Archive for Dezember, 2024

In eigener Sache

Woche für Woche klickt sich eine erfreulich hohe Zahl von interessierten Usern auf diese Seite. Dies erfüllt mich in zweifacher Hinsicht mit Freude und Stolz.

Einerseits wird damit die Themenauswahl honoriert. Dies war auch der ausschlaggebende Grund dafür, dieses Projekt ins Leben zu rufen: Probleme aufzuzeigen, die existent sind; den Nabel der Zeit zu treffen; Themen aufzugreifen, die von Medien nicht in gebührendem Ausmass gewürdigt werden und Diskussionen hierüber in Schwung zu bringen.

Andererseits haben viele Journalistenkollegen dem Blog keine grossen Chancen eingestanden. Zu viel Text, zu langatmig, zu ausführlich. Die Themen sollten knackiger auf den Punkt gebracht werden. Dies jedoch war niemals angedacht. Die Inhalte sind gut recherchiert und sollen alle Lesergruppen ansprechen – auch wenn es sich – wie etwa beim Atom-strom, dem Bohrinsel-Unglück oder der Putzchemie – um schweren Stoff handelt. Dies gibt es ansonsten im Berufsjournalismus nicht mehr. Hier zählt der Spruch „Zeit ist Geld!“ – dementsprechend lesen sich auch die Artikel, hören sich die Beiträge an und sind die Features anzusehen. Ich hingegen liebe das Spiel mit der Sprache. Schade, dass sich im täglichen Gebrauch der Wortschatz immer mehr einschränkt und Sätze nurmehr internettauglich, kurz und bündig formuliert werden. Doch verirren sich immer mehr Redakteure zur Themenfindung auf diese meine URL – das wiederum freut mich sehr. Die Zugriffszahlen bestätigen auch meine Annahme, dass diese Art des Schreibens, dieser schon mal da gewesene aber längst wieder verlorengegangene Journalismus, fehlt. Content-Spitzenbewertungen liefern für mich noch zusätzlichen Anreiz.

Apropos Zugriffszahlen: Die meisten Zugriffe verzeichneten wir in diesem Jahr beim Beitrag zur Traumdeutung, gefolgt von der Kinder- und Jugendkriminalität und der Schweinepest.

Doch genug der Worte! Ich möchte mich bei Ihnen in aller Form für Ihr Interesse und Ihre Treue bedanken. Tragen Sie bitte auch weiterhin die Probleme, die in diesem Blog angesprochen werden, nach aussen. Regen Sie Diskussionen an! Es ist meist immer nur ein kleiner Stein, der eine ganze Lawine ins Rollen bringt. Und: Probleme haben wir zuhauf! Lösungen müssen gesucht werden, da es ansonsten sehr rasch zu spät sein könnte!

Für die kommenden Tage sollte aber „Abschalten“ das Motto sein. Denn es gibt Menschen, Beziehungen und Kinder, die im täglichen Arbeits-kampf zu kurz kommen.

Deshalb wünsche ich Ihnen ein ruhiges, besinnliches Weihnachtsfest im Kreise derer, die Ihre Zuneigung verdienen, und einen guten Rutsch in ein menschliches, v.a. aber gesundes Jahr 2025!!!

Den nächsten Blog gibt es am 04. Januar im neuen Jahr!

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Die gekaufte Weihnacht‘

Nachdem ich in den letzten Jahren immer wieder zu Weihnachten alte Bräuche habe hochleben lassen, möchte ich heuer das Fest der Feste von einer anderen Seite betrachten – als Fest des rollenden Rubels, des schnöden Mammons, das weit an den Vorstellungen des Christentums vorbeigeht (soweit zu den christlichen Werten!!!)! Auf die Idee brachte mich ein Beitrag über den „Frankfurt Christmas Market in Birmingham“. Die Briten sind ganz hin und weg von diesem Weihnachtszauber – nach Dienstschluss wandern sie in Massen auf den German Market. Einige Preise, die aber dann doch einschlagen wie ein Meteorit: Eine Hofbräu-Hoibe (Pint) £7,00, eine Tasse Glühwein £6,50, ein Frankfurter Würstchen (ein Hot Dog) £5,50 – das ist happig! Den Markt gibt es übrigens seit 1997 – im letzten Jahr pilgerten rund 5 Mio Menschen zu dem Markt (7.100 Jobs). Birmingham hat 1,15 Mio Einwohner!

