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CO2-Fussabdruck – verdammt grosse Schuhe!

Ich kann es nicht verhehlen: Ich bin entsetzt! Ehrlich entsetzt! Bislang – so dachte ich – führte ich mein Leben anhand einer hohen Umweltverträg-lichkeit nachhaltig. Klimaneutral sozusagen. Nun stolperte ich über den WWF-Rechner zur Bestimmung meines CO2-Fußabdruckes.

†https://www.wwf.de/themen-projekte/klima-energie/wwf-klimarechner

†††Das Ergebnis: 8,74 Tonnen CO2 pro Jahr. Damit liege ich zwar unter dem deutschen Durchschnitt von 12,74 Tonnen – dennoch ist es zu viel. Der wohl grösste Brocken dabei ist die tägliche Fahrt zur Arbeit. Die Öffis brauchen mit mehrfachem Umsteigen nahezu doppelt so lange, zudem lehne ich es ab, verschwitzt in einen übervollen Bus einzusteigen. Einiges wett mache ich allerdings durch meine Essgewohnheiten: Fleisch etwa nur am Wochen-ende. Das deutsche Umweltbundesamt geht für die Zukunft von einer Tonne pro Jahr und Person aus! Ich muss also an mir arbeiten!
Das sollte sich übrigens jeder vornehmen. Den Beginn macht sicherlich ein solcher Test über den persönlichen CO2-Fussabdruck. Dieser, auf englisch „Carbon Foodprint“, beziffert die Menge an Kohlendioxid-Emissionen, die ein Mensch im Laufe einer Woche, eines Monats oder eines Jahres verursacht. Ein kleiner Fußabdruck wäre empfehlenswert, da nicht nur die Industrie und die falsche Umweltpolitik einer Regierung für derartige Emissionen verantwortlich zeichnet. Nein – es beginnt bereits bei jedem Einzelnen! Im Laufe dieser heutigen Zeilen möchte ich deshalb versuchen, Wissenswertes und einige Anstösse zu vermitteln, wie ein solcher Fussabdruck möglichst klein gehalten werden kann.
Entwickelt haben die Berechnungen die beiden Wissenschaftler Wacker-nagel und Rees anno 1994. Der CO2-Fussabdruck setzt sich aus einer ganzen Menge an Komponenten zusammen: Essgewohnheiten, Heizbe-darf, Konsumverhalten, Stromverbrauch und Transport – um nur einige in alphabetischer Reihenfolge zu nennen.


.) Essgewohnheiten
Die westliche Gesellschaft weist einen viel zu hohen Fleischkonsum auf. Nicht nur die Massentierhaltung, sondern auch die Kühlung des Fleisches sorgt für horrende Emissionen. Weniger Fleisch oder Wurst in der Woche tut übrigens auch der Gesundheit gut. Das wissen v.a. die Diabetes- und Gichtpatienten. Zudem werden die Wasserreserven dadurch geschont – für ein Kilogramm Rindfleisch muss schon mal mit 15.415 Liter Wasser (in der Aufzucht der Tiere) gerechnet werden, bei Schweinefleisch sind es 5.988, bei Geflügel 4.325 Liter.
Regional ist zwar gut – saisonal-regional jedoch umso besser. Saisonales Obst und Gemüse erspart die Kühlung. Erdbeeren oder grüner Blattsalat zu Weihnachten? So kann ein heimischer Apfel im Winter einen schlechteren CO2-Fussabdruck aufweisen, als sein importierter Kollege aus Chile, der tausende Kilometer Transportweg hinter sich hat.
Leitungswasser ist besser als Mineralwasser aus der PET-Flasche. Nicht nur, da die unzähligen Transport-Kilometer wegfallen – Leitungswasser muss nicht abgepackt werden und ist zumeist überall verfügbar.


.) Heizbedarf
Im Winter dermaßen einzuheizen, daß im Wohnzimmer im T-Shirt Fern-sehen geschaut werden kann, ist einfach nur dumm. Die Raumtemperatur tagsüber um 1-2 Grad und am Abend stark gesenkt, spürt nicht nur die Geldtasche, sondern auch das Klima. Zudem sollten nachhaltige Heiz-stoffe wie Holz, Hackschnitzel oder Pellets bzw. Wärmepumpen ver-wendet werden, da die Emissionen von fossilen Brennstoffen (Kohle, Öl, Gas) eigentlich nichts in unserer Atmosphäre zu suchen haben und somit nicht kompensiert werden können.


.) Konsumverhalten
Ist es wirklich notwendig, stets up-to-date zu sein? Produkte, die noch funktionieren, gehören nicht in den Müll. Gilt auch für die Bekleidung. Ist der jährliche Garderobenwechsel wirklich vonnöten? Seit Jahren lassen auch Markenhersteller durch Billigstarbeiterinnen produzieren. Somit wäre alsdann den Niedrigstlöhnern geholfen, wenn nicht dermaßen viel eingekauft werden würde.
Zudem werden beispielsweise für die Produktion nur einer Jeans rund 120 Liter Wasser benötigt! Grosse Teile des Baumwoll-Bedarfs kommen aus Indien – hier wird für die Herstellung von nur einem Kilogramm Baumwolle 23.000 l Wasser verbraucht. Wiederverwenden ist somit das grosse Schlagwort!


.) Stromverbrauch
Der Strom muss produziert werden. Deshalb ist die E-Mobilität nicht wirklich die beste Lösung für das Klima. Photovoltaik-Anlagen funktionieren nur bei Licht, Windräder nur bei Wind. Bei Pumpspeicher-kraftwerken wird zwar die Wasserkraft als vermeintlich umweltfreund-liches Produktionsmittel verwendet, dennoch muss das Wasser wieder in den Stausee hinaufgepumpt werden. Eine Studie aus dem Jahr 2018 ergab, dass eine einzige Suchanfrage bei Google 0,0003 Kilowatt Strom verbraucht. Im Schnitt könnte jeder Google-Nutzer monatlich eine 60 Watt-Glühbirne für drei Stunden zum Leuchten bringen. Es ist ja nicht nur die Rechenleistung des eigenen PCs oder noch schlimmer Smartphones. An allen internetbezogenen Aktivitäten hängt eine ganze Armada von Rechenzentren und Grossrechnern (und Mobilfunkstationen).
Zudem: Frisch besorgt und angerichtet ist alle mal besser als gekauft und eingefroren. Die Gefriertruhe erweist sich in vielen Fällen als wahrer Stromfresser!


.) Transport
Das österreichische Bundesland Tirol kann ein Lied davon singen: Millionen LKW jedes Jahr auf der Inntal- und Brennerautobahn. Da kommt es schon mal vor, dass die italienische Milch zur Abpackung nach Deutschland gefahren, dann wieder nach Italien retour verfrachtet und für den Verkauf erneut nach Deutschland geführt wird. Eine Flasche hoch-preisiger Chardonnay aus Kalifornien/USA nach London verfrachtet kostet 24 Eurocent – im Flexitank gar nur die Hälfte. Ein solcher Flexitank fasst bis zu 24.000 l – die Flaschenabfüllung erfolgt dann am Bestimmungsort. Alleine Hapag Lloyd verschifft auf diese Art rund 288 Mio Liter Wein aus der ganzen Welt pro Jahr (Zahlen: www.hapag-lloyd.com/de). Riesige Containerschiffe machen es möglich. Schmeckt dieser wirklich besser als der deutsche oder österreichische? Güter, die weniger transportiert und v.a. geflogen werden müssen, sind eine Wohltat für die Umwelt. Perver-sionen gehören eingestellt: Landwirtschaftliche Produkte, die angeblich nicht verkaufbar sind, weil die Gurke zu krumm oder die Zwiebel zu klein ist, werden wieder in den Acker eingepflügt. Dafür ordern viele Heim- oder Grosskantinen ihre Lebensmittel von Firmen, die hunderte Kilometer weit entfernt sind!
Auch die tägliche Autofahrt zum Einkaufen ist nicht notwendig. Wer gut plant, kommt mit einem Wocheneinkauf durchaus zurecht. Oder: Man fährt noch kurz nach der Arbeit im Supermarkt vorbei, da der ohnedies auf der Strecke liegt.


In dieser Auflistung habe ich eines ganz absichtlich außer acht gelassen: Die Urlaubsreise! Der Urlaub ist für jeden Einzelnen unter uns die wohl schönste Zeit des Jahres. Dafür gibt es auch traumhafte Urlaubs-destinationen. Einziger Nachteil: Die meisten davon müssen angeflogen werden. So verursacht beispielsweise der Hin- und Rückflug von Frankfurt nach Bangkok über die rund 17.922 km nicht weniger als 1,56 to CO2 – für jede einzelne Person! Von Frankfurt/Main bis nach Lignano sind es 895,5 Kilometer. Ein Diesel-PKW, Baujahr 2017, verbraucht im Schnitt 7 Liter auf 100 km (ich weiss: Auf der Autobahn sind es aufgrund der höheren Geschwindigkeit wesentlich mehr!). Hin und retour produzieren Sie 0,494 to CO2 – ebenfalls pro Person. Gerade beim Urlaub kann sehr viel Ausstoss vermieden werden. Und mal ganz ehrlich: Was nutzt es mir, wenn ich die kleine Jazz-Kneipe in New Orleans kenne, dafür aber nicht weiss, was sich innerhalb eines Radius von 20 km rund um mein Zuhause abspielt?

Ich habe es kurz angesprochen: Die E-Mobilität ist nicht wirklich das Gelbe vom Ei! Diese Fahrzeuge sind in der Produktion wahre Umwelt-sünder. Daneben ist der Anteil fossiler Brennstoffe bei der Stromer-zeugung noch zu hoch. Deshalb sorgt erst eine hohe Kilometerleistung für die gewünschten Vorteile. Besser wäre die Brennstoffzelle. Wenn aus dem Auspuff Wasser tropft, könnte das zudem unseren Boden kühlen und kleine Klima-Biotope schaffen, in welchen es mehr regnet und kühlere Temperaturen bestehen. Doch ist auch die Herstellung von Wasserstoff sehr teuer und zudem werden alsdann damit Elektromotoren angetrieben.
Die Politik hat lange Zeit zugesehen und Forschungsprojekte nur sehr zögerlich subventioniert, wenn sie nichts mit fossilen Treibstoffen zu tun hatten. Jetzt straft sie. Alle! Manche können zwar Teile der CO2-Steuer wieder zurückholen, dennoch ist es eine zusätzliche Steuer, die gerade die Klein- und Kleinstverdiener, Alleinstehende und Mindestrentner hart trifft und noch schlimmer treffen wird, da die CO2-Steuer mit der Zeit ansteigen wird. Wäre es da nicht viel sinnvoller gewesen, peu à peu Massnahmen zur Energiewende in Angriff zu nehmen? Es hätte in all den Jahren bis heute so viel bringen können. Andere Staaten haben dies gemacht und stehen jetzt wesentlich besser als Deutschland oder Österreich da! Wieso etwa wurden Wasserstoffzüge durch die DB (mit Siemens) und die ÖBB (mit Alstom) erst vor kurzem getestet? Nach den ersten 100.000 Kilometer herrschte bei den Testern grosse Begeisterung! Während die Deutsche Bahn derzeit das DB-Regio-Werk Ulm für die Wasserstoffzüge umrüstet (H2goesRail), war bei den ÖBB vor gar nicht allzu langer Zeit zu lesen, dass es zu wenig sauberen Wasserstoff gebe, da er noch grossteils mittels Erdgas produziert werde.
Wieso gibt es immer weniger Einheimischen-Tarife, dafür übernachten Bus-Touristen und Pauschalreisende fast zum Nulltarif?
Bei diesem heutigen Blog habe ich absichtlich Unternehmen außen vor gelassen, da es mir darum ging, die Meinung und Einstellung eines jeden Einzelnen zur Klimaproblematik hoffentlich positiv zu verändern. Alles andere würde wohl den Platz und das Thema sprengen. Eines sei erwähnt, dass bereits viele Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen einen „Product Carbon Foodprint“ (PCF) erstellen lassen um damit die CO2-Emissionen entlang der kompletten Wertschöpfungskette analysieren zu können. Ein sehr wertvoller Beitrag, den auch jeder Konsument in seine Kaufentscheidung einfliessen lassen sollte. Doch das ist wieder ein ganz anderes Thema.

Lesetipps:

.) Vier fürs Klima: Wie unsere Familie versucht, CO2-neutral zu leben; Petra Pinzler/Günther Wessel; Droemer HC 2018
.) Und jetzt retten wir die Welt: Wie du die Veränderung wirst, die due dir wünscht; Marek Rohde/Ilona Koglin; Franckh Kosmos Verlag 2016
.) Nachhaltig leben: Bewusst kaufen, sinnvoll nutzen. Alternativen zum Wegwerfen; Susanne Wolf; Verein für Konsumenteninformation VKI 2013
.) Foodprint: Die Welt neu vermessen; Mathis Wackernagel/Bert Revers; CEP Europäische Verlagsgsanstalt 2016
.) Das Weltretter-Workout: In 6 Wochen zum Weltretter; Philipp Appenzeller; rap verlag 2015
.) Dein Weg zur Nachhaltigkeit: 350 praktische Tipps für den Alltag; Florian Schreckenbach/Leena Volland; Books on Demand 2016
.( Der Ökologische Fußabdruck: Fachliche Grundlagen und didaktisch methodische Potenziale; Johannes Schulz; GRIN Verlag 2010

Links:

www.mein-fussabdruck.at
www.co2.rechner.at
uba.co2-rechner.de
www.fussabdruck.de
applications.icao.int/icec
www.bmuv.de
www.umweltbundesamt.de
www.bafu.admin.ch
www.carbonfootprint.com
www.klimaschutz-portal.aero
www.wri.org
www.oeko.de
co2.myclimate.org
www.climatepartner.com/de
www.wwf.de
wfd.de
www.greenpeace.de
reset.org
nachhaltigkeit.deutschebahn.com

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Die Volksvertreter – Gleiche unter Gleichen

†Das Wort „Politiker“ entstammt eigentlich dem Griechischen „politikós“, wurde aber auch von den Römern unter „politicus“ verwendet und bedeutet nach den Ausführungen des Dudens „Staatsmann“. Bei Wiki-pedia wird ein „Politiker“ definiert als „…eine Person bezeichnet, die ein politisches Amt oder Mandat innehat oder in sonstiger Weise politisch wirkt.“ Das jedoch ist sehr allgemein gehalten. Eine wesentlich detaillierte Definition listet das „Politiklexikon“ (Klaus Schubert/Martina Klein, Dietz 2020) auf. Demgemäss ist ein Politiker

  • eine Person, die sich der Staatskunst widmet, also jenem Bereich, der „das Öffentliche bzw. das, was alle Bürgerinnen und Bürger betrifft und verpflichtet“
  • eine Person, die in jenem Bereich tätig ist, der „die aktive Teilnahme an der Gestaltung und Regelung menschlicher Gemeinwesen“ zuzuordnen ist
  • eine Person, die im modernen Staatswesen ein aktives Handeln ausübt, „das a) auf die Beeinflussung staatlicher b) den Erwerb von Führungs-positionen und c) die Ausübung von Regierungsverantwortung zielt“

Nicht bezeichnet wird hierbei der Politiker als „gewählter Volksvertreter“, weshalb auch solche Menschen Politiker sein können, die durch etwa einen Putsch an die Macht gekommen sind. Politiker als gewählte Volks-vertreter haben vielmehr mit der Staatsform der Demokratie zu tun. Diese Menschen sind dem Souverän, also dem Volk, verpflichtet und handeln nach einer Verfassung.

Im heutigen Blog möchte ich deshalb auf drei Prachtexemplare zu sprechen kommen, die durch eine vermeintliche Wahl an die Macht gekommen sind, sich jedoch nicht ihrem Volk verantwortlich fühlen und die Verfassung nach ihren Vorstellungen auslegen bzw. verändern. Drei Autokraten also, die Ihresgleichen suchen.

