Marmor 365.000,-)

.) BR – Katja Wildermuth 340.000,- € (Vorgänger Ulrich Wilhelm – 403.000,-)

.) RBB – Patricia Schlesinger 303.000,- € + Bonus (2017 – 257.000,-)

.) MDR – Karola Wille 295.000,- € (2017 – 275.000,-)

.) Radio Bremen – Yvette Gerner 281.000,- € (Voränger Jan Metzger – 257.000,-)

.) HR – Florian Hager 255.000,- € (Vorgänger Manfred Krupp 305.000,- )

.) SR – Martin Grasmück 245.000,- € (Vorgänger Thomas Kleist – 257.000,-)

Diese Gehälter werden von den Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten beschlossen.

Österreich (Angaben Gehaltsbericht bzw. „Der Standard“)

Hier recherchierte ich bereits mehrfach sehr intensiv nach dem Gehalt des Generalintendanten – jedoch leider erfolglos. Und dies, obgleich die Gehälter transparent sein müssten. Nach Angaben des „Der Standard“ könnten es 420.000,- € für Alexander Wrabetz im Jahr 2020 gewesen ein (inkl. Sach- und Sozialleistungen). Die weiteren Geschäftsführer nach dem Gehaltsbericht des Bundes:

.) ORF Direktoren im Schnitt 248.000,- € 

4 Frauen zu je im Schnitt 255.800,- / 10 Männer zu je im Schnitt 244.900,- €

.) 2 GIS-Direktoren zu jeweils im Schnitt 223.700,- €

.) ORF-Vermarktungstochter Enterprise (Werbung)

1 Geschäftsführer zu 332.200,- € / 1 Geschäftsführerin zu  212.300,- 

Schweiz (2020 – Angaben: Geschäftsbericht)

.) SRG-Direktor Gilles Marchand 533.000,- CHF (inkl. Bonus von 101.000,- CHF)

.) SRF-Direktorin Nathalie Wappler 450.000,- CHF

.) 7 weitere Mitglieder der Geschäftsleitung jeweils 390.000 CHF (inkl. Bonus über je 73.400,- CHF)

Links:

.) www.rbb-online.de

.) www.daserste.de

.) www.zdf.de

.) www.orf.at

.) www.srgssr.ch

.) www.businessinsider.de

.) www.tagesspiegel.de

.) www.welt.de

.) www.derstandard.at

.) www.landtag.brandenburg.de

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Das leise Sterben des Buchs

Es ist jedes Wochenende dasselbe: Nach einem Samstag im Garten bin ich am Sonntag wie gerädert – Kopfschmerzen, tränende Augen, rinnende Nase, starker Husten und heftiges Niessen. Lange Zeit wusste ich nicht, weshalb ich derartige Symptome aufwies, muss aber erwähnen, dass ich seit einigen Jahren unter Pollenallergie, also Heuschnupfen leide. Doch sind diese allergischen Reaktionen meist nicht derart stark ausgeprägt.

Vor kurzem nun ging ich der Sache auf den Grund: Buchsbäume, mit diesen auch der Buchsbaumzünsler und dessen Härchen! Der Buchsbaum ist eine der beliebtesten Pflanzen der heimischen Gärten. Er galt als pflegeleicht und robust sowie einfach zu schneiden. Ich selbst habe Koniferen rund um mein Grundstück gesetzt – viele meiner Nachbarn aber erfreuen sich solcher Buchsbäume! Der Buchsbaumzünsler (Cydalima perspectalis) ist ein Schädling, der dem Menschen gleich zweifach schaden kann. Einerseits durch das Vernichten der mit viel Liebe und Ausdauer aufgezogenen Buchsbäume, andererseits durch die Netze und Haare der Raupen. Doch – eines nach dem anderen!

Der Falter legt seine bis zu 150 Eier zumeist an der unteren Blätterseite des Gewöhnlichen (Buxus sempervirens) und des Kleinblättrigen Buchs-baumes (Buxus microhylla) ab. Die daraus schlüpfenden Raupen fressen zuerst die Blätter, dann auch die Rinde des Astes. Jener Teil oberhalb der Frassstelle stirbt ab. Der Baum wird mit der Zeit beige-gelblich, trägt kaum noch Blätter und ist meist komplett von den Raupen eingesponnen. Die Raupen selbst sind gelblich- bis dunkelgrün und schwarz gepunktet, besitzen weisse Borsten und eine schwarze Kopfkapsel. Sie können bis zu 5 cm lang werden. Ursprünglich stammt das Insekt aus Ostasien – höchstwahrscheinlich wurde es über ein Containerschiff nach Deutschland eingeschleppt (die ersten Befallsherde waren 2004 rund um Rhein-Binnenhäfen zu bemerken) und verbreitet sich seither rasend schnell auf dem europäischen Kontinent – seit 2007 auch in der Schweiz und 2009 in Österreich. Experten gehen davon aus, dass alle zwei Monate eine neue Generation entsteht – so können pro Jahr vier Generationen heran-wachsen.

Der Zünsler selbst ist ein weisser Falter mit schwarzem Muster. Seine Flügelspannweite beträgt zwischen 40 bis 45 mm. Die meiste Zeit seines nur 8-tägigen Lebens verbringt er unter den Blättern, nicht unbedingt ausschliesslich des Buchsbaumes. Die Weibchen legen ihre Eier nur in noch nicht befallene Bäume. Die letzte Generation im Jahr überwintert in Kokons aus verklebten und verformten Blättern eingesponnen im Geäst des Buchsbaumes. Steigt das Thermometer dann wieder konstant auf über 7 Grad Celsius beginnen die Larvenstadien. Innerhalb von zehn Wochen werden so bis zu sieben Larvenstadien durchlaufen. Bei Temperaturen von 20 Grad und mehr kann dies auf nur drei Wochen reduziert werden. Anschliessend verpuppen sich die Vielfrasse in Kokons und schlüpfen nach einer Woche als Falter. 

Zu Beginn eines Befalles sind die Schäden meist gering und nur bei genauer Betrachtung zu sehen. Er beginnt an den inneren Ästen des Baumes. Erst wenn die Raupen den Aussenbereich der Pflanze erreichen, wird der Befall erkennbar. Dann aber ist der Schaden bereits enorm. Die Pflanze muss nicht zwangsläufig durch den Befall absterben, allerdings sollten auf jeden Fall mehrere dieser Befälle verhindert werden. Befallene Einzelpflanzen sollten am besten entfernt und verbrannt werden.

Das Paradies für derartige Zünsler war auch der grösste Buchs-Wald im Wildwuchs nördlich der Alpen bei Grenzach-Wyhlen in den Jahren 2017 und 2018: 150 Hektar sind „so gut wie tot“ – 100 Hektar davon stehen seit 1939 unter Naturschutz! Zudem wütete auch seit geraumer Zeit ein Pilz (siehe weiter unten), dass es so manchem Förster die Tränen in die Augen treibt! Die grössten Teile der Buchswaldes wurden entlaubt, zudem wurde den einzigen natürlichen Feinden der Raupen, den Haussperlingen und Buntspechten mehr Lebensraum eingeräumt. Weitere Buchswälder finden sich zwischen Karden und Müden an der Mosel sowie im Kehr-bachtal bei Löf, in den Wäldern des Jurasüdhangs in der Schweiz (namensgebend für Buix), der Provence, der Macchia Istriens, Südengland (South Downs) oder im Riesengebirge.

Das sog. „Gespinst“, also die Spinnweben, sind viel dichter als jene der Spinnen verwebt. Dieses und v.a. die feinen Härchen der Raupen sind der wahre Horror für manchen Allergiker, da das Immunsystem auf 100 % hochfährt! 

Aufgrund seiner rasend schnellen Ausbreitung und der fehlenden Lang-zeituntersuchungen ist es sehr schwer, etwas gegen die vielfressenden Raupen zu unternehmen. Es beginnt bereits beim Kauf der Pflanze. Vermeiden Sie den Ankauf von Billigpflanzen aus dem Baumarkt. Sie sind meist aus Fernost importiert und somit die Überträger des Schädlings. Jede einzelne sollte auf einen möglichen Befall hin untersucht werden. Ist es dann trotzdem geschehen, so sollen die unterschiedlichsten Mittelchen helfen. 

.) Bacillus thuringiensis

Dieses Bakterium spielt eine wichtige Rolle in der biologischen Schädlingsbekämpfung, aber auch dem Kampf gegen Stechmücken. 1901 erstmals durch den Japaner Ishiwatari Shigetane beschrieben (er fand das Bakterium in Seidenraupen), lebt es vornehmlich an den Wurzeln der Pflanzen. Es produziert über 200 der sog. „Bt-Toxine“, kristalline Proteine („Cry-Proteine“), die auf Käfer, Schmetterlinge, Haut- und Zweitflügler sowie Nematoden tödlich wirken, bei Wirbeltieren wie Mensch und Tier jedoch wirkungslos und komplett biologisch abbaubar sind. Die kristallinen Endotoxine zerstören die Darmwand und setzen Stoffwechsel-gifte frei. Die Larve verendet nach wenigen Tagen. Für Bienen unschädlich – wird sogar von Imkern gegen die Wachsmotte eingesetzt!

.) Buchsbaum-Zünsler-Falle

Sie funktioniert in etwa wie die Mottenfalle: Durch Pheromone (Duftstoffe) werden die Männchen angelockt und bleiben auf dem Leim am Boden der Falle kleben. Einerseits kann so festgestellt werden, ob der Zünsler auch in Ihrem Garten aktiv ist, andererseits bleiben dadurch viele der Weibchen unbefruchtet! Hilft allerdings nicht gegen einen grossflächigen Befall. Dient vornehmlich dem Monitoring!

.) Azadirachtin

Diese 1968 erstmals gewonnene chemische Verbindung findet sich im sog. „Neem-Baum“, der ursprünglich aus Indien und Pakistan stammt, inzwischen aber in allen tropischen und subtropischen Regionen wächst. Synthetisch wurde es erstmals 2007 hergestellt. Es gehört zu den Limonoiden – hemmt also die Larvenentwicklung sehr vieler Insekten (Ecdyson-artige Wirkung). Für Säugetiere soll es relativ ungefährlich sein. Die Halbwertszeit liegt bei 13 bis 94 Stunden – je nach UV-Einwirkung. Beobachtet wurden nur In Flugkäfigen bei Kleinstvölkern der Honigbiene (etwa zur Königinnenzucht) Auswirkungen bei der Brut. 

.) Pyrethrine

Der Extrakt „Pyrethrum“ wird aus verschiedenen Chrysanthemen-Sorten isoliert und in den Bereichen Pflanzenschutz, Schädlingsbekämpfung, aber auch der Medizin angewendet. Eingesetzt erstmals durch die US-Marine im Jahr 1917 im Kampf gegen Fliegen und Stechmücken, erfolgt heutzutage die Herstellung grossteils auf synthetischer Basis. Während das natürliche nur über wenige Tage Wirkung zeigt, behält das synthetische diese über ca. sechs Wochen. Als Kontaktgift finden Pyrethrine Verwendung gegen Blatt-, Woll- und Schmierläuse, der Weissen Fliege, Spinnmilben, Zikaden und Käfer-Larven. Die Wirkung tritt innerhalb weniger Minuten ein („Knock-Down-Effekt“). Inzwischen gelingt es aber vielen Schädlingen, die Wirkstoffe abzubauen. Deshalb wird er häufig auch mit dem Synergisten Piperonylbutoxid vermischt. Allerdings kann der Wirkstoff auch auf Wirbeltiere einwirken. So beläuft sich etwa die letale Dosis bei Nagern auf 130 bis über 600 mg/kg. Der Wirkstoff ist für Bienen giftig, weshalb von dessen Gebrauch abgeraten wird. 

.) Thiacloprid

Dieses Insektizid gehört zur Klasse der Neonikotinoiden und wird vornehmlich gegen Blattläuse, Mottenschildläusen, Blattflöhen, Apfel-wicklern und Rüsselkäfer eingesetzt. Es kann allerdings auch für Warm-blütler wie dem Menschen gefährlich werden (Atemprobleme), allerdings muss die Dosis sehr hoch sein. Das Gift wirkt als Kontakt- und Frassgift. Es dringt in die Pflanze ein und gelangt somit auch über die Kartoffel oder die Tomate in die Nahrungskette des Menschen. 2013 hat die EU-Kommission viele Pestizide, die diesen Wirkstoff enthalten, auf eine Liste zur Wiederbewertung gesetzt, das deutsche Bundesamt für Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicherheit hat daraufhin die entsprechenden Produkte vom Markt genommen. Gift für die Bienen, wird auch die Fortpflanzung des Menschen möglicherweise beeinflusst (reproduktions-toxisch).

.) Acetamiprid

Auch diese heterocyclische, aromatische Verbindung zählt zur Gruppe der Neonikotinoide. Eingesetzt wird der Wirkstoff gegen Schild-, Motten-schild- und Schmierläuse, der Weissen und der Kirschfruchtfliege sowie der Trauermücke. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit schliesst eine Beeinflussung des sich entwickelnden Nervensystems beim Menschen nicht aus. Deshalb gibt es in der EU Tagesdosen, in der Schweiz einen Toleranzwert. Wie alle Neonikotinoide gefährlich für Bienen.

Bei all diesen Mitteln hingegen – Insbesondere bei Thiacloprid – sollte an die Nützlinge, wie die Bienen gedacht werden. Wenn auch das Mittel selbst nicht unbedingt direkt tödlich ist, so kann die Biene dadurch die Orientierung verlieren, nicht mehr zum Stock zurückfinden und dadurch zugrunde gehen. Auch im Hinblick auf die Vögel sollte mit biologischer Voraussicht gearbeitet werden. So liebt beispielsweise der Buntspecht die Zünsler-Raupen – zumindest für einen Moment. Sind diese vergiftet, so wird auch der Vogel und im Speziellen seine Brut daran zugrunde gehen. Deshalb sollte vor dem Einsatz der Chemiekeule unbedingt von alternativen Methoden Gebrauch gemacht werden:

.) Giessen mit Brennesseljauche

.) Besprühen mit einer Chiliöl-Spülmittel-Wasserlösung

.) Bestäuben mit Kaffeesatz

.) Abspritzen mit dem Hochdruckstrahler (kann aber auch der Pflanze nicht gut tun)

.) Ablesen der Raupen und Kokons (im Hausmüll entsorgen)

.) Buntspechte, Haussperlinge (sie erbrechen allerdings die Raupen wieder, da Buchs giftig ist)

.) Blindschleichen

Auch das in Österreich käufliche „Pro Loh“ soll recht gut wirken. Es besteht aus Wasser, Mineralien und pflanzlichen Gerbstoffen, erhöht die Widerstandsfähigkeit der Pflanze und schützt zudem vor Pilzbefall. Der Zünsler mag den Geschmack der Gerbstoffe nicht. 

Experten, wie etwa jene des Verbandes der Gartenbaumschulen NRW raten inzwischen gar davon ab, abgestorbene Bäume durch neue zu ersetzen, da diese ebenfalls innert kürzester Zeit befallen sein werden. Zur Plage der Buchsbaumzünsler kommt nämlich noch der Pilz Cylindrocladium buxicola hinzu. Auch er führt zum Triebsterben. Erkennbar ist der Pilz an schwarzen Streifen auf den Trieben. Bei dieser Erkrankung muss die komplette Pflanze und ein Teil des Erdreichs in den Hausmüll gegeben oder verbrannt werden. Beide dieser Unsitten der Natur lassen so manchen Hobby- aber auch Profi-Gärtner an seinem Können zweifeln. Die wärmeren Winter und feuchtkühlen Wetterperioden begünstigen den Befall. Denken Sie vielleicht über Alternativen nach – wie etwa die Japanische Hülse (Ilex crenata) mit ihren Untersorten „Dark Green“ oder „Caroline Upright“ oder der Tatra-Seidelbast, dem Rhodo-dendron bzw. der Polsterberberitze! Auch der kleinwüchsige Lebensbaum oder die Steineibe finden immer mehr Fans unter den Gärtnern.

Übrigens gilt grundsätzlich: 

– Je grösser die Artenvielfalt in einem Garten ist, desto weniger kann ein einzelner Schädling anrichten!!! 

– Erkundigen Sie sich beim Kauf eines Insektizids immer auch, ob Nütz-linge wie Bienen, Hummeln etc. ebenfalls davon betroffen sind!

– Insektizide dürfen nicht vorbeugend gespritzt werden!

– Achten Sie darauf, dass das biologisch abbaubare Insektizid mittels Drucksprüher auch bis tief in’s Innere des Buchsbaumes gelangt!

Lesetipps:

.) Pflanzenschutz im Bio-Garten; M.-L. Kreutler; BLV 1990

Links:

www.buchsbaumzuensler.net

www.lepiforum.de/

www.bund-rvso.de

www.landwirtschaftskammer.de

www.fva-bw.de

www.proplanta.de

echa.europa.eu/de/

www.bund.net

www.bienenjournal.de

www.imkerei-technik.de

www.bvl.bund.de

www.ltz-bw.de

www.nuetzlinge.de

www.naturimgarten.at

www.aha.ch

oekologischerlandbau.jki.bund.de

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Können Sie es sich leisten?