Doch geht es auch anders – beispielsweise beim Weihnachtszauber am Karer See in Südtirol. Ein kleiner Christkindles-Markt, vollständig natur-belassen inmitten einer herrlichen Landschaft mit durchwegs regionalen Anbietern und Produkten. Ein richtiggehendes: „Zurück zum Ursprung“! Ohne Dauerbedröhnung mit Mariah Carey’s „All I want for Christmas is you“ oder Elvis Presleys „Blue Christmas“, ohne Waren Made in Fernost und ohne täglichem Glühweinbesäufnis. Heuer findet er zum Bedauern vieler leider nicht statt! Oder auch beim „Weihnachtshimmel“ in der Ravennaschlucht im Hochschwarzwald.

Weihnachten ist sinngemäss ein Fest der Freude, schliesslich wurde in Bethlehem das kleine Christuskind geboren. In einem Stall unter mehr als ärmlichen Verhältnissen. Die Geschenke brachten erst später die drei Könige aus dem Morgenland: Gold, Myrrhe und Weihrauch! Wie es auch heute noch beispielsweise in Spanien der Brauch ist. So steht es seit nahezu zwei Jahrtausenden geschrieben. Die neueste Playstation, das I-Phone 22.427 oder der 2342k-Diamantring finden im Heiligen Buch von heute keine Erwähnung. Klar – kleine Geschenke erhalten die Freund-schaft. Doch: Muss ich mich tatsächlich jedes Jahr finanziell dermassen verausgaben um diese Freundschaften zu pflegen? Umfragen besagen, dass heuer jede(r) Österreicher/-in 386,- € für Weihnachtsgeschenke ausgibt (HV-Consumer-Checks), die Eidgenossen 373,- CHF (GFK), die Deutschen 533,20 € (Weihnachtsstudie der FOM-Hochschule) pro Kopf. Allerdings sollte nicht unerwähnt bleiben, dass nach dem Sankt Martins-Report 2024 des IHaM 180.000 Haushalte in “Öster-Reich“ keinen finanziellen Spielraum für Weihnachtsgeschenke haben: Hohe Energie-kosten, Preistreiberei bei Gütern des täglichen Bedarfs, Inflation, … An der Spitze derartiger Listen waren bislang auch die Briten zu finden, die nach wie vor an den Folgen des Brexits zu leiden haben. Die 2022 verstorbene Queen Elizabeth II. verschenkte 2020 noch Geschenke für 33.000,- € – an allerdings 620 Personen.

Lieber Herr Gesangsverein – da muss ein Kartoffelbauer aber viele Erd-früchtchen für ernten, um diese Summe zu erhalten. Hinzu kommen die zusätzlichen Annehmlichkeiten, die man sich nun mal zu dieser Zeit des Jahres gönnt: Die Fahrt in’s Elternhaus, das gute Essen und Trinken und der eine oder andere Besuch des Christkindles-Marktes.

Apropos – der wohl bekannteste Christkindlesmarkt in Nürnberg lockt pro Tag rund 150 Reisebusse und insgesamt 2,5 Millionen Menschen aus allen Teilen der Welt an. Neben den vielen Besonderheiten und Wundersamkeiten wurden auch in diesem Jahr spezielle Erlebniswege präsentiert: „Nürnberger“, „Kreative“, „Die Region“, „Guter Zweck“, „Veganes“ und „Die Lizenzprodukte“. Daneben gibt es natürlich auch heuer wieder das historische Weihnachtspostamt und nicht zuletzt die Rundfahrten mit der historischen Postkutsche (um den Markt!). Die Nürnberg-Info beschreibt das Aussergewöhnliche mit folgenden Worten:

„Es ist seine einzigartige Atmosphäre, die sich in Worten nur schwer beschreiben lässt. Das ‚Städtlein aus Holz und Tuch‘ auf dem Hauptmarkt, direkt im Herzen der Altstadt, muss man erlebt haben. Eingebettet zwischen Schönem Brunnen und Frauenkirche bietet die Budenstadt ein Flair, dass individuell betrachtet, wirklich seines-gleichen sucht.“

Aaaah ja! Da fährt der Besucher über hunderte von Kilometer, um sich alsdann vor der ersten Bude stehend von den Massen durch den Markt schieben zu lassen. Mit viel Glück steht dann auch das Christkindle oben am Balkon und es konnte im Vorbeifluss noch eine Tasse Glühwein oder Punsch ergattert werden. Ein Foto – nein das geht bei diesem Gedränge und Geschubse nicht. Und die leere Tasse zurückgeben, unmöglich, schliesslich wartet der Bus! Nach jeder Runde erkämpft sich der Besucher einen Platz in einer Reihe weiter aussen, sodass er sich nach sieben bis achten Runden dem Sog entziehen kann und endlich wieder freikommt aus dem Getümmel. Deshalb ein heisser Tipp für diese grossen Märkte: Planen Sie Ihren Abstecher für die Abendstunden ein, wenn die Busse bereits wieder auf der Fahrt zurück sind. Der Nürnberger Christkindles-Markt eröffnet jedes Jahr am Freitag vor dem 1. Advent. Weltbekannt ist der Prolog des Christkindles:

„Ihr Herrn und Fraun, die ihr einst Kinder wart, Ihr Kleinen, am Beginn der Lebensfahrt, ein jeder, der sich heute freut und morgen wieder plagt: Hört alle zu, was Euch das Christkind sagt!“

Der Markt findet erstmals im Jahre 1628 auf einer Spanschachtel aus Nadel-Holz Erwähnung. 165 Buden lassen so manchen in’s Schwärmen geraten. Dabei stimmt natürlich auch die Kasse! Reden wir kurz Tacheles? Jeder Tagesbesucher gibt im Schnitt 33,-, der Übernachtungsgast 200,- € aus, der Umsatz- und Kaufkraftzufluss beläuft sich auf rund 180 Mio Euro, der sog. Einkommenseffekt liegt bei zirka 58 Mio Euro (Zahlen: Presse- und Informationsamt der Stadt Nürnberg). Somit also ein durchaus gewichtiger Imagefaktor für das Standort-Marketing!!! Ach ja – hinzu kommen zudem noch die unzähligen Knöllchen der Polizei: Falsch-parken, Trunkenheit am Steuer,… 2019 bestand das Produkt-Angebot zu 26 % aus Weihnachtsartikeln, 22 % weihnachtlichen Back- und Süßwaren, 6 % Spielzeug, 24 % handwerklichen Erzeugnisse, Bücher etc. und zu 21 % aus Speisen und Getränken. Angeblich alles aus der Region – heuer gar mit besonderem Vermerk auf Nachhaltigkeit und Bio – Einweggeschirr ist seit Jahren nicht mehr zugelassen, die Glühweintassen weisen keine Jahreszahlen mehr auf, sodass sie auch kommendes Jahr wieder verwendet werden können!

Und wenn es schneit oder kalt ist, dann wird auch viel Glühwein getrunken – und das ist wahrhaft ein Millionengeschäft: 64 % der Weih-nachtsmarkt-Besucher Deutschlands geben an, das eine oder andere Tässchen geschlürft zu haben. 50 Millionen Liter gehen jedes Jahr im Advent über den Tresen – alleine 10 Mio vom Marktführer Gerstacker aus Nürnberg. Heuer kostet die Tasse des begehrten Heissgetränkes in Nürnberg 4,50 € (auf dem grössten Weihnachtsmarkt Deutschlands, am Kölner Heumarkt 5,- €, in München gar bis zu 6,50)!

Im wohl schönsten Christkindlmarkt Österreichs, in Salzburg Stadt/St. Peter, zahlte man bereits 2008 3,40 € für die 0,2 Liter, heuer sind es 4,50. Jährlich strömen bis zu 1 Mio Menschen vor-nehmlich auf den Salzburger Dom- und Residenzplatz, um sich diesen Weihnachtstraum nicht entgehen zu lassen. 97 Christkindl-Hütten und rund 400 Beschäftigte sorgen dabei für eine Wertschöpfung von nicht weniger als 60 Mio € (inklusive der auch rund 230.000 Übernachtungen zu dieser Zeit). Ob die Verantwortlichen dermassen an den Umsatz gedacht haben, als der Markt angeblich 1491 seine Tore erstmals öffnete??? Kultur- und Brauchtumsveranstaltungen wie etwa Chorkonzerte, Turmbläser oder Krampus- und Perchtenläufe sorgen zudem für die Pflege des Brauch-tums – oder ist dies nur für die auswärtigen Besucher gedacht??? Auch in der Mozartstadt wird die regionale Handwerksqualität als wichtigstes Qualitätszeichen gesehen.

„Der Salzburger Christkindlmarkt am Dom- und Residenzplatz ist für die Stadt Salzburg ein weltweiter Sympathieträger. Vor allem die hochwertige Handwerkskunst ist bei den heimischen und inter-nationalen Gästen sehr begehrt.“

(DI Harald Preuner, Ex-Bürgermeister der Stadt Salzburg)

Der US-amerikanische TV-Sender CNN nennt Salzburg in einer Reihe mit New York, Barcelona, Rovaniemi, Honululu und Reykjavik bei den vor-weihnachtlichen Destinationen.