CHINA – Xi Jinping

Am 15. Juni 1953 in Peking geboren, ist Xi seit 2012 Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas, Vorsitzender der Zentralen Militär-kommission (ZMK) und seit 2013 Staatspräsident der Volksrepublik China. Dort war die Amtszeit bislang auf zwei Amtsperioden beschränkt. Bereits 2018 liess er jedoch die Amtszeitbeschränkung aufheben. Am 10. März 2023 entschied der Nationale Volkskongress Chinas, dass er auch eine dritte Amtsperiode absolvieren darf – eine logische Entscheidung, die jeder erwartet hatte und nur eine Legitimation darstellte. Er könnte also theoretisch bis zu seinem Ableben diese Position bekleiden. Ob die Entscheidung des Volkskongresses nun tatsächlich aus freien Stücken oder unter Druck stattfand, möchte ich heute wie auch in den anderen beiden Fällen offenlassen. Xi gilt in dem Milliarden-Staat als „Über-ragender Führer“ – ausgestattet mit einer Machtfülle, die möglicherweise zuletzt Mao Zedong inne hatte. Der Diktator gründete 1921 die Kommunistische Partei Chinas und führte das Land in den Bürgerkrieg und die Kulturrevolution. Seine Mittel – wie in jeder Diktatur: Gewalt, Rechtlosigkeit und Terror. Dass dies auch nach Mao in China zum Machtapparat der Kommunsitischen Partei gehört, zeigte das Tian’amen-Massaker am 3. und 4. Juni 1989 auf, bei dem eine Protestbewegung auf dem gleichnamigen Platz („Platz des Himmlischen Friedens“) durch das Militär blutig niedergeschlagen wurde. 2.600 Menschen kamen dabei ums Leben, 7.000 weitere wurden verletzt. Die Reformen („Reformen und Öffnung“), die Deng Xiaoping 1986 eingeleitet hatte, wurden fallen-gelassen. Vor diesem Hintergrund agiert die chinesische Opposition nurmehr sehr zurückhaltend, Regime- und Systemkritiker werden immer wieder weggesperrt oder verschwinden sang- und klanglos. Prominentester unter diesen ist Ai Weiwei.

Xi hat das Land in seiner Entwicklung wieder um Jahrzehnte zurück-versetzt. Die Reformen und Öffnungsversuche seiner Vorgänger wurden gestoppt und rückgängig gemacht. Mit seinem „Plan zur patriotischen Erziehung“ wird bereits die Jugend auf die von ihm angestrebte nationalistisch/sozialistische Schiene gebracht. Unter dem Deckmantel der „Antikorruptionskampagne“ wurden in den Jahren 2012 bis 2016 mehr als 1 Mio Mitglieder der Kommunistischen Partei Chinas durch-leuchtet. 187.000 wurden vorübergehend festgenommen, in 91.900 Fällen ein Strafverfahren eröffnet. Nach wie vor sind sich viele Experten einig: Es wurden dadurch auch Kritiker Xis aus der Welt geschafft, etwa die innerparteilichen Widersacher Zhou Yongkang und Sun Zhengcai. Loyale Mitarbeiter Xis wurden übrigens nicht gescannt.

Xis Lebensprojekt ist die Neue Seidenstrasse – die wirtschaftliche Komplettabhängigkeit Europas von China. Man musste kein Hellseher sein um vorauszusehen, dass Xi auf seinem Posten verharren wird, bis er diesen Plan auch tatsächlich umgesetzt hat. Doch kam dann Corona! Der Westen musste erkennen, dass er bereits besorgniserregend von China abhängig ist und viele Wirtschaftsbereiche in Europa schon durch chinesische Unternehmen oder chinesische Übernahmen heimischer Unternehmen dirigiert werden. Problematisch ist dies vor allem bei der Infrastruktur (Wasser, Energie, Transport, Medizin), aber auch in der Forschung und Wissenschaft. In China etwa ist eine Beteiligung aus-ländischer Unternehmen in diesen Themenkreisen inzwischen verboten. Auch wenn sich Xi bislang aus dem russischen Angriffskrieg heraus-gehalten hat, wäre es durchaus denkbar, dass er die Gunst der Stunde nutzt um das „Taiwan-Problem“.zu lösen.

Xi studierte übrigens Chemieingenieurswesen, marxistische Philosophie und ideologische Bildungsarbeit. Seine Doktorarbeit widmete er der „revolutionären Geschichte“. Wäre es vielleicht besser gewesen, wenn er bei der Chemie geblieben wäre?

RUSSLAND – Wladimir Wladimirowitsch Putin

Geboren am 07. Oktober 1952 in Leningrad führt Putin ganz offiziell seit dem 31. Dezember 1999 die Amtsgeschäfte Russlands. Nach zwei Amtsperioden wechselte er 2008 auf den Posten des Ministerpräsidenten. Bis 2012 wurde er als Staatspräsident durch den ehemaligen Aufsichts-ratsvorsitzenden von Gazprom, Dmitri Medwedew, vertreten. Ganz offen-sichtlich handelte es sich dabei um einen Statthalter, da dieser bei wichtigen Entscheidungen stets die Meinung seines Mentors einholen musste. Der erste Staatschef Russlands, Boris Jelzin, ernannte am 9. August 1999 seinen Wunschkandidaten Putin zum Ministerpräsidenten. Jelzin legte am 31. Dezember 1999 sein Amt nieder, Putin übernahm dessen Amtsgeschäfte verfassungsmässig und leistete am 07. Mai 2000 den Amtseid als Staatspräsident. In seiner späteren Zeit als Minister-präsident wurde die Legislaturperiode des Staatspräsidenten von vier auf sechs Jahre verlängert. 2021 liess sich Putin faktisch zum Präsidenten auf Lebzeiten bestellen. Dadurch wurde das Verfassungsgesetz, das die Amtszeit des Staatspräsidenten beschränkte, ausgesetzt. Schliesslich hätte seine vierte Amtszeit 2024 geendet – durch dieses Ende März 2021 durch die Duma abgesegnete Gesetz kann er sich jedoch auch weiterhin der Wahl stellen, wodurch ihm diese Position bis 2036 erhalten bleibt. Und daran lässt er auch keinerlei Zweifel, wie die letzten Jahre bewiesen haben.

„Dieser Mann trägt die Demokratie nicht in seinem Herzen.“

(Bill Clinton über Wladimir Putin zu Boris Jelzin)†

Politikwissenschafter sehen die Entwicklung Russlands als eine „frei-heitsfeindliche“ und „pseudodemokratische“. Dabei fallen bei vielen auch die Worte „autoritär“, „despotisch“ und „diktatorisch“ bzw. seit dem Einmarsch in die Ukraine zudem „faschistisch“ (etwa im Gastkommentar von Wladislaw Inosemzew am 10. März 2022 in der NZZ). Direkt nach seiner ersten Wahl begann Putin die förderale Gliederung Russlands immer mehr zu zentralisieren. Gegen separatistische Bestrebungen (wie etwa in Tschetschenien) wurde mit Waffengewalt vorgegangen. Bei den mächtigen Finanz- und Wirtschaftsbossen im Land, den Oligarchen, begann er einen Kahlschlag (etwa Wladimir Gussinski und Michail Chodorkowski), und besetzte ihre Posten mit ihm loyalen Mitstreitern. Putin war u.a. vom 25. Juli 1998 bis zum August 1999 Direktor des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB. Vermutet wird, dass er durch diesen alsdann viele seiner politischen Gegner ausser Kraft setzen liess. Dabei wurde auch vor Ermordungen und Attentaten nicht zurück-geschreckt. So titelte bereits am 16. April 2008 die staatliche Nach-richtenagentur RIA Novosti: „Plant Putin grosse Säuberungsaktion in Kreml-Partei?“

Beobachter konnten bei der 2. Wahl Putins zwar keine Unregel-mässigkeiten feststellen, kritisierten jedoch die massive Wahlwerbung und einseitige Berichterstattung in den grossteils staatlich kontrollierten Medien – auch dem übernommenen Medienimperium Gussinskis. Daran änderte sich bis heute nichts – unabhängige Medien wurden inzwischen mundtod gemacht oder geschlossen. Im Vorfeld anderer Wahlen kam es immer wieder zu Verhaftungen von politischen Gegnern, vielfach wurden Parteien nicht zugelassen oder Schein-Parteien aufgestellt, deren Führungspositionen durch Putingetreue besetzt wurden (etwa Xenjia Sobtschak).

Der letzte Präsident der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, kritisierte im März 2009, dass Putins Partei „Einiges Russland“ aus „Bürokraten und der schlimmsten Version der KpdSU“ bestehe. Zudem meinte er 2011:

„Zwei Amtszeiten als Präsident, eine Amtszeit als Regierungschef – das sind im Grunde drei Amtszeiten, das reicht nun wirklich!“

So klar bezog der Friedensnobelpreisträger danach nie mehr wieder Stellung. Seine weiteren Kommentare waren stark abgeschwächt!

Die Wahlen in der Duma zu Putins 3. Amtszeit als Staatspräsident (nach Vorschlag seines Statthalters Medwedew) werden von Kritikern als „mut-masslich gefälscht“ bezeichnet. Es kam zu vielen Massenprotesten auf den Strassen, was Putin veranlasste, das Regime noch strenger zu führen. Auch im Vorfeld der nächsten Wahlen 2018 gab es viele Proteste. Putin versprach das Blaue vom Himmel, Beobachter stellten in rund 3.000 Fällen Wahlmanipulationen fest.

Aussenpolitisch liess er oftmals russische Truppen in ehemalige, jetzt autonome Sowjetrepubliken einmarschieren. Offizielle Begründung: Friedensstiftung! Doch war Moskau nicht selten im Vorfeld an den Unruhen beteiligt. Nach der NATO-Osterweiterung präsentierte sich der Russe mit dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder und lobte die guten Beziehungen seines Landes zur NATO. Daneben gab es inzwischen nachgewiesene Geldflüsse aus Moskau an zahlreiche rechtspopulistische Parteien in Europa. Hier gehen die Meinungen auseinander: Sollten sie an die Regierung kommen oder nur für Unruhe sorgen, wie es auch der Historiker Timothy Snyder schon 2015 betont hat?!

„Wir sind natürlich am Anfang des Aufbaus einer demokratischen Gesellschaft und einer Marktwirtschaft. Auf diesem Wege haben wir viele Hürden und Hindernisse zu überwinden. Aber abgesehen von den objektiven Problemen und trotz mancher – ganz aufrichtig und ehrlich gesagt – Ungeschicktheit schlägt unter allem das starke und lebendige Herz Russlands, welches für eine vollwertige Zusammenarbeit und Partnerschaft geöffnet ist.“

(Wortprotokoll der Rede Putins im Dt. Bundestag)

Putin studierte Rechtswissenschaften an der Universität Leningrad. Zwischen 1975 und 1982 war er für den KGB in der Auslandsspionage tätig. 1984/85 absolvierte er die KGB-Hochschule in Moskau. Ab 1985 war er u.a. für die Personalgewinnung in der DDR zuständig und musste am 5. Dezember 1989 zusehen, als Demonstranten die MfS-Bezirks-verwaltung (STASI) in Dresden stürmten.

Durch den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) vom 17. März wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen gilt die Immunität Putins bei den 123 Unterzeichnerstaaten des IStGH-Statuts als aufge-hoben – sie wären zu einer Festnahme verpflichtet.

TÜRKEI – Recep Tayyip Erdoğan

Der am 26. Februar 1954 in Istanbul geborene Recep Tayyip Erdoğan steht der Türkei als Staatspräsident seit dem 18. August 2014 vor und ist der insgesamt 12. Präsident jener Republik, die am 29. Oktober 1923 durch Mustafa Kemal Atatürk gegründet wurde und im März darauf zur Gänze das osmanische Kalifat ersetzte. Dieser Bezug zum Gründer der Türkei ist immens wichtig für die Betrachtung der Regierung Erdoğans. Seine Biografie liest sich sehr abwechslungereich. So war er von 1994-1998 Oberbürgermeister Istanbuls. Im Jahr 1999 verbüsste er vier Monate in Haft („Aufstachelung der Bevölkerung zu Hass und Feindschaft unter Hinweis auf Unterschiede der Religion und Rasse). 2001 übernahm er den Vorsitz der „Adalet ve Kalkinma“-Partei, der AKP, den er bis 2014 inne hatte und seit 2017 wieder inne hat, obgleich dies bis zu diesem Zeitpunkt als Staatspräsident verfassungsmässig nicht vereinbar war – erst durch die Verfassungsänderung wieder ermöglicht wurde. In den Jahren von 2003 bis 2014 wirkte er als Ministerpräsident der Türkei, danach als Staatspräsident. 2017 erfolgte ein Verfassungsreferendum und im Juli 2018 die Einführung des Präsidialsystems, in welchem ein Präsident Staatschef, Regierungschef und Oberbefehlshaber des Militärs in einer Person ist. Die Amtsperiode des Präsidenten ist im Art. 101 der Verfassung der Türkei nierdergeschrieben. In der ursprünglichen Version von 1961 stand zu lesen:

„Niemand darf zweimal zum Präsidenten der Republik gewählt werden.“

Dieser Artikel jedoch wurde insofern zweimal geändert:

.) 31. Mai 2007 – „Die Amtszeit des Präsidenten der Republik beträgt fünf Jahre. Eine Person darf nicht mehr als zwei Mal zum Präsidenten der Republik gewählt werden.“

.) 16. April 2017 – „Die Amtszeit des Präsidenten der Republik beträgt fünf Jahre. Eine Person darf höchstens zwei Mal zum Präsidenten der Republik gewählt werden.“

Eigentlich ident und eine eindeutige Sache! 2024 finden erneut Präsidentenwahlen statt – der Kandidat der AKP lautet: Recep Tayyip Erdoğan. Wie das? Die Regierung ist der Meinung, dass die vorher-gegangenen Amtszeiten nicht eingerechnet werden dürfen. Es wäre möglicherweise in seiner Funktion als Regierungschef (Ministerpräsident) noch halbwegs verständlich. Das beträfe dann den Zeitraum von 2003 bis 2014 – also 11 Jahre. Doch bleiben die beiden Perioden als Staats-präsident von 2014 bis 2024! Auch wenn 2017 ein Verfassungs-referendum stattfand, so betraf eine Änderung nicht den Inhalt dieses entsprechenden Artikels!

Somit sitzt also Erdoğan seit praktisch 2003 an den Hebeln der Macht, da die beiden Staatspräsidenten Ahmet Necdet Sezer (2000-2007) und v.a. Abdullah Gül (2007-2014) als Stellvertreter Erdoğans nicht wirklich viel zu sagen hatten. Und er wird noch weiterhin die Geschicke des Landes lenken, da auch er v.a. nach dem versuchten Putsch die Zügel straff anzog und aus einer von Atatürk angestrebten Demokratie erneut eine Autokratie formte. Dies bemängeln alsdann viele Kritiker: Zu Beginn agierte er liberalisierend um immer mehr autoritär zu werden. Führte Erdoğan zu Beginn zahlreiche Reformen durch (etwa die Abschaffung der Todesstrafe, die Erweiterung der Meinungsfreiheit und eine Verbesserung der Lage der Kurden in der Türkei, sowie eine „Kontinuität beim Europakurs“), so wurden all diese Massnahmen in den Jahren danach wieder fallengelassen bis hin zum Krieg gegen die Kurden auch im Hoheitsgebiet der Nachbarstaaten Syrien und Irak.

Mit Ausnahme seiner ersten Wahl gewannen Erdoğan und seine AKP die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen nicht mit einer überwältigenden Mehrheit wie seine Amtskollegen in China oder Russland. Sie erreichten jeweils nicht mal 50 %, was jedoch für eine Mehrheit reichte. Auch beim Verfassungsreferendum 2017 wurden offiziell nur 51,41 % erreicht. Allerdings sprach die Opposition von Wahlbetrug, da nicht-offizielle Stimmzettel und Umschläge für gültig erklärt wurden. Bei den letzten Präsidentenwahlen erhielt Erdoğan nur 52,6 % der abgegebenen Stimmen.