„Man ist in diesem reichen Deutschland nicht erst dann arm, wenn man unter Brücken schlafen oder Pfandflaschen sammeln muss. Armut beginnt nicht erst dann, wenn Menschen verelenden.“

(Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohl-fahrtsverbandes)

Die Ferien- und Urlaubszeit ist nahezu allerorts angebrochen – viele Kinderlose haben bereits die Vorsaison-Angebote genutzt – nach coronabedingter Streichung der beiden vorhergehenden Sommerurlaube. Wie sieht’s bei Ihnen aus? Wohin verschlägt Sie der Wind? Manche Destinationen fallen auch heuer aus Sicherheitsgründen weg, viele andere sind schlichtweg zu teuer! Die Geiz-Touris zieht es derzeit massenweise nach Mallorca oder in die Türkei – sie war noch nie derart billig wie heuer (bis zu -55 %). Doch auch hier muss erwähnt werden: Sowohl das deutsche als auch das österreichische Außenministerium haben eine partielle Reisewarnung ausgesprochen – sie gilt vornehmlich für die Grenzregionen zu Syrien und dem Irak. Dennoch kann beispielsweise österreichischen Staatsbürgern, die auch über einen türkischen Pass verfügen, kein konsularischer Schutz zukommen. Das deutsche Aus-wärtige Amt warnt zudem, vor möglichen Festnahmen und Einreise-verweigerungen. Der Ausnahmezustand – er wurde 2016 nach dem miss-glückten Putschversuch ausgerufen – ist zwar 2018 beendet worden, doch wurden die unterschiedlichsten Anti-Terror-Regularien erst im vergan-genen Jahr verlängert. Der stellvertretende Fraktionsführer der grössten Oppositionspartei CHP, Özgür Özel, spricht in diesem Zusammenhang von einem „Defacto-Ausnahmezustand“. Wer also entsprechende Warnungen missachtet, ist selbst schuld. Gleiches gilt für Ägypten und selbstverständlich Russland (Teilreisewarnung), den Phillipinen (partielle Reisewarnung für einige Inseln und Segeltörns) – ja sogar für Japan (nach wie vor für das Gebiet rund um Fukushima). Hinzu kommen natürlich auch alle Gebiete, in welchen aufgrund der Trockenheit Wald- und Flächenbrände ausgebrochen sind. Sicherheitshinweise gibt es zudem für beispielsweise Argentinien, der Dominikanischen Republik und Costa Rica (Kriminalität), Australien und den USA (Pandermie). Auch für die Ukraine besteht verständlicherweise eine Reisewarnung – ist aber auch vor dem russischen Einmarsch nicht wirklich eine typische Urlaubsdestination gewesen. Nicht so ganz einfach in diesem Jahr.

Hinzu kommt allerdings alsdann, dass sich offenbar immer weniger einen Urlaub überhaupt leisten können. So war es zumindest im Jahr 2021 – sowohl Deutschland als auch Österreich haben ja inzwischen neue Regierungen bzw. Regierungsmannschaften, wodurch sich das selbst-verständlich zum Guten geändert hat! Wirklich???

Auch ich hatte mal einen dieser Jobs, den niemand anderer haben wollte. Mit dem Netto-Gehalt konnte ich nicht mal meine laufenden Zahlungen begleichen – also hätte ich auch am Samstag ganztags arbeiten müssen. Acht Tage Einschulung – es folgten zwei 13-h-Arbeitstage mit jeweils nur EINER kurzen Rauchpause und meine Aufgabe mittels Kündigung am dritten Tage. Meine Arbeit wurde auf 1 + 3 Mitarbeiter aufgeteilt! Urlaub? Das 13. und 14. Monatsgehalt hätte ich wohl zum Ausgleichen des Kontostandes benötigt! Urlaub auf Balkonien – mehr wäre da nicht drin gewesen. 

Doch heuer – ja heuer wird es nochmals anders werden.

„Das Inflationsmonster wird die Schere zwischen Reisenden und Bleibenden weiter verstärken!“

(Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linkspartei)

Nach seiner Abfrage bei der Europäischen Statistikbehörde Eurostat (gilt also auch für Österreich) haben 22,4 % der Bevölkerung kein Geld, sich zumindest einmal im Jahr eine Woche Urlaub leisten zu können. Vor allem kritisch ist die Lage demnach bei Alleinerziehenden – hier beträgt die Quote gar 42,2 %. Doch auch bei Paaren mit Kindern ist nicht alles eitel Urlaubs-Sonnenschein: Mit einem Kind sind es 18,1 %, bei drei Kindern gar 29,4 %. Bei kinderlosen älteren Paaren liegt die Zahl bei 15,9 %. Im Vergleich dazu die Zahlen von Alleinstehenden: Frauen 31,7 %, Männer 30,3 %. Die Daten beruhen auf der EU-SILC-Befragung aus dem Jahr 2020.

Die Tafeln in Deutschland und Österreich sowie die meisten anderen Sozialeinrichtungen arbeiten am Anschlag. In Deutschland nutzen derzeit rund 2 Mio Menschen das Angebot der Tafeln. Viele Experten befürchten ebenso wie Bartsch, dass sich dies noch verschärfen wird: Durch die Inflation, die hohen Preise für Grundbedürfnisse – spätestens jedoch mit dem Start der Heizperiode. Der Linkspolitiker fordert deshalb beispiels-weise eine Kindergrundsicherung. 

Ein genauerer Blick bei Eurostat legt die bittere Wahrheit auf den Tisch – etwa in dem Bereich „Von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohte Bevölkerung“. Während im vergangenen Jahr bei vielen EU-Mitglieds-staaten die Zahlen erfreulicherweise gefallen sind, nahmen sie in vier Staaten im Vergleich zum Jahr 2020 zu: 

.) Deutschland 20,7 % (20,4 % im Jahr davor)

.) Österreich 17,3 % (16,7 %)

.) Dänemark 17,3 % (16,8 %)

.) Italien 25,2 % (24,9 %)

Auf den ersten Blick vielleicht nicht wirklich besorgniserregend. Kritischer wird’s jedoch, wenn dies mit den Einwohnerzahlen quergerechnet wird: So sind 0,3 % in Deutschland gleich mal knapp 250.000 – nahezu die Ein-wohnerzahl von Wiesbaden, in Österreich 26.800 – eine Stadt grösser als Baden bei Wien.

Diese Menschen haben grösste Not damit, ihre Miete überweisen zu können, im Winter die Wohnung zu beheizen bzw. Ihren Kindern die Schulsachen zu kaufen. Wie zum Beispiel jene Mutter, die drei Rech-nungen für Schullandwochen und Ferienbetreuung zugleich erhielt. Gesamtforderung: 800,- €! Da bleibt dann nicht mehr wirklich viel für „die schönste Zeit des Jahres“ über. Dieses „zwar gerne wollen aber nicht können“ ist ganz eindeutig ein Zeichen von Armut, von der v.a. die Kinder betroffen sind. Nicht etwa, da sie zu Schulbeginn im Herbst nichts zu erzählen haben. Viele Sozialexperten fordern deshalb einen Mindestlohn von 12 Euro (im Oktober 2022 zumindest für Deutschland der Fall, in Österreich gibt es nach wie vor keinen gesetzlichen Mindestlohn) und das Aus für die Niedriglohnbeschäftigungsformen, wie etwa der Leiharbeit. In diesen Jobs werden Experten in ihrem erlernten Brotberuf durch eine Leiharbeitsfirma an Unternehmen ausgeliehen. Dort versehen sie dieselbe Arbeit wie ihre fixangestellten Kollegen – allerdings nicht nach dem Tarif für ihren Lehr-Beruf sondern dem der Leiharbeit. 

Neben der Leiharbeit ist auch die Teilzeitarbeit ein grosses Problem. Viele Unternehmen greifen auf diese Möglichkeit zurück, da sie sich dadurch Lohnnebenkosten einsparen können. McDonalds Deutschland etwa beschäftigt nach eigenen Angaben auf der Unternehmensseite rund 55.000 Mitarbeiter. Nur 35 % davon sind vollzeitbeschäftigt – 40 % teilzeit-, 12 % geringfügig und 13 % kurzfristig beschäftigt.  

Viele Arbeitsverträge sind absichtlich knapp über Tarif vereinbart. Damit obliegt es jedem Einzelnen, jährlich das so angenehme Gehaltsgespräch mit dem Chef zu absolvieren. Durch die kalte Progression und die ständige Steigerung der Lebenshaltungskosten schaut dann so manch fleissiger Arbeitnehmer trotz Lohnerhöhung durch die Finger. 

Diese Befragung betreffs der Selbsteinschätzung zu „materiellen Entbeh-rungen“ wird regelmässig durchgeführt. International gesehen bessert sich die Situation geringfügig. Armut während des Berufslebens bedeutet noch weitaus grössere Armut im Alter, da nichts zurückgelegt werden kann. Von der Altersarmut sind rund 16 % der Rentner in Deutschland betroffen – das entspricht zirka 3 Mio (von den Ü80 gar 22,4 %) – 579.095 bezogen im September 2021 eine Grundsicherung. Nach Schätzungen beantragen rund 60 % diese Grundsicherung jedoch gar nicht, obgleich sie bezugsberechtigt wären. In Österreich waren nach Angaben von Statistik Austria im Jahr 2021 232.000 Menschen über 65 Jahren von Armut oder Ausgrenzung betroffen (insgesamt 1,519 Mio)  

Gemeint bei all diesen Überlegungen sind nicht etwa jene, die jedes Jahr ein neues Handy brauchen, einmal die Woche shoppen gehen, immer wieder Konzerte besuchen oder sich mindestens zweimal die Woche das Feierabendbier in der Stammkneipe schmecken lassen! Nein, gemeint sind vielmehr jene Menschen, die selbst nach der akribischsten Rotstiftaktion kein Einsparpotential mehr orten können. Ein zweiter Job? Das ist ein Rechenexempel. Schliesslich genügt bei vielen bereits eine geringfügige Beschäftigung um dadurch in eine andere Steuerklasse zu kommen. Schlussendlich werden nämlich beide Einkommen in einen Topf geworfen und die Lohnsteuer anhand dieses Beitrages berechnet (minus der bereits abgezogenen). So bleibt oftmals vom Zweiteinkommen nicht viel übrig – dann arbeitet man sozusagen nurmehr für Vater Staat und die Sozial-versicherungen. 

Wenn der Urlaub mal ausfällt, weil eine Wohnung gekauft oder ein Haus gebaut wurde? Ein neues Auto? Diese Überlegung sollte man sich auf jeden Fall davor stellen! Während des Studiums beispielsweise arbeitete ich in den Sommerferien und nebenbei. Dafür konnte ich mir ein Motorrad und eine starke HiFi-Anlage leisten. Ein Studienkollege zog es vor, zwei bis drei Wochen lang Amerika zu erforschen. Somit sind also auch solche Umfragen mit etwas Vorsicht zu geniessen: Ist es den Eltern bewusst, dass sich nach einer Woche Bibione die Schulsachen ihrer Kinder nicht mehr ausgehen, sollte das Problem anders angegangen werden. Es ist also eine Frage der Prioritäten, die bei derartigen Umfragen nicht berück-sichtigt werden. 

Die Ergebnisse der EU-SILC-Befragung fliessen auch in den jährlichen Armutsbericht der Armutskonferenz in Österreich bzw. jenem des Paritätischen Gesamtverbandes in Deutschland ein. Erschreckende Zahlen wurden dabei im April in Deutschland vorgelegt: Im zweiten Pandemiejahr 2021 erreichte die Armut zwischen Flensburg und Berchtesgaden mit 16,6 % ihren bisherigen Höhepunkt. 13,8 Mio Bundesbürger werden somit als arm bezeichnet, das sind um 600.000 mehr als vor der Pandemie. Besonders auffallend ist lt. Bericht der Anstieg bei den Selbständigen (von 9 auf 13,1 %). Aber auch die Höchststände von 17,9 % bei den Rentnern und 20,8 % bei den Kindern und Jugendlichen sind alarmierend. Geographisch am meisten davon betroffen ist der grösste Ballungsraum Deutschlands – das Ruhrgebiet! Hier lebt jeder Fünfte in Armut. Durch die gestiegenen Lebenshaltungskosten und die Inflation wird sich die Lage noch wesentlich verschlimmern, fürchtet der Paritätische Wohlfahrts-verband.

„Pandemie und Inflation treffen eben nicht alle gleich. Wir haben keinerlei Verständnis dafür, wenn die Bundesregierung wie mit der Gießkanne übers Land zieht, Unterstützung dort leistet, wo sie über-haupt nicht gebraucht wird und Hilfe dort nur völlig unzulänglich gestaltet, wo sie dringend erforderlich wäre!“

(Dr. Ulrich Schneider, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes)

In Österreich sind die Zahlen für das Jahr 2021 ebenfalls erdrückend. Gottlob zumindest in einem Bereich leicht rückläufig: 2,4 % der Bevölkerung (208.000 Menschen) sind „erheblich materiell depriviert“. Hierunter versteht man im Alpenland, dass sie sich wesentliche Güter bzw. Lebensbereiche (Heizung, Waschmaschine, Handy, …) oder uner-wartete Ausgaben von bis zu 1.160,- € nicht leisten können. Im Jahr 2020 waren es noch 0,3 % mehr. Weitere 14,7 % (1,292 Mio Menschen) sind von der Armut gefährdet – ein Anstieg um 0,8 % im Vergleich zu 2020. Als armutsgefährdet gilt zwischen Neusiedler und Bodensee eine Person, die mit weniger als 1.371,- € im Monat das Auslangen finden muss (2 erwachsene Personen 2.057,- €,1 Erwachsener mit einem Kind 1.783,- €). Hiervon besonders betroffen sind Kinder, Frauen in der Pension, Langzeitarbeitslose und Menschen ohne Staatsbürgerschaft.     

Als arm gilt europaweit jemand, der über weniger als 60 % des durch-schnittlichen Einkommens verfügt („Medianeinkommen“). Als Single bedeutet dies umgelegt ein Netto-Einkommen von bis zu 917 Euro, bei Alleinerziehenden mit einem Kind unter sechs Jahren 1.192 bzw. bei einer vierköpfigen Familie je nach Alter der Kinder 1.978 bzw. 2.355 Euro. Der Beginn dieser Todesspirale ist meist die Trennung vom Lebenspartner, Krankheit oder auch der Verlust des Arbeitsplatzes. Vermögenswerte wie Auto, Wohnung, Haus etc. müssen verkauft werden bis schliesslich nichts mehr übrig ist. Trotzdem noch kein Arbeitsplatz in Sicht, denn: Je älter und länger man arbeitslos ist, desto weniger gern erfolgt eine Einstellung bei den Unternehmen. Worst Case: Ein 61-jähriger Arbeiter, dessen Firma dicht macht. Er verfügt möglicherweise über ein bereits abbezahltes Haus, über Erspartes und eine Altersvorsorge. Auch wenn er durchaus weiterarbeiten möchte und hier einige Abstriche im Vergleich zur Quali-fikation machen würde. Schliesslich landet er bei der Mindestsicherung oder in Deutschland bei Hartz IV. Und dabei schliesst sich der Kreis mit dem Urlaub wieder: Zu den Fragen der sog. „Erheblichen materiellen Deprivation“ in der europaweit einheitlich durchgeführten SILC-Umfrage zählt auch eine Woche Urlaub – einmal im Jahr! 

Klar, werden nun einige sagen: Es muss ja nicht unbedingt die Domi-nikanische Republik oder Indonesien sein. Deshalb hier einige Tipps:

– Preisvergleiche über Urlaubsbörsen lohnen sich

– Nebensaison ist wesentlich günstiger als Hauptsaison

– Fliegen Sie wenn möglich von kleineren Flugplätzen ab

– Starten Sie in einem Bundesland, in dem die Sommerferien vielleicht schon vorbei sind (Flüge werden billiger)

– Auto oder v.a. Bahn sind weitaus günstiger und umweltfreundlicher als Flugzeuge

– Zelt oder Wohnmobil anstelle teurer Hotels können auch etwas romantisches haben

– Wenn Hotel, dann Halbpension anstatt All inclusive

– Ökologischer Natururlaub (Aktivprogramm meist inkludiert)

– Busreisen – nicht nur für Senioren

Wenn nun vornehmlich rechtspopulistische Regierungen dieses soziale Netz noch weiter kürzen mit der Rechtfertigung, dass es genügend Arbeit gebe, die Langzeitarbeitslosen nur nicht einer Beschäftigung nachgehen wollen, so wird dadurch einzig und allein noch mehr Armut produziert. Schliesslich können mit dem Gehalt eines Tellerwäschers die zuvor aufgenommenen und für den Lebensunterhalt notwendigen Kredite nicht zurückbezahlt werden („Working Poor“). Die Folge: Privatkonkurs trotz 100 %-iger Beschäftigung. Ist das die Lösung eines Sozialstaates??? 