Der Glühwein ist erstmals übrigens beschrieben in einem 2000 Jahre alten Rezeptbuch der Römer. Offenbar sehr beliebt, wurde er neben den bekannten Gewürzen mit Honig gesüsst. Daneben waren auch Lorbeer-blätter, Koriander und Thymian enthalten (Rezept nach einem Kochbuch von Marcus Gaviius Apicius – 1. Jhdt. n. Chr.). Dieser Gewürzwein wurde allerdings zumeist kalt getrunken. Vorsicht übrigens ist mit sehr süssen seiner Sorte geboten – mit dem Zucker wird häufig über die schlechte Qualität des Weines hinwegkaschiert. Das sorgt für den schweren Kopf am nächsten Morgen und das eine oder andere Pfund mehr auf den weihnachtlichen Hüften.

Beim grössten schweizerischen Weihnachts- und Christchindli-Märt in Bremgarten sorgen jedes Jahr mehr als 320 Marktstände dafür, dass jeder Wunsch erfüllt wird. Wenn auch – wie in der Schweiz ohnehin üblich – wesentlich exklusiver als an anderen Orten.

„Öffnen Sie sich dem Charme Bremgartens und seines Weihnachts-marktes, sehen Sie sich um, entdecken Sie Neues und freuen Sie sich ab dem Altbewährten. Vergessen Sie den Glühwein nicht, denn dieser rundet die Palette an Feinem und Feinstem – herrlich wärmend – ab.“

(Stadtammann Raymond Tellenbach)

Auch hier wird mit der regionalen Handwerkskunst geworben – doch begleiten zudem viele Kulturveranstaltungen das weihnachtliche Markt-treiben (interessant ist, dass hier von Kultur und nicht unmittelbar vom Brauchtum die Rede ist!). Jedoch unterscheidet sich dieser Markt auch ansonsten von seinen Kolleginnen und Kollegen auf dieser Welt: Er findet nur in den ersten vier Tagen des Dezembers statt. Während die vielen anderen inzwischen meist sogar bis nach dem heiligen Fest andauern. Über 100.000 Menschen besuchten auch heuer wieder den Märt – über 5.000 Liter Glühwein verkauft – zum Preis schweigt sich der Schweizer aus. Schliesslich kommen die Einnahmen den Vereinen zugute. Im Vergleich dazu: In Zürich werden pro Tag 2.500 Liter verkauft – die Tasse bis zu 7,- CHF (umgerechnet 7,51 €) – viele Marktbesucher haben sich auch heuer über die horrenden Preise beschwert. Fakt aber ist, dass das Handwerk schon sehr bald vom Markt in Bremgarten verschwunden sein wird, da die Standpreise zuletzt eklatant erhöht wurden. Na ja – wird der deutsche Familienvater eben in der Schweiz tief in die Geldtasche greifen, wenn er dort Produkte kauft, die er zuhause günstiger bekommen hätte, da: Made in Germany!

Nicht, dass Sie mich nun falsch verstehen – es ist etwas tolles, nach der Arbeit mit den Arbeitskolleginnen und -kollegen auf eine Tasse Glühwein zu gehen oder mit der Familie den Turmbläsern zu lauschen. Doch tendieren immer mehr Märkte zum Umsatz-Grössenwahn.

Der schönste europäische Weihnachtsmarkt übrigens ist der Weihnachts-markt im Park Zrinjevac in Zagreb, gefolgt vom Christkindlmarkt in Strassburg (urlaubsguru.de). Reisereporter.de wählten den Budapester Weihnachtsmarkt zur Nummer 1, gefolgt vom rumänischen Craiova. Unter den ersten Zehn kein deutscher oder österreichischer Markt! Zu den am meisten besuchten Märkten zählt auch das „Winter Wonderland“ im Londoner Hyde-Park. Glaubt man den Rechenkünsten des Portals posterXXL, so sorgen 2,5 Mio Besucher pro Jahr für 15,8 Mio Einträge auf Instagram seit seiner Premiere 2005. Deutschlands Spitzenreiter, der „Striezelmarkt“ in Dresden findet sich in dieser Auflistung nur auf Platz sieben (trotz 3 Mio Besucher pro Jahr).

Insgesamt besuchen zwischen Flensburg und Berchtesgaden rund 160 Millionen Menschen die Weihnachts- und Christkindles-Märkte und sorgen für Gesamteinnahmen von nicht weniger als 2,9 Milliarden Euro (Angaben: ift Freizeit- und Tourismusberatung GmbH). Im Vergleich dazu sind es im Alpenstaat jeweils rund 10 % der deutschen Zahlen. Dennoch – eine millionenschwere Geselligkeit! Und es kommt noch viel schlimmer: Nach einer repräsentativen Umfrage der Marktforscher von GfK in Nürnberg feiern 17,6 % der Befragten Weihnachten nurmehr zuliebe der Kinder und Enkel. 71,6 % sind der Meinung, das Weihnachtsfest habe seine religiöse Bedeutung verloren. Stellt sich mir die Frage: Weshalb tun so wenige etwas dagegen? Lasst alte Bräuche auch zuhause wieder aufleben, lest mit den Kindern aus der Bibel, singt Adventslieder, … In dieser Studie im Auftrag der „Apotheken Umschau“ wurden 1015 Personen (älter als 14) befragt