Dazwischen aber lag der Putschversuch von Teilen des Militärs am 15. Juli 2016. Über das Land wurde der Ausnahmezustand verhängt, der erst drei Monate nach dem Verfassungsreferendum vom 16. April 2017 endete. Er verlieh dem Staatspräsidenten und der Regierung unter Ministerpräsident Yildirim weitestgehende Vollmachten, die zudem zur Ausschaltung der politischen Gegner genutzt wurden. Währenddessen wurden über 81.000 Menschen aus dem Staatsdienst entlassen, 11 Abgeordnete und 1.400 Funktionäre der Opposition inhaftiert. Nach wie vor sitzen tausende Verdächtige ohne Urteil in den Gefängnissen, darunter auch durchaus hohe politische, juristische und militärische Vertreter. Die vorgezogenen Wahlen am 24. Juni 2018 waren mit dem Bündnispartner, der rechtsextremen und ultranationalistischen „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (MHP) abgesprochen.

Atatürk versuchte damals, Staat und Religion zu trennen. Erdoğan lässt sie wieder zusammenfliessen und führt zudem vermehrt nationalistische Bezüge her. Boris Kálnoky titelte am 25. Januar 2010 ein Interview mit Gareth Jenkins in der Zeitung „Die Welt“ mit „Erdogan kehrt zurück zu muslimischen Instinkten“.

Viele Posten wurden durch Familienmitgliedern oder engen Freunden besetzt. Ab 2018 begann eine Wirtschafts- und Finanzkrise, die heute noch anhält. Die Inflation ist durch Korruption und Missmanagement auf hohem Stand stehen geblieben, obgleich immer wieder wichtige Positionen neu besetzt wurden. Auch die Presse- und Meinungsfreiheit wurde sehr rasch eingeschränkt. So lag die Türkei bereits 2010 auf dem 138. Platz (von 176), und belegt heute den 149. Platz (von 180) in der Rangliste der Pressefreiheit. Auch die Beitrittsverhandlungen zur EU kamen immer mehr ins Stocken, 2020 bezeichnete er die europäischen Staats- und Regierungschefs gar als Faschisten. Die Beziehung zu Russland verschlechterte sich zusehends vornehmlich aufgrund des Syrien-Krieges bis zum Tiefststand, dem Abschuss eines russischen Kampfbombers durch die Türkei. Seither verbessert sich die Achse Ankara-Moskau zusehends.

Erdoğan schloss seine Schulausbildung übrigens mit einem Fachabitur/ -matura für Imame ab. Danach studierte er am „İstanbul İktisadi ve Ticari İlimler Akademisi“, dessen Abschluss mittels Diplom 1981 jedoch seit 2016 in Zweifel gezogen wird.

Einer Wiederwahl Erdoğans sollte also auch 2024 nichts im Wege stehen, obwohl er dabei auf die Stimmen der Auslandstürken angewiesen ist!

Drei Politiker, die durch mehr oder weniger demokratische Wahlen an die Macht kamen um danach die Demokratie systematisch auszuschalten!


Filmtipps:

.) Chinas Staatspräsident zwischen Autokratie und Winnie Puuh – Wer ist Xi Jinping?; ZDF-Doku 2022

.) Die neue Welt des Xi Jinping; Sophie Lepault/Arnaud Xainte; 2021

.) Putins Wahrheit: Die fünf Irrtümer des Westens; ZDF-Doku 2024

.) Ein Palast für Putin; Produktion und Regie: Alexei Nawalny; 2021

.) Putin – Die Rückkehr des russischen Bären; Produktion & Regie: Frédéric Tonolli; 2021

.) Reis; Regie: Hüdaverdi Yavuz; 2016


Lesetipps:

.) Politiklexikon; Klaus Schubert/Martina Klein; Dietz 2020

.) Xi Jinping – der mächtigste Mann der Welt; Stefan Aust/Adrian Geiges; Piper 2021

.) Inside the Mind of Xi Jinping; François Bougon; Hurst & Company 2018

.) The Third Revolution: Xi Jinping and the New Chinese State; Elizabeth C. Economy; Oxford University Press 2018

.) Chinese Politics in the Era of Xi Jinping. Renaissance, Reform, or Retrogression?; Willy Wo-Lap Lam; Routledge 2015

.) Xi Jingpin – Political Career, Governance, and Leadership, 1953–2018; Alfred L. Chan; Oxford University Press 2022

.) Schwarzbuch Putin; Hrsg.: Galia Ackermann/Stéphane Courtois; Piper 2023

.) Der Weg in die Unfreiheit: Russland, Europa, Amerika; Timothy Snyder; Beck 2018

.) In Putins Kopf: Logik und Willkür eines Autokraten; Michel Eltchaninoff; Tropen Sachbuch 2022

.) Das System Putin: gelenkte Demokratie und politische Justiz in Russland; Margareta Mommsen/Angelika Nussberger; Verlag C.H. Beck 2007

.) Putins verdeckter Krieg – Wie Moskau den Westen destabilisiert; Boris Reitschuster; Econ 2016

.) The Rise of Putin and the Age of Fake news; Arkady Ostrovsky; New York 2016

.) Generation Erdogan. Die Türkei – ein zerrissenes Land im 21. Jahrhundert; Çiğdem Akyol; Kremayr & Scheriau 2015

.) The New Sultan: Erdogan and the Crisis of Modern Turkey; Soner Çağaptay; I. B. Tauris 2017

.) Nach dem Putsch: 16 Anmerkungen zur „neuen“ Türkei; Hrsg.: Ilker Ataç, Michael Fanizadeh, Volkan Ağar; Mandelbaum Verlag 2018

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The Cleaners – So viel Schmutz

†Im Jahre 2018 ist im Kino eine Doku angelaufen (inzwischen auch auf DVD bzw. in den Mediatheken ernst zu nehmender TV-Sender zu finden – dem WDR etwa), die durchaus empfehlenswert wäre, mal wieder die Pop-corntüte auszupacken – sofern dieses Ihnen nicht im Rachen stecken bleibt: „The Cleaners“ berichtet über jene mehr als 100.000 Menschen, die das Internet und v.a. die Social Media wie Facebook, Twitter und Instagram, aber auch die unzähligen Apps säubern. Doch nicht den Staub oder das Nicht-mehr-Gebrauchte mit dem üblichen Reinemachen, sondern vielmehr von Hass, Schmutz, Pornos, Pädophilie, Tierquälerei und vieles andere mehr. Eigentlich tragisch, dass eine derartige Kontrolle im WWW nötig ist, doch befinden sich viel mehr moralisch nicht mehr vertretbare Asoziale auf den Datenhighways rund um den Globus als man annehmen könnte. Idioten, deren Grosseltern sich sofort von Facebook abmelden würden, wenn sie die Bilder oder Videos ihrer eigenen Enkel sehen oder das lesen, was diese schreiben („Grandma-Problem“).

Bezahlt werden sie von den großen Platzhirschen der digitalen Welt – mit einem Minilohn von sage und schreibe rund 312,- US-Dollar/Monat. Deshalb agieren sie auch in Billiglohnländern wie den Philippinen. Doch kann dieser Gehalt, dieses wenige an Geld niemals das rechtfertigen, was sie tagtäglich zu sehen bekommen. Der kritische Punkt soll nach Aussage der Betroffenen irgendwann zwischen dem dritten und fünften Monat kommen. Deshalb macht diesen Job auch niemand sehr lange, außer er verliert jegliches Gefühl von Moral: Albträume, Phobien, Verfolgungswahn – posttraumatische Belastungsstörungen sind nur einige wenige der psychischen Konsequenzen, mit welchen diese Menschen leben müssen. Vergewaltigungen, Ermordungen, Folterungen, grauenvolle Unfälle – es ist der pure Wahnsinn, was von manchen Usern in’s Netz gestellt wird. Und die meisten sind sogar noch stolz darauf!!! Die sog. „Klick-Arbeiter“ (Formulierung aus einer Anhörung in Washington) entscheiden im Akkord, ob Videos, Bilder oder Texte zumutbar sind oder gelöscht werden müssen. Schliesslich ist die Macht des Internets nicht zu unter-schätzen. Der Arabische Frühling und damit der Sturz vieler Machthaber fand vornehmlich über die Social Medias wie YouTube, Twitter und Face-book statt. In Myanmar führten Fake-News und Hasspostings zu einem sehr blutigen Pogrom, in dem viele Menschen ihr Leben lassen mussten. Amokläufer stellen ihre Tat live ins Netz. US-Präsident Donald Trump twitterte täglich seine Entscheidungen – in Personalrochaden sogar noch bevor es der Entsprechende selbst weiss. Autokraten, wie auch der türkische Staatschef Erdogan oder der chinesische Staatschef Xi Jinping, blockieren immer wieder Plattformen. Die digitale Welt hat schon längst eine zweite Realität aufgebaut, in der niemand mehr wirklich zwischen Wahrheit und Unwahrheit unterscheiden kann.

Die sog. „Content-Moderatoren“ tragen das Ihre dazu bei, die Daten-Autobahnen von all dem Schmutz und Exkrementen der Gesellschaft zu säubern. Ein Zehn-Stunden-Job, der bis auf die Knochen geht. Und ja: Es ist ein wichtiger Job! Schliesslich soll Perversen nicht die Möglichkeit gegeben werden, Millionen nicht-perverser Menschen anzusprechen. Allerdings auch ein sehr umstrittener Job! Liegt doch nicht alles wirklich und eindeutig auf dem Tisch, damit man es wegwischen kann. Wird das Posting eines chinesischen Polit-Aktivisten gelöscht, so ist dies ganz eindeutig Meinungsbeeinflussung. Weisen etwa Umweltorganisationen mittels Schockvideos darauf hin, wie nahe unsere Erde wirklich am Abgrund steht, indem sie ölverschmierte See-Vögel, gequälte Tiere aus Tiertransportern oder Insekten im Todeskampf zeigen – wenn derartiges gelöscht wird, ist das Zensur. Niemand kann dann noch aufstehen und sagen: „Es reicht!“, da die Information hierzu fehlt. Einseitige Bericht-erstattung – ein Gräuel für jeden verantwortungsvollen Journalisten. Deshalb gehört es zur wichtigsten Aufgabe dieser Branche, zu entscheiden, wie etwas geschrieben bzw. weitergegeben wird, mutiert doch die einfache Information als Basis für die Meinungsbildung sehr rasch zur Meinungsbeeinflussung. Im schlimmsten Fall kann das Auf-decken so manchen Missstandes einem breiten Publikum nicht mehr nahe gebracht werden. Das war niemals im Interesse der Erfinder des Internets. So mancher dieser Content-Moderatoren hat schon nach kurzer Zeit verständlicherweise das Fingerspitzengefühl für diese Gratwanderung verloren. Und so kommt es immer wieder vor, dass hoch-gelobte Werke aus dem Bereich der darstellenden Kunst plötzlich nicht mehr auf Face-book und Co zu sehen sind, da primäre Geschlechtsteile darauf abge-bildet wurden. Die Welt wäre um viele grossartiger Kunstwerke auch von da Vinci, Renoir oder Picasso, über deren Stellenwert in der Kunst wohl nicht diskutiert werden muss, ärmer, hätten sie nicht auch die weibliche Brustwarze darstellen dürfen. In den Social Medias werden diese sofort gelöscht. Obwohl sie für uns alle als Säugling eine lebenswichtige Bedeutung hatte.

Wer entscheidet, wann beispielsweise die Satire das Spielfeld verlassen hat und nurmehr beleidigt? Auch der UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit in den Jahren 2014-2020, David Kaye, warnte vor einem solchen Szenario. Etwa (ganz aktuell) wenn Aufnahmen aus Kriegs-gebieten gelöscht werden, die nachweisen könnten, dass es zu Gräuel-taten gekommen ist, dass die abgestrittenen Luftschläge doch statt-fanden, dass verbotenes Giftgas eingesetzt wurde … Nur rund 3 % der Fälle werden von den Vorgesetzten der Minimallöhner entschieden.

Nicht, dass Sie mich nun falsch verstehen: Auch ich bin der Meinung, dass vieles keine Daseinsberechtigung als Bit oder Byte hat und weg sollte. Eine Frage der Ethik und Moral. Und genau über diese sehr wichtigen Werte entscheiden unterbezahlte, traumatisierte Menschen meist ohne Ausbildung. Na ja, höre ich da schon die ersten sagen: Eine Enthauptung oder eine Bombenexplosion mit Opfern, denen die Gliedmaßen abgerissen wurden, das kann wohl jeder erkennen und löschen. Versetzen Sie sich mal bitte in die Lage dieser bedauernswerter Reinemacher. Sie sitzen täglich zehn Stunden in einem Grossraumbüro und starren unentwegt auf den Monitor. Dabei sehen Sie das Grauen-vollste unserer Zivilisation. Zumeist schlimmer, als es die Traumfabrik Hollywood in ihren Horrorfilmen darstellen darf. Delete oder Ignore! Ehrlich? Ich würde bereits nach spätestens einer Stunde das Handtuch werfen und mich an den Schöffel-Werbespot halten: „Ich bin raus!“ Vor allem wenn der erste Kinderporno ansteht!

In der Doku ist u.a. ein Mann zu sehen, der meint, dass er über 100 Enthauptungen islamistischer Extremisten habe sehen müssen. Er könne inzwischen sogar sagen, ob das Schwert scharf oder stumpf war. Wenn nun viele Jugendliche als sog. „Gaming-Opfer“ zu Amokläufern werden: Was hält dann diese Menschen davon ab, nachts massakrierend durch die Strassen Manilas zu laufen? Schlimmer, als das was sie jeden Tag sehen, wird’s schon nicht werden.

Ich denke mir, Sie werden verstehen, weshalb ich nun keine Beispiele bringen werde. Mit einer Ausnahme: Hasspostings! Auf dieses Thema werde ich im Folgenden etwas genauer eingehen. Unter „Hate Speech“ oder „Hassposting“ versteht man, wenn ein Mensch absichtlich mit Worten oder nachbearbeiteten Bildern angegriffen oder abgewertet wird. Derartige Postings sind zumeist rassistisch, sexistisch oder antisemitisch. Sie betreffen Menschen anderer Hautfarbe, anderer Religion, anderer sexueller Ausrichtung usw. Dabei reicht es beispielsweise bereits, wenn jemand die Aussage tätigt, dass z.B. „alle dieser Hautfarbe abartig sind“! Kommt dann vielleicht noch eine Verschwörungstheorie hinzu, wie z.B. „alle Mitglieder dieser religiösen Vereinigung werden 2020 die Welt-herrschaft übernehmen“, ist die Sache komplett. Dabei sass der Betreffende vielleicht etwas angetrunken des nächtens am PC – im nüchternen Zustand hätte er das wohl nicht verfasst. Oder doch? Völlig egal ob nüchtern, betrunken oder eingeraucht – gibt es in dem entsprechenden Staat kein passendes Gesetz für Hasspostings, so werden in den meisten Fällen Straftatbestände erfüllt:

– üble Nachrede

– gefährliche Drohung

– Cyber-Mobbing

– Verhetzung

– Wiederbetätigung …

Hasspostings sind kein Spass! Damit Trittbrettfahrer nicht aufspringen und es nachmachen, muss dagegen vorgegangen werden, da auch in der zivilisierten Welt Zustände wie in Myanmar durchaus möglich sind. Die schon längst nicht mehr den ursprünglichen Zielen folgenden Demonstrationen der Gelbjacken damals und der Rentenkritiker heute in Frankreich werden wohl zum grössten Teil via Internet organisiert und angefeuert. Oder die Demonstrationen von Rechtsradikalen in den unterschiedlichsten Städten.