PS:

Für all jene Politiker, die derzeit populistisch auf die Arbeitslosen los-gehen: Niemand ist gerne arbeitslos. Für etwa 10 % der österreichischen Erwerbstätigen bedeutet Armut soziale Ausgrenzung (Vereinszuge-hörigkeit, Schullandwochen – ja sogar das Feierabend-Bierchen gehören zu jenen Dingen, die man sich plötzlich nicht mehr leisten kann). Bei den Arbeitslosen sind es satte 57, bei mehr als sechs Monaten ohne Job gar 79 %!!!

Lesetipps:

.) Armut; Darren McGarvey; btb Verlag 2021

.) Kein Pausenbrot, keine Kindheit, keine Chance: Wie sich Armut in Deutschland anfühlt und was sich ändern muss; Jeremias Thiel; Piper Paperback 2020

.) Armut heute: Eine Bestandsaufnahme für Deutschland; Eleonora Kohler-Gehrig; W. Kohlhammer GmbH 2019

.) Armut in einem reichen Land – Wie das Problem verharmlost und verdrängt wird; Christoph Butterwegge; Campus 

.) Heart´s Fear: Hartz IV – Geschichten von Armut und Ausgrenzung; Bettina Kenter-Götte; Verlag Neuer Weg 2018

.) Armut in Deutschland: Wer ist arm? Was läuft schief? Wie können wir handeln?; Georg Cremer; C.H.Beck 2017

.) Armut: Ursachen, Formen, Auswege; Philipp Lepenies; C.H.Beck 2017

.) Zwangsgeräumt: Armut und Profit in der Stadt; Matthew Desmond;  Ullstein 2018

.) Wohlstand und Armut der Nationen: Warum die einen reich und die anderen arm sind; David Landes; Pantheon Verlag 2009

Links:

– ec.europa.eu/eurostat/de/home

– www.der-paritaetische.de

– www.armutskonferenz.at

– www.sozialministerium.at

– www.boeckler.de/wsi-tarifarchiv_2275.htm

– www.statistik.at

– www.budgetberatung.at

– www.agenda-austria.at

– www.forschungsnetzwerk.at

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Die krankhafte Sucht nach Gewinnen oder: Der Staat – machtlos wie noch nie!

Warnung:

Dieser Text birgt grosse Gefahren für Menschen mit Rechen-schwächen (Dyskalkulie) und Verschwörungstheoretiker!

Viele erleben in diesen Tagen den Schock ihres Lebens: Die Preise in den Supermärkten und Tankstellen machen jede noch so dicke Geldtasche innerhalb kürzester Zeit schlank und rank. Und das alles ohne Fitness-studio. Der Schwarze Peter ist rasch gefunden: Der Einmarsch Russlands in die Ukraine! Zumindest argumentieren damit die Preistreiber den von ihnen eingeschlagenen Weg. Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete es vollkommen treffend als „Gierflation“. Es handelt sich also nicht unbedingt um einen realen, triftigen, sondern zumeist vorgeschobenen Grund. 

Die Wahrheit liegt im Profitwahnsinn der Konzerne, allen voran der Energiekonzerne. Viele andere Unternehmen spüren die gestiegenen Transportkosten und geben sie weiter: Ausbaden müssen es die Konsu-menten. Deshalb soll der heutige Blog etwas Einblick in das Machen-schaften der Preistreiber gewähren und hier in einigen Beispielen die Wahrheit vermitteln. 

.) Sonnenblumenöl

Des Deutschen liebstes Speiseöl nach dem Rapsöl ist deshalb so begehrt, da es stark erhitzt werden kann und dabei wenig spritzt. Trotzdem ist der Sonnenblumenanbau zumindest in Deutschland eine Nische. Während für den Rapsanbau 2021 eine Fläche von 1 Mio ha (2013 waren es noch 1,46 Mio ha) zur Verfügung steht, sind es für den Sonnenblumenanbau gerade mal 38.000. Produziert wurden im vergangenen Jahr 100.000 to Saat – nahezu doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Deutschland orientiert sich bei den Grosshandels-Abgabepreisen (FCA) am wichtigsten Grossmarkt, jenem von Saint-Nazaire in Frankreich. Dort liegen die Preisangebote für die Ernte 2022 bei derzeit 860,- € die Tonne. Im Vergleich: Deutschlands Ölmüller verarbeiteten 2020 rund 9 Mio to Raps. Davon stammen ca. 3,5 Mio to aus heimischer Produktion, zusätzliche 6,2 Mio to mussten also importiert werden – das Gros davon aus Frankreich, Ungarn und ja auch der Ukraine.  

In Österreich wurden 2021 51.300 Tonnen Sonnenblumensaaten pro-duziert, darunter jedoch auch gestreiftsamige Sonnenblumen für das Vogelfutter. Das sind ganze 27 % mehr als noch im Jahr 2020. Die Anbaufläche belief sich auf 24.680 Hektar. Am 27. Oktober 2021 erzielte 1 to Sonnenblumenkerne noch einen Grosshandels-Abgabepreis (FCA) von 545 €. Im Mai 2022 belief sich der Abgabepreis für Ölsonnenblumen aus biologischen Anbau auf 715,89 € die Tonne – um rund 115 € weniger als im Februar, als die Hamsterkäufe begonnen haben. Auch hier der Vergleich zum Raps: Auf 28.000 Hektar (rückläufig – 2018 waren es noch 40.500 ha) betrug die Rapsernte im vergangenen Jahr 85.922 Tonnen (Angaben: Statistik Austria). Die Terminnotierung für August 2022 liegt lt. AMA Österreich bei 683,50 pro Tonne. 

Im vergangenen Jahr wurden in der EU rund 10,5 Mio to Sonnenblumen-kerne erzeugt – das Gros davon in Rumänien, Frankreich und Bulgarien. Die heurige Ernte dürfte wesentlich grösser ausfallen, da aufgrund des Preisanstieges die Anbaufläche auf rund 4,7 Mio ha (+200.000 ha) vergrössert wurde – Experten schätzen mit einem Ernteertrag von 11,2 Mio to. Aus Drittländern wurden 2021 450.000 to importiert – davon jedoch nur 60.000 to aus der Ukraine. 300.000 to wurden wieder aus-geführt. Bei Sonnenblumenkernen kann sich also die EU nahezu selbst versorgen. Allerdings wurden 2021 1,27 Mio to Öl aus der Ukraine importiert – 86 % der gesamten Einfuhren. Erwartet wird ein Rückgang der Einfuhren von 1,5 Mio auf 840.000 to. Betrachtet man jedoch den Schrot für die Tierfütterung, so ist die EU stark abhängig von der Ukraine und v.a. Russland. Auch wenn Argentinien stark zulegt. Gute CO2-Bilanz! Ergo: Mit Ausnahme der Tierfütterung ist eine derartige Preissteigerung beim Sonnenblumenöl in keinster Weise zu rechtfertigen!

Querverweis zum Raps: Die EU ist mit einer Gesamtmenge von 17 Mio to Raps weltweit führender Rapsproduzent vor Kanada mit 16 und China mit 14 Mio to. Aus der Ukraine importiert die EU mit 3 Mio to rund die Hälfte der Gesamteinfuhren. Kanada gilt als grösstes Exportland. Somit wäre also ein anderer Anbieter gefunden, der in die Presche springen könnte. Raps bleibt damit die wichtigste Ölsaat in Mitteleuropa, da ein Grossteil der Ernte für die Herstellung von Biodiesel verwendet wird.

.) Weizen

Merklich gestiegen sind die Brotpreise. Der Grund für die meisten Revolutionen, wenn sich das Volk das Brot nicht mehr leisten konnte. Dr. Christian Hörger, seines Zeichens Geschäftsführer der deutschen Grossbäckerei Lieken betonte diese Woche, dass Brot teurer werden muss – als Folge des Ukraine-Krieges. Mehl sei um teilweise bis zu 70 %, die Energie- und Personalkosten um rund 30 % teurer geworden. Rund die Hälfte der Öfen werden zudem mit Gas betrieben. Zu Öl und Gas etwas später mehr. Schauen wir uns doch mal das Mehl an und hier im Speziellen den Weizen. Deutschland kann sich in den beiden Bereichen Weichweizen und Gerste durchaus selbst versorgen. So liegt der Selbst-versorgungsgrad bei Weichweizen bei 125, bei Gerste bei 113 %. Tragisch insofern ist der Blick hinter die Kulissen: So wurden im Wirtschaftsjahr 2020/21 43,3 Mio to Getreide geerntet, jedoch nur 8,6 Mio to für die menschliche Ernährung verwendet. Der Rest marschierte zuhauf in die Tierfütterung (58 %) und Biovergasung (9 %) bzw. die Industrie mit 8 % (Stärke und Braugerste etwa). 

Für den Brotweizen sind grosse Mengen an Mineraldünger vonnöten. Hier sind allerdings die Preise eklatant angestiegen. Einerseits aufgrund der gestiegenen Energiepreise und andererseits, da Russland der grösste Stickstoffdünger-Exporteur weltweit ist. Jedoch stellt sich insofern die Frage, weshalb Deutschland im Wirtschaftsjahr 2020/21 nahezu 10 Mio to hochwertigen Qualitätsweizen ausgeführt hat. Somit ist also auch beim Brot ein Preisanstieg bedingt durch Rohstoffknappheit nicht zu recht-fertigen.  

Ähnliche Zahlen auch bei der Gerste. 11 Mio to wurden produziert, 6,7 Mio to (nahezu die komplette Wintergerste) verfüttert. Als Braugerste werden jährlich rund 1,5 Mio to verwendet. 3,6 Mio to wurden in andere EU-Länder oder Drittstaaten ausgeführt. Also ist auch hier genügend vorhanden, das einen derartigen Preisanstieg nicht rechtfertigen würde. Trotzdem wurden 1,3 Mio to Gerste importiert!

Komplett anders sieht es beim Hartweizen, Roggen und Hafer aus. Gleiches gilt zudem für das „Futtergetreide“ Mais. Hier liegen die Selbstversorgungsraten bei 15 % (Hartweizen), 84 % (Roggen) und 71 % (Hafer). Beim Mais werden 4 Mio to selbst erwirtschaftet – der Bedarf liegt jedoch bei rund 7,5 Mio. Wichtigster Exporteur von Mais ist neben Brasilien, den USA und Argentinien die Ukraine. Da jedoch 5,6 bzw. 6 Mio to in den Futtertrögen der Landwirte und v.a. landwirtschaftlichen Fleisch- und Milchindustrie landen, würde dies den Preisanstieg bei Fleisch und Wurst bzw. Milchprodukten erklären. Der Mais für den deutschen Markt stammt zuhauf aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn – nur rund 3-500.000 to aus der Ukraine. 

Ähnlich wie zuvor bei den Sonnenblumen, fährt Österreich auch beim Getreide einen anderen Weg. Das Alpenland produzierte im Wirt-schaftsjahr 2021/22 78.297 to Hartweizen (gemahlen in Mühlen 59.726), 951.467 to Weichweizen (gemahlen 572.710), 271.254 to Gerste (verarbeitet in Mischfutterwerken 89.491 to) und 1.099.511 to Mais (verarbeitet 341.570 to). Der Rest landete in Lagern, bei der Industrie oder wurde ausgeführt. Der Verkaufspreis der Mühlen für Haushaltsmehl lag im Mai 2022 bei 613,81 € für die Tonne, im August 2021 bei 505,33 €. Derzeit laufen auf den Äckern die Mähdrescher heiss. Der Preis für Qualitätsweizen liegt aktuell mit 369,50 € die Tonne um etwa 45 € unter dem Niveau der alten Ernte vom 25. Mai 2022 – allerdings um 165 € über dem Niveau vom 07. Juli 2021. Der Mahlweizen ging im Preis zurück. Auch die Futtergerste ist im Preis um rund 90,- € pro Tonne von 354,- € am 30.03.2022 auf 265,- € am 06.07.2022 gesunken. Hartweizen ist ebenfalls um 37 auf 500,- € pro to gesunken.

Der Grund dafür ist international gesehen v.a. der weitaus bessere Ernteertrag in den USA. Zu Buche schlagen wird jedoch die Trockenheit in Europa, wodurch der Ertrag bei Weichweizen von 130,4 Mio to auf 125 Mio sinken wird. Vor allem Frankreich wurde dabei schwer getroffen. Diese Ausfälle können jedoch ohne weiteres durch die besseren Ernten auf den amerikanischen Kontinenten kompensiert werden. 

Nun geht’s an’s Eingemachte! 

.) Erdöl

Am gestrigen Donnerstag Nachmittag lag der aktuelle Rohölpreis bei WTI 94,14 € (US-Rohöl) und bei Brent 101,23 € (Nordsee-Rohöl) – Rohöl-Gesamt bei 101,85 €. Das 52 Wochen-Hoch bei Brent wurde mit 125,55 am 08. März 2022 erreicht, das 52 Wochen-Tief bei Brent mit 63,94 am 20.08.2021. Am 16. Juli 2021 lag WTI bei 71,80 $ pro Barrel und Brent bei 73,67 $ bei einem Dollar-Euro-Wechselkurs von 1,1814:1. Wer möchte und einen Taschenrechner zur Hand hat, kann dies gerne um- bzw. die Teuerungsraten berechnen. Im vorherigen Jahr wurden weltweit 89,88 Mio Barrel Rohöl pro Tag gefördert, derzeit sind es 93 Mio Barrel pro Tag.

Nun aber Tacheles: Die Spritpreisentwicklung an der Tanke. Da in Deutschland durch die Rabatt-Aktion des Bundes eingegriffen wurde, sind die Zahlen aus Österreich realistischer. Der Super-Preis in Österreich lag gestern nachmittag im Handel bei 1,77 €/l – am 21. Juli 2021 erzielte er einen Schlusswert von 1,55 €/l – somit 22 Cent pro Liter (14,19 %) weniger. Bei der Guener Garage Rechte Wienzeile in Wien kostete gestern vor einem Jahr der Liter Super 1,269 € – gestern hingegen 1,988 (Daten: spritvergleich.at) – eine Preissteigerung von 56,66 %). Den Liter Diesel gab es gestern nachmittag im Handel um 1,94 €. Ein Jahr zuvor lag der Schlusspreis bei 1,39 €/l (+39,57 %). Im Vergleich dazu bei der Disk-Tankstelle in der Innsbrucker Pembauerstrasse für 1,244 €/l genau ein Jahr zuvor – gestern für 2,024 €/l (Daten: spritvergleich.at) – eine Preis-steigerung von 65,36 % (Die Handelswerte wurden finanzen.at und finanzen.net entnommen). Somit wird mehr gefördert, gleichzeitig stieg aber der Rohölpreis geringfügig. Was verursachte diese immensen Preis-steigerungen? Der Ukraine-Krieg kann’s nicht sein, schliesslich impor-tierte Österreich vor den Sanktionen nur 7,8 % der gesamten Ölimporte aus Russland. In Deutschland waren es 35 %. 

.) Erdgas

Dieser Punkt ist der wahrscheinlich verständlichste – auch wenn derzeit eigentlich noch genügend Gas vorhanden wäre und eifrigst nach Anbietern gerungen wird, die anstelle Russlands einspringen könnten. Ich sag’s ja nicht gern, doch hatten die Amerikaner recht, als sie meinten, dass sich gerade Deutschland zu sehr an die Russen binden würde. Doch ging es ihnen dabei eher um eigene wirtschaftliche Interessen: Um die Exportzahlen aus dem Fracking anzukurbeln, denn Öl und Gas aus dieser Quelle entpuppen sich als Ladenhüter – aus dem versprochenen Reichtum und den darauf aufbauenden Städten wurden Geisterbaracken auf vergiftetem Boden mit kontaminiertem Grundwasser. Deutschland ist beim Gas zu 90 % auf Importe angewiesen. Dabei kamen bislang 55 % aus Russland, 27 % aus Norwegen und 21 % aus den Niederlanden. Der grösste Aufbereitungs- und Transport-Vertragspartner der russischen Gazprom bzw. ihres Tochterunternehmens in Deutschland, der Gazprom Germania, ist Uniper. Alleine über diesen Konzern wurden von insgesamt 370 Tera-Wattstunden  200 TWh aus Russland abgewickelt. Inzwischen steht der Konzern kurz vor dem Konkurs und musste staatliche Hilfen beantragen. Sie wurden auch diese Woche gewährt, da ansonsten nahezu die gesamte Gasversorgung in Deutschland zusammengebrochen wäre. Daneben handeln nämlich nur noch RWE, EnBW und Wingas mit russischem Gas – allerdings in nicht vergleichbaren Mengen.  Der Gas-preis in Deutschland legte in den letzten 12 Monaten gewaltig zu und liegt derzeit 51,57 % über dem Zwölfmonatsdurchschnitt. Weitere Preisanstiege werden mit Beginn der Heizsaison erwartet. Nun zu den Wahnsinnszahlen: Im Frühjahr 2022 belief sich eine Kilowattstunde Gas in einem Einfamilienhaus auf 13,77 Cent – ein Plus von 95 % im Vergleich zum Vorjahr. Bei einem jährlichen Verbrauch von 16.000 kWh bedeutet dies Kosten von 2.203,- € pro Jahr.   