Deshalb hier noch etwas Geschichte. Ebenso wie der Adventskranz und der Christbaum ist auch das Christkind eine evangelische Erfindung. 1545 liess erstmals der Reformator Martin Luther seine Kinder vom Christkind beschenken. Zuvor war es der Heilige Nikolaus. Freuten sich die Kinder damaliger Zeiten noch über Bratäpfel, Nüsse und Mandeln, über Plätzchen (Kekse) und Weihnachtsstollen oder Früchtebrot, so müssen es heute grosse und immer teurere Geschenke sein. Bescheidenheit und Demut? Wohl fehl am Platz. Stand früher der feierlich geschmückte Christbaum und das Essen mit der ganzen Familie im Mittelpunkt, so ist es heute die Bescherung und das Auspacken, das Ausprobieren und Vergleichen der Geschenke. Für viele bleibt gar nicht mal mehr die Zeit, sich auf das anschliessende Essen im Kreise der ganzen Familie zu konzentrieren. Weihnacht‘, wie es früher mal war – nun ja, das wird offenbar nurmehr dort gefeiert, wo man dem Christentum nicht viel Wert zollt: In den Staaten der Dritten Welt! Gibt es dort etwa die besseren Christen als in unseren Breiten, wo die weihnachtliche Andacht und der Advent, der früher zudem Fastenzeit war, der Geschenke- und Geschäftemacherei gewichen ist??? Lebkuchen oder sonstige Weihnachts-bäckerei interessiert zu Weihnachten niemanden mehr, gibt’s das doch bereits ab September im Supermarkt zu kaufen. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, als die ersten selbstgebackenen Kekse am Heiligen Abend ausgegeben wurden. Ein besonderer Höhepunkt neben dem Klingeln des Glöckleins durch das Christkind. Aus der andächtigsten, der stillsten Zeit des Jahres ist die hektischste Zeit des Jahres geworden. Und die meiste Last wird dabei auf den Müttern abgeladen: Hausputz, Backen, Geschenke besorgen und schliesslich stundenlang in der Küche stehen und kochen. Die Väter hingegen haben sich einmal mehr hemmungslos dem Lux-Wettkampf mit dem Nachbarn ergeben. Früher war es die Kerze im Küchenfenster – heute kilometerlange LED-Ketten. Und das mit dem Christbaum – dermassen beladen, dass vom Baum selbst nichts mehr zu sehen ist. Dafür wurde er abgehackt! Alsdann war da noch ein Song, der als Ohrwurm über knapp einen Monat allerorts zu hören ist: „Last Christmas, I gave you my heart, but the very next day, you gave it away“ – von George Michael und Andrew Ridgeley eigentlich für Ostern geschrieben. Wie wär’s denn mit etwas Ehrlichem, wie „Es wird scho glei dumper, es wird scho glei Nacht“ oder anderem aus unserer immer wieder dermassen hochgehaltenen Wertegesellschaft???

Ich dachte immer, hinter dem Geist der Weihnacht‘ steckt etwas anderes: Liebe, Besinnlickeit und die Gemeinschaft der Familie! Wäre es da nicht sinnvoller, diese Feierlichkeiten um des Feierns willen wieder auf den Jahreswechsel oder gar auf Dreikönig zu verschieben – so wie es in früheren Zeiten war, damit für den ursprünglichen Sinn von Weihnachten etwas mehr Platz bleibt???!!!

PS:

†Klar – auch ich war mal Kind und freute mich zu Weihnachten vor allem auf die Geschenke. Doch war mir nicht bewusst, dass sich dafür meine Eltern abschuften mussten! Bringt ja eh das Christkind! Hier liegt meines Erachtens das Übel heutiger Zeit – in der Erziehung! Nicht in der uner-schöpflichen Umsatzgier der Konzerne, die diesen Umstand nur aus-nutzen. Zeit füreinander zu haben ist doch viel wertvoller als jedes noch so teure Geschenk. Viele Kinder wünschen sich dies auch: Mama und Papa sollten mehr Zeit für sie haben!