Jeder kann gegen derartige Hasspostings vorgehen:

Zuallererst ist es wichtig, Beweise zu sichern. Dazu sollte ein Screenshot angefertigt und abgespeichert werden. Nun kann der Betroffene gemeldet und blockiert werden. Ist man selbst Opfer solcher Postings, kann mit den Screenshots auch Anzeige bei der Polizei erstattet werden. In anderen Fällen geht es um die Parteienstellung, soll heissen, dass nicht jeder etwa eine bösartige Beleidigung gegenüber eines anderen anzeigen kann. Das könnte zu einer abgewiesenen Klage oder Einstellung des Verfahrens führen, obgleich vielleicht eindeutige Beweise vorliegen. Bei der Wiederbetätigung oder Gewaltverbrechen hingegen ist es möglich! Aber nur mit Beweisen!!! Ob ein Gegenargument sinnvoll ist oder nicht, muss jeder selbst entscheiden. Wenn ja, sollte dies auf alle Fälle auf einer sachlichen Ebene erfolgen. Wichtig ist zudem, dass nicht alles im Internet für bare Münze genommen werden sollte. So würde ich inzwischen jede Aussage des vorhin bereits angesprochenen Ex-US-Präsidenten zuerst auf seinen Wahrheitsgehalt hin überprüfen („Was geschah letzte Nacht in Schweden?“, „In Finnland gibt es keinen Waldbrand, weil der Waldboden sauber und aufgeräumt ist!“ …). Er toppt sich nahezu täglich mit Fake-News!

Mark Zuckerberg, der Erfinder von Facebook, behauptete einst, dass Netzwerke wie das seine eine bessere Welt schaffen würden. Mag sein, aber: Hat er dabei das Schlechte dieser Welt unterschätzt???

Filmtipp:

.) The Cleaners; Drehbuch und Regie: Hans Block, Moritz Riesewieck; Gebrüder Beete Filmproduktion 2018

Lesetipps:

.) Digitale Öffentlichkeit: Neue Wege zum ethischen Konsens; Christian Kolbe; Berlin University Press 2008

.) Cybercrime und Strafrecht in der Informations- und Kommunikations-technik: Cybercrime und IuK-Strafrecht; Dieter Kochheim; C.H. Beck 2018

.) Recht und Ethik im Internet / Law and Ethics on the Internet; Hrsg.: Joachim Hruschka/Jan C. Joerden; Duncker & Humblot 2018

.) Straftaten in virtuellen Welten: Eine materialrechtliche Untersuchung; Sebastian Bosch; Duncker & Humboldt 2018

.) Internetkriminalität: Phänomene-Ermittlungshilfen-Prävention; Michael Büchel/Peter Hirsch; Kriminalistik 2014

.) Die Cyber-Profis: Lassen Sie Ihre Identität nicht unbeaufsichtigt; Cem Karakaya/Tina Groll; Ariston 2018

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Vorsicht: Hantavirus!!!

†Der Frühling schickt seine ersten Vorboten – zwar noch etwas zaghaft – dennoch! Das Frühjahr ist bei vielen auch der Beginn der Gartensaison und des Ausmistens. Das kann jedoch in Gartenlauben oder auch Garagen gefährlich werden.

Mit den ersten Minusgraden haben sich viele Tiere in die wärmeren Häuser oder zumindest schützenden Garagen und Hütten geflüchtet, obgleich sie dort eigentlich nicht wirklich gern gesehen werden: Insekten, Mäuse und Ratten. Bevor sie sich vermehren und zur Plage werden, sollten Massnahmen eingeleitet werden. Vor allem, da sie auch schwere Infektionskrankheiten übertragen können. So geschehen bei der Polizei in Göppingen-Holzheim, wo sich im Jahr 2019 drei Bereitschaftspolizisten mit dem gefährlichen Hantavirus angesteckt haben. Der Grund: Die Rötel- oder auch Waldwühlmaus und die Brandmaus! Diese Nagetiere haben es sich im Keller des Gebäudes bzw. im angrenzenden Park gemütlich gemacht, hinterliessen dort ihren Kot und kontaminierten mit dem darin enthaltenen Hantavirus die Körperschutzausrüstung der Polizisten. Alle drei Patienten mussten stationär mit Lungen- und Nieren-problemen im Krankenhaus aufgenommen werden. Im selben Jahr wurde zudem im bayerischen Landkreis Freyung-Grafenau Hantavirus-Alarm gegeben.

Gab es im vergangenen Jahr gottlob nur wenige Erkrankungen, so erschreckte das Pandemie-Jahr 2021 mit sehr hohen Fallzahlen. Etwa 132 im Stadtkreis Stuttgart, 194 im Landkreis Reutlingen oder 95 im Land-kreis Böblingen. Auch für heuer wurden bereits vereinzelte Infektionen gemeldet: Stadtkreis Aschaffenburg, Landkreis Cloppenburg , Landkreis Freyung-Grafenau, Landkreis Göttingen, Landkreis Vorpommern-Greifs-wald, Landkreis Osnabrück, Landkreis Schweinfurt, Landkreis Segeberg, Landkreis Weesterwaldkreis – also nahezu aus dem ganzen Bundesgebiet. Mehr über die weiteren Risikogebiete erfahren Sie auf den Seiten des Robert-Koch-Institutes!

In Österreich gab es im vergangenen Jahr 24 gemeldete Infektionen mit Krankenhausaufenthalten, mit 17 die meisten in der Steiermark. Auch hier der Vergleich zum Pandemiejahr 2021: 233 gesamt (davon 191 in der Steiermark) (Zahlen: Gesundheitsstatistik des Sozialministeriums). Keine Meldungen erfolgten in der Schweiz im Jahr 2022, im Jahr davor 6 (Zahlen: Bundesamt für Gesundheit). Für beide Alpenländer liegen derzeit noch keine aktuellen Angaben vor.

Der Name „Hantavirus“ geht auf den ersten grossen Ausbruch am Grenz–fluss Hantaan während des Koreakrieges zurück – dort erkrankten in den Jahren 1950-53 mehr als 3.000 Soldaten schwer an der Infektions-krankheit.

Mäuse tummeln sich bevorzugt im Garten, in Kellern und Garagen bzw. in Schuppen. Hier ist die Ansteckungsgefahr für den Menschen am grössten, wenn dort Reinemachen angesagt ist. Das war etwa während der Pandemie in nahezu jedem Haus bzw. Garten der Fall. Die Mäuse müssen nicht selbst erkranken – sie können auch nur als Überträger fungieren („Reservoirwirte“). Durch Speichel, Kot oder Urin der Nagetiere gelangt dieses Virus nach aussen. Besonders heimtückisch: Infektionsgefahr besteht bei Lebensmitteln und v.a. Staub! Gelangt dieser in eine offene Wunde oder über den Atmungstrakt in die Lunge, so ist eine Infektion so gut wie sicher. Der Hantavirus ist im getrockneten Zustand einige Tage lang ansteckend. Gleiches gilt zudem bei einem Mäusebiss! Ein erhöhtes Infektionsrisiko haben etwa Förster, Jäger, Gartenarbeiter und Bau-arbeiter. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist bislang nicht bekannt.

Die Inkubationszeit beläuft sich auf zwei bis fünf Wochen. Die ersten Symptome zeigen sich im Schnitt nach 2 Wochen – je nach Virustyp unterschiedlich stark. Es beginnt mit plötzlichem, hohen Fieber, das sich rund 3-4 Tage hält. Hinzu kommen die bekannten grippeähnlichen Erscheinungsformen wie Schmerzen im Kopf, den Gliedmaßen und Muskeln, begleitet von Husten und/oder Sehstörungen sowie einer Rachenentzündung. Nach einigen Tagen folgen Beschwerden bei der Verdauung mit Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen („gastro-­ in­ tes­ tinale Beschwerden“). Schliesslich spielt die Niere verrückt – es droht sogar ein Nierenversagen. Treten Blutungen auf, so kann die Erkrankung tödlich enden. Deshalb ist es wichtig, bei Verdachtsmomenten sofort den Arzt aufzusuchen, da eine Diagnose nur durch eine Blutuntersuchung gemacht werden kann. Die Erkrankung ist medikamentös relativ einfach zu behandeln – Spätfolgen sollten keine zurückbleiben. Der Infizierte ist nicht ansteckend!

Das Hantavirus tritt weltweit in unterschiedlichen Variationen auf. So etwa als Hantaan-, Puumala-, Dobrava-Belgrad-, Seoul-, Sin-Nombre- und Andesvirus. Hierzulande ist es v.a. das Puuma­ la­ virus (PUUV) und das Dobrava-Belgrad-Virus (DOBV). Besonders gefährlich ist beispielsweise der amerikanische Ableger – in Südamerika verlaufen rund 50 % der Hantavirus-Infektionen tödlich! Das Infektionsrisiko ist in den Sommer-monaten (zwischen April und September) am größten. Eine Hantavirus-Erkrankung ist meldepflichtig – in Deutschland beim Robert-Koch-Institut, in Österreich bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in der Schweiz bei der BAG bzw. den Kantonsärzten.

Die Waldwühlmaus ist – wie der Name schon sagt – vornehmlich im Wald anzutreffen. Sie bevorzugt Buchen- aber auch Mischwälder und ist immer wieder auch in waldnahen Gärten zu finden. Deshalb ist bei Garten-arbeiten vor allem aber bei Reinigungsarbeiten von Gartenlauben oder Schuppen besondere Vorsicht geboten. Hier einige Tipps:

– Tragen Sie Schutzkleidung (Overall, Gummistiefel, Einmal-Handschuhe, Schutzmaske)

– Lüften Sie die Räume gut vor Beginn der Arbeiten

– Wirbeln Sie keinen Staub auf – befeuchten Sie die Flächen zuvor

– Mäusekot bzw. tote Mäuse mit Desinfektionsmittel besprühen, in einer Kunststofftüte gut verschliessen und in den Restmüll geben

– Derartige Stellen schliesslich ebenfalls mit Desinfektionsmittel oder Alkohol desinfizieren

Ansonsten gilt grundsätzlich:

– Nach dem Aufenthalt im Freien, in Dachböden, Kellern oder Schuppen sollten immer die Hände gewaschen werden

– Verwenden Sie dort keine Staubsauger, da das Virus nicht im Filter bleibt, sondern durch die Abluft wieder in die Luft freigesetzt wird

– Nager haben im Haus nichts zu suchen – vermeiden Sie offene Lebensmittel, verwenden Sie Lebendfallen (die täglich kontrolliert werden) und benutzen Sie Einmal-Handschuhe

Weitere Tipps erhalten Sie beim Gesundheitsamt.

Lesetipps:

.) Hantaviruses; Connie Sue Schmaljohn/Stuart T. Nichol; Springer 2001

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Kulturelle Aneignung – geht’s noch???

„Privilegierte Gesellschaftsmitglieder wollen, oftmals aus einem Über-legenheitsgefühl heraus, Regeln für alle vorgeben!“

(Mag. Dr. Michael Parzer, Kultursozioologe an der Uni Wien in den Salzburger Nachrichten)

Ganz ehrlich: Als ich den Begriff „Cultural Appropriation“ erstmals entdeckte, musste ich googeln und dann lautstark lachen! Das war nun schon vor einiger Zeit – inzwischen ist es bitterer Ernst gewortden und mir nicht mehr zum Lachen.

Unter „Cultural Appropriation“ versteht der Experte die Ablehnung von Errungenschaften anderer Kulturen, die hierzulande jedoch in der Minderheit sind, durch die heimische, dominante Mehrheit. Anders aus-gedrückt: Es geht um die Reproduktion ethnischer Sterotype und Klischees, aber auch um eine Trivialisierung der Unterdrückung! Aaaah ja – na dann ist ja alles klar!

Es klingt nicht nur sehr blöde – es ist auch sehr blöde! Es gibt also tatsächlich Menschen, die sich aufregen, wenn Menschen sich beim Karnevals- oder Faschingsumzug als Indianer, Cowboy, Eskimo oder Schwarzer (selbstgewählter Begriff und damit wie etwa auch PoC politisch korrekt) verkleiden. Auch als Scheich oder Chinese sollte man sich nicht mehr verkleiden dürfen. Stadtmenschen in Lederhosen und Dirndln? Ausgeschlossen! Känguruh geht gerade mal so durch – die haben keine starke Lobby! Durch derartige Verkleidung sollen seit möglicherweise Jahrhunderten bestehende Klischees weiter unterstützt werden, meinen zumindest die Verfechter dieser „Cultural Appropriation“ – der kulturellen Aneignung. Ich halte das alles als grossen Mumpitz, verursacht von Menschen, die offenbar nichts anderes zu tun haben, als ständig andere zu kritisieren und zum Lachen in den Keller gehen. Schliesslich ist es der Traum von Millionen Kindern, als Cowboy oder Indianer an derartigen Events teilzunehmen. Heute aber heisst es, dass gerade Kinder dafür sensibilisiert werden sollen, sich nicht wie jene Menschen zu kleiden, die aufgrund ihres Aussehens diskriminiert werden!!!

Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke: Ja – auch wir waren damals davon nicht ausgenommen. Wäre uns nie in den Sinn gekommen, als Herr Müller im Blaumann oder Frau Navrotil in der Kittelschürze auszurücken. Zweiteres dürfte ich als Mann ohnedies auch nicht! Als Blackrock-Manager oder Fliessbandarbeiter, als Landwirt oder Polizist. Na ja, letzteres flackerte später dann möglicherweise kurz auf, als ein Auszug aus dem Chippendales-Programm im Fernsehen mit den vielen kreischenden Frauen gezeigt wurde.

Ich amüsierte mich damals köstlich, als Teile der SPD die Abschaffung des Knecht Ruprechts als pädagogisch nicht mehr der Zeit entsprechend forderte. Doch haben es damals die Damen und Herren tatsächlich ernst gemeint. Ebenso wie jene, die das Verbot der Märchen der Gebrüder Grimm oder jener von Wilhem Busch verlangten. Generationen von Menschen sind damit aufgewachsen – gab es bei irgend jemandem einen bleibenden seelischen Schaden? Auch diese bedienen sich der Klischees, die schon weit vor deren Veröffentlichung bestanden. Doch entstammen diese dem heimischen Kulturkreis.

Etwas anderes sind die Geschichten von Karl May. Als der Ravensburger Verlag zwei Begleitmedien zurückzog, um mögliche Diskussionen darüber zu umgehen, reagierte ich nurmehr mit Kopfschütteln – Kritik war es mir nicht mehr wert. Ravensburger begründete dies in seiner Presseaussendung folgendermassen:

„…Die Kolleg*innen diskutieren die Folgen für das künftige Programm und überarbeiten Titel für Titel unser bestehendes Sortiment. Dabei ziehen sie auch externe Fachberater zu Rate oder setzen „Sensitivity Reader“ ein, die unsere Titel kritisch auf den richtigen Umgang mit sensiblen Themen prüfen. Leider ist uns all das bei den Winnetou-Titeln nicht gelungen. Die Entscheidung, die Titel zu veröffentlichen, würden wir heute nicht mehr so treffen. Wir haben zum damaligen Zeitpunkt einen Fehler gemacht und wir können euch versichern: Wir lernen daraus!“

Auch das deutsche ZDF, das die Rechte an den Karl May-Filmen inne hatte, nahm diese aus der Mediathek zurück. Ähm – hallo? Wir haben die Bücher als Kinder verschlungen. Ich habe selbst daraus Gute-Nacht-Geschichten vorgelesen. Dass dahinter eine „koloniale Seelenlage“ (Josef Nadler, Literaturwissenschafter) stecken könnte – tut mir leid: Darauf wäre ich niemals gekommen! Ja – es stimmt, dass Karl May erst wesentlich später dort war, worüber er geschrieben hatte. Viele der Geschichten entstammen zudem jener Zeit, als er hinter schwedischen Gardinen sass und gar nicht die Möglichkeit hatte, die Richtigkeit seiner Geschichten zu recherchieren. Doch war er einer der Ersten, der sich für die Rechte der indigenen Ureinwohner Nordamerikas einsetzte. Und mal ganz ehrlich: Nahezu jedes Buch, jeder Film, jede TV-Serie ist erfunden. Vieles davon entspricht nicht im Geringsten den Tatsachen. Der im James Bond angesprochene Flughafen Bregenz, die unglaublichen Bergwände im Cliffhanger (in den Dolomiten in den Kasten gebracht) oder die wunder-bare Welt der Lebensretter am Strand von Malibu. Und auch Dr. House gibt es im wahren Leben nicht, da ein solches Spezialistenteam viel zu teuer käme. Winnetou und Old Shatterhand stellten möglicherweise ein falsches Bild des Wilden Westens dar. Wären die Massaker an Indianern durch die US-Army und die vielen weissen Bürgerwehren interessanter und der Zielgruppe entsprechend gewesen? Authentischer allemal!