In Österreich ist die Lage gar noch prekärer: Das Alpenland verbraucht pro Jahr rund 89 TWh. Zehn Prozent kommen aus eigener Produktion, 79 TWH bzw. 80 % hingegen aus Russland. Der Gaspreisindex (ÖGPI) weist im Juli 2022 im Vergleich zum Juli 2021 ein Plus von 311,3 % auf – und dies obgleich er zuletzt um 8,7 % gesunken ist. Die Preise sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, oftmals sind die Gasanbieter auch Tochtergesellschaften der Stromanbieter, bei welchen wiederum die Länder selbst anteilsmässig beteiligt sind. So muss etwa ein Ein-Familienhaus bei einem jährlichen Gasverbrauch von 15.000 kWh mit Kosten von  1.389,71 € beim teuersten Anbieter, der Energie Klagenfurt rechnen. Beim günstigsten, der Energie AG, mit 957,60 € (Zahlen vom 01.07.2022 E-Control).

In beiden Ländern sind nach wie vor grosse Industriebereiche vom Erdgas abhängig. Deshalb muss mit weiteren Teuerungen auch in anderen Bereichen gerechnet werden. Ein Umstieg auf alternative Energien wurde in der Vergangenheit sträflichst vernachlässigt. Daneben produzieren unzählige Gas-Kraftwerke Strom. 

Das waren nur vier ausgesuchte Bereiche. Bei drei davon können die teils kräftigen Preisanstiege keineswegs in Verbindung mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine gebracht werden. Hier kassieren einige Wenige auf dem Rücken aller Anderer ganz kräftig ab. Zudem wäre es sinnvoll, sich niemals nur auf einen Lieferanten zu verlassen.  Die Finanzminister Deutschlands und Österreichs kassieren jedoch kräftig mit. Wenn auch nicht über die Verbrauchsteuer (mengenabhängig), als vielmehr über die Mehrwertsteuer, die vom Verkaufspreis abhängig ist. Zudem ist beispielsweise der Bund in Österreich über die ÖBAG (Österreichische Beteiligungs AG) mit 31,5 % am OMV-Konzern beteiligt, dem Platzhirsch in der alpenländischen Tankstellenlandschaft, der zudem wieder an unzähligen Förderungen im Ausland und beteiligt ist und die einzige Raffinerie in Österreich in Schwechat betreibt. Viele Länder sind zudem an den Strom- und Gasanbietern beteiligt. Somit ist es also rentabler, ohne staatliche Rabatte (wie in Deutschland) oder Deckelungen (wie in Slowenien) zu reagieren, da dies ja auch das Mehrwertsteueraufkommen und den Gewinn des Bundes verringern würde – sondern vielmehr ein Bonbon in Form eines Energiekostenzuschusses den Haushalten zukommen zu lassen, der die Teuerungen niemals abfängt, da diese inzwischen alle Bereiche anbelangt. Zudem liegt die Inflation in Österreich bei derzeit 8,7 % (im Mai noch bei 7,7 %) und nun auch noch der Leitzinssatz durch die EZB angehoben wird. im Vergleich. Im Juni lag die Inflation ich Deutschland bei 7,6 % (im Mai bei 7,9 %).

Die Krise ist also hausgemacht – dafür aber sündhaft teuer! Und – das Ende ist noch nicht abzusehen!!!

Links:

– www.finanzen.at

– www.finanzen.net

– www. spritvergleich.at

– www.e-control.at

– www.tanke-guenstig.de

– efi-net.de

– de.statsita.com

– www.statistik.at

– www.proplanta.de

– www.agrarpreise.at

– www.agro-market24.eu

– www.ama.at

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Eine Mär!

Dieser Tage absolvierte ich (unfreiwillig!) einen Selbsttest: In mein Büro hatte sich eine Hornisse verirrt. An sich hört man diese Insekten ja am tiefen Brummen des Flügelschlags – ich jedoch war gerade auf einen Sprung raus. Als ich zurückkam, mich auf meinen Stuhl niederliess und meinen linken Arm auf das schwarze Polster des Bürosessels legte, traf mich plötzlich ein stechender Schmerz. Die Hornisse hatte sich auf der Lehne ausgeruht und mich in ihrem Todeskampf gestochen. Sie überlebte es nicht, ich hingegen hatte offenbar Glück, da ich haarscharf an einer Entzündung mit möglicher Blutvergiftung vorbeimarschierte. Höchstwahr-scheinlich war es nur die Wundsalbe, die dies verhinderte. 

Ich kann nicht leugnen, dass ich etwas in Panik verfiel, da es ja heisst, dass Hornissen aggressiv werden, sobald eine gestochen hat und zu Massen auf den vermeintlichen Aggressor einstechen. Auch wenn ich nicht allergisch gegenüber Insektenstichen bin (musste auch schon mal vier Wespenstiche auf einmal über mich ergehen lassen, da ich in ein Erdnest getreten bin) heisst es doch im Volksmund, dass sieben Hornissenstiche ein Pferd, drei einen Menschen töten!!! Erst nachdem ich mich etwas eingelesen hatte, wusste ich, dass dies alles nur Lügen-geschichten sind und möchte deshalb ein für allemal damit aufräumen. 

Die Hornisse (lat. Vespa crabro) gehört zur Familie der Faltenwespen, insgesamt sind 23 Hornissen-Arten bekannt.  Die Königin kann zwischen 23 bis 35 Milimeter gross werden, die Arbeiterinnen und Drohnen sind ein wenig kleiner. Von den Wespen sind die Hornissen recht einfach zu unterscheiden: 

– Der Abstand der „Ocellen“ (Nebenaugen) zum Kopfhinterrand ist mehr als doppelt so gross wie zu den „Komplexaugen“ (Hauptaugen)

– Der Kopfschild („Clypeus“) ist durchgehend gelb

– Die spezielle Aderung der Vorderflügel (benachbarte Mündung)

– Die rote V-Zeichnung auf der Mittelbrust der bei uns am häufigsten auftretenden Vespa crabro germania

Das Verbreitungsgebiet der Hornisse reicht vom Atlantik im Westen bis nach Korea und Japan im Osten, von Norwegen im Norden bis zur Peloponnes im Süden. Damit bevölkert sie ein weitaus grösseres Gebiet als andere Arten derselben Gattung. In Nordamerika wurde sie durch den Menschen eingeschleppt – hier ist sie vornehmlich im Osten des Kontinents heimisch geworden. Trotzdem galt die Hornisse bis zum Ende der 1970er Jahre als bedroht – sie steht nach wie vor in vielen Regionen unter Artenschutz. In den letzten 30 Jahren jedoch wurden gottlob immer mehr Völker gesichtet. 

Die Vespa crabro ist ein einjähriges Insekt. Nur Königinnen (die weib-lichen Geschlechtstiere) können in Spalten oder selbst ausgenagten Ritzen im toten Holz überwintern, alle anderen sterben spätestens Ende Oktober. Nachdem das körpereigene Glyzerol sie in der kalten Jahreszeit vor dem Erfrieren schützte, verlässt die Königin das Winterquartier (ein Ort mit möglichst geringen Schwankungen im Mikroklima) je nach Witterung meist Mitte April bis Anfang Mai. Sie begibt sich nun auf die Suche nach einem Neststandort (Baumhöhlen, Dachböden, Nistkästen,…). Da die natürlichen Möglichkeiten immer weniger werden, nutzen sie vermehrt die vom Menschen gebotenen. Oft jahrelang verwenden sie dabei den-selben Nestplatz, legen allerdings jedes Mal ein neues Nest an. Hierfür zerkaut das Insekt Holzfasern und formt eine Wabe mit Zellen. In jede dieser Zellen legt sie unmittelbar nach Fertigstellung jeweils ein Ei. Aus diesem schlüpft nach ca. 12 bis 18 Tagen eine Larve. Durch Kratzen an den Zellwänden, das auch für den Menschen mehrere Meter weit hörbar ist, zeigt die Larve, dass sie Hunger hat. Nachdem fünf Larvenstadien absolviert wurden, verpuppt sich diese. Die ersten zwei bis drei Tage verbringt die frisch geschlüpfte Hornissen-Arbeiterin in einer leeren Zelle. Dort ist sie verantwortlich für die richtige Temperatur im Stock, die sie mittels Flügelschlag reguliert. 30 bis 50 Tage nach dem Legen des Eis fliegt sie erstmals aus. Bis das bei den ersten Arbeiterinnen der Fall ist, wird die Brut von der Königin versorgt. Für den Stock sehr gefährlich, da sie zur leichten Beute für Insektenfresser wird. Die Hauptaufgabe der Arbeiterinnen besteht alsdann in der Fütterung der Königin und der Larven. Dazu fangen sie Insekten, wie etwa Wespen oder Spinnen – zeit-weise auch Bienen. Die Arbeiterinnen selbst bevorzugen zuckerhaltige Säfte, wie Frucht-, Pflanzen- oder Baumsäfte – später dann auch jene des Fallobstes. Zudem wird der Nestbau nun von Ihnen übernommen. Dieses kann schon mal bis zu 60 cm lang werden und auf über 1.300 Zellen anwachsen, in Japan sogar auf bis zu 1.900. Wird das Nest zu klein, kann das Hornissenvolk, das bis auf 700 Tiere anwächst, auch umziehen (Filial-bildung). Die Arbeiterinnen überleben zwischen 20 bis 40 Tage. Sie sind Akkordarbeiterinnen im wahrsten Sinne des Wortes, die auch in der Nacht fleissig sind. Apropos Nacht – in diesen Stunden gibt es eine Besonder-heit: Zwischen 20 bis 25 Mal verfallen alle im Stock wie auf ein geheimes Zeichen in eine Art Tiefschlaf. Nach einer halben Minute ist auch dieser dann wieder vorbei.  

Im August/September erfolgt die Produktion der Geschlechtstiere. Dabei werden aus unbefruchteten Eiern Drohnen, aus den befruchteten Königinnen. Der Anfang vom Ende für die alte Königin, die nicht mehr richtig versorgt wird, schliesslich das Nest verlässt und nach einem sehr anstrengenden Leben stirbt. 

Ein Volk kann bis zu 200 Jungköniginnen heranbilden, die sich mit Kohle-hydraten und Eiweissen anfressen und so für den Winter vorbereiten. Noch im Herbst erfolgt die Befruchtung durch die männlichen Drohnen. Dies nimmt die Jungkönigin dann im sog. „Receptaculum seminis“ in das Winterquartier mit. Das jedoch überleben viele Königinnen nicht, da sie entweder Pilzen oder Vögeln zum Opfer fallen. Inzwischen werden Arbeiterinnen-Larven nicht mehr gefüttert oder den anderen Geschlechts-tier-Larven zum Frass vorgeworfen. Sollte ein Stock die Königin verlieren („orphaner Stock“), werden bei einigen Arbeiterinnen für kurze Zeit die Eierstöcke aktiviert, was zuvor durch ausgestossene Pheromone verhindert wurde. Sie legen nun unbefruchtete Eier, aus welchen Drohnen schlüpfen. Der Stock stirbt aufgrund fehlender Arbeiterinnen aus.  

Übrigens gibt es im Hornissennest auch einen Parasiten: Der Hornissen-käfer (Velleius dilatatus) ernährt sich von den Abfällen der Nestbewohner, beseitigt aber auch verendete Hornissen und Larven. Sein Artenkollege, der Quedius brevicornis hingegen kann für das Volk gefährlich werden, da sich dieser über die Brut hermacht. Doch ist er nicht der einzige, der den Nachwuchs gefährdet. Finden die Arbeiterinnen wegen schlechten Wetters keine Insekten, halten sie sich an den Eiern und Larven schadlos. 

Hornissen sind friedfertige Tiere und lassen normalerweise den Menschen in Ruhe, ja sie fliehen richtiggehend vor ihm. Sollte dies nicht der Fall sein, pusten Sie das Tier nicht an, da sich dieses in Gefahr fühlt und zustechen könnte. Auch Butter, Konfitüre oder Wurst vom Frühstückstisch auf der Veranda interessiert sie nicht, solange keine Fruchtsäfte auf dem Tisch stehen. Ganz im Gegenteil dazu sind Hornissen sogar Nützlinge, vertilgen sie doch die weitaus aggressiveren Wespen, die sich sehr wohl durch das morgendliche Treiben auf der Terrasse angezogen fühlen. Da sie Hunger haben, sind sie zu dieser Tageszeit auch besonders anhängig. Nachdem die Hornisse hier ihre Wespe, Fliege, Biene,… gefunden hat, fliegt sie in Richtung Nest. Dort wird die Beute zerlegt (interessant ist nur die proteinhaltige Flugmuskulatur aus dem Bruststück) und in das Nest gebracht wird. Ein Volk frisst pro Tag bis zu einem halben Kilo Insekten. Sollten nun die Imker unter Ihnen aufschreien und lautstark die Aus-rottung der Hornissen fordern: Pro Volk und Tag werden ab Juni nur rund 10-15 Bienen erbeutet. Hierfür gibt es jeweils spezialisierte Jäger. Im Vergleich zu rund 1.500 bis 3.000 schlüpfenden Jungbienen pro Stock und Tag Pipifax! Manche Imker stellen sogar in unmittelbarer Nach-barschaft ihrer Bienen-Stöcke Hornissenkästen auf, da diese in der Nacht die für das Bienenvolk weitaus gefährlicheren Wachsmottenfalter ein-fangen. Zudem jagen die Hornissen nicht in unmittelbarer Umgebung ihres Nestes.

Vorsicht für den Menschen ist nur in der unmittelbaren Umgebung ihres Nestes geboten (zwei bis sechs Meter Radius, kann sich erweitern, wenn die Insekten häufig gestört werden). Manche Parfums enthalten Duft-stoffe, die jenem Pheromon ähneln, das die Hornissen bei Gefahr verwenden um ihren Artgenossen die Richtung des Eindringlings zu zeigen. Nicht wirklich förderlich! Der Todesfall eines Menschen nach einem Angriff der Vespa crabro ist nicht bekannt, liegt aber nach Schätzungen bei 500 Stichen und mehr. Geht man davon aus, dass bei Gefahr für das Nest nur rund ein Zehntel der Nestbewohner stechen, so sollte auch der Angriff eines grossen Volkes nicht tödlich sein. Gefähr-licher jedoch sind die asiatischen Vespa orientalis und Vespa affinis. Hier kam es nach 300 Stichen zu einem berichteten Todesfall. Das resultiert aus der Tatsache, dass die Giftdosis nicht dermassen hoch ist wie bei einer Honigbiene, da die Biene ja nur einmal im Leben, die Hornisse jedoch mehrfach zustechen kann. Nach wissenschaftlichen Berechnungen liegt die LD50-Giftmenge, die bei 50 % aller Fälle zum Tode führt bei Honigbienen bei rund 40 Stichen pro Körpergewicht (6 mg Gift/kg Körpergewicht), bei Hornissen hingegen bei 154-180 Stichen pro kg (10 mg Gift/kg Körpergewicht). Nachzulesen ist dies bei Habermann 1974 bzw. Kulike 1986. Die Giftblase einer einzelnen Hornisse enthält rund 0,5 mg Frischgewicht an Gift. Pro Stich werden nur zwischen 10-50 % abgegeben. Der Stachel allerdings ist weitaus grösser und kann somit in tiefere Hautschichten vordringen. Hornissen stechen meist nur dann zu, wenn sich ein Mensch ihrem Nest nähert oder sie gequetscht werden, während Wespen völlig unmotiviert auf den Menschen zufliegen. Ist es aber dennoch geschehen, gelten für Hornissenstiche dieselben Mass-nahmen wie für Wespen- oder Bienenstiche. Ziehen Sie mit einer Pinzette möglichst gerade den Stachel heraus, sollte sich dieser noch an der Einstichstelle befinden. Diese muss desinfiziert und dann gekühlt werden. Die Stichquaddel beläuft sich auf rund 10 cm im Durchmesser. Schlimmer wird’s für Allergiker, da eine lgE-Reaktion ausgelöst werden kann, die für die meisten lebensbedrohlich ist (anaphylaktischer Schock). In meinem Falle dürfte ich den Stachel des Tieres beschädigt haben, wodurch das komplette Gift der Giftblase in die Wunde floss. Eine recht schmerzhafte Geschichte.