Links:

www.thebfcm.co.uk

eggental.com/weihnachtszauber

www.hochschwarzwald.de/veranstaltungen-hochschwarzwald/weihnachtsmarkt-ravennaschlucht#weihnachtshimmel

www.christkindlesmarkt.de

christkindlmarkt.co.at

www.weihnachtsmarkt.ch/

hydeparkwinterwonderland.com

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Abzocke bei der ASFINAG?

Normalerweise schreibe ich nicht über derartige Dinge, da mir die weiteren Umstände zumeist nicht bekannt sind und viele Autofahrer aus eigenem Verschulden in eine solche Situation geraten. Doch dieses Mal erfuhr ich es am eigenen Leib und war unschuldig! Deshalb möchte ich Ihnen diese Geschichte nicht vorenthalten.

Am 27. November dieses Jahres weilte ich geschäftlich in Tirol. Auf der Hinfahrt beglich ich die Maut für den Arlbergtunnel in Münzen. Die Kassiererin meinte erfreut: “Endlich mal jemand, der in Münzen bezahlt!”

Ich merkte mir das und hatte die Münzen bereits abgezählt, bevor ich bei der Rückfahrt zur Mautstelle kam. Von Tirol aus gesehen gibt es fünf Fahrspuren. Die äusserst rechte war für den LKW-Verkehr freigegeben, die zweite von rechts für den PKW-Verkehr. Also fuhr ich auf diese zu. Rund 50 Meter vor der Mautstelle kam mir ein Mann in gelber Schutzjacke entgegen. Wild mit den Armen gestikulierend und – von ihm aus gesehen – vehement nach rechts zeigend. Ich reagierte rasch – die beiden nächsten Mautkassen waren nicht besetzt. Also nutzte ich die grüne Spur. Der mir nachfolgende LKW, der ebenfalls angesichts dieser Szene stehen geblieben ist, quittierte die Szene mit einem langen Hupen.

Ich dachte mir, dass es vielleicht Computerprobleme oder dergleichen gebe, da der Arlbergtunnel einige Tage zuvor erst wieder nach langer Umbauphase geöffnet wurde. Die Münzen behielt ich in der Hand – möglicherweise würde auf Vorarlberger Seite (Langen am Arlberg) kassiert. Dem war aber nicht so.

Dieser Tage nun erhielt ich einen Einschreibebrief von der ASFINAG (für alle nicht-österreichischen Leser dieses Blogs: Die Autobahngesellschaft, die ebenfalls für viele Autobahntunnels zuständig ist). Eine Rechnung und gleichzeitige Zahlungsaufforderung für eine Ersatzmaut über 100,- € (plus 20 % MwSt.). Zahlbar innerhalb vier Wochen nach Ausstellung, ansonsten würde bei der BH Landeck ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet.

Da das Schreiben kein Bescheid ist, kann dagegen auch nicht berufen werden. Zudem wüsste ich aufgrund meiner Ausbildung, dass eine Berufung gegen einen Bescheid auch keine aufschiebende Wirkung hätte. Soll heissen: Bezahlen – alles andere kann danach geregelt werden. In den meisten Fällen jedoch erfolglos!

Hoppla – mir zog’s den Boden unter den Füssen weg, schliesslich war ich mir keiner Schuld bewusst. Gottlob hatte ich noch am 27. November eine Gegendarstellung geschrieben, ansonsten wäre mir das alles nicht mehr in Erinnerung geblieben. Diese schickte ich am Samstag nach Erhalt des Schreibens an die ASFINAG.

Leider hatte ich mein Handy nicht griffbereit – während des Autofahrens ist dies bei mir tabu. In diesem Falle hätte ich dies mittels Fotos dokumentieren können, dabei allerdings aus meiner Sicht gegen geltendes Gesetz verstossen (Recht am eigenen Bild, Vorteilsnahme, …).

Mir stellen sich nun folgende Fragen: Welche der beiden anderen Kassen hätte ich wählen sollen – waren beide nicht besetzt! Steckt hinter dem Ganzen vielleicht ein System? Abzocke? Erhält der Mitarbeiter mög-licherweise gar eine Provision? Oder war es ein Irrer, der sich als ASFINAG-Mitarbeiter ausgab? Doch denke ich, letzteres kann ausge-schlossen werden, da in diesem Bereich der Autobahn eigentlich keine Unbefugten zu Fuss unterwegs sein dürfen! Schliesslich kam er direkt aus der PKW-Spur auf mich zu.

Ich muss zugeben: Fühle mich sehr verar…! Ein teurer Spass – das Zehn-fache der Maut, obgleich ich zahlungswillig war! Eine Antwort der Auto-bahngesellschaft ist freilich noch ausständig. Jedoch möchte ich dies der Öffentlichkeit nicht vorenthalten – dieser Blog ist – wenn erforderlich – nur der Anfang dafür!