Und da spricht die US-Jura-Professorin Susan Scafidi von einer

„…unerlaubten Wegnahme geistigen Eigentums, traditionellen Wissens oder kultureller Artefakte!“

Ja – es ist durchaus richtig, dass vorwiegend Weisse ethnische Minder-heiten imitieren, die nach wie vor diskriminiert werden. Wenn es ihnen dann nicht mehr passt, kehren sie wieder zurück in das weisse Dasein. Diese Möglichkeiten haben solcherart marginalisierte Gruppen jedoch nicht. Doch gibt es durchaus Menschen, die nicht nur das Aussehen übernehmen, sondern auch das komplette Lebensgefühl. Es muss ja nicht Pop-Star Madonna sein, die sich mit Henna vollpinseln lässt, um damit Aufsehen zu erregen oder die medienwirksame Konvertierung einiger Hollywood-Schauspieler zum Buddhismus, die sich dann so gar nicht nach der Religion verhalten. Doch bleiben wir bei der Musik: Blues, Soul, Funk und Jazz gehen auf die Lebensumstände und Unterdrückung der Schwarzen in Amerika zurück. Dürfen diese dann jedoch auch von US-Musikern oder ihren europäischen Kollegen gespielt werden? Ginge es nach den Kritikern, wäre die Musikszene um viele Perlen eines Gary Moore, Joe Bonamassa, Beth Hart oder Sass Jordan ärmer. Auch hier gibt es einige aufsehenerregende Fälle. So cancelte etwa die Fridays for Future- Bewegung im März 2022 ein Konzert von Ronja Maltzahn und ihrer Band bei einer ihrer Demos in Hannover, da die Musikerin aus Zuneigung und Begeisterung zu dieser Kultur Dreadlocks trägt. Die Begründung: Die Dreadlocks seien mit „dem antikolonialistischen und antirassistischen Narrativ“ der Bewegung nicht vereinbar. Oder das abgesagte Konzert des österreichischen Musikers Mario Parizek im August 2022 in Zürich, da seine Dreadlocks für „Unwohlsein von unseren Mitmenschen“ sorge. Auch der Bayer Hans Söllner dürfte somit Probleme mit seinen Auftritten haben. Reproduziert ein Dreadlock-Träger tatsäch-lich ein rassistisches und diskriminierendes System?

Interessant auch die Kunstfigur Billie Eilish: Die zuhauf mir Preisen überschüttete Sängerin entstammt einem weissen Hause aus Irland. Kritisiert wird bei ihr, dass sie vieles aus der afroamerikanischen Kultur geklaut und in ihre Musik eingebaut habe. Ist sie deshalb eine Rassistin? Mitnichten!!!

Wie ist dies mit Gesangspartien in der ernsten Musik, wenn weisse Sänger und Sängerinnen die Rolle von schwarzen übernehmen? In Verdis „Otello“ oder Bernsteins „West Side Story“? Wird das sog. „Blackfacing“ verboten, dürfen entsprechende Rollen nurmehr von schwarzen Tenören oder Sopranistinnen gespielt werden, so werden viele Werke unspielbar. Gilt im Übrigen auch für das Theater: Heteros dürfen etwa keine Homosexuellen darstellen!

Kulturelle Aneignung gibt es im Übrigen auch in der Küche: Zeigt ein TV-Koch seinen Zuschauern, wie eine persische Speise oder ein Menü aus Ruanda hergestellt wird, so bringt das die Mitglieder der Anti-Bewegung zum Kochen!

Sollte all dies künftig verboten sein, so bewegen wir uns wieder zurück in der Geschichte, wodurch uns Grossartiges vorenthalten würde. Schliesslich zollt man doch den Leistungen eines anderen Kulturkreises grossen Respekt, wenn seine Errungenschaften nachgespielt werden – auch ohne sog. „Natives“! Die Steigerungsform wäre dann ja wohl die Kulturauffassung der Nationalsozialisten, die alles verboten hatten, was nicht aus ihrem eigenen Kulturkreis stammte. Das will wohl hoffentlich niemand mehr. Nein – die Beschäftigung mit einem anderen Kulturkreis eröffnet viele neue Sichtweisen und sorgt für eine bunte Vielfalt im ansonsten sehr eintönigen Dasein! Und bietet dem anderen Kulturkreis durchaus die Möglichkeit der Darstellung desselben über die Grenzen hinaus. So sind die Wiener Sängerknaben in China und Japan gefeierte Stars, Mozart, Beethoven etc. stets ausverkaufte Veranstaltungen. Auch in der Pop- und Rockmusik feiern Interpreten aus dem Westen grosse Erfolge – zumindest in Japan. In China geht die Regierung Xi Jinping massiv gegen Popstars vor. Ist dies das Ziel der Bewegung gegen kulturelle Aneignung?

Abschliessend noch eine Frage, die ich offen lassen möchte:

Wenn ich einiges aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) übernommen habe oder ab und an im Kamasutra blättere – ist das auch kulturelle Aneignung?

Lesetipps:

.) Zwischen Aneignung und Verfremdung; Hrsg.: Volker Gottowik/Holger Jebens/Editha Platte; Campus Verlag 2009†

.) Ethik der Appropriation; Jens Balzer; Matthes & Seitz 2022

.) Kulturelle Aneignung; Lars Distelhorst; Edition Nautilus 2021

.) Everything but the Burden: What White People are Taking from Black Culture; Hrsg.: Greg Tate; Harlem Moon 2003

.) Research Handbook in Intellectual Property and Cultural Heritage; Irini Stamatoudi; Edward Elgar Publishing 2022

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Hochseeabkommen – ein Riesenerfolg

†„Das Schiff hat das Ufer erreicht!“

(Rena Lee, Vorsitzende der UN-Hochseekonferenz)

Es war wie ein Lichtblick in der vergangenen Woche – für die Medien allerdings nur eine Ein-Tages-Schlagzeile: Bei den mehr als zäh geführten UN-Verhandlungen zum Schutz der Hohen See wurde ein Durchbruch erzielt. Nach nahezu 40-stündiger Dauerverhandlung in New York einigten sich die rund 200 Mitgliedsstaaten auf ein gemeinsames Papier. Demgemäss sollen bis 2030 mindestens 30 % der Weltmeere als Schutzgebiete ausgewiesen werden. Bislang war das nur in Küstenmeeren möglich – in der Hochsee gerade mal 1,2 % (etwa durch den Antarktis-vertrag). Zudem soll jährlich eine Vertragsstaatenkonferenz Aufschluss über weitere Schutzmassnahmen geben und Beschlüsse für eine nach-haltigere Nutzung der Hochsee gefasst werden.

Vor allem China und Russland bestanden bei der Festlegung dieser Schutzzonen auf Einstimmigkeit – damit hätte auch nur ein Mitgliedsstaat jedes Modell zum Fallen bringen können. Nun reicht jedoch eine Dreiviertel-Mehrheit. Allerdings mit einer Opt-out-Massnahme: Ein Staat kann die Schutzzone nicht akzetieren, muss dann allerdings eine Alter-native vorschlagen.

Was das Schriftstück wert ist, wird sich wohl in Zukunft zeigen, gibt es doch – wie bei internationalen Abkommen üblich – keinerlei Sanktionen bei einer Missachtung. Schliesslich wurde ein solches Abkommen ja auch schon zum Schutz der Wale beschlossen. Es erlaubte den Walfang eigentlich nurmehr zu Forschungszwecken. Dies sber wurde sehr grosszügig ausgelegt, bis schliesslich Japan komplett aus dem Abkommen ausstieg. Bringen wir doch etwas Licht in dieses Hochsee-Schutzabkommen.

„Wir begrüßen sehr, dass mit diesem Vertrag die Einrichtung von Schutzgebieten auf der Hohen See, dem größten Lebensraum der Erde, beginnen kann!“

(Fabienne McLellan, Geschäftsführerin OceanCare)

Der Begriff der „Hohen See“ ist definiert im „Seerechtsübereinkommen“ (SRÜ) aus dem Jahr 1982. Er beschreibt jene Teile der Meere, die nicht zur „Ausschliesslichen Wirtschaftszone“ (AWZ), zu den Küstenmeeren und Binnengewässern oder zum Archipelgewässer eines Archipelstaates wie etwa Indonesien zählen. Autonome Länder also, die sich aus Inselgrupen zusammensetzen. Die „Hohe See“ beginnt 200 Seemeilen von der Küste entfernt – das sind rund 60 % der Meeres. und nicht weniger als zirka 43 % der Erdoberfläche. Hier gilt kein nationales, sondern internationales Recht gemäss des Völkerrechts. Soll heissen, dass auch grosszügige Freiheiten damit verbunden sind: Fischerei, Überflug, Schiffahrt, Kabel-Verlegungen etc., ohne dass hier ein Staat eigenes Interesse anmelden kann. Hoheitlich gilt nach Artikel 94 SRÜ das Flaggenstaatsprinzip, also jenes Gesetz des Staates, unter dessen Flagge das Schiff fährt. Bei-spielsweise für Schiffe, die unter der Flagge von Liberia fahren, die Gesetze und Rechtsprechung des westafrikanischen Staates, allerdings auch das dortige Arbeitsrecht und die Entlohnung.

†„Jeder Staat übt seine Hoheitsgewalt und Kontrolle in verwaltungs-mässigen, technischen und sozialen Angelegenheiten über die seine Flagge führenden Schiffe wirksam aus.“

(Art. 94, Abs. 1 SRÜ)

Durch das Seerechtsübereinkommen können Wirtschaftszonen von bis zu 200 Seemeilen geschaffen (etwa für die Öl- oder Gasgewinnung in Küstennähe) oder auch die Hoheitsgewässer von drei auf 12 Seemeilen entlang der Küsten ausgeweitet werden.

All dies bringt auch viele Nachteile dieser Freiheit auf „Hoher See“ mit sich.

„Seit Längerem wächst die Besorgnis über die immer weiter ansteigende anthropogene Belastung der Meeresumwelt durch Aktivitäten in der Tiefsee wie Fischerei, Bergbau, Meeresver-schmutzung und Bioprospektion!“

(Dr. Alexander Proelß, Professor für internationales Seerecht, Umwelt-recht, Völkerrecht und Öffentliches Recht an der Universität Hamburg)

Die Ozeane sind hoffnungslos überfischt. Vielen Tierarten fehlt deshalb die Nahrung. Doch nicht nur das: Durch Schleppnetze werden Korallen-riffe und Schwammgärten zerstört.

Andere Teile sind mit Kunststoff vollgemüllt.

In Zukunft sollen wirtschaftliche Projekte und Expeditionen in den Schutzgebieten auf ihre Umweltverträglichkeit hin überprüft werden. Stellt sich jedoch die Frage: Durch wen? Das Gremium hierfür muss erst geschaffen werden. In diesen Zonen sollen sich die Arten erholen können. Die Artenvielfalt ist immens wichtig auch im Kampf gegen die Klimakrise. So beschreibt etwa Till Seidensticker von Greenpeace dies folgender-massen: Die Arten holen Kohlenstoff von der Oberfläche und verfrachten ihn in weitaus tiefere Teile der Meere.

„Ohne diese wichtige Leistung würde unsere Atmosphäre 50 Prozent mehr Kohlendioxid enthalten. Die Erde wäre überhitzt und unbewohn-bar.“

(Till Seidensticker, Greenpeace)

Die Verhandlungen wurden über knapp 15 Jahre geführt. Ein sehr wichtiger der vielen Knackpunkte ist die Regelung, welche Länder wie an den Gewinnen der Meeresressourcen beteiligt werden. Vor allem die Länder des sog. „Globalen Südens“ nutzen diese nicht oder zu wenig, sie sollen deshalb einen Teil aus einem noch zu schaffendem Fonds der reichen Industrie- und Wirtschaftsstaaten des Nordens erhalten. Das betrifft vornehmlich den Tiefsee-Bergbau, aber auch die Gewinnung neuer medizinischer Mitteln bzw. genetischer Erkenntnisse. 84 % aller Patente sind auf zehn reiche Länder konzentriert, der BASF-Konzern alleine hält 47 % der Patente auf marine genetische Ressourcen.

Übrigens – unmittelbar vor der Einigung in New York genehmigten die Teilnehmer der „Our Oceans-Konferenz“ in Panama nahezu 20 Milliarden Dollar für den Schutz der Meere – 77 Projekte sollen alleine mit den durch die US-Regierung zur Verfügung gestellten sechs Milliarden realisiert werden.

Allerdings könnten sich die 168 Teilnehmer der Internationalen Meeres-bodenbehörde (International Seabed Authority ISA) bei ihrer Konferenz auf Jamaika (07.-31. März) nicht einigen. Somit müssen vorerst Anträge von Unternehmen auf Tiefsee-Bergbau genehmigt werden. Bei dieser Ausbeutung mariner Ressourcen kann es auch weiterhin zu enormen Gefahren für die „Hohe See“ kommen – beispielsweise durch die beab-sichtigte Erdölförderung im Arktischen Meer oder die Mangan- (5 Mrd. to), Kobald- (44 Mio to) und Kupfergewinnung (274 Mio to) in der Clarion-Clipperton-Zone vor den Cook-Inseln im Indischem Ozean für die E-Mobilität. Dort sind derzeit 1,4 Mio Quadratkilometer Meeresgrund geschützt – allerdings knapp das Doppelte zur Exploration freigegeben. Eine dafür erforderliche Erforschungslizenz hält der Inselstaat Nauru und das kanadische Bergbauunternehmen TMC Durch den Tiefseebergbau in diesem Bereich würde wohl das gesamte dortige Ökosystem für immer zerstört. Soweit das Ergebnis einer Simulationsstudie aus dem Jahr 1989 im Perubecken. Dort wurden die Manganknollen mit einer Pflugegge „geenrtet“. Auch 26 Jahre danach waren die Spuren noch zu sehen und die Biodiversität gestört. Ausserdem ist es gänzlich ungewiss, wie sich der durch den Abbau freigesetzte Kohlenstoff aus dem Meeresgrund auswirken wird.

Es wird somit höchste Zeit für eine Regulierung bzw. Schutz dieser wichtigen grössten Region unseres Planeten! Hoffen wir, dass es nicht wieder nur ein guter Wille ist und weitere Schritte sehr rasch folgen!

Filmtipp:

Extreme der Tiefsee – Eisige Abgründe; TerraX/ZDF-Doku

Lesetipps:

.) Biologie der Hochsee; David G. Senn; Books on Demand 2012

.) Tierleben der Hochsee; Carl Apstein; ‎ Inktank Publishing 2019

.) Tiefseewesen – Einblicke in eine kaum bekannte Welt; Solvin Zankl / Maike Nicolai; Delius Klasing Verlag 2020

.) Tiefsee – Vielfalt in der Dunkelheit; Hrsg.: Thorolf Müller / Gerd Hoffmann-Wieck; ‎ Schweizerbart’sche, E. 2020

.) Tiefsee: Von Schwarzen Rauchern und blinkenden Fischen; Dagmar Röhrlich; Mare 2010

.) Eine Reise in die geheimnisvolle Tiefsee; Annika Siems / Wolfgang Dreyer; Prestel Verlag 2019

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Ingwer – die verkannte Wunderknolle

„Superfood“ ist ein Wort, das seit einigen Jahren nicht mehr aus der Ernährung wegzudenken ist. Viele dieser Früchte- und Gemüsesorten habe ich in einem eigenen Blog bereits abgearbeitet. Sie kommen zumeist aus tropischen Gefilden und sind dementsprechend nicht wirklich nach-haltig, da sie tausende Kilometer an Transportwegen hinter sich haben. Zudem bieten heimische Pflanzen denselben gewünschten Effekt, fristen jedoch meist ein Schattendasein. Ingwer kommt ebenfalls aus den Tropen und Subtropen, kann aber auch hierzulande erfolgreich angebaut werden. Alsdann ist seine positive Wirkung auf unsere Gesundheit bereits oftmals untersucht und nachgewiesen worden. Weshalb also nach den Sternen greifen, wenn es einfacher und umweltbewusster ebenfalls geht.