Hornissen sind in Deutschland, in manchen Teilen Österreichs und der Schweiz (nicht im Kanton Bern) geschützt, da sie Im Kreislauf der Natur wichtige Funktionen erfüllen: Sie halten das Insektengleichgewicht auf-recht, fliegen auch bei kühlerem oder regnerischem Wetter und in der Nacht (bei bis zu 0,01 Lux – für den Menschen völlige Dunkelheit). Dadurch bestäuben sie auch an Tagen Pflanzen, an welchen Bienen nicht fliegen. Zudem verbauen sie morsches Holz zu Nestern aus „Papier“. Somit dürfen die Insekten auch nicht mit Insektengift bekämpft werden. Sollten Sie ein Nest entdeckt haben, das stört, sollten Sie sich mit der Gemeinde, dem Magistrat oder dem Kreisamt in Verbindung setzen. Ansonsten können Nester ab dem November entfernt werden. Experten empfehlen allerdings, dies erst im darauffolgenden Frühjahr zu erledigen, da Nützlinge, wie die Florfliege derartige Nester zum Überwintern nutzen. In Deutschland werden ausserhalb des Siedlungsraumes künstliche Nester aufgestellt, damit Hornissenvölker vom Wohnraum ferngehalten werden. Lästig kann jedoch der Kot des Volkes werden, da dieser aus der Öffnung auf der Unterseite des Nestes entsorgt wird. Hier kann man sich mit dem Unterstellen eines grösseren Gefässes aushelfen. 

Da die Hornisse für den Menschen eigentlich ungefährlich ist, sollte sie dieser auch nicht bekämpfen sondern vielmehr fördern.

Lesetipps:

.) E. Habermann – Bienen und Wespenstiche aus medizinischer Sicht (Allgemeine Deutsche Imkerzeitung 1974)

.) H. Kulike – Zur Struktur und Funktionsweise des Hymenopterenstachels (Amts- und Mitteilungsblatt des Bundesamtes für Materialprüfung 1986)

.) Schützt die Hornissen. Das Standardwerk zum Schutz der Hornissen und anderer Wespen in Deutschland, Österreich und der Schweiz; Robert Ripberger, Claus-Peter Hutter, Berthold Faust; Weitbrecht 1992

.) Wespen beobachten, bestimmen; Rolf Witt; Naturbuch / Weltbild 1998

.) Bienen, Wespen, Ameisen. Hautflügler Mitteleuropas; Heiko Bellmann; Kosmos 2005

Links:

www.hornissenschutz.de

www.hornissenschutz.ch/

www.vespa-crabro.de

www.wildbienenschutz.de

www.nabu.de

www.artenschutz.ch

www.wespenschutz.ch

www.oenj.at

www.umweltbundesamt.at

dejure.org

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Die Kraft des Waldes – Das Netzwerk der Natur

Gesundheit ist das höchste Gut, das ein Mensch haben kann. Die meisten allerdings kommen erst dann zu dieser Erkenntnis, wenn sie mal nicht mehr gesund sind. Da kann ich mich mit all meinen Sportverletzungen und den daraus resultierenden Krankenhausaufenthalten leider nicht da-von ausnehmen. Bis dahin wird Raubbau am Körper betrieben. Dass es jedoch gar nicht so schwer wäre, etwas dafür zu tun, wissen viele oftmals gar nicht, da sie dort mitschwimmen, was gerade mal empfohlen wird. Wer käme da schon auf dieses heutige Thema, auf das ich zuge-gebenermaßen auch eher zufällig während der Recherche zu einem komplett anderen Thema stiess: Das Waldbaden bzw. die Waldmedizin!

Marc G. Berman wohnt in Chicago. Er ist Assistant Professor am Institut für Psychologie der Universität Chicago. Sein Fachbereich geht in eine Richtung, von der ich selbst bis vor kurzem noch nicht wusste, dass es sie gibt: Die Umweltpsychologie. Untersucht wird in diesem Fachbereich die Interaktion der Psyche und neuronaler Prozesse mit Umweltfaktoren aus der Natur. Klingt etwas kompliziert, ist jedoch ganz einfach. Hier ein Beispiel: Berman analysierte für das Rotman Research Institute an der University of Toronto in Baycrest die Unterschiede in den Gesundheits-daten der Bewohner von Wohngegenden mit einem hohen Anteil von Bäumen zu jenen mit nur wenigen („Regressionsanalysen“). Das Ergebnis ist revolutionierend und zugleich alarmierend: In den grünen Stadtteilen ist das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Störung wie etwa Diabetes oder Bluthochdruck zu erkranken wesentlich geringer als in jenen Stadtteilen, die dermassen zubetoniert (versiegelt) sind, dass nurmehr wenige Bäume Platz finden. Die Studie war recht mühsam, galt es doch, die Standorte von 530.000 Bäumen mit den Gesundheitsdaten von rund 30.000 Anwohnern abzugleichen. Berman weist allerdings daraufhin, dass die Daten miteinander korrelieren – inwieweit die sauerstoffreichere Luft, der schönere Anblick und die Animation für einen Spaziergang, die Bäume ausüben, das Wohlgefühl des Einzelnen beeinflussen, kann durch diese Studie nicht hingewiesen werden.

Ich behaupte: Bäume machen wirklich gesünder und glücklicher! Und den Beweis werde ich hier im Folgenden antreten! Diesem Phänomen widmet sich u.a. die Waldmedizin.

„Wir stellen fest, dass zehn zusätzliche Bäume in einem Häuserblock das durchschnittliche Gefühl der eigenen gesundheitlichen Verfassung in dem Maße erhöht wie eine Steigerung des Jahres-einkommens um 10.000 Dollar oder der Umzug in eine Wohngegend mit einem 10.000 Dollar höheren Durchschnittseinkommen!“

(Marc G. Berman)

An erster Stelle steht selbstverständlich die Sauerstoffproduktion. Die Photosynthese, also die Umwandlung von Kohlendioxid und Wasser zu Sauerstoff und Zucker unter Einfluss der Sonneneinstrahlung findet in den Blättern und Nadeln der Bäume statt. Je grüner ein Wald ist, desto mehr des für diesen Vorgang so wichtigen Chlorophylls findet sich dort, desto mehr kann auch Sauerstoff produziert werden. Sauerstoff nun ist für beinahe alle Vorgänge im menschlichen Körper notwendig. Je höher dessen Gehalt in der Atemluft ist, desto besser laufen auch diese Prozesse ab. Eine Wohltat für Asthmatiker oder Menschen, die an COPD leiden! 

Der Wald beruhigt aber auch das Herz, den Blutdruck und entspannt die Muskeln. Zu dieser Erkenntnis gelangten Forscher der Nippon Medical School of Tokio. Sie wiesen nach, dass das Herz während eines Aufent-haltes im Wald deutlich ruhiger schlägt, der Blutdruck gesenkt wird und der Muskelapparat so richtig relaxen kann. Dies alles nur dadurch, dass das Stresshormon Cortisol runtergefahren wird. Gleiches stellten auch südkoreanische Forscher fest. Sie schickten zwei Probanden-Gruppen zum Spazierengehen. Die eine in den Wald, die andere in die Stadt. Während die Stadtgeher danach keinerlei Veränderungen aufwiesen, hatten die Waldgeher einen niedrigeren Blutdruck, eine grössere Lungen-kapazität sowie eine bessere Elastizität der Blutgefässe.

„Ein lichter Mischwald ist, wie der Name schon sagt, meist etwas heller und lässt Tiere und Pflanzen und damit auch Menschen mehr Raum zu Atmen und Entfalten als ein düsterer, dichter Laubwald!“

(Renate Cervinka, Universität Wien)

Doch das ist noch lange nicht alles: Blutuntersuchungen ergaben, dass sich die Anzahl der Killerzellen (spezielle weisse Blutkörperchen) bei einem Spaziergang durch den Wald erhöhen – um bis zu 50 %. Ihre Aufgabe ist es, Eindringlinge jeglicher Art unschädlich zu machen. Damit gleicht also der Gang durch den Wald einem „öko-psychosomatischen Kuraufenthalt“ für das Immunsystem des Menschen, so Prof. Hilarion Petzold, Begründer der Psychotherapieverfahren der Integrativen Therapie. Der Körper kann die unterschiedlichsten bioaktiven Substanzen wieder aufnehmen, die ihm immer mehr entzogen werden („Nature Defizit Syndrom“).

Und schliesslich frohlockt zudem unser Nervensystem. Im Wald werden nahezu alle unsere Sinne aktiviert und sensibilisiert: Sei es aufgrund des Duftes junger Tannennadeln (Terpene), dem Gezwitscher der Vögel oder dem Spiel des Lichtes durch das Blätterdach.

„Ein Stoff, der nach Jasmin riecht, spricht im Gehirn dieselben Rezeptoren an, wie manche Schlaf- und Beruhigungsmittel. Und Sandelholzduft beschleunigt die Zellteilung und verbessert die Wundheilung!“

(Prof. Gustav Dobos, Kliniken Essen-Mitte)

Dies alles fassen die heimischen Walderlebnispfade zusammen. Allerdings kann ein solcher Waldaufenthalt auch intensiviert werden – durch das „Waldbaden“ beispielsweise. Dieser Trend aus Japan (dort auch als „Shinrin Yoku“ bekannt – gibt’s sogar auf Kasse) gewinnt immer mehr Anhänger. Die eigens angelegten Wege des Nationalen Erholungswaldes von Akasawa werden jährlich von bis zu fünf Millionen Menschen beschritten; in Südkorea wurde mit den Forest Bath Parks in der Nähe von Städten und den fünf großen Natural Recreation Forests im Norden des Landes ähnliches geschaffen. Im Ostseebad Heringsdorf auf Usedom befindet sich der erste anerkannte europäische „Kur- und Heilwald“. Der 187 Hektar grosse Forst dient als Vorbild für weitere Projekte in Mecklen-burg-Vorpommern, im Teutoburger Wald und am Berliner Wannsee. 

Beim Waldbaden ist es nicht wichtig, irgendwelche Übungen zu absol-vieren – Waldbaden ist die intime Begegnung mit der Natur; es berührt die Seele des Menschen. Ein einziger Spaziergang kann bereits als Waldbaden bezeichnet werden, sofern ihm alle Achtsamkeit und Aufmerksamkeit gilt. Dennoch sollten Sie sich Zeit hierfür nehmen. Suchen Sie sich mitten im Wald einen Lieblingsplatz. Lassen Sie hier die Natur auf sich wirken, lesen vielleicht ein Buch, machen Yoga-, Qi Gong- oder Atemübungen – was auch immer für Sie am passendsten ist! Entschleunigen Sie! Unbedingtes Muss: Schalten Sie Ihr Handy aus, Sorgen abschütteln und auch alles ansonsten Störende am Waldrand zurücklassen. Nehmen Sie bitte keinen Hund mit. Erklärtes Ziel ist es, sich voll und ganz den Reizen der Natur hinzugeben. Die Arbeits-, Umwelt- und Gesundheitspsychologin Renate Cervinka erklärt dies folgendermaßen: Durch den Wegfall der modernen Mediennutzung (wie etwa des Smartphones) lernt jeder Einzelne loszu-lassen, Stresserlebnisse abzubauen und zu regenerieren. Die Aufmerk-samkeit wird von allen Seiten eingedämmt – der Erholungsfaktor dabei ist enorm. Je häufiger ein solcher Spaziergang gemacht werden kann, desto mehr hat der Körper davon. 

„Ein Aufenthalt im Wald kann die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit wieder herstellen und erhöhen sowie die Kreativität fördern!“

(Clemens Arvay, Biologe)

Auch in der Medizin wird vermehrt die Heilwirkung des Waldes erforscht. So meint etwa der Direktor der Klinik für Naturheilkunde und Integrativer Medizin der Kliniken Essen-Mitte, Professor Gustav Dobos, dass der Wald vornehmlich aufgrund der Entspannungsmöglichkeiten eine enorme Wirkung auf die Gesundheit entwickeln kann. Er erklärt sich dies hauptsächlich evolutionstheoretisch: Die Natur bot uns in früheren Zeiten Schutz und Nahrung – sie war unser Lebensraum! Durch die Rückkehr in diesen Lebensraum fühlt sich der Körper heimisch und geborgen. 

Dies erkannte vor bereits 34 Jahren der Gesundheitswissenschaftler Roger Ulrich (Chalmers-Universität in Göteborg). Er untersuchte in einer klinischen Studie die Auswirkungen des blossen Zimmerausblicks auf Patienten eines Krankenhauses. Bei 46 Menschen, die nach einem standardisierten Verfahren an der Gallenblase operiert wurden, konnte durchaus ein Unterschied in der Heilung festgestellt werden. Die Versuchs-Gruppe hatte dabei ein Zimmer mit Blick auf einen benachbarten Wald, die Kontrollgruppe hingegen schaute auf eine Ziegelmauer. Das Ergebnis: Die Versuchsgruppe konnte das Krankenhaus früher verlassen, da die Wunden schneller und besser ausheilten. Auch postoperative Komplikationen traten seltener auf und die Schmerzen waren weitaus geringer. Die Erklärung liegt in der Aktivierung des Para-sympathikus, der die Regeneration und Heilung des Körpers bestimmt! Yoshifumi Miyazaki kam auf dieselbe Erkenntnis: Er wies mit seinem Team nach, dass bereits der Anblick eines Waldes den Cortisolspiegel der Probanden um 13,4 % sinken liess!

Eine andere Studie der britischen Gesundheitswissenschaftlerin Dr. Jo Barton von der University of Essex spricht in diesem Zusammenhang von der Steigerung der Stimmung und des Selbstwertgefühles. Um dies zu erreichen, soll bereits ein kurzer Aufenthalt unter den Bäumen genügen.  Etwas weiter geht sogar eine Untersuchung der medizinischen Universität und der Universität für Bodenkultur aus Wien. In der Studie „Gesund-heitswirkung von Waldlandschaften“ kommen die Experten zum Schluss, dass neben den bisher bereits genannten positiven Auswirkungen auch durchaus gute Erfahrungen bei der Therapie von Suchtkranken, Burnout- und ADHS-Patienten (Hyperaktivitätsstörungen) gesammelt werden konnten. Gewaltbereitschaft und Aggressionen können durch regel-mässige Waldspaziergänge ebenfalls abgebaut werden, betont alsdann ein Bericht des Bundesforschungszentrums für Wald. Die Farben-psychologie weiss, dass die Farbe „Grün“ beruhigend wirkt. Sehr positive Erfahrungen in dieser Richtung macht tagtäglich Axel Schmid, der beruflich viel mit gewaltbereiten Menschen und hier besonders Jugend-lichen zu tun hat. Er meint, dass sich solche Menschen im Wald mehr auf sich selbst fokussieren und ihre Gefühle besser verarbeiten können. Derzeit laufen auch mit Schmerzpatienten entsprechende Unter-suchungen. Studienleiter Professor Qing Li von der Nippon Medical School of Tokio spricht sogar von einer Therapie gegen Depressionen und Ängste.

„Wir fühlen uns weniger gestresst. Wir erholen uns, schlafen besser. Der Wald wirkt entschleunigend, die frische, kühle Luft stärkt und vitalisiert.“

(Angela Schuh, Professorin für Medizinische Klimatologie an der Universität München)

Lassen Sie uns eine ganz spezielle Gruppe der „Gesundmacher“ etwas genauer betrachten: Die Terpene! In vielen Wellness- und Gesundheits-hotels werden inzwischen Zirben-Zimmer angeboten. Gäste berichten, dass sie wesentlich tiefer und somit besser in diesen mit Zirbenholz ausgestatteten Zimmern schlafen und ausgeglichener als üblich ihren Urlaub geniessen konnten. Der Aufenthalt in einem derartigen Zimmer lässt nachweislich das Herz langsamer schlagen, wodurch der Körper weniger zu tun hat. Verantwortlich dafür zeichnet der Duft, der von diesem speziellen Holz ausgeht. Er beinhaltet neben vielem anderen mehr auch die sekundären Pflanzenstoffe der Terpene („Phytonzide“). Ätherische Öle, die in vielen Bäumen, ganz besonders jedoch in der Zirbe enthalten sind. Im Wald sind sie für die Kommunikation der Bäume unter-einander zuständig. So haben Untersuchungen gezeigt, dass sich Bäume, Sträucher und auch Pilze gegenseitig vor dem Angriff von Schädlingen warnen. Eine mehr als wichtige Information, damit das Abwehrsystem der Pflanze hochgefahren werden kann. Rund 2000 derartiger Duftstoff-vokabeln von über 900 Pflanzen sind bereits bekannt – die meisten davon gehören zu den Terpenen. Bei Mensch und Tier wirkt dieser „Heilungs-code der Natur“ ebenfalls: Terpene aktivieren die Produktion von Neurotransmittern und Hormonen (etwa Dehydroepiandrosteron DHEA), aber auch von Killerzellen aus der Gruppe der Leukozyten, die Eindring-linge im wahrsten Sinne des Wortes „abschiessen“! Auch bösartige Zellen, die zu Tumoren führen können. Die gefährlichen Zellen werden mit sog. „Granzymen“ beschossen, die die Zellmembran durchlöchern. Die Proteine „Perforin“  und  „Granulysin“ gelangen auf diesem Wege in die Zelle und vergiften sie, sodass diese abstirbt. Zu diesem Ergebnis gelangte auch Japans bekanntester Wald-Gesundheitsforscher Qing Li: Blutunter-suchungen brachten bei der Verweildauer von einem Tag im Wald 40 % mehr Killerzellen, zwei Tage gar doppelt so viele wie zuvor. Im ersten Fall hielten sie ganze sieben Tage lang an, im zweiten sogar 30 Tage. Die Terpene-Konzentration ist im Sommer nach einem Regen oder bei Nebel besonders hoch – da die Baumkronen die Luft vermehrt zurückhalten – im Wald zudem mehr als am Waldrand. In einem zweiten Test extrahierte Li die beiden gängigsten Terpene Limonene und Pinene aus der Waldluft. Pinene werden vornehmlich im grünen Teil der Fichtennadeln, aber auch im Myrtenstrauch gebildet, Limonene in Zitrusgewächsen, dem Lavendel und bei Fichten, Tannen und Kiefern. Damit reicherte er bei einer unwissenden Versuchsgruppe in der Nacht die Luft im Hotelzimmer an, während die Kontrollgruppe ohne die Zusatzstoffe auskommen musste. Auch hier ergaben Bluttests am nächsten Morgen die Zunahme der Killerzellen bei der Versuchsgruppe. Gemeinsam mit seinem Team kam er nach einer Analyse von Bevölkerungszahlen zu dem Resultat, dass die Krebssterblichkeit in bewaldeten Regionen weitaus geringer ist als in nicht bewaldeten. 