Allerdings hätte ich einen Tipp an Sie: Sollten Sie jemals in eine derartige Lage kommen – bleiben Sie besser stehen und klären eine solch‘ abstruse Situation vorort (andererseits ist dies auf der Autobahn bzw. an einer Mautstation auch nicht empfehlenswert!), bevor Sie irgend eine grüne Spur benutzen!

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Mercosur – Erneute Pleite für heimische Produzenten?

Ein Handelsabkommen jagt das andere – bei den meisten auf Kosten der heimischen Produzenten. Doch zumeist interessiert dies die Verhandler nicht – sie haben nur das Dollar-Zeichen in den Augen, wenn es um Exportmöglichkeiten geht. Erst bei der Ratifizierung durch die nationalen Parlamente kann dieser eine Moment des kurzen Überlegens einsetzen, sofern derartige Abkommen abgelehnt werden. Oftmals allerdings ist den Volksvertretern gar nicht bewusst, über was sie da abstimmen. Schliess-lich gilt der Fraktionszwang! Zudem bedarf es eines Master-Titels in Volkswirtschaft, v.a. aber in Wirtschaftsenglisch um derartige Werke überhaupt lesen zu können. Oder – man darf sie gar nicht lesen – wie im gottlob nicht zustande gekommenen Handelsabkommen TTIP mit den USA!

JEFTA – das Handelsabkommen mit Japan trat am 01. Februar 2019 in Kraft, CETA – das Handelsabkommen mit Kanada am 21. September 2017 – Langzeitauswirkungen sind somit noch nicht ausmachbar. TTIP – die „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ wurde 2019 durch die EU als „obsolet und nicht mehr relevant“ erklärt. Vorsehung? Schliesslich ist Donald Trump einer jener, der sich nicht an Verträge hält oder sie vorzeitig kündigt. Das werden ab 2025 auch Mexiko und Kanada zur Kenntnis nehmen müssen, wenn die Trump’sche Regierung Strafzölle auf Waren der beiden Länder erheben wird – trotz des Nordameri-kanischen Freihandelsabkommen NAFTA.

Und schon unterzeichnete dieser Tage Brüssel das nächste Abkommen: Mercosur! Ein Freihandels-Abkommen mit den lateinamerikanischen Mercosur-Mitgliedsstaaten. Für einen Markt mit zehn Prozent der Weltbevölkerung und 20 % des weltweiten BIPs. Seit zwei Jahrzehnten wird an diesem gefeilt – 2019 hätte es endlich unterschrieben werden sollen. Da legte Österreich ein Veto ein. Doch – dass dies nicht die einzige Kritik an einer künftigen Zusammenarbeit ist – das will ich in diesen heutigen Zeilen aufzeigen.

Die Geschichte von Mercosur („Mercado Común del Sur“ – Gemeinsamer Markt des Südens) begann am 26. März 1991 mit der Unterzeichnung des „Vertrages von Asunción“ mit dem Ziel eines südamerikanischen Binnenmarktes ohne Grenzen. Die Unterzeichnerstaaten damals waren Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Hinzu kam 2006 Venezuela. Drei Jahre später wurde das Abkommen mit dem „Protokoll von Ouro Preto“ konkretisiert. Trotzdem führte das Ende der 1990er-Jahre zu einem Stillstand. Zu Beginn des neuen Jahrtausends wurde deshalb ein „Neustart“ mit einer einhergehenden Stärkung der Zollunion nach innen und nach aussen durchgeführt.

Inzwischen hat sich einiges getan: Bolivien wurde 2023 Vollmitglied, Venezuela wurde am 1. Dezember 2016 dauerhaft suspendiert, Chile, Peru, Kolumbien, Ecuador, Suriname und Guyana geniessen als assoziierte Mitglieder nahezu Mitgliederstatus. Als Beobachterstaaten agieren Mexico und Neuseeland. Mercosur steht für über 260 Mio Menschen, steht aber auch für politisch sehr unsichere Mitgliedsstaaten, wie zuletzt Brasilien unter dem Rechtspopulisten Bolsonaro aufzeigte. Oder die Absetzung des Staatspräsidenten von Paraguay, Fernando Lugo 2012, die zu einer vorüber-gehenden Suspendierung des Landes führte. Mitglieder des Mercosur können nämlich nur demokratische Staaten sein bzw. werden („Protocolo de Ushuaia sobre Compromiso Democrático“). Zudem geht es auch zunehmend um eigene Interessen der Mitgliedsstaaten. So fühlt sich etwa Uruguay, aber auch Paraguay, durch die Statuten des Mercosur vor allem bezüglich bilateraler Handelsab-kommen mit anderen Ländern eingeschränkt. Diese sind laut Statuten eigentlich verboten.

Und es kriselt zudem in anderer, geschichtlicher Hinsicht: Immer wieder prallen Argentinien und Brasilien aufeinander, aber auch Chile und Bolivien („Salpeterkrieg“) sind sich sehr ans Herz gewachsen. Tja und dann wäre da noch Venezuela. Dort regiert seit 2013 der damals frei gewählte Staatspräsident Nicolás Maduro Moros, der sich jedoch (etwa durch die Entmachtung der Nationalversammlung) immer mehr zum Despoten bzw. Diktator entwickelt hat. Daraufhin beschlossen am 02. Dezember 2016 die Gründungsmitglieder die dauerhafte Suspendierung des Landes. Delcy Rodriguez, die damalige Aussenministerin Venezuelas, wollte noch am 14. Dezember 2016 am Mercosur-Treffen in Buenos Aires teilnehmen, wurde aber mittels Polizeieinsatz daran gehindert. Ein Vorgang, der jederzeit auch in anderen Mitgliedsstaaten vor sich gehen könnte. So spricht etwa die Deutsche Forschungsgemeinschaft in ihrer Demokratiematrix 2021 von einer defizitären Demokratie in Uruguay und einer moderaten Autokratie in Venezuela.

Jedes halbe Jahr findete ein Gipfeltreffen der Präsidenten der Mercosur-Staaten statt.

„Der Rat des Gemeinsamen Marktes tritt jedes Mal zusammen, wenn er es für sinnvoll erachtet, verpflichtend ist mindestens eine Sitzung im Semester unter der Beteiligung der Präsidenten der Mitgliedstaaten.“

(Art. 6 des Protokolls von Ouro Preto)

Mit den USA wird schon seit langer Zeit über eine gesamtamerikanische Freihandelszone (FTAA) verhandelt – doch wer Washington kennt, weiss: Unter Vorgaben der US-Amerikaner! Mit der EU besteht seit dem 15. Dezember 1995 ein Assoziierungsabkommen. Zu Beginn erschwert wurde das Prozedere, da es kein einheitliches Mercosur-Verhandlungsteam gab, sondern die Gründungsstaaten jeweils ein eigenes Team abstellten. Durch neue Regierungen dort kam es immer wieder zu teils gegen-sätzlichen Interessen. 2004 schliesslich wurde mit dem Abschluss der Verhandlungen gerechnet – jedoch forderten die Mercosur-Staaten für ihre Agrarprodukte den Zugang zum europäischen Markt. Dies reduzierte die Gespräche auf eine rein technische Ebene. In der DOHA-Runde versuchte die WTO zu vermitteln, was jedoch nicht wirklich von Erfolg gekrönt war. 2017 stimmte die EU laxeren Kontrollstandards bei Lebensmittelimporten zu, wenn im Gegenzug dafür mehr Autos nach Südamerika exportiert werden dürfen. Ende Juni 2019 schliesslich lenkte die EU ein („agreement in principle“). Vornehmlich die deutsche Auto-industrie jubelte, die Bauernverbände hingegen kritisierten lautstark die Entscheidung, da es eine Wettbewerbsverzerrung zu Ungunsten der heimischen Bauern bedeute. Der damalige österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz legte daraufhin sein Veto ein. War Kurz zumindest politisch alleine, so erhielt er durch wissenschaftliche Einrichtungen Zustimmung: Das Abkommen widerspräche den drei Grundprinzipien des „European Green Deals“:

.) Bis 2050 keine weiteren Netto-Treibhausemissionen

.) Entkoppelung des Wirtschaftswachstums von der Ressourcennutzung

.) Keine Benachteiligung von Gruppen oder Regionen durch die wirt-schaftliche Entwicklung.

Der Meinung schlossen sich das Helmholtz-Zentrum für Umwelt-forschung, das Senckenberg Biodiversität und Klima-Forschungszentrum und auch die Humboldt-Universität Berlin an.

Durchaus nach wie vor ein schwergewichtiger Streitpunkt. Agrarprodukte bedeutet für die lateinamerikanischen Länder heute vornehmlich Soja, Rindfleisch und Mais. Für den Anbau von Soja und Mais, aber auch für Grünfläche in der Rinderzucht wird wertvoller Regenwald zumeist brand-gerodet. Daneben hat die EU genug Rindfleisch, wie die grauenvollen Rindertransporte in den Nahen Osten immer wieder aufzeigen. Und zuguterletzt scheren sich die südamerikanischen Produzenten nicht im geringsten um die Rechte ihrer Arbeiter – hier kommt es zu enormem Sozial- und Lohