Die Arktis – das geht uns alle an
Der Arktis kommt im internationalen Klimawandel eine ganz entschei-dende Bedeutung zu. Nicht nur, daß hier Milliarden Hektoliter Wasser als Eis gebunden sind, die bei einem Schmelzen den Meeresspiegel ganz ordentlich ansteigen lassen. Nein – es ist auch der Golfstrom, der vom arktischen Meer abhängt. Dieser befördert das warme Wasser aus den Tropen in Richtung Norden. Dort kühlt es sich ab und wird in tieferen Wasserschichten wieder in südlicher Richtung zurückgeführt. Von diesem Kreislauf hängt das komplette Klima Westeuropas aber auch der östlichen USA und Kanadas ab. Versagt der Strom, so wird dies entscheidende Auswirkungen auf das Leben beiderseits des Atlantiks haben. So gab es beispielsweise im Februar 2018 einige wirklich polarkalte Tage in Europa, während des nächtens im Norden Grönlands gar 6 Grad gemessen wurden – plus 6 Grad Celsius! Ein Szenario, das uns öfters drohen wird.
Die Arktis war zuletzt vor rund 3 Millionen Jahren eisfrei. Immer mehr Studien – wie etwa auch die bereits an dieser Stelle beschriebene Polarstern-Studie – weisen allerdings nach, daß die Temperaturen in der Arktis schneller steigen, als an anderen Orten des Globusses. Dies führt nicht nur zu einem sehr raschen Schmelzen der Gletscher, sondern auch der Polkappen und ihres Schelf- und Packeises,…, also des Eises im Wasser. Dieses jedoch hat das Sonnenlicht bislang wesentlich besser reflektiert als das dunkle Meerwasser. Dort, wo somit kein Eisschild mehr das Wasser schützt, wird auch mehr Infrarotstrahlung und damit Sonnen-energie aufgenommen. Aufgrund der Diffusion steigt damit die Wassertemperatur im Ganzen.
„Die Arktis erwärmt sich noch viel schneller als der Rest der Welt. Sie ist sozusagen das Epizentrum der globalen Erwärmung, mit Erwärmungsraten, die mindestens beim Doppelten des globalen Erwärmungswerts liegen.“
(Markus Rex, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung und Prof. an der Universität Potsdam)
Aber auch die UV-Strahlung spielt eine wichtige Rolle. So hat eine Studie von Lewis et al aufgezeigt, daß zwischen 1998 und 2018 der Phyto-planktongehalt im arktischen Meer um nicht weniger als 57 % zunahm. Ob dies nun positiv oder negativ zu bewerten ist, darüber scheiden sich noch die intellektuellen Geister.
Phytoplankton besteht vornehmlich aus Algen. Es steht am Beginn der Nahrungskette, da es neben Kleintieren auch den Fischen und Riesen der Ozeane, den Walen, als Nahrung dient. Man könnte alsdann davon ausgehen, daß bei einem Anstieg der Phytoplanktonkonzentration dies auch den höheren Tieren zugute käme. Zudem besitzen die meisten Algen Chlorophyll – sie verarbeiten somit im Rahmen der Photosynthese Kohlendioxid zu Sauerstoff. Ein enorm wichtiges Plus, schliesslich taut immer mehr des Permafrost-Bodens auf, wodurch grosse Mengen an Methan und CO2 freigesetzt werden. Messungen in mehr als 10 m Tiefe ergaben alleine in den Jahren von 2007 bis 2016 einen Tempera-turanstieg von durchschnittlich 0,3 Grad (in Sibirien gar um 1 Grad). Auch im Meer! Mehr Algen bedeutet somit ein Gegengewicht zum Treibhaus-effekt – zumindest für das harmlosere CO2. Auf das wesentlich aggres-sivere Methan hat dies leider keine Auswirkungen.
Im Rahmen der vorher beschriebenen Studie wurden die Forscher jedoch vornehmlich rund um das Jahr 2009 hellhörig. Es war ein kaltes und damit eigentlich gutes Jahr für das arktische Eis, das weitaus weniger dahinschmolz als in den Jahren zuvor und danach. Lewis jedoch stellte mit seiner Expertengruppe fest, dass das Wachstum des Phytoplankton auch weiterhin anhielt. Deshalb wurde der Schluss gezogen, daß nicht nur die Sonneneinstrahlung verantwortlich für diese Zunahme zeichnet, sondern auch andere Faktoren – etwa die Düngung. Wie auch im Garten ist für das Algenwachstum der im Wasser enthaltene Stickstoff wichtig. Woher nun stammt diese Düngung? Wird vermehrt durch Golfstrom bzw. den Nordpazifikstrom (bestehend aus Kuroshio und Oyashio bzw. dem Alaska- und Kalifornienstrom) Stickstoff in das Gebiet getrieben? Oder stammt dieser gar aus dem Meeresgrund des Arktischen Meeres? Phyto-plankton schwimmt normalerweise an der Wasseroberfläche. Allerdings gibt es bereits Bereiche, die einem Algennebel bzw. einer Algensuppe gleichkommen.