Völlig unabhängig voneinander untermauern auch die Studien der Krebs-forscherin Roslin Thoppil von der US-amerikanischen Vanderbilt-Universität in Nashville sowie des Pharmazieprofessors Anupam Bishayee am Larkin-Institut für Gesundheitswissenschaften in Miami diese Thesen. Umso intensiver forscht deshalb die Onkologie in dieser Richtung, da nicht alle Krebszellen auf eine Chemotherapie reagieren. Zellen sind derart konzipiert, dass sie Giftstoffe nach aussen pumpen. Diese Fähigkeit fehlt jedoch den meisten Krebszellen. Einige wenige jedoch können dies. Sie sind therapieresistent, überstehen die Chemo unbe-schadet und bilden später weitere Krebszellen. Sie könnten möglicher-weise mit Terpenen wirksam dem programmierten Zelltod zugeführt werden..

„Dabei geht es nicht darum, dass Patienten etwas leisten, dass sie Sport treiben, sondern sich ihrer selbst bewusst werden, sich spüren. Waldbaden hat mit Achtsamkeit zu tun.“

(Andreas Michalsen, Arzt für Naturheilkunde in Berlin)

Der Biologe Clemens Arvay fordert aufgrund all dieser wissenschaftlich nachgewiesenen Wirkungen von Bäumen auf den Menschen mehr Wald in den Städten. In seinen Büchern ist er zudem davon überzeugt, dass das regelmässige Umarmen von Bäumen gesund hält, da die meisten Terpene über die Borke der Bäume abgegeben werden. In Österreich stehen rund 3,4 Milliarden Bäume – tun Sie sich keinen Zwang. Sollten Sie bei ihrem nächsten Spaziergang durch den Park Bäume umarmende Menschen sehen, so wissen Sie zumindest ab jetzt, dass sie nicht unbedingt auf Freuds Couch gehören! Versuchen Sie es doch ganz einfach selbst! 

Und noch etwas: Zerstäuber, die mit Terpenen angereichert sind, wirken zwar – sie ersetzen aber nicht den Waldspaziergang, da hier ja noch weitaus mehr Stimulanzien auf den Menschen einströmen. Also: Raus in die Natur!!! 

Der Vollständigkeit halber am Ende noch der Warnhinweis: 

Die Komplementärmedizin, wie etwa die Waldmedizin, ist bei Krankheit kein Ersatz der Therapie durch die Schulmedizin. Sie sollte immer nur zusätzlich zur ärztlichen Behandlung eingesetzt werden! 

Factbox:

Waldbaden nach Dr. Qing Li (Professor für Umweltimmunologie)

– Erstelle Dir einen Plan für Deine Wanderungen oder Spaziergänge – Anforderungen je nach Konstitution

– Solltest Du beim Waldbaden müde werden, dann suche Dir einen Platz zum Ausruhen – egal wo, Hauptsache im Wald

– Nimm Dir Zeit – mindestens vier Stunden für rund fünf Kilometer zu Fuss; hast Du nicht so viel Zeit, so sollten es zumindest zwei Stunden und 2,5 km sein

– Suche Dir einen schönen Platz im Wald, geniesse die Stille, die Natur oder lese ein gutes Buch

– Gestalte das Waldbaden so, wie es Dir am besten gefällt, setze entsprechend Deine persönlichen Ziele

– Nach dem Waldbaden kannst Du auch ein warmes Bad zuhause nehmen

– Ein dreitägiges Waldbad einmal im Monat aktiviert Dein Immunsystem und hält für die restliche Zeit an

Filmtipps:

– Therapie unter Tannen; 3Sat

– Ist der Wald Medizin?; NDR

Lesetipps:

.) Forest Bathing: How Trees Can Help You Find Health and Happiness; Qing Li; Viking 2018

.) Waldbaden – das kleine Übungshandbuch für den Wald; Ulli Felber; Schirner Verlag 2018

.) Der Biophilia Effekt – Heilung aus dem Wald; Clemens G. Arvay; edition a 2015

.) Das geheime Leben der Bäume; Peter Wohlleben; Ludwig Verlag 2015

.) Holzwunder. Die Rückkehr der Bäume in unser Leben; Erwin Thoma; Servus Buchverlag 2018

.) Die sanfte Medizin der Bäume; Maximilian Moser/Erwin Thoma; Servus 2018

.) Der Heilungscode der Natur – die verborgenen Kräfte von Pflanzen und Tieren entdecken; Clemens G. Arvay; Riemann 2016

.) Die neuen Naturtherapien. Garten-, Landschafts-, Wald- und tier-gestützte Therapie, Green Care und Green Meditation; H.G. Petzold/B. Ellerbrock/R. Hoemberg; Aisthesis 2016

.) Einfach raus! Wie Sie Kraft aus der Natur schöpfen; Beate und Olaf Hofmann; Patmos Verlag 2016

.) Trickkiste Natur: 40 Naturwunder vor deiner Haustür: entdecken – staunen – ausprobieren; Hrsg.: Bund Naturschutz Bayern; oekom verlag 2016

.) Gebrauchsanweisung für den Wald; Peter Wohlleben; Piper 2017

Links:

– ihrs.ibe.med.uni-muenchen.de

– www.hphpcentral.com

– www.bund-naturschutz.de

– www.eag-fpi.com

– www.healthdesign.org

– psychology.uchicago.edu

– www.arvay.info

– www.psychologie-heute.de

– gesundheitsmanager.aok.de

– www.waldwelt.at

– www.menschundwald.de

– www.waldbaden.org

– www.waldbaden-akademie.com

– www.insel-usedom-wollin.de

– www.kur-und-heilwaelder.de

– bfw.ac.at

– www.landscapeandhealth.at

– www.pan-praxis.de

– www.heilpraxisnet.de

– www.fpi-publikation.de

– www.biokrebs-kongress.de

– www.wildundfrei.net

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Macht macht sexy

Oberbayern glich in diesen Tagen einer Festung. Hermetisch abgeriegelt war v.a. die Umgebung von Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald. Die Mächigsten der Mächtigen – mit Ausnahme der beiden Vertreter Russ-lands und Chinas – gaben sich im beschaulichen Vorhof des Karwendel-gebirges ein Stell-Dich-Ein und berieten über die Zukunft dieser Welt. Joe Biden, Olaf Scholz, Emmanuel Macron, Boris Johnson, Mario Draghi, Justinn Trudeau und Fumio Kishida – und als einzige Frau Ursula von der Leyen.  Allerdings: Die meisten Männer sind mit der Frau Gemahlin ange-reist, die es sich im Wellness-Bereich von Schloss Ellmau gemütlich machten, möglicherweise Koch-Rezepte austauschten, während ihre Ehe-männer die schwerwiegenden Schienen für die Bahnfahrt des Westens gen Osten verlegten. Schlechte Zeiten also für weibliche Fans oder gar Groupies!

Ich habe mir schon des Öfteren die Frage gestellt: Wie machte das der Hugh Hefner eigentlich? Den ganzen Tag im Bademantel und trotzdem die schönsten Frauen der Welt am Pool im Garten. Und das alles mit 90 Jahren! Die Antwort liegt in einem Wort: Macht! Als Herausgeber des US-„Playboys“ hatte er die Möglichkeiten, aus einer zwar hübschen aber gänzlichst unbekannten Frau einen schillernden Star zu machen. Ein Wort genügte und die Fotographen und auch oftmals nachgebesserten Blondinen sind bei ähm Fuss gelaufen! Und dabei hat alles 1953 mit 1.000,- $ begonnen, die er sich von seiner Mutter geborgt hatte. Marilyn Monroe zierte damals das Cover – 50.000 Exemplare wurden gedruckt, 50.000 Exemplare innerhalb kürzester Zeit verkauft! Auf dem Weg nach oben machen viele sehr viel. Manche gar alles! Und – dass das knackige Pool-Bunny mal mit dem einen oder anderen Geschäftspartner auf’s Zimmer verschwinden musste, gehörte für die meisten einfach dazu! Gilt übrigens für die US-amerikanischen Bunnies, nicht für die europäischen, habe ich mir sagen lassen! Sei’s drum.

Nach einer Studie des Evolutionspsychologen David Buss von der Texas University bevorzugen Männer feminine Gesichtszüge, ein Taillen-verhältnis von 1:0,7 und eine um drei Jahre jüngere Partnerin. Männer mit einem Verdienst über 5.000,- €/Monat hingegen ziehen Frauen vor, die mindestens zehn Jahre jünger als sie selbst sind. Die Buss’sche Studie wurde auf 6 Kontinenten und in 37 unterschiedlichen Kulturen durch-geführt. Zum Vergleich: Viele Frauen – v.a. ab 30 hingegen wünschen sich ein „Geführt werden“ ein „Sich fallen lassen können“! Dazu müssen aller-dings die Voraussetzungen vorhanden sein. Ergo:

Ja – Macht macht sexy!

Viele Verkaufstrainer locken Ihre Zuhörer mit den Worten: Erfolg im Beruf bringt auch Erfolg bei Frauen! Und mal ehrlich, werte Geschlechts-genossen: Wer von Ihnen möchte nicht gerne von hübschen Frauen umgarnt werden, für die einen so manch andere beneiden?! Das Ansehen, es geschafft zu haben, was sich andere Männer Tag und Nacht wünschen! Erfolg im Job heisst auch ein rasantes Hinauf auf der Erfolgsleiter. Mehr Leute, die unter einem stehen – also mehr Macht. Und – Macht macht Männer für Frauen attraktiv. 

Das ist einerseits evolutionstheoretisch begründet: Frauen suchen sich nach ihren Ur-Instinkten Lebensgefährten aus, bei welchen sie davon ausgehen können, dass diese nicht nur gut für sie, sondern auch für den Nachwuchs sorgen und diesem das eine oder andere Überlebensgen mit auf den Weg geben können. Darwin spricht in diesem Zusammenhang von „Sexualauslese“: Ausgesucht werden die Pfaus unter den Männern – jene, die am meisten protzen, Kraft und Fruchtbarkeit sowie Gesundheit ausstrahlen. Andererseits ist es natürlich auch die Gewissheit, es zustande gebracht zu haben! Alle anderen Frauen scheiterten beim Erlegen des Sechszehnenders.

„Schau mal – das ist die, die im Präsidentenschlafzimmer im Elysée-Palast ein und aus geht!“

Hinzu kommt unbestreitbar das soziale Ansehen in der Gesellschaft und das Gefühl, alles machen oder kaufen zu können, was Frau will. Das Weibchen sucht alsdann Sicherheit und finanzielle Unabhängigkeit!

Für das mächtige Männchen ist das Ziel klar: Je grösser das Risiko, desto grösser auch der Gewinn! Die hübsche junge Frau ist somit in den meisten Fällen nur ein Spiel und in weiterer Folge schmückendes Beiwerk („Trophäenfrau“), verbunden mit Angebertum: Eine junge Frau an der Seite eines älteren Mannes wird immer assoziiert mit grosser Potenz. Doch – ist das Schloss erstmal aufgesperrt, begibt sich Mann auf die Suche nach einem anderen Bollwerk, das es zu überwinden gilt. Schliess-lich ist es ja der Weg, der interessiert! Nicht das Ziel. Deshalb sind derartige Tête-à-Têtes auch recht rasch wieder vorbei. Allerdings darf auch beim Mann der Ur-Instinkt nicht ganz ausgeschlossen werden. Schliesslich sucht sich der normale Mann eine Mutter seiner Kinder aus, die ebenfalls Gesundheit und Fruchtbarkeit ausstrahlt. Und die mit Mitte 20 den Höhepunkt Ihrer sexuellen Aktivität mit dem Ziel Nachwuchs vorweist. Doch – über diese Thematik habe ich an dieser Stelle schon mal die Füllfeder kreisen lassen.

Da war einst ein französischer Staatspräsident, eher klein von Wuchs, der sich eine der schönsten Frauen der Grande Nation angelte. Der 70-jährige russische Präsident und Möchtegern-Weltbeherrscher, dessen 39-jährige Ex-Geliebte und nunmehrige Lebensgefährtin in der Schweiz darauf wartet, dass er diesen Wahnsinn endlich beendet. Oder jener Spross einer sehr mächtigen US-Politikerfamilie, der eine angeblich sehr intensive Beziehung mit dem Traum der Männerwelt, dem Pin Up-Girl aus Millionen von Spinden auslebte: Marilyn Monroe! OK – J.F. Kennedy war wohl selbst der Schwarm vieler Frauen. Aber – hätte er als Bauer aus Massachusetts Chancen bei Marilyn gehabt? Und Nicolas Sarkozy? Keine Ahnung, was Carla Bruni an dem zuvor bereits zweifach verheirateten Mann und dreifachen Vater fand! Frau Putin übrigens (die ehemalige Stewardess Ljudmila Alexandrowna) ist seit 2015 mit dem 20 Jahre jüngeren Artur Otscheretnij verheiratet.

Gerade Politiker verfallen sehr häufig der „Lust des Fleisches“: François Hollande, Silvio Berlusconi, Bill Clinton, Mosche Katzav (ehemaliger Präsident Israels), Dominique Strauss-Kahn (Ex-IWF-Chef), Canaan Banana (Ex-Präsident Zimbabwes). Bei so manch einem muss man den Kopf schütteln: „Liebe Frau – wie Du aussiehst, kannst Du doch jeden haben!“ Wieso ausgerechnet diesen Vorzeige-Beamten (Hollande), oder diesen älteren Herren, dem man sein ausschweifendes Leben sehr wohl ansieht (Strauss-Kahn) oder den Bunga-Bunga-Grosskotz, den niemand mag?

Die Macht wirkt als Aphrodisiakum, sie überstrahlt offensichtlich derartige Defizite des Mannes bei vielen Frauen. Der Experte spricht hierbei von „Kognitiver Verzerrung“ oder „Halo-Effekt“: Von gängigen, bekannten Verhaltensmuster wird auf andere geschlossen! So hinterlässt der Aktenwälzer im Amt mit seinen Birkenstocks einen komplett anderen Eindruck, als der Herr Amtsdirektor im Anzug und Krawatte. Dass Herr Birkenstock vielleicht nach Feierabend Football spielt oder Herr Kultur (Sympathiewerte für korrektes Auftreten) in die dunkle Kammer mit den vielen Ketten und Peitschen geht – das hat beim ersten Anblick wirklich niemand vor Augen! Dieser Halo-Effekt ist nicht zu unterschätzen. So liess der US-Amerikaner Edward Lee Thorndike während des Ersten Weltkrieges Offiziere ihre Soldaten beurteilen. Sie trauten jenen mit einem guten Gesicht und einem durchtrainierten Körper auch guten Schuhputz und Zielgenauigkeit beim Schiessen zu. Ja – sogar das Harmonika-Spielen!!! Auch Lehrer/-innen wird empfohlen, niemals eine Arbeit durchgehend, sondern vielmehr nach Aufgaben zu korrigieren („Quer-korrektur“), damit ein besserer Überblick über die Gesamtleistung entsteht und nicht mit Voreingenommenheit gegenüber des Schülers korrigiert wird.

Die Frage, ob reiche und damit auch mächtige Männer tatsächlich mehr Sex haben als andere, versucht etwa das Max-Planck-Institut mit einem Vergleich zu beantworten: Schimpansen-Männchen an der Elfenbein-küste, die ihr Fleisch mit Schimpansen-Weibchen teilten, hatten nahezu doppelt so viel Sex als jene, die es selbst aßen!

Umgekehrt ist es anders. Ein Mann meidet zumeist eine mächtige Frau, da er dann nur jener ist, der in ihrem Schatten steht und gleichzeitig die Befürchtung haben muss, dass sie ihn jederzeit abserviert. Als Jäger entspricht das in keinster Weise seinem Naturell. Jene, die sich an solche Frauen ranmachen, sind häufig jugendlich und ohne Zukunftsperspektive. Solche, die sich auf die faule Haut legen wollen und trotzdem ab und an in den Zeitungen aufscheinen möchten. Weibliche Macht ist nicht sexy – es ist landläufig ein Zeichen von sozialer Inkompetenz und Egoismus! Schliesslich muss Frau doppelt so hart wie Mann arbeiten um in eine solche Position zu kommen. Deshalb wünscht sich die normale, reiche und erfolgreiche Frau wider Erwarten auch einen älteren Partner. Jemanden, bei dem sie sich geborgen fühlen kann (Ergebnis einer schottischen Studie an 3.770 Teilnehmer/-innen).

Interessant ist es nun, die neuesten Entwicklungen einzubeziehen: Die Ellbogen-Macht wird durch den Gierkampf ersetzt. Die Mächtigen versuchen, sich mit allen möglichen Mitteln an der Macht zu halten – dabei agieren sehr viele wie ein Segel im Wind. Verantwortungs-bewusstsein, Handschlagqualität, klare Linie mit noch klarerem Ziel – das alles macht einen Mächtigen aus. Oder vielmehr – es machte! Aufgrund der unterschiedlichsten Beispiele wissen viele, dass der Weg nach oben verdammt hart ist. Ein Fall nach unten aber bereits durch einen Stupser ausgelöst und zum freien Fall werden kann! Heute noch Herr und Meister, morgen ein Niemand! Also wird alles unternommen, damit sich der Betroffene möglichst lange oben halten kann – ob im Finanzwesen, der Wirtschaft oder auch der Politik! Das wiederum zieht nur solche Frauen an, die zumindest im Kern gleich gepolt sind. Ansonsten zerbröseln die meisten Beziehungen. Frauen spüren hier, dass sie als blosses Mittel zum Zweck eingesetzt werden – das wirkt auf viele unsympathisch! Gleich-gepolten macht es nichts aus – sie verlassen den Mann aber bei der geringsten Erschütterung. Diesen Menschen fehlt die Grösse, für ihr Tun auch tatsächlich selbst verantwortlich zu sein. Ein No-Go für die Aus-strahlung! Es ist schwer, zu einem solchen Menschen Vertrauen aufzu-bauen.

Bei all dem sollte eines nicht vergessen werden: Macht bzw. Erfolg kommt in den meisten Fällen nicht von selbst! Viele Erfolge sind hart erarbeitet. So wird beispielsweise von Fussball-Superstar Cristiano Ronaldo erzählt, dass er sich noch die Fussbälle schnappt und Freistösse übt, während seine Teamkollegen bereits unter der Dusche stehen! Erfolgreiche Männer arbeiten meist auch mehr als der Durchschnitt. Daran scheitern sehr viele Ehen und Beziehungen, da der Mann keine Zeit mehr für seine Partnerin oder die Familie hat! Doch das sagt der Halo-Effekt nicht voraus!

„Männer sind wie ein guter Wein – mit den Jahren werden sie besser!“

Übrigens sind es nicht nur die Mächtigen dieser Erde, sondern auch die Bekannten, die sich gerne mit jungen Frauen schmücken: Michael Douglas, Al Pacino, Heiner Lauterbach, Sky Du Mont, Joschka Fischer und die bereits verstorbenen Johannes Heesters und Heinz Konsalik. Beim Mann sind es die Beschützer-Instinkte oder die Furcht vor gleichalten und ebenbürtigen Partnerinnen. Das Gefühl, es trotz des Alters „noch zu können“, zeichnet jeden Mann vor gleichaltrigen Geschlechtsgenossen aus! Ausserdem bemerken viele in den Midlife Crises, dass sie einiges im Leben verpasst haben. Eine junge Frau reisst sie aus der täglichen Routine, aus der Lethargie heraus. Sie holen all das nach, was sie damals nicht gemacht haben! Männer wie Emmanuel Macron sind da eher die Ausnahme. Schon sehr bald besteht jedoch die Gefahr, dass Mann nicht mehr mithalten kann. Etwas gewagter schon die These, dass es sich um einen Mutterkomplex beim Mann handelt. Er sucht jemanden, der ihn umsorgt, wie es damals in Kindheitstagen die Mutter gemacht hat.

Bei der Frau hingegen gehen die Soziologen und Psychologen vom Vater-Komplex aus! Vor allem Töchter alleinerziehender Mütter suchen sich später den Vaterersatz. Ja, so manch eine sagt sogar zu Ihrem wesentlich älteren Mann „Daddy“ oder „Papa“! In vielen Fällen spielt das äussere Erscheinungsbild des Mannes insofern keine Rolle, als der meist so attraktiv machend zu glaubende SixPack durch Männlichkeit ersetzt wird: Verlebtere Gesichtszüge, graue Haare, … So gelten beispielsweise George Clooney oder Richard Gere nach wie vor als Traummänner für so manche Frau. Sie sind erfahrener, gut situiert und emotional gefestigter! Zudem kostet die junge Frau meist, neben dem bereits erwähnten Ansehen in der Gesellschaft und wirtschaftlicher Versorgung, die Macht über den Mann aus, der (je älter er wird, desto mehr) befürchtet, die junge und attraktive Frau verlieren zu können und sie deshalb herzergreifend umsorgt. Bleiben die unterschiedlichen Interessen und auch Lebensziele!!!

Werte Herren – Der Markt übrigens besticht mit einem hervorragenden Angebot an Ende 20/Anfang 30-jährigen. Junge gut aussehende Frauen, die erst mal versucht haben, ihre Karriere in’s Laufen zu bringen, dann jedoch, wenn sie am Abend nach Hause kommen, bemerken müssen, dass ihnen in ihrem bisherigen Leben etwas fehlt! Hier heisst es zugreifen, denn – glaubt man der Werbung eines Partnervermittlers: Alle elf Minuten verliebt sich ein Pärchen nur bei diesem einen Unternehmen! Nun – wie sich zeigte, ein Irrtum. Deshalb entschied auch der EuGH für ein Widerrufsrecht des Abos geurteilt. 50,6 % der insgesamt 22,69 Mio Singles in Deutschland sind weiblich (Stand: 2019). 42,5 % davon waren Frauen unter 49 Jahren. Viele davon sind zwar voll in die Gesellschaft integriert – sie leiden aber dennoch an Bindungsangst. Oder – gerade bei den Jüngeren – warten auf den Prinzen auf dem weissen Schimmel, der sie in sein Reich nach Phantasia entführt! Derartig hohe Ansprüche können die wenigsten gleichaltrigen Männer erfüllen – ältere hingegen sehr wohl! Früher bestand die einzige Karriere-Möglichkeit einer Frau darin, einen erfolgreichen Mann heiraten zu können – ohne sexistisch-diskriminierend klingen zu wollen, da Frauen erst seit einigen Jahr-zehnten auch beruflich erfolgreich sein dürfen! Im Deutschland von heute besitzen 1,4 Mio alleinstehende Frauen einen Hochschulabschluss und besetzen in den meisten Fällen Führungspositionen. Bei den Männern sind die Managementebenen vornehmlich mit Familienvätern besetzt! Mütter hingegen arbeiten meist Teilzeit!

Abschliessen möchte ich heute mit einem Satz eines grossen Schau-spielers, der perfekt in das Beuteschema so manch junger Frau passt – Jack Nicholson:

„Dass man Liebe mit Geld nicht kaufen kann, glaubt man erst, wenn man genug Geld hat!“

Lesetipps:

.) Macht macht sexy: Entfessle deine Stärke mit dem Excalibur-Prinzip; Carola Orszulik; Metropolitan 2018

.) Das macht Männer sexy / Das macht Frauen sexy; Peter Haass; Heyne 1991

.) Was die Liebe stark macht. Die neue Psychologie der Paarbeziehung; Hans-Werner Bierhoff/Elke Rohmann; Rowohlt TB 2005

.) Lehrbuch Klinische Paar- und Familienpsychologie; Guy Bodenmann; Hogrefe 2016

.) Soziale Interaktion und Kommunikation – Eine Einführung in die Sozialpsychologie; Joseph P. Forgas, Dieter Frey; BeltzPVU 1999

.) Der Halo-Effekt: Wie Manager sich täuschen lassen; Phil Rosenzweig: ; Gabal, Offenbach 2008

Links:

– www.uni-muenster.de

– www.ursachewirkung.com

– www.psychologicum.de

– www.bauer-jelinek.at

– www.mysugardaddy.eu

– dating.seitenvergleich.at/SugarDaddy

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AfD – Eine Partei auf dem Weg nach ganz rechts

„Wir bestimmen selbst, wer Extremist ist!“
(Björn Höcke auf dem AfD-Bundesparteitag Juni 2022)

Na klar – schliesslich sind sie ja das Volk! Die grossformatige Boulevard-zeitung Bild aus Hamburg titelte am Montag nach dem Parteitag in Riesa:

„AfD jetzt Höcke-Partei!“

Nun – die Palastrevolution hat der Fraktionsvorsitzende der Thüringer Landespartei ja schon des öfteren angekündigt. So etwa auch im Juli 2019, kurz vor den Landtagswahlen in Thüringen. Damals drohte er der kompletten Bundesparteispitze. Doch auch dieses Mal wurde nichts daraus – zumindest offiziell. Björn Höcke gründete im Jahre 2015 mit der „Erfurter Resolution“ die rechtsextreme Strömung „Der Flügel“ und sorgt seither in regelmässigen Abständen für Probleme bei der ehemaligen „Alternative für Deutschland“. Das Bundesamt für Verfassungsschutz bezeichnet den beamteten Gymnasiallehrer aus Hessen unverhohlen als „rechtsextrem“, nach einem Gerichtsurteil (Verwaltungsgericht Meiningen vom 26. September 2019 – „…die Auseinandersetzung in der Sache, und nicht – auch bei polemischer und überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund!“) darf er in einem speziellen Zusammenhang ganz offiziell als „Faschist“ bezeichnet werden. Die Meinungsfreiheit sei in diesem Falle nicht durch Persönlichkeitsrechte eingeschränkt. Das Landgericht Hamburg relativierte dies im März 2020 insofern, dass Herr Höcke „über die Zulässigkeit einer konkreten Meinungsäußerung in einem konkreten Kontext“ als ein solcher bezeichnet werden darf. Es muss also mit einer Klage gerechnet werden, wie es auch der Berliner FDP-Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja am eigenen Leib zu spüren bekam. Bleiben wir deshalb bei der verfassungsgerichtlichen Einstufung.

Die ehemalige Parteisprecherin der AfD, Frauke Petry, beantragte kurz vor ihrem Parteiaustritt im September 2017 Höckes Ausschluss aus der Partei, nachdem dieser in seiner Dresdner Brandrede vor der Jungen AfD von einer „dämlichen Bewältigungspolitik“ und einer „erinnerungs-politischen Wende um 180 Grad“ sprach. Das Thüringer Landesschieds-gericht wies diesen Antrag als „unbegründet“ zurück, was zu erwarten war. Höcke ist nach wie vor in den neuen Bundesländern beliebt, in den westlichen allerdings gehasst. Hier befürchtet man durch die extremen Aussagen des Kollegen aus dem Osten den Wegfall der Stimmen aus dem bürgerlichen Lager. Der dortigen Parteibasis, die nicht dermassen rechts einzuordnen ist, wie in den ostdeutschen Bundesländern.

Björn Höcke war es im übrigen, der mit seiner Resolution zur Europa-ausrichtung der Partei („Europa neu denken“) für den Abbruch des Partei-tages sorgte. Darin enthalten die Forderung der „einvernehmlichen Auf-lösung der Europäischen Union“ („fehlgeleitetes und dysfunktionales politisches Gebilde“), der „Ausgleich mit Russland“ (vom „Ukraine-Konflikt“ war die Rede, nicht vom Krieg – Delegierte befürchteten die Übernahmen der russischen Propaganda) und die „Hinwendung zu eurasischen Ländern“ anstatt zur USA. Auch darin enthalten die Aussage, dass die EU „unsere geschlechtliche Identität, unsere kulturelle Identität, unser Menschsein“ nehme und „Angriffe auf unseren Wesenskern als Deutsche und Europäer“ vollziehe. Das ist in der Tat starker Tobak! Angeblich soll Ehrenvorsitzender Gauland an der Resolution mitge-schrieben haben. Die Parteispitze wollte diese zur weiteren Überarbeitung an den Fachausschuss bzw. den Parteivorstand weiterleiten, was abge-lehnt wurde. Nachdem die Stimmung immer mehr kippte, beantragte Bundestagsabgeordneter Kay Gottschalk das Ende des Parteitages, was ebenfalls abgelehnt wurde. Also wurde er abgebrochen bzw. wie es Chrupalla bezeichnete, nach einem Votum der Delegierten mit 56 zu 44 % beendet. Tino Chrupalla und Alice Weidel, die nach dem Abgang von Jörg Meuthen bereits die Partei leiteten, wurden jedoch am Tag zuvor als Parteisprecher im Amt bestätigt. Weidel mit 67,3, Chrupalla mit 53,45 %. In den Vorstand gewählt wurde allerdings die Verschwörungsideologin Christina Baum, eine enge Vertraute Höckes, mit der Alice Weidel wiederum nicht gut kann. Experten sprechen deshalb vom „Strippen-zieher“, „Schattenführer“ und einer Parteispitze „von Höckes Gnaden“.

Alice Weidel hatte bei diesem Parteitag ein Kooperationsverbot für Mitglieder des rechts-extremen Vereins „Zentrum Automobil“ beantragt. Dies wurde abgelehnt. Ebenfalls abgelehnt wurde die Unvereinbarkeit der rechten Gewerkschaft „Zentrum“ mit der AfD. Kritiker befürchten, so lange Mitglieder dieser „Vorfeldorganisationen“ auch in der AfD tätig sind, bleibe der Verfassungsschutz bei seiner Einstufung der AfD als Verdachts- und Beobachtungsfall. Hierauf antwortete Höcke mit dem Zitat von oben! Höcke war es zudem, der die meiste Redezeit am Pult bekam bzw. sich nahm.

Selten zuvor war die Partei dermaßen gespalten. Nicht erstaunlich alsdann auch der Ausspruch Chrupallas von „vulgären Zeltpinklern“, schliesslich fürchtet er um die bürgerliche Fassade der Partei, die nach der Ankündigung des Verfassungschutzes nach nachrichtendienstlicher Überwachung massivst an gemässigten Wählern verloren hat. Das zeigt sich nun auch parteiintern: Aus diesem Bereich fehlt der Nachwuchs! Immer mehr eindeutig dem rechten Lager Zugehörende strömen nach. Deshalb gilt die Führungsspitze Chrupalla/Weidel als sehr instabil. Es war wohl eine Vernunftwahl der Delegierten, da sich die Partei immer mehr an den politisch rechten Rand bewegt. Wenn nun beispielsweise am Eingang Magazine mit Titeln wie „Männer der Waffen-SS“ verteilt werden, wird es nurmehr eine Frage der Zeit sein, wann die Partei verboten wird. Weidel zeigte sich angesichts dieser Magazine überrascht und gab an, nichts davon zu wissen.

Spaltungen sind bei der Alternative nichts neues. Die AfD wurde 2013 als neokonservative und wirtschaftsliberale Partei gegründet. Ein Jahr später (mit bereits 20.000 Mitgliedern) trat sie zur ersten Wahl an und errang grosse Erfolge und unzählige Sitze in den hohen Hausern. Im Jahre 2015 kam es zu den ersten Richtungskämpfen. Funktionäre wie Alexander Gauland, Beatrix von Storch und Alice Weidel nutzten den Gegenwind zur Merkelschen Flüchtlingspolitik. Die bisherige Ausrichtung wurde zugunsten einer rechtspopulistischen aufgegeben. Viele Mitglieder, die die neue Partei tatsächlich als Alternative zu den bestehenden Parteien sahen, kündigten ihre Mitgliedschaft und traten aus. Darunter auch Gründungsmitglied Bernd Lucke und der Unterstützer Hans-Olaf Henkel. Viele Splittergrupen spalteten sich ab. Bernd Lucke gründete die „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“, die jedoch politisch nicht mehr relevant erscheint.

2016 kam es in Baden-Württemberg zum Eklat. Verantwortlich dafür zeichnete der Fall Gedeon. Der baden-württembergische Landtags-abgeordnete Wolfgang Gedeon hatte sich in seinen Bücher klar antisemitisch geäussert und den Holocaust geleugnet. Der Fraktionschef der Landespartei, Jörg Meuthen, forderte deshalb ein Parteiaus-schlussverfahren. Als die dafür erforderliche Mehrheit ausblieb, kam es zu einer Spaltung der Fraktion. Im Landtag waren plötzlich zwei AfD-Fraktionen vertreten. Zuerst erkannte der AfD-Bundesvorstand die Gruppe von Meuthen als AfD-Fraktion an, wenig später jedoch bekannte sich die neben Meuthen zweite Bundessprecherin Frauke Petry nicht zur Meuthen’schen „Alternative für Baden-Württemberg“ sondern zu den verbliebenen AfD-Abgeordneten unter Heiner Merz. Ein klares Zeichen für den bestehenden Machtkampf zwischen den beiden Bundessprechern. Im September 2016 rauften sich die beiden Fraktionen in einer gemeinsamen Klausur wieder zusammen, nachdem Meuthen inzwischen Gegenwind aus seiner Gruppe verspürte. Wolfgang Gedeon und auch Stefan Räpple wurden übrigens nach mehreren Ordnungsrufen der Land-tagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) von mehreren Sitzungen ausgeschlossen. Polizisten brachten die beiden aus dem Sitzungssaal, nachdem sie sich geweigert hatten, diesen zu verlassen. Das Landes-verfassungsgericht beurteilte diesen Ausschluss ein Jahr später als rechtens. Wolfgang Gedeon blieb zwar Parteimitglied, gehörte aber nicht mehr der AfD-Fraktion an. Er und Räpple wurden schliesslich im März 2020 durch das Bundesschiedsgericht bzw. das Landesschiedsgericht aus der Partei ausgeschlossen.

2017 verliess auch Frauke Petry, die bis dahin als Bundessprecherin agierte, die Partei. Gemeinsam übrigens mit ihrem Bundestagskollegen Mario Mieruch. Zuvor hatte sie die „Blaue Partei“ gegründet, die jedoch ebenfalls keine politische Rolle mehr spielte. Sie sass jeweils bis zur nächsten Wahl als Fraktionslose im Landtag von Sachsen bzw. dem Deutschen Bundestag.

2018 trat der Bundestagsabgeordnete Uwe Kamann aus Protest gegen die rechtsextremen Tendenzen in der Partei aus. Er sass bis zur nächsten Wahl für die Liberal-Konservativen Reformer (LKR) im Bundestag. Sie geht auf den ehemaligen AfD-Gründer Bernd Lucke zurück.

Im Juli 2019 folgte bei seinen ehemaligen Kollegen in NRW ein Richtungs-streit. Der Landesparteitag musste vorzeitig abgebrochen werden, nachdem der bisherige stellvertretende Vorsitzende Helmut Seifen mit einem Grossteil des Landesvorstandes (neun von 12 Mitgliedern) zurück-getreten war. Dem voraus ging ein erbitterter Machtkampf mit Thomas Röckemann, der als Sympathisant des Flügels gilt. Auf dem vorgezogenen Parteitag in Warburg erreichten mehrere Anträge auf die Abwahl der drei verbliebenen Führungsspitzen keine Mehrheit. Seifen galt als gemässigt. Der Landesverband NRW ist mit 5.300 Mitgliedern der grösste Landes-verband der AfD.

Jörg Meuthen, der als Vertreter des Lucke’schen konservativen Liberalismus gilt, verlor nach und nach den Rückhalt in der Partei. Nicht zuletzt deshalb, da er sich gegen die rechtsextremen Tendenzen zur Wehr setzte. So initiierte er eine Kampfabstimmung für den Partei-ausschluss des Landesvorsitzenden aus Brandenburg, Andreas Kalbitz. Dieser war nicht nur Mitglied des Flügels von Björn Höcke, sondern auch bei einigen rechtsextremistischen und neonazistischen Organisationen, wie beispielsweise der inzwischen verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend. Die Kampfabstimmung endete mit 5:7 Stimmen für den Ausschluss. Dafür stimmte neben Meuthen auch Beatrix von Storch, dagegen Alice Weidel und Kalbitz-Freund Tino Chrupalla, der es nun selbst mit dem Sturm von rechts zu tun bekommt. Im Frühjahr 2022 schliesslich trat auch Jörg Meuthen aus der Partei aus.

Es gilt inzwischen als offenes Geheimnis, dass die neue alte Bundes-Führungsspitze bereits auf dem Parteitag „demontiert“ (Kay Gottschalk) wurde. Ehrenvorsitzender Alexander Gauland mahnt zur Beendigung der Streitereien und der Einigung der Partei. Dabei stärkt er dem neuen Bundesvorstand unter Weidel und Chrupalla den Rücken, obgleich er die Europa-Resolution von Björn Höcke mitverfasst hatte. Am 09. Oktober 2022 finden die nächsten grossen Landtagswahlen statt – in Nieder-sachsen. Inwieweit dieser Bundesparteitag hier Einfluss haben wird, sollte sich zeigen. Der bisherige Landesvorsitzende Jens Kestner, der „zu den rechten Kräften gezählt“ (FAZ) wird, kämpfte verbissen um das Amt, trat jedoch nicht mehr zur Wahl an. Gegen ihn läuft ein Parteiaus-schlussverfahren. Der derzeitige Landesvorsitzende Frank Rinck gehört ebenso wie sein Stellvertreter Ansgar Schledde dem gemässigten Lager an.

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Sonnenbrand – brandgefährlich!

Information:

Hausmittel und Eigentherapierung helfen nur bei leichten Sonnen-bränden. Suchen Sie bitte bei schweren Sonnenbränden zweiten und dritten Grades unbedingt einen Arzt auf!!!

Der Sommer 2022 wird auf jeden Fall in die Geschichtsbücher eingehen: Der wärmste Juni seit Beginn der Aufzeichnungen, wird möglicherweise im Juli der Hitzerekord gebrochen und trotzdem rund 200 Liter Regen-wasser auf den Quadratmeter! Herz – was begehrst Du mehr!?

Bei all dieser Euphorie ist jedoch extremste Vorsicht geboten: Ein Sonnenbrand (Dermatitis solaris acuta) ist schneller geschehen als beabsichtigt! Jeder Zweite bekommt ihn nicht nur einmal im Jahr. Besonders davon betroffen sind die Hauttypen I und II, die in der Sonne zumeist nur leicht oder gar nicht braun werden. Er ist nicht nur sehr lästig, sondern auch brandgefährlich. So führen zu viele UVA-Strahlen über einen längeren Zeitraum hinweg zur vorzeitigen Alterung der Haut, da sie im Vergleich zur UVB-Strahlung, tiefer in die Haut eindringen. Zudem wächst da völlig unbemerkt etwas heran, das niemand von uns braucht: Der Hautkrebs! Wer das vermeiden möchte, kommt um die Sonnenmilch oder -creme nicht herum. Auch wenn es lästig ist. Im Sommer genügen schon max. 15 Minuten in der intensiven Sonne. Am meisten werden Sie’s im Nacken spüren. 

Mich hat’s so richtig in Spanien erwischt. Obgleich ich schon wunderbar sommerlich gebräunt die Reise antrat, setzte ich nach drei Tagen Schutzfaktor 20 ab und begnügte mich mit 5. Ein Fehler, den ich nicht mehr machen werde. Drei Tage Balkonien im Schatten und Joghurt auf dem Rücken – wie sich nun herausgestellt hat: Genau falsch! Na ja – halbfalsch! Ähm – das Joghurt, nicht der Schatten!

Dermatologisch gesehen ist ein Sonnenbrand eine Verbrennung der Haut ersten Grades durch UVB-Strahlung und sollte deshalb fachgerecht versorgt werden um alsdann Folgeerscheinungen wie etwa dauerhafte braune Flecken (Lentigines) oder Narben zu vermeiden. Bilden sich bereits Blasen heraus, so spricht der Experte von einer Verbrennung zweiten Grades. Hier ist ein Arztbesuch unbedingt vonnöten, da die Wunde zuallererst desinfiziert und im Anschluss fachmännisch versorgt werden muss. Gottlob eher selten sind Sonnenbrände dritten Grades. Hier ist ein Krankenhausaufenthalt vonnöten, da Flüssigkeit und Elektrolyte in Form einer Infusion zugeführt werden müssen. Daneben ist zumeist auch eine Versorgung mittels Kortison und Antibiotika sowie eine Lokal-therapie erforderlich. Gesellen sich Fieber und Kopfschmerzen hinzu, muss auch dies entsprechend ärztlich behandelt werden.

Ist es hingegen nur eine leichte Rötung der Haut (Erytheme) mit leichtem Hitzegefühl (durch die Entzündung erweitern sich die oberflächlichen Blutgefässe – es kommt zu einer besseren Durchblutung der betroffenen Stelle), so kann dies mit alten Hausmitteln sehr gut selbst behandelt werden. Als erstes heisst es: Raus aus der Sonne! Danach sollte die Wunde gekühlt werden. Am besten mit einem sauberen Handtuch, das mit kaltem Wasser befeuchtet und als Umschlag für 10-15 Minuten aufgelegt wird. Dies öfter am Tag gemacht, lindert rasch auch die Schmerzen. Für einen solchen Umschlag empfiehlt sich auch eine Wasser-Essig-Mischung im Verhältnis von 2:1. 

Joghurt – ok aber nur kurz! Molkeprodukte, wie das Joghurt oder der Quark (Topfen) beinhalten Bakterien, die vielleicht für den Darm ausgezeichnet sind, jedoch, gerade bei Sonnenbränden, die mehrere Hautschichten betreffen, zu Infektionen führen können. Die Wunde sollte zuerst desinfiziert werden. Dann – zur Linderung der Schmerzen – Naturjoghurt auftragen. Nach einer 10-15-minütigen Einwirkphase unbedingt mit kaltem Wasser herunterwaschen. Wesentlich besser ist jedoch fettfreie Milch oder eine Paste aus Maisstärke und reichlich Wasser bzw. ein Umschlag aus Haferflocken mit Wasser. Auch das Wasser ausgekochter Salatblätter oder der ausgedrückte Saft der Petersilie, das beides direkt aus dem Kühlschrank mit einem Wattebäuschchen aufgetupft wird, wirkt wahre Wunder.  

Nichts aus dem Tiefkühlfach! Dies kann sich auf der Haut festfrieren und weitaus mehr kaputt machen als ohne. 

Die besten Mittelchen aber finden sich nach wie vor in Omamas Hausapotheke. Sie griff bei vielen kleinere Verletzungen stets zur Ringelblumensalbe. Diese wirkt entzündungshemmend und fördert die Wundheilung. Ebenfalls wundheilend wirkt Zinköl (eine Suspension aus Zinkoxid und Olivenöl), die Eichenrinden-Tinktur und Aloe Vera. Bei Schmerzen hilft die Beinwellsalbe ausgezeichnet. 

Ein natürliches Mittelchen gegen die starke Sonneneinstrahlung (aber nicht nur!) kann Sanddornöl sein. Unsere Haut verstärkt im Laufe eines sonnigen Tages die Hornhaut als Schutz vor der Sonneneinstrahlung („Lichtschwiele“): Es werden dadurch mehr Strahlen reflektiert als durch die Winterhaut. Zudem aktiviert die Sonnenstrahlung auch die Melanozyten. Sie produzieren im Sommer vermehrt das Pigment Melanin, das ebenfalls vor der Strahlung schützt (die Haut wird braun). Das Sanddornöl nun stärkt die Haut und verleiht ihr somit eine bessere Resistenz gegen beispielsweise auch die UV-Strahlung.  

Finger weg hingegen von fettigen Hand- oder Hautcremes! Vor allem, wenn sich die Haut von selbst wieder regeneriert und schuppt oder sich ablösen lässt. Anstatt dessen eignet sich eine Après-Lotion, da diese über einen wesentlich höheren Wasseranteil verfügt. Um den Kühlungseffekt noch zu verbessern, kann die Lotion im Kühlschrank aufbewahrt werden. Zudem sollten Sie vermehrt Wasser trinken, damit der Flüssigkeitsverlust innerlich ausgeglichen wird und Stoffwechsel-produkte, die aufgrund der Entzündung der Haut entstehen, rascher ausgeschieden werden, da sie ansonsten die Nieren belasten. 

Experten empfehlen, während des Sonnenbrandes die Verwendung von Körperpflegeartikel, Dusch- oder  Schaumbädern auszusetzen. Besser hingegen ist ein kühles Bad nur mit Wasser bzw. etwas Essig oder Backpulver bzw. eine kühle Dusche. Das dann verwendete Hand- oder Badetuch sollte frisch und somit sauber sein, da Sie ansonsten nichterwünschte Erreger in die verletzte Haut bringen. 

Die Hautalterung wird als „aktinische Keratose“ bezeichnet. Derma-tologen entdeckten einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Lebensalter und Sonnenstunden. Die Hautalterung tritt vornehmlich an jenen Stellen auf, die ständig von der Sonneneinstrahlung (UVA) betroffen sind: Nacken, Schultern, Wangen, Nasenrücken, aber auch die Glatze oder das Dekolleté. Der Experte bezeichnet diese Körperstellen deshalb als „Sonnenterasse“. Auch hiermit ist nicht zu spaßen: Treten schuppige und raue Hautveränderungen auf, sollte unbedingt der Hautarzt aufgesucht werden: Dies gilt nämlich als Vorstufe des Hautkrebses. Betroffen davon sind immerhin 20-30 % der Generation 60+! 

Das alte Sprichwort „Jeder Sonnenbrand in der Kindheit erhöht das Hautkrebsrisiko im Alter!“ sollte durchaus ernst genommen werden. Entscheidend dabei ist aufgrund der noch empfindlichen Haut vornehmlich die frühe Kindheit (später vermehrte Muttermale) und die Häufigkeit der intensiven Sonneneinstrahlung auch in älteren Jahren. 

„Für die Entstehung des malignen Melanoms sind wiederkehrende intermittierende UV-Expositionen schon im frühen Kindesalter (0 bis 6 Jahre) verantwortlich. Dazu zählen bereits vereinzelte subery-themale Expositionen und erst recht milde und schwere Sonnen-brände, wie sie bei Urlauben vorkommen.“

(Strahlenschutzkommission des Dt. BM für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit)

Die Medizin unterscheidet zwischen dem „schwarzen“ und dem „weißen“ Hautkrebs.

.) Basalzellenkrebs („Weißer Hautkrebs“)

Dieser Hautkrebs wird verursacht durch die dauerhafte, lebenslange Sonneneinstrahlung auf der Haut. Er tritt deshalb erst in gehobenerem Alter auf. Geschädigt sind die basalen Schichten der Epidermis und der Haarfollikeln. Er ist ebenso bösartig und kann umliegendes Gewebe und Knochen schädigen! 

.) Melanom („Schwarzer Hautkrebs“)

Hierbei entarten die Melanozyten und produzieren sehr aggressive Krebszellen aus. Sie bilden meist rasch auch Metastasen in den Lymph-knoten und anderen inneren Organe. Dieser Krebs endet – nicht recht-zeitig erkannt – in den meisten Fällen tödlich. 

Die gefährlichsten Strahlen jedoch sind die UVC-Strahlen – sie werden allerdings durch die Ozonschicht in unserer Atmosphäre gefiltert. 

Zuletzt noch ein wichtiger Tipp: Verwenden Sie besser zu viel Sonnen-creme als zu wenig. Tragen Sie diese rund eine halbe Stunde vor dem Sonnengang gut auf. Jene Stellen am Körper, die normalerweise nicht mit Kleidung bedeckt sind, sollten besonders gut bedacht werden. Die ersten Sonnenbrände entstehen meistens im Gesicht, an den Ohren und im Nacken. Auch Hände und Lippen sollten geschützt werden. Zudem muss ein wasserfester Schutz vor dem nächsten Schwimmen oder bei Schwitzen erneut aufgetragen werden. Je höher der Lichtschutzfaktor, desto besser werden die schädlichen UV-Strahlen abgehalten. Ein Faktor von 30 etwa schützt vor 97 % der UV-Strahlung. Entscheidend ist deshalb der Anteil von Zinkoxid, Avobenzol und Titandioxid, die als sog. „Sunblocker“ dienen. Dies alles gilt übrigens auch für bewölkte Tage oder den Schatten. Hier gibt es stets Streulicht von reflektierenden Flächen bzw. durchdringt UV-Strahlung die Wolken. Ein Sonnenschirm ist also nicht unbedingt das beste Mittel gegen den Sonnenbrand, sofern er an einer reflektierenden Fensterfront oder Wand steht! Auch Fensterglas schützt nicht vor der UVA-Strahlung, allerdings gegen UVB!

Lesetipps:

.) Dermatologie; Hrsg.: Ingrid Moll; Georg Thieme Verlag 2010

.) Dermatologie – Lehrbuch und Atlas; G. Rassner; Urban & Fischer Verlag 2009

.) Duale Reihe Dermatologie; Ingrid Moll; Georg Thieme Verlag 2010

.) Hautkrankheiten – Symptome, Therapie, Beratung; Y. Adler; Wissen-schaftliche Verlagsgesellschaft mbH 2012

.) Kosmetische Dermatologie; Wolf-Ingo Worret/Wolfgang Gehring; Springer 2004

Links:

– www.bmu.de

– www.bvdd.de

– www.bfs.de

– www.bzga.de

– www.stmgp.bayern.de

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