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Die tödliche Gefahr aus dem Wasserhahn

Im Juli 2012 sorgte eine Schlagzeile in München für einigen Aufruhr – und dies deutschlandweit! „Duschverbot im Münchner Olympiadorf“. Auslöser war eine Trinkwasseruntersuchung nach der Trinkwasserrichtlinie der EU (aktuell: Richtlinie (EU) 2020/2184 „Qualität von Wasser für den mensch-lichen Gebrauch“) bzw. der heutigen „Trinkwasserverordnung vom 20. Juni 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 159, S. 2)“ in der damaligen Version. In Öster-reich konnte ich auf die Schnelle in der noch gültigen „Trinkwasser-verordnung“ (BGBl. II Nr. 304/2001) keine entsprechenden Bestimmungen entdecken (sollte ich fehl gehen – bitte Mail an mich, dann wird dies sofort korrigiert!). Die mikrobiologischen Untersuchungen betreffen hier vornehmlich den Gehalt von Coli-Bakterien bzw. Enterokokken, Pseudo-monas aeruginosa sowie Clostridium perfringens, nicht jedoch Legio-nellen! In Deutschland muss das Trinkwasser in allen öffentlichen und gewerblich genutzten Gebäuden seit dem 01. November 2011 regelmässig auf den Gehalt etwaiger „kolonienbildender Legionellen“ hin unterschucht werden. Zu diesen Gebäuden zählen auch Mietshäuser.

Zurück in die Gegenwart: Zu Beginn des Jahres erkrankten im öster-reichischen Bundesland Vorarlberg fünf Menschen an den Erregern, drei davon mussten gar auf der Intensiv-Station behandelt werden. Alle fünf stammen aus dem Bezirk Bregenz, ansonsten besteht kein Zusammen-hang zwischen den Fällen. Im Spätsommer letzten Jahres wurden in drei Wohnanlagen im Hamburger Stadtteil Dulsberg besorgniserregende knapp 16.000 sogenannte koloniebildende Einheiten (KBE) je Milliliter (ml) Legionellen gemessen – der Grenzwert liegt bei maximal 100 KBE/100 ml! Das Problem sei seit 2019 bekannt, der Vermieter allerdings habe stets nur kurzfristige Massnahmen ergriffen (etwa sterile Filter für die Duschköpfe), heisst es. Auch in Schwanewede im Landkreis Osterholz in Niedersachsen läuft nach wie vor der Kampf gegen die Erreger in Sporthallen und Schulen.

Legionellen sind immer im Trinkwasser enthalten. Während sie im Magen abgetötet werden, können sie in einer gewissen Konzentration einge-atmet durchaus tödliche Folgewirkungen haben. Wasserdampf, eine Klimaanlage, ein Whirlpool oder Zimmerbrunnen (Einatmung als Aerosol) sind zumeist die auslösenden Faktoren. Auch im Olympischen Dorf in München wurde die durch die EU-Trinkwasserrichtlinie 98/83 vorge-gebene Grenze von 100 kolonienbildenden Einheiten in 100 Milliliter Trinkwasser überschritten – in 320 Haushalten des Olympischen Dorfes in München durfte damals die Dusche nicht mehr verwendet werden. Das sollte in Hamburg durch die Duschköpfe vermieden werden.

Die stäbchenförmigen Krankheitserreger lösen bei schwachem Immun-system die sog. „Legionellose“ aus. Sie kann zwei unterschiedliche Krankheitsbilder aufweisen:

– das an sich harmlose Pontiac-Fieber

– die Legionärskrankheit mit tödlicher Lungenentzündung

Im Jahr 2011 wurden am Robert-Koch-Institut nicht weniger als 639 Legionellose-Fälle gemeldet. Doch gerade das Pontiac-Fieber wird öfters als normale Influenza oder grippaler Infekt verkannt. Deshalb dürfte die Dunkelziffer noch weitaus höher liegen. Grund zur Panik besteht deshalb jedoch nicht – durch die regelmässigen Untersuchungen werden immer wieder solche Meldungen in die Medien kommen. Nicht etwa weil die Legionellen zunehmen, sondern vielmehr weil wesentlich mehr kontrolliert wird.

Das heimische Trinkwasser unterliegt grösstmöglichen Reinheits-kontrollen. Es ist wahrscheinlich jene Flüssigkeit, die am meisten auf ihre Qualität hin überprüft wird. Trotzdem kann ein Krankheitserreger niemals völlig ausgeschaltet werden: Die Legionella pneumophila. Das Wasser fliesst in den Trinkwasserleitungen mit einer Temperatur von nur +8 Grad Celsius. Der Erreger vermehrt sich allerdings nicht oder nur sehr langsam unter einer Temperatur von +20 Grad. Damit sind Durch-lauferhitzer und Boiler die wirklichen Brutstätten der Legionellen. Nur die Erhitzung auf über +60 Grad lässt die Keime nach einigen Minuten absterben (bei +71 Grad innerhalb von 3 Minuten). Die Bakterien lagern sich in Form von Biofilmen in Rohren, Wasserhähnen und auch Dusch-köpfen an. Bei +36 Grad fühlen sie sich am wohlsten.

Die Legionärskrankheit wurde erstmals 1976 im Bellevue Stanfort-Hotel in Philadelphia diagnostiziert, als amerikanische Kriegsveteranen während eines Kongresses nach dem Duschen daran erkrankten. 180 von 4.400 Delegierten hatten sich infiziert, bei 29 verlief dies tödlich. Die erste bekannte Legionellen-Epidemie in Deutschland wurde 2010 im Raum von Ulm bekannt: 64 Infizierte und 5 Todesopfer. Gerade bei älteren Menschen, die über ein nicht mehr dermassen starkes Immun-system verfügen, können die Erreger zu Lungenentzündungen und Nervenversagen führen. Die Sterblichkeit liegt bei 10 bis 20 % und wird damit als „erheblich“ eingestuft.

Die Prüfungen nach der Trinkwasserrichtlinie müssen jährlich von akkreditierten Probenehmern durchgeführt werden. Dabei werden 250 Milliliter Wasser in eine zuvor sterilisierte Kunststoffflasche gefüllt. Zuvor wird die Wasserquelle mit 70 %-igem Ethanol gereinigt und nach der Einwirkzeit auf höchster Wassertemperatur für einige Minuten laufen gelassen. Erst dann erfolgt die Probenentnahme. Innerhab von 12 Stunden wird die Analyse der Probe vorgenommen. Dies gleich in drei-facher Hinsicht: Zwei natürliche Proben auf Nährboden in Petrischalen und einmal als Kontrollprobe. Hier wird das Wasser durch eine Filter-membran, Druck und chemischen Zusätzen insofern zerlegt, dass nurmehr die Legionellen übrig bleiben. Nach einer Woche bei 36 Grad Celsius haben sich in den meisten Fällen Kolonien aus einem Bakterium gebildet. Liegen diese im Rahmen des Erlaubten, ist dies gut so. Ansonsten muss das gesamte Leitungssystem des entsprechenden Gebäudes kurzfristig mit über 70 Grad heissem Wasser gespült werden. Betroffen davon sind „Speicher-Trinkwassererwärmer oder zentrale Durchfluss-Trinkwassererwärmer von mehr als 400 Liter und/oder drei Liter in jeder Rohrleitung zwischen dem Abgang des Trinkwasser-erwärmers und der Entnahmestelle“. Wird diese Regelung vernachlässigt, drohen hohe Strafen und im Ernstfall zivilrechtliche Schadensersatz-klagen.

Legionellen sind stäbchenförmige Bakterien, die zur Familie der Legionellaceae zählen. Geisseln (subpolare Flagellen) ermöglichen die Beweglichkeit der Erreger. Derzeit sind 48 Arten und 70 Serogruppen bekannt, die sowohl im Süss- als auch im Salzwasser vorkommen. Die Legionella pneumophila kann auch die lebensgefährliche Legionärskrank-heit auslösen. Sie äussert sich mit folgenden Verlaufserscheinungen: Unwohlsein, plötzlich auftretendes hohes Fieber, Kopf-, Brust- und Gliederschmerzen, Husten, Durchfall und Verwirrtheit. Einher geht eine Lungenentzündung und schliesslich ein Organversagen. Die Inkubations-zeit beläuft sich auf 2-10 Tage. 15 bis 20 % der Infektionen verlaufen tödlich. Schätzungen gehen davon aus, dass jährlich in Deutschland 500 bis 2.000 Menschen auf diese Weise sterben – oftmals bleibt die eigentliche Ursache, die Legionellose dabei unerkannt. Das Pontiac-Fieber hingegen verläuft ebenfalls fiebrig und grippeähnlich, klingt jedoch nach nur wenigen Tagen wieder ab. Rund 100.000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich daran.

Sich vor diesen Legionellen zu schützen ist sehr schwer. So sollte Trinkwasser immer kalt gehalten werden. Brauchwasser (zum Duschen etwa) sollte auf mindestens 60 Grad aufgeheizt werden (Rücklauf-temperatur mindestens 55 Grad). Gerade bei Geothermen (also Anlagen, die über Erdwärme heizen) bzw. Wärmepumpen sollte der Boiler regel-mässig auf über 60 Grad erhitzt werden (Strom). Nachteil: Raschere Verkalkung des Leitungssystems! Auch der Einsatz von Ultrafiltrations-Membranen wäre sehr förderlich – sie filtern die Legionellen aus. Die Bestrahlung mit ultraviolettem Licht (Aachener Konzept) schafft zudem Abhilfe. Daneben kann eine chemische Dauer- (geringe Konzentration) oder Stossdesinfektion (mit beispielsweise Wasserstoffperoxid) von Chemikalien in hoher Konzentration durchgeführt werden. Danach muss eine Spülung erfolgen. Recht neu ist auch die Membranzellenelektrolyse. Dabei wird durch elektrochemische Aktivierung Natriumhypochlorit erzeugt. Chemische Massnahmen sind jedoch immer mit hoher Genauigkeit und nach DIN-Vorschriften durchzuführen. So verbietet etwa die Trinkwasserverordnung eine prophylaktische Desinfektion mit Chemikalien. Zuguterletzt sei hier noch das Anstandsgewirke erwähnt. Durch die Anbringung spezieller silberhaltiger Textilien in wasser-führenden Systemen werden Metallionen in Mikroorganismen übertragen, die ein Anhaften eines Biofilmes und damit eine Kolonienbildung verhindern.

Trinkwasser ist in unseren Breitengraden der wichtigste Schatz. Unter Berücksichtigung auch nur kleinerer Massnahmen ist es auch die gesündeste Flüssigkeit, die wir zu uns nehmen können. Zudem noch kalorienarm bzw. gar -frei. Der Mensch kann mehrere Tage ohne Nahrung überleben – jedoch nur kurz ohne Flüssigkeit!

Lesetipps:

.) Legionellen in Trinkwasser-Installationen Gefährdungsanalyse und Sanierung; Arnd Bürschgens; DIN E.V. 2024

.) Legionellenprävention in Trinkwasser-Erwärmung; Fünfgeld Liv; VDM 2013

.) Legionellenrisiken in Verdunstungskühlanlagen und Kühltürmen Ursachen und Vermeidung; Christoph Sinder/Meinolf Gringel ua.; DIN Media Praxis 2019

.) Legionella: Infections and Pathology; Charlotte Ortiz; States Academic Press 2022

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