Ingwer (Zingiber officinale) zählt – ebenso wie Kurkuma oder Kardamon – zur Familie der Ingwergewächsen. Über dem Boden gleicht die Pflanze etwas einem Schilfgewächs: Lange Pflanzenstengel und Blätter mit einer wunderschönen purpur-farbenen Blüte. Im Boden bildet sie allerdings einen recht dicken Erdspross (Rhizom), eine Wurzelknolle, die aufge-schnitten gelblich gefärbt ist und einen sehr aromatischen Duft ver-breitet. Im Mund beeindruckt sie durch Schärfe und zitronenähnlichen Geschmack.

In der Küche wird der Ingwer deshalb gerne als Gewürz oder Speisen-veredler verwendet. Doch entdeckten bereits die alten Inder seine gesundheitsfördernde Wirkung und setzten ihn in der traditionellen indischen Medizin ein. In der ayurvedischen Medizin ist er auch heute noch präsent und erfrreut sich immer grösser werdender Beliebtheit. Das Geheimnis liegt im Gingerol (Chemische Formel: C17H26O4)! Jenem Stoff also, der für die Schärfe der Knolle verantwortlich zeichnet. Im Pulver nurmehr wenig enthalten, entfaltet er in einer frischen Knolle seine volle Wirkung. Deshalb sollten etwa Tees oder Wasser stets mit ganzen Ingwerstücken und nicht mit Pulver zubereitet werden. Der Geschmack selbst kommt vornehmlich von den beiden anderen Inhaltsstoffen Zingiberen und Zingiberol. Auch er ist in ganzen Stücken am meisten ausgeprägt. Insgesamt konnten in der Knolle nicht weniger als 400 Inhaltsstoffe chemisch nachgewiesen werden.

Ingwer wird auf dem indischen Subkontinent schon seit Jahrhunderten gegen Blähungen und Übelkeit (also zur Förderung der Verdauung), aber auch gegen Menstruationsbeschwerden eingesetzt. Im Ayurveda spricht man deshalb vom „Entfachen des Verdauungsfeuers und des Gallen-flusses“.

In anderer Hinsicht sind die Gingerole, v.a. aber deren Abbauprodukte Shogaole, ebenfalls sehr empfehlenswert: Sie wirken antioxidativ und antibakteriell, also hemmend bei Entzündungen (anti-inflammatorisch). Deshalb wird Ingwer in der traditionellen Medizin auch bei Rheuma oder Arthrosen verwendet. Eine dänische Übersichtsstudie aus dem Jahr 2015 hat dies in einer Studie nachgewiesen, an der sich 600 Arthrose-Patienten beteiligten.

Daneben beeinflussen die Shogaole die Bildung des Enzyms Stickstoff-monoxid-Synthase (NO-Synthase). Dieses Enzym katalysiert Stickstoff-monoxid aus der Aminosäure L-Arginin, das der Körper für die unter-schiedlichsten Funktionen benötigt. NO aber hat eine Halbwertszeit von gerade mal fünf Sekunden und muss deshalb stets auf’s Neue produziert werden. Dadurch wird beispielsweise die glatte Muskulatur der Arterien beeinflusst, sodass etwa bei Muskelverletzungen mehr Blut fliessen kann, das nicht nur Abwehrstoffe zu-, sondern auch Abfallstoffe abführt.

Ferner wird – wie bei allen scharfen Ingredienzien – der Kreislauf und das vegetative Nervensystem angeregt. Zudem wird die Blutzucker-konzentration im Blut geregelt – besonders wichtig als Vorbeugung gegen Diabetes.

Und schliesslich aktiviert das Gingerol das Immunsystem. So wurde in einer Pilotstudie aufgezeigt, dass schon eine halbe bis eine Stunde nach dem Genuss von Ingwer (Tee) die Konzentration von 6-Gingerol im Blut stark ansteigt. Wie dieser Stoff nun auf das Immunsystem wirkt, bewies eine weitere Studie des Leibnitz-Instituts für Lebensmittel-System-biologie der TU München. Einfach formuliert: Es dockt an die Rezeptoren der neutrophilen Granulozyten (eine bestimmte Art der weissen Blut-körperchen) an und stimuliert diese. Dadurch fährt der Körper die Produktion derselben hinauf. Die weissen Blutkörperchen bekämpfen v.a. Bakterien. Allerdings mussten die Probanden in dieser Studie innerhalb von 20 Minuten einen ganzen Liter des recht starken Ingwertees zu sich nehmen um diesen gewünschten Effekt zu erzielen.

Ingwer ist aber beispielsweise auch bei Kuren ein gern gesehener Gast. Wird jeden Morgen ein Glas Ingwerwasser getrunken, so zügelt dies den Appetit und lindert das Verlangen nach Koffein zum Wachwerden. Ingwerwasser lässt sich ganz einfach herstellen: Ein 3-5 cm langes Stück Ingwerwurzel raspeln oder in feine Scheiben schneiden, mit einem Viertel Liter heissem Wasser übergiessen und zumindest 10 Minuten abgedeckt ziehen lassen. Dies öfters getrunken hilft auch bei Erkältungen und Halsschmerzen.

Ingwer kann sehr einfach im eigenen Garten angebaut werden. Es bietet vor allem drei Vorteile: Man hat stets frischen Ingwer zur Hand, wenn man ihn braucht, die Geldersparnis im Vergleich zum Kauf ist wesentlich, v.a. da eine Ingwer-Kultur sehr ergiebig ist und die wunderschöne Pflanze sorgt für den Hingucker im Garten. Als „Mutterknolle“ reicht bereits ein frisches, etwa fünf Zentimeter langes Stück einer Knolle mit jedoch nur einer Schnittstelle. Allerdings sollte dieses wirklich frisch sein. Der Ingwer liebt ein warmes und sonniges Plätzchen. Das kann im Garten, Gewächshaus oder auch im Haus sein. Winter mag er nicht. Bei einer Outdoor-Pflanzung empfiehlt sich alsdann ein Pflanzentopf, der in einem rund 10 Grad warmen Raum überwintern kann. Bis zum neuerlichen Austreiben im Frühjahr braucht die Knolle nur wenig Wasser und keinen Dünger. Beim Anbau in einem Beet wird sich die Pflanze nach acht Monaten zudem binnen kurzer Zeit wie Unkraut ausbreiten. Als Pflanzzeit sollte man den Januar oder Februar ins Auge fassen, damit im Herbst erstmals geerntet werden kann. Die Pflanze bevorzugt humus- und nährstoffhaltigen sowie lockeren Boden. Damit sich keine Staunässe bildet, sollte am Topf-Boden eine „Drainage“ aus Scherben, Kiesel- oder Bimssteinen sowie Blähton eingebracht werden. Den Rest mit Humuserde auffüllen. Das Ingwerstück flach mit der Schnittseite nach unten auf die Erde legen, mit etwas Erde abdecken, leicht anfeuchten und den Topf mit Klarsichtfolie abdecken – die jedoch täglich zur Lüftung geöffnet werden muss. Das Gefäss nun an einem hellen, nicht der prallen Sonne aus-gesetzten Platz mit durchgehend 20 Grad stellen. Beim täglichen Lüftungsöffnen immer etwas Wasser hinzugeben, damit die Erde leicht feucht bleibt. Werden die ersten Triebe sichtbar, hat die Knolle gewurzelt, die Klarsichtfolie kann nun entfernt und der Topf an einen sonnigen Platz gestellt werden. Die Erde sollte stets leicht feucht, nicht jedoch nass sein. Die Pflanze kann auch regelmässig zusätzlich besprüht und mit etwas Dünger versehen werden. Der Pflanzenstengel wird durchaus einen bis eineinhalb Meter hoch wachsen, ist also nicht für jede Fensterbank geeignet. Übrigens – erfolgt die Anpflanzung zu spät, wird es nicht zur Blütenbildung kommen, da das Wachstum der Knolle für die Pflanze Priorität hat. Der Duft der Blüte ist sehr angenehm und lockt viele Schmetterlinge an. Ist sie verblüht, bilden sich Kapselfrüchte mit schwarzen Samen, die für eine Aussaat verwendet werden können.

Sollte die Ernte tatsächlich erheblich ausgefallen sein, so kann Ingwer als Ganzes oder in kleinen Stücken eingefroren werden. Das sollte aber so frisch als möglich erfolgen.

Ingwer kann somit nicht nur geschmacklich ihre Küche, Ihr Wohlbefinden verbessern, sondern auch optisch einen Akzent in Ihrem Garten oder der Wohnung setzen.


Links:

Lesetipps:

.) Ingwer: Natürlich gesund mit der asiatischen Heilwurzel; Dr. Jörg Zittau; Lüchow Verlag 2020

.) Ingwer: Gesundheit und Genuss; Heinz Schilcher/Ralf Hiener; Hädecke Verlag 2017

.) Alleskönner Ingwer: Die natürliche Kraft der Superwurzel; Susan Branson; Kindle Ausgabe

.) Magischer Ingwer; Die Top 77 Ingwer Tipps zur Entzündungshemmung, Schmerzlinderung, Fettverbrennung und einem erfüllteren Liebesleben; Marco Bach; Eigenpublikation 2019

.) Ingwer: Eine vielseitige Wurzel; Ute Scheffler; Buchverlag für die Frau 2011

.) Gesund mit Ingwer: Das vielseitige Heimittel für körperliche und geistige Fitness; Ellen Heidböhmer; Herbig Verlag 2019

.) Ayurveda – Der Weg des gesunden Lebens; V. Verma; Wilhelm Heyne Verlag 1996

.) Ayurveda für jeden Tag. Die sanfte Heilweise für vollkommene Gesundheit und Wohlbefinden; E. Schrott; Goldmann Verlag 1998

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30 Jahre – trotzdem kein Grund zum Feiern

†In diesen Tagen feierten die Tafeln Deutschland 30 Jahre Dienst am Menschen. Doch ist den vielen Mitarbeitern und den noch wesentlich mehr Ehrenamtlichen nicht wirklich zum Feiern zumute. 30 Jahre Tafeln bedeutet 30 Jahre Lebensmittelverschwendung und 30 Jahre Armut im ansonsten so reichen Deutschland. Zudem wird es immer schwieriger, das Angebot aufrechtzuerhalten. Supermärkte kalkulieren strenger, die Preise steigen und mit ihnen auch die Zahl der Hilfesuchenden – gerade jetzt nach einem Jahr Ukrainekrieg.

1993 wurde in Berlin durch die Initiativgruppe Berliner Frauen e.V. mit Sabine Werth die erste Tafel mit dem Ziel gegründet, nicht mehr verkauf-bare, überschüssige Lebensmittel v.a. an die vielen Obdachlosen in der Stadt weiterzugeben. Unterstützung erhielten die Frauen dabei durch die Lebensmittelproduzenten und Einzelhändler. Die Medien griffen dies auf und es dauerte nicht lange, bis ähnliche Organisationen gegründet wurden. Die beiden ersten davon in München und Neumünster. Inzwischen sind es deutschlandweit über 960 mit nicht weniger als 60.000 Helferinnen und Helfern – das grösste sozio-ökonomische Unter-nehmen zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen. 90 % dieser Helfer agieren ehrenamtlich, also unentgeltlich, wie auch der ehemalige deutsche Fussballinternationale Paul Breitner mit Frau jeweils am Montag bei einer Tafel in München.

Unterstützt wurden im Jahr 2022 dadurch zwei Mio Menschen – Tendenz stark steigend (ein Plus von 50 % im Vergleich zum Vorjahr)! Ein Drittel davon sind übrigens Kinder und Jugendliche.

„Zeitweise hatten in diesem Jahr rund 30 Prozent der Tafeln einen Auf-nahmestopp. Mehr als 70 Prozent der Tafeln haben zudem angegeben, dass sie weniger Lebensmittel haben.“

(Bundesvorsitzender Jochen Brühl)

Sie alle gehören dem Dachverband „Tafel Deutschland e.V.“ an. Jährlich werden durch sie rund 265.000 Tonnen Lebensmittel gerettet, die ansonsten wohl im Müll gelandet wären. Hinzugekauft wird nichts, gekaufte Sachspenden von Helfenden werden jedoch gerne angenommen. Auch dem Ausland blieb das Erfolgsrezept nicht verborgen: In der Schweiz gründeten sich die „Stiftung Schweizer Tafel“ und „Tischlein deck‘ Dich“, in Österreich die „Wiener Tafeln“, die „Salzburger Tafeln“, die „Pannonische Tafel“ bzw. in Vorarlberg „Tischlein deck‘ Dich“. Im süd-afrikanischen Kapstadt wurden mit „Feedback“, im australischen Sydney mit der „Food Bank“ ähnliche Organisationen gegründet.

Unzählige Spender und Sponsoren (wie die Unternehmensberatung McKinsey oder die Stiftung Deutsche Klassenlotterie) unterstützen die Tafeln finanziell, sodass Mieten und auch Betriebskosten bzw. Fahrzeuge bezahlt werden können. Die öffentliche Hand hielt sich (mit Ausnahme einiger Gemeinden) lange mit Zuwendungen zurück. Verweisen aber sehr wohl darauf. Wie etwa bei jenem Arbeitslosen, der im Jobcenter meinte, wie er mit diesem Geld überleben solle. Darauf meinte der Berater: „Dann gehen Sie doch zur Tafel!“

„Tafeln unterstützen manchmal nicht nur, sondern werden schon fest einkalkuliert.“

(Bundesvorsitzender Jochen Brühl)

Inzwischen werden einzelne Projekte des Dachverbandes durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, dem Bundes-ministerium für Bildung und Forschung sowie indirekt durch Zahlungen der Europäischen Union gesponsert.

Berechtigte (Berechtigungsausweis als Nachweis lt. Abgabenordnung § 53 und lokalen Begebenheiten) können nicht nur billiger oder gar kostenfrei bei den Tafeln einkaufen. Das Angebot wurde dank der vielen Freiwilligen erweitert: Mancherorts gibt es einen Mittagstisch (17 % der Tafeln bieten eine Suppenküche), Kinderbetreuung und Nachhilfeunterricht. Kein gutes Zeichen für die vielen überbezahlten Volksvertreter, die nach wie vor der falschen Auffassung sind, dass die Sozialmassnahmen des Bundes und der Länder ausreichen, ein Fallnetz zu bilden.

„Über 70 Prozent der Tafel bekommen weniger Lebensmittel – ich sage es nochmal – bei immer mehr Kundinnen und Kunden. Da sehen wir die Politik in der Verantwortlichkeit, denn es ist nicht unsere Aufgabe, Menschen zu versorgen.“

(Bundesvorsitzender Jochen Brühl)

Und – in den immer länger werdenden Schlangen vor den Tafeln sind nicht nur Flüchtlinge oder Arbeitsfaule zu finden. Immer mehr allein-erziehende Mütter, Senioren und Menschen, die einer Arbeit nachgehen, deren Gehalt aber zum Überleben nicht ausreicht, stehen ebenfalls teils stundenlang an. Viele weigerten sich bislang aus Stolz oder Scham, das Angebot anzunehmen. Durch die durch die Gierflation eingeleitete Teuerungswelle bleibt ihnen aber nichts anderes mehr übrig.