Nun zum negativen Effekt des Ganzen: Diese Algenteppiche absorbieren wesentlich mehr der kurzwelligen Sonnenstrahlung. Diese wird in lang-wellige Wärmestrahlung umgewandelt und an das Umgebungswasser abgegeben. Mehr Algen bedeutet alsdann auch ein wärmeres Wasser, wodurch noch mehr Eis schmilzt. Es ist also ein Teufelskreis.
Was für die Arktis gilt, trifft selbstverständlich auch für die Antarktis zu. In der satellitengestützten Studie von Rignot et al von der University of California (veröffentlicht 2019) wurde aufgezeigt, dass die Antarktis seit 2009 jährlich nahezu 252 Milliarden Tonnen Eis durch schmelzen verliert (in den 1980er Jahren waren es noch rund 40 Milliarden Tonnen pro Jahr). Sollte nun das komplette Eis der Antarktis schmelzen, bedeutet dies nach Berechnungen von Andrew Shepherd von der University of Leeds einen Anstieg des Meeresspiegels um 58 m.
„Einige der Veränderungen, mit denen die Antarktis konfrontiert ist, sind bereits irreversibel, wie der Verlust einiger Schelfeisgebiete. Aber es gibt vieles, was wir verhindern oder rückgängig machen können.“
(Martin Siegert, Imperial College London)
Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung führt den Temperaturanstieg in der Arktis auf Wettermuster zurück, die unmittelbar mit dem Klimawandel in Verbindung stehen. Das Institut zeigte auf, dass im März 2024 nur knapp 14,45 Millionen Quadratkilometer Eis in der Arktis bestanden. Dies ist rund eine Million weniger als im langjährigen Mittel. Die Eisausdehnung im Winter lag sogar noch niedriger als der Negativrekord im Jahr 2017. Vergleiche ergaben ein Schrumpfen der Eisdecke im Nordpolarmeer in der Grössenordnung von 2,75 % pro Jahrzehnt. Dies wirkt sich zudem auf den Polarjet aus. Dabei handelt es sich um einen Windkorridor in höheren atmosphärischen Lagen, der mit einigen hundert Stundenkilometern von West nach Ost bläst und gerade deshalb von vielen Fluglinien zum kerosinsparenden Fliegen verwendet wird. Verkleinert sich der Temperaturunterschied zwischen Süden und Norden, so führt dies zu grösseren Schleifen des Polarjets. Diese blasen wärmere Luft nach Norden, aber auch kältere nach Süden. Das erklärt so manchen Polarkälte-Einbruch in Europa, während es im Norden zu warm für die Bildung einer Eisdecke ist. Hat dieser Tauvorgang erstmal begonnen, ist er nurmehr sehr schwer aufzuhalten oder gar rückgängig zu machen.
Da bei all den zurückliegenden Klimakonferenzen keinerlei entscheidende Ergebnisse erzielt werden konnten, werden die Naturgewalten den Planeten wohl immer stärker in den Griff bekommen: Mehr Hurricanes und Taifune, mehr Überschwemmungen, mehr Schlamm- und Fels-lawinen. Der Meeresspiegel wird ansteigen. Auch auf der nördlichen Halbkugel wird es wärmer – das wiederum führt zu einem vermehrten Pflanzenwachstum. Mehr Sonnenlicht und damit Wärme werden absor-biert. Nachdem Golf- und Nordpazifikstrom versiegt sind, kommt es als logische Konsequenz zu einer Eisperiode in Europa, Asien und Nord-amerika, vergleichbar mit einer der Eiszeiten.
Die mehr als zaghaften Forschungen, v.a. aber deren finanzierbare Anwendungen, etwa in der Wasserstofftechnologie bzw. der Kohleaus-stieg Deutschlands erst im Jahr 2038 (in Österreich wurde mit dem Fernheizkraftwerk Mellach bereits 2020 das letzte Kohlekraftwerk vom Netz genommen!) zeigen jedoch auf, daß es den Entscheidungsträgern nur um unsere Generation geht, nicht um die nachfolgenden – ganz nach dem Motto: Hinter uns die Sintflut!
Filmtipps:
– Expedition in die Arktis – Dem Klimawandel auf der Spur; Planet Wissen; SWR Fernsehen 2019
Literatur:
.) Changes in Arctic sea ice result in increasing light transmittance and absorption; Nicolaus, M., C. Katlein, J. Maslanik, and S. Hendricks (2012); Geophysical Research Letters, 39(24), L24501, doi:10.1029/2012GL053738.
.) Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hrsg.: José Lozan et al; Hamburg 2006 (Auszug)
.) Das Meer – Wasser, Eis und Klima; Petra Demmler; Ulmer 2011
Links:
– www.awi.de
– www.meereisportal.de
– psl.noaa.gov/
– earthobservatory.nasa.gov/
– www.arctic.noaa.gov
– environment.leeds.ac.uk
– uci.edu