Die Tafeln selbst unterscheiden sich regional. Nicht nur im Angebot, sondern zudem in den Öffnungszeiten und den Serviceleistungen. So werden neben der Lebensmittelausgabe auch Projekte (wie eine kosten-lose Schulspeisung) oder Möbelbörsen angeboten.

Im Jahr 2006 gründete Claudia Hollm die Tiertafel Deutschland e.V., die Futter kostenlos an mittellose Tierbesitzer verteilt. Solche Tiertafeln gibt es inzwischen in den meisten deutschen Bundesländern – in Österreich bekannt als „Futterbox“. Auch eine Medikamententafel für verschrei-bungsfreie Arzneimittel unterstützt die Armen.

30 Jahre Lebensmittel retten und Menschen helfen (die Mission der Tafeln) – das gebührt grössten Respekt gegenüber der dort kostenlos Arbeitenden, sollten aber dennoch zum Überlegen anregen. Milliarden werden jedes Jahr in die Entwicklungshilfe für Afrika, Asien und Latein-amerika gesteckt, doch zuhause wird weiterhin verschwendet und trotz-dem steigt die Armut. Umso irrsinniger ist die Rechtssprechung: Con-tainern ist zwar inzwischen erlaubt, nicht jedoch auf dem Betriebsgelände des Unternehmens (Besitzstörung, Hausieren,…). Hier geht es nach wie vor um juristische Spitzfindigkeiten wie:

„… der Entsorgung überführt werden“ sollten, aber noch nicht in einen Abfallcontainer geschafft wurden, sondern ohne Überdachung in hohen, nach oben hin offenen Gitterwagen auf dem vollständig umzäunten „Gelände des R-Marktes“ lagerten.“

(Amtsgericht Düren)

Stellt also ein umsichtiger und humaner Marktleiter die nicht verkauften Lebensmittel möglicherweise in einem eigenen Karton auf die Strasse, so lockt er damit Ungeziefer wie Ratten an und wird insofern belangt. In einem nicht verschlossenen Container auf der Strasse agiert er gegen das Abfallwirtschaftsgesetz. Zudem könnte er ja auch belangt werden, wenn eine Person aufgrund des Containern zu gesundheitlichen Schäden kommt.

Das ist also die Vorstellung über soziale Absicherung der Bevölkerung aus der Bundes- und den Landeshauptstädten!

Die Produktion von Lebensmitteln ist sehr aufwendig und teuer. Millionen Menschen hungern auf anderen Kontinenten. Ihnen kann mit diesen Lebensmitteln nicht geholfen werden. Den Armen hierzulande jedoch sehr wohl. Nahrungsmittel sind zu wertvoll um weggeworfen zu werden. Die Tafeln übernehmen durch ihre Arbeit soziale Verantwortung – ein Wert, der vielen Menschen inzwischen abhanden gekommen ist. Auch Sie können helfen. Nehmen Sie einfach Kontakt mit der nächsten Tafel in Ihrer Umgebung auf. Geld- oder Sachspenden – aber auch Arbeit und Zeit – die Tafeln sind froh über jede Hilfe. Jochen Brühl übrigens, der Vorstand des Bundesverbandes, ist Sozialarbeiter, Diakon und Fundraiser. Er übt seine Funktion ehrenamtlich aus – dafür stellt ihn sein Arbeitgeber stundenweise frei.

Filmtipp:

– DAS! – NDR vom 09.12.2022

Lesetipps:

.) Tafeln im flexiblen Überfluss, Ambivalenzen sozialen und ökologischen Engagements; Hrsg.: Stephan Lorenz; transcript Verlag 2012

.) Tafeln in Deutschland – Aspekte einer sozialen Bewegung zwischen Nahrungsmittelumverteilung und Armutsintervention; Stefan Selke; VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009

.) Zwischen Mitleidsökonomie und Professionalisierung – Tafeln in wirtschaftsethischer Perspektive; Hrsg.: Alexander Dietz/Stefan Jung/ Daniel Wegner; LIT 2021

.) TafelGesellschaft. Zum neuen Umgang mit Überfluss und Ausgrenzung; Hrsg.: Stephan Lorenz; transcript verlag 2010

.) Fast ganz unten – Wie man in Deutschland durch die Hilfe von Lebens-mitteltafeln satt wird; Stefan Selke; Verlag Westfälisches Dampfboot 2009

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Das blutige Schlachten geht weiter

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Ich liebe Kanada! Ja, ganz ehrlich. Das Land lebt unter dieser Regierung vor, wie es gehen könnte. Doch in einem Bereich bin ich ein scharfer Gegner und erbitterter Kritiker: In der Fischerei und im Speziellen im „Seal Harvest“ – der Robbenjagd!

Wenn es um kleine Babies oder Kinder geht, wird sogar das Herz des härtesten Mannes weich! Tja – leider ein Irrglaube! Auch in diesem Jahr werden in Kanada Sattelrobben-Babies, sog. „Heuler“, auf die grausamste Art und Weise getötet! Die EU verhängte im Jahr 2009 ein Importverbot für „Waren“ aus dem kommerziellen kanadischen Robbenmassaker (Ver-ordnung (EG) Nr. 1007/2009). Nach Schätzungen konnten dadurch seit-her rund 4 Mio Robbenbabies gerettet werden. Zum Vergleich: Die russische Regierung hat die Jagd im Frühjahr 2009 per Gesetz verboten, zwei Jahre später folgte ein Einfuhrverbot für Robbenprodukte. Russland war der grösste Abnehmer der Felle.

„Das Fehlen internationaler Märkte, die zunehmend unsichere Eissituation und zuletzt Corona haben zu einer drastischen Verkleinerung der Jagd bei-getragen.“

(Andreas Dinkelmeyer, Campaignsmanager IFAW)

Norwegen strich 2014 alle Subventionen. Damit rentiert sich die kommer-zielle Jagd nicht mehr. Doch nimmt hier das blutige Treiben bizarre Züge ein: Unter https://www.bookyourhunt.com/de/grey-seal-hunting kann zwischen 19. Januar und 19. Februar eine Jagd auf Kegel-robben gebucht werden. Für 850,- € in Kanada, Norwegen oder Finnland, wo die Jagd nach wie vor erlaubt ist! Nicht das einzige Angebot: Auch TTA-Jagdreisen bietet derartige blutige Erlebnis-Urlaube an!

Nur in Kanada, auf den Faröern/Grönland und in Namibia werden die vermeintlichen Fischräuber noch kommerziell in grosser Zahl auf gross-teils bestialische Art und Weise getötet – in Jahren ohne Corona mehrere Zigtausend jedes Jahr!

Die Sattelrobbe (lat.: Phoca groenlandica ) entstammt eigentlich der Familie der Hundsrobbe und lebt bevorzugterweise in der Arktis, also in der Grönlandsee, dem Weissen Meer und im Golf des Sankt-Lorenz-Stromes. Die Säugetiere ernähren sich vornehmlich von Fischen und Krebsen, sind hervorragende Schwimmer und tauchen bis zu 200 m tief. Dies alles aber hilft ihnen auf dem Land nicht weiter – dort sind sie hilflos. Während die männliche Sattelrobbe ein silbergraues Fell mit einem schwarzen Kopf und einer schwarzen, hufeisenförmigen Markierung von den Schultern führend über beide Flanken besitzt, sind die Weibchen viel blasser und neigen ab und an zur Fleckenzeichnung. Dies macht das Fell der erwachsenen Tiere für die Jäger uninteressant! Sie haben es auf das weiche und weisse Fell der Jungtiere im Alter von zwei Wochen bis drei Monaten abgesehen. Diese Tiere können noch nicht schwimmen und sind deshalb ihren Mördern unmittelbar und hilflos ausgeliefert.

Robben wurden immer schon durch die Völker der Nordregionen (wie etwa den Inuits) wegen ihres Fleisches und des Fells gejagt. Doch sie taten dies um zu überleben. Und das unterscheidet die Inuits von den kommerziellen Robbenjägern: Die Ureinwohner töten keine Tier-Babies! Die kommerzielle Jagd hingegen begann im 16. Jahrhundert und erreichte ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert. So wurde nicht selten auf Neu-fundland der komplette Nachwuchs, eine ganze Generation ausge-löscht.

Um den Pelz nicht zu schädigen, werden die Tiere durch einen oder mehrere Hiebe mit der stumpfen Seite des Hakapiks auf den Kopf geschlagen. Dadurch soll der Schädelknochen brechen. Danach erfolgt ein tiefer Stich mit der spitzen Seite in das Gehirn. Durch einen Schnitt in die vorderen Gliedmaßen soll das Tier verbluten! Doch viele halten sich nicht daran! Damit das Fell nicht verschmutzt, wird meist nur der erste Schlag ausgeübt und das Kleine bei lebendigem Leib gehäutet. Es geht elendigst zu Grunde. Auch das Abschiessen ist nicht besser – oftmals werden die Tiere nur verletzt und können fliehen. Schätzungsweise treffen 50 % der Schüsse nicht richtig. Sie krepieren dann an der Verwundung oder ertrinken.

2009 wurden auf diese Art und Weise offiziell 338.200 Tiere gemordet – 2011 wurde mit 468.200 die höchste Quote freigegeben – massakriert wurden allerdings „nur“ 38.000 Tiere. Im Jahr 2017 waren es 82.341 Tiere (80.924 Sattelrobben, 1.417 Kegelrobben), 2019 32.102 – offiziell, die Dunkelziffer liegt weitaus höher! Im Jahr 2020 coronabedingt 388 – die Robbenjagd wurde am 15. März durch die Regierung gestoppt. Den Muttertieren sollte dadurch Zeit für die Aufzucht der Kleinen gegeben werden. Das aber sorgte für lautstarke Proteste der Jäger. Dieses Mal argumentierten sie jedoch nicht mit den Fellen der Jungtiere, sondern mit dem Fett der Mutterrobben, das in weiterer Folge zu Öl verarbeitet wird. Ein Barrel erzielt einen Preis von bis zu 257,- US-Dollar. Ist die Stillzeit vorüber, haben die meisten Muttertiere im wahrsten Sinne des Wortes „abgespeckt“! Dennoch ist dieses Massaker sinnlos, da der Verkauf von Robbenprodukten (inklusive des Öls) in der EU und den USA seit Jahren verboten ist, nur China nahm derartige Produkte noch ab – jedoch zuletzt immer weniger. Die Felle stapeln sich in riesigen Lagerhallen und vermodern. Einzige Ausnahme von diesem Einfuhrverbot der EU: Produkte der Inuits! Sie sind auch nicht Inhalt der scharfen Proteste der Tierschützer.

www.youtube.com/watch?v=E2nuyGa109o

Bereits in den 1960er Jahren kam erste Kritik an diesem blutigen Treiben auf. In den 80er Jahren wurde die breite Öffentlichkeit durch die Franz Weber Foundation aus der Schweiz auf diese Unmenschlichkeit aufmerk-sam gemacht, eine weltweite Unterschriftenaktion gestartet, das Ergebnis der kanadischen Regierung auf den Tisch gelegt. Doch jenseits des grossen Teiches rührte sich nichts! Protestkundgebungen gab es erneut während der Olympischen Winterspiele in Vancouver – auch auf das hin tat sich freilich nichts. Das ansonsten so hilfreiche und gast-freundliche Kanada verbittet sich eine Einmischung von ausserhalb – die Robbenjagd wird nach wie vor jährlich mit 2,5 Mio Dollar subventioniert – dies führte 2022 zu einem Gesamtpreis von rund 27 CAD$ (20 €) pro Robbe (2006 waren es noch 102 CAD$)! Die Rechtfertigung des Fischereiministeriums: Robben und Seelöwen fressen zu viel Fisch – v.a. Kabeljau. Dabei ist einzig und allein der Mensch für die Überfischung der Weltmeere verantwortlich (siehe hierzu die Fangquote Labradors und Neufundlands 2022 unter

https://www.inter.dfo-mpo.gc.ca/publications/reports_rapports/†Cod_Morue_2022_eng.htm)!

Die Kabeljau-Bestände auf den Grand Banks vor Neufundland brachen bereits in den 1990er Jahren wegen Überfischung zusammen. Daneben wären tausende Menschen auf das Einkommen aus der Robbenjagd angewiesen – immerhin mache dies rund 25-35 % der Einkommen der Fischer aus. Dann stellt sich mir jedoch die Frage, weshalb die zumeist noch lebenden Tiere enthäutet und blutverschmiert, grauenvoll krepierend auf den Eisschollen zurückgelassen werden. Ab März werden jedes Jahr innerhalb nur weniger Tage offiziell zigtausende Tiere abge-schlachtet. Für 2022 belief sich die die Fangquote des Fischerei-ministeriums auf 400.000 (mehr als 1/3 der gesamten Jungtier-population) – Zahlen für heuer sind noch nicht bekannt.

Weshalb es im 2020 und 2021 „nur so wenige“ waren, liegt nicht etwa an den weltweiten Protesten, sondern vielmehr an den Auswirkungen der Corona-Pandemie. So mussten viele der Workshops und Trainingscamps abgesagt werden – ein Präsenzbesuch ist jedoch für die Jäger verpflichtend. Die beiden Pelz-Verarbeitungsbetriebe auf Neufundland waren ebenfalls wegen CoVID-19 geschlossen. Daneben hatte im April 2020 das Fischereiministerium das Fischen in Küstennähe bis zum 01. Mai untersagt. Umwelt- und Tierschutzaktivisten deuten dies als ein positives Zeichen dafür, dass ein Ende der Robbenjagd endlich bevor-stehen könnte. Vor allem, da auch die Tiere sehr unter den Klima-änderungen zu leiden haben – 2021 starben bereits viele der Neugeborenen, die auf dem Eis zur Welt gebracht wurden. Das Eis im Golf des St. Lorenzstroms war schlichtweg zu dünn.

Das Einfuhrverbot für Produkte aus der kommerziellen Robbenjagd besteht seit Anfang 2010. Deren Inkrafttreten war von heftigen Protesten aus Kanada begleitet. 2013 allerdings entschied die Welthandels-organisation (WTO), dass dieses Einfuhrverbot mit den WTO-Gesetzen übereinstimme, da öffentliche, moralische Bedenken dem zugrunde liegen. Kanada unternahm im Rahmen des Freihandelsabkommens CETA einen erneuten Versuch, das Ganze zu kippen, scheiterte jedoch. Erhielt ein „Jäger“ vor diesem Verbot noch rund 100,- € pro Fell, so waren es zuletzt nurmehr 9,- €. Das macht dies auch nicht mehr unbedingt lukrativ – 2006 gingen noch 5.594 auf die Jagd – zehn Jahre später waren es nurmehr 1.000 – offiziell!

Auch die Modeindustrie reagierte darauf – als erster der verstorbene Karl Lagerfeld, der schon 2010 in seinen Shows Kunstpelze präsentierte und betonte, dass dies ein hervorragendes Ausgangsmaterial für die Produktion wundervoller Bekleidung wäre. Trotzdem gibt es nach wie vor Menschen, die sich ein totes Tier um den Hals oder über die Schultern hängen! Bitte verstehen Sie mich dabei nicht falsch: Ich will den Berufsstand der Kürschner hiermit nicht verteufeln! Es liegt in der Natur des Menschen, dass er sich das Tier zum Untertan macht und es im wahrsten Sinne des Wortes auch „verwertet“. Hat ein solches Geschöpf ein erfülltes Leben gehabt, lasse ich mit mir reden! Doch: Werden kleine Babies abgeschlachtet, nur um damit die vollen Rendite zu machen, dann hört zumindest bei mir der Spass auf. Das gilt auch für Namibia, wo ab dem 01. Juli wieder tausende Robben am Strand abgeschlachtet werden (jährlich bis zu 100.000 – zuletzt ebenfalls weniger).

Viele Umweltorganisationen haben auf die alljährlich stattfindenden Grausamkeiten hingewiesen, doch blieb ihr Ruf meist ungehört. Der IFAW hat vor acht Jahren eine Petition gestartet – die 97.144 Unterschriften wurden jedoch in Ottawa offenbar ignoriert. Ich habe – im Rahmen der damaligen Unterschriftenaktion von Franz Weber – auch meine Schule mit eingebunden – mit Ausnahme von zwei Personen haben inklusive des Lehrkörpers alle unterschrieben – die Foundation bedankte sich in einem Schreiben persönlich bei mir. Einige Jahre später protestierten auch Paul McCartney und Pamela Anderson gegen die Robbenjagd. Bereits 1976 war es Brigitte Bardot, die sich für die Heuler stark machte. Aufgrund der heutigen Möglichkeiten ist dies doch weitaus besser und komfortabler online zu bewerkstelligen! Deshalb bitte ich Sie: Unterstützen sie Organisationen wie den IFAW oder die Franz Weber Foundation bei deren Arbeit – es muss nicht immer unbedingt mit Geld sein! Zeitweise hilft auch eine einfache Unterschrift in einer Petition!!!

https://www.peta.de/themen/robbenjagd-kanada-petition/

oder

www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/artenschutz/robbenjagd

Bitte – im Sinne der kleinen Heuler!!!

PS: Ich habe auf Facebook eine Gruppe mit dem Titel „Schluss mit dem Massaker“ gegründet. Ein Beitritt von Ihnen würde mich sehr freuen.

Links:

– www.harpseals.org

– www.ffw.ch

– www.tierschutzbund.de

– www.ifaw.org

– www.peta.de

– www.robbenschutz.de

– www.stopptdierobbenjagd.de

– www.greenpeace.de

www.greenpeace.ca

– www.oceancare.org

– www.animal-spirit.at

– www.fondationbrigittebardot.fr

– www.rspca.org.uk

– www.humanesociety.org

www.seashepherd.org.uk

– www.nfl.dfo-mpo.gc.ca/

– www.gov.nl.ca/ffa/fishaq/sealing/

– www.nhes.org/will-canada-end-seal-hunting/

– www.sealharvest.ca

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Die Show der Shows

Ganz Amerika fiebert derzeit auf ein Ereignis hin – auch hierzulande werden bereits massenweise Bier und Snacks eingekauft und die Plasma-TVs bzw. Beamer in den Party-Kellern oder Garagen zurechtgerückt: In der Nacht von Sonn- auf Montag (12. auf 13. Februar) wird der LVII. Super Bowl über die Bühne gehen – Kickoff ist um 00.30 Uhr MEZ bzw. 16.30 Uhr Ortszeit. Dabei treffen im Stade Farm Stadium in Glendale/ Arizona die Philadelphia Eagles auf die Kansas City Chiefs. Das Stadion ist die Heimstätte der Arizona Cardinals.

Die Kansas City Chiefs verloren 2021 das Finale gegen die Tampa Bay Buccaneers (mit Tom Brady als Quarterback) mit 31:9, gewannen jedoch das Jahr zuvor mit 31:20 gegen die San Francisco 49ers. Etwas rarer machten sich da die Philadelphia Eagles – sie gewannen 2018 mit 41:33 gegen die New England Patriots.

In diesem Jahr gibt es zudem eine Premiere: Den „Kelce Bowl“! Der Tight-End bei den Chiefs, dem Vertreter der NFC, ist Travis Kelce – sein Bruder Jason Kelce hingegen spielt als Center bei den Eagles in der AFC. Das gab’s noch nie in der ganzen Geschichte des Super Bowls. Jason meinte noch anlässlich des NFC-Finales der Mannschaft seines Bruders gegen die Cincinnati Bengals:

„Ich habe ein Kansas-City-Sweatshirt, das ich für die nächsten drei Stunden tragen werde. Das war’s dann aber auch für den Rest des Jahres!“

Der Super Bowl ist unumstritten die grösste Sportshow der Welt mit rund 800 Millionen TV-Zusehern bis ins hinterste Eck dieses Globusses, ja sogar bis ins Dorf Namenlos in Tirol!

Heute möchte ich allerdings weniger über Football berichten, obgleich sich zwei sehr attraktive Mannschaften gegenüber stehen. In den Wett-büros haben die Eagles mit einer Quote von 1,75 noch leichten Favoriten-Status – die Chiefs werden mit 2,15 gehandelt. Sehr knapp – es dürfte also eine äusserst interessante Partie werden. Nein – es gilt vielmehr, diese Veranstaltung etwas genauer zu beleuchten, denn beim Super Bowl ist alles etwas grösser, fulminanter und rekord-verdächtig. Superlative eben!

Zur Geschichte:

Der Super Bowl ist das Finalspiel des Saisonsiegers der Western Conference gegen den Saisonsieger der Eastern Conference in der National Football League. Das erste NFL Championship Game wurde im Jahre 1932 zwischen den Chicago Bears und den New York Giants ausgetragen – die Bears gewannen mit 23:21. Der Super Bowl wie wir ihn heute kennen, fand erstmals 1967 statt, als der Sieger der NFL gegen den Sieger der neu gegründeten American Football League (AFL) antrat. Die beiden Ligen wurden 1970 fusioniert. Seither wird das Finale zwischen der American Football Conference und der National Football Conference ausgetragen. Gespielt wird stets in südlichen Bundesstaaten, da es klimatisch wärmer ist. Wer schaut sich schon gerne ein Game bei Schneetreiben an. Bislang konnte noch nie eine Mannschaft ein Heim-Endspiel abliefern, also im eigenen Stadion spielen. Das Heimrecht wechselt jedes Jahr – heuer hätten die Eagles als NFC-Champion Heim-recht. Die Vergabe jedoch erfolgte bereits am 23. Mai 2018 nach Glendale. Das Stadion wurde 2006 eröffnete, kostete die Cardinals rund 500 Mio Dollar und fasst 70.000 Zuschauer – zum Super Bowl wurde die Kapazität auf 100.000 aufgestockt. Gleich im Anschluss wurde auch der Austragungsort für den nächsten Super Bowl bekannt gegeben: Er sollte eigentlich in New Orleans/Louisiana stattfinden. Da dies jedoch mit dem dortigen Karneval/Fasching „Mardi Gras“ zusammenfällt, wurde das NFL-Finale dem Allegiant Stadium in Paradise/Nevada zugesprochen.

Als Spieltermin fungiert zumeist der erste Sonntag im Februar – in den USA ist dies der Super Bowl Sunday – ein inoffizieller Feiertag. Eintritts-karten sind heiss begehrt – sie werden jedoch zwischen den NFL-Teams aufgeteilt: 17,5 % gehen jeweils an die Endspielteams, 5 % an die veranstaltende Mannschaft (heuer die Arizona Cardinals) und 34,8 % an die restlichen NFL-Mannschaften. Einige wenige Karten werden durch die NFL selbst verlost.

Jeweils sechs Mal gewannen die New England Patriots und die Pittsburgh Steelers die Vince Lombardi Trophy – ein Pokal, der nach dem Trainer des ersten Super Bowl-Gewinners, den Green Bay Packers benannt wurde und eigens von Tiffany & Co angefertigt wird (Sterling-Silber, 3,5 kg schwer, 55 Zentimeter hoch). Preis: 25.000,- US-Dollar – für Football-Fans jedoch unbezahlbar. Zudem erhält der wertvollste Spieler des Abends (MVP) einen Extrapreis, die Pete Rozelle Trophy und jeder Spieler aus dem Siegerteam einen Ring aus Gold und Diamanten, den Super Bowl-Ring (Wert: Jeweils 5.000,- $). Auch sie haben einen unheimlichen Lieblings-wert bei den Fans – so sollen einzelne Ringe bereits für eine sechsstellige Summe verkauft worden sein.

Bislang erfolgreichster Teilnehmer ist der Head Coach der New England Patriots, Bill Belichick, der acht dieser Finals für sich entscheiden konnte (2x Giants und 6x Patriots). Erfolgreichster Spieler ist der Quarterback Tom Brady mit sieben Ringen (6x für die New England Patriots, den letzten gewann er mit den Tampa Bay Buccaneers).

Bis zu 140 Millionen TV-Zuschauer sind an den US-amerikanischen TV-Geräten zuhause, bei Super Bowl Parties oder in Clubs an den Fern-sehgeräten versammelt. Der übertragende TV-Sender ist in diesem Jahr Fox – er verlangt für einen 30 Sekunden-Spot erstmals teils über 7 Mio Dollar (fast 6,7 Mio €) – vor drei Jahren waren es noch 5,5 Mio. Werbespots werden eigens für dieses Event produziert. Der teuerste dieser Clips kam 2018 von Amazon – alles in allem kostete er 15 Mio Dollar. Zwischen den beiden Hälften findet die Halbzeitshow statt. Hier gibt sich zumeist das Who is Who der Pop- und Rockmusik das Mikrophon in die Hand: Aerosmith, Bruce Springsteen, Lady Gaga, Michael Jackson, Prince, Rolling Stones, U2, … Heuer wird die aus Barbados stammende R’n’B- und Pop-Sängerin Rihanna ihr Bestes geben. Die Nationalhymne „The Star-Spangled Banner“ singt Chris Stapleton, der sich in die Liste grosser Stars einreiht: Whitney Houston, Mariah Carey, Lady Gaga, Alicia Keys, Pink oder auch Neil Diamond. Babyface wird den Song „America the beautiful“ intonieren.

Der Super Bowl hat sich, wie überhaupt der US-amerikanische National-sport, zum Politikum entwickelt. Viele werden wohl noch jene Spieler vor Augen haben, die während des Abspielens der Nationalhymne knieten. Diese Aktion rief der bis zum Jahr 2016 bei den 49ers spielende Quarterback Colin Kaepernick als Protest gegen die Unterdrückung der afroamerikanischen Bevölkerung und die Polizeigewalt im Lande aus. Ex-Präsident Trump forderte damals die Entlassung all jener Spieler, die sich diesem Protest anschlossen. Inzwischen müssen sich Spieler und Publikum positionieren. Allerdings auch die Promis, die die Halbzeitshow abliefern sollen. Angeblich sagten die Superstars Rihanna, Jay Z und Pink deshalb den Ritterschlag eines Auftritts vorerst ab – doch wie in diesem Jahr zu sehen: Nichts ist für ewig! Auch Jennifer Lopez meinte vor drei Jahren im Magazin „Variety“ mit einem ordentlichen Seitenhieb auf die Regierung Trump:

„Ich denke, es ist sehr wichtig für zwei Latino-Frauen in diesen Zeiten – in denen Latinos in diesem Land auf eine bestimmte Art und Weise behandelt oder gesehen werden – auf dieser Bühne zu stehen und zu zeigen, dass wir eine wunderschöne wertvolle Kultur haben, und in diesem Land etwas notwendiges beisteuern.“

Gegen Live-Proteste in der Halbzeitpause haben sich allerdings die TV-Sender seit dem Nippelgate-Skandal von Janet Jackson und Justin Timberlake im Jahre 2004 gesichert: Die Halbzeitshow wird zeitversetzt ausgestrahlt, damit derartige „Unannehmlichkeiten“, die nicht ins Bild passen, herausgeschnitten werden können. Auch haben selbstver-ständlich die Politiker die Gelegenheit und Zugkraft dieser Veranstaltung erkannt. So strahlte Fox bei seiner letzten Live-Übertragung 2020 vor dem Spiel eine Rede Donald Trumps aus. Zudem buchte er zwei 30-Sekunder, der für die Demokraten startende Michael Bloomberg kaufte sich eine Minute – Kostenpunkt: 11 Millionen Dollar! Der Milliardär wird’s wohl aus seiner Portokasse beglichen haben.

Rund 6.000 Medienvertreter berichten jedes Jahr über diesen Super Bowl Sunday vorort. Im vergangenen Jahr übertrug CBS das Spektakel, im Jahr zuvor NBC. In Deutschland liegen die Übertragungsrechte bei ProSieben, in Österreich bei Puls4 – ab kommender Saison dann bei RTL.

Ran präsentiert für all jene, die sich für den Montag nicht freinehmen konnten, ein Relive des Spektakels. Den Livestream (wahlweise auch mit Original-Kommentar) gibt es bei DAZN oder direkt bei der NFL – hierfür ist jedoch ein NFL Game Pass erforderlich.

Siegerin des Super Bowls 2023 ist so oder so die Mutter von Travis und Jason Kelce. So meinte etwa der 33-jährige Travis:

„Ein cooles Szenario – unsere Mutter kann nicht verlieren!“

Übrigens wurden beide Kelce-Brüder von demselben Mann in die Liga geholt: Der Head-Coach der Chiefs, Andy Reid, verpflichtete 2011 Jason Kelce nach Philadelphia, zwei Jahre später dann Travis für Kansas City. So schaut auch Andy Reid dem Ereignis mit Freude entgegen:

„Ich habe in beide Zeit investiert. Ich fühle mich also wie ein Teil der Familie!“

Doch steht und fällt im American Football das Spiel mit den Quarter-backs, den Spielmachern der Teams. Mit Jalen Hurts steht bei den Eagles ein Starvertreter seines Könnens im Mittelpunkt. Er lieferte mit seiner Mannschaft eine geradezu grandiose Saison ab und kam durch einen überzeugenden 31:7-Sieg gegen die San Francisco 49ers im AFC-Finale in den Superbowl. Hurts spielte im College Football für Oklahoma und Alabama, während der Highschool wurde er zum „Most Valuable Player“ gewählt. Seit 2020 steht er in Diensten der Phillys. Als Senior warf er für 2.384 Yards auch 26 Touchdown-Pässe und rannte für 1.391 Yards (darunter 25 Touchdowns). Auf der anderen Seite steht Patrick Mahomes, der trotz Knöchelverletzung mit seinen Kansas City Chiefs in der NFC gegen die Cincinnatti Bengals mit 23:20 gewonnen hat. Mahomes spielte bei Texas Tech College Football. Seit 2017 steht er in Diensten bei den Chiefs – sein Vertrag wurde anno 2020 bis 2032 verlängert – bis dahin könnte dieser ihm die Summe von 503 Mio Dollar einbringen. In seinem Abschlussjahr in der Highschool warf er für 4.619 Yards mit 50 Touch-downs und rannte für 948 Yards mit 15 Touchdowns. Doch war er auch im Baseball sehr erfolgreich: So warf er für die Whitehouse Highschool einen No Hitter mit 16 Strikeouts. In der Saison 2013/14 wurde er zum Maxprep-Athlet des Jahres gewählt. Auch bei den Quarterbacks gibt es eine Premiere: Erstmals stehen keine weissen, sondern zwei schwarze Quarterbacks im Finale.

Insgesamt werden acht Schiedsrichter das Spiel leiten – der „Referee“ (Hauptschiedsrichter) ist in diesem Jahr Carl Cheffers. Er wurde nach 2017 und 2021 zum bereits dritten Mal für den Super Bowl berufen. Vier weitere haben ebenfalls Finalerfahrung.

Nicht nur hierzulande melden sich viele am folgenden Montag nach dem Spiel krank – in den USA ist das nahezu gang und gebe (+6 % – viele erscheinen zwar zur Arbeit, sind jedoch nicht ansprechbar!). Und das verdrücken die Amerikaner vor, während und nach dem Spiel: 1,25 Milliarden Chicken Wings, 120 Millionen Liter Bier, 14.000 Tonnen Chips und 4.000 Tonnen Popcorn – mit anderem macht dies rund 10 Milliarden US-Dollar, die sich Herr und Frau Smith landesweit zum Highlight des Jahres gönnen. Übrigens machen die Pizza-Lieferdienste mit rund 11 Mio Pizzen rund ein Drittel ihres Jahresumsatzes an nur diesem einen Tag.

Etwas teurer geht’s im Stadion her. Während die Karten regulär in der NFL-Verlosung für 600,- Dollar erhältlich sind, kosten sie am zweiten Markt schon mal zwischen 5-6.000,- Dollar – die teuersten gar das Zehnfache.

Hoffen wir auf ein faires und spannendes Spiel!

Link:

www.nfl.com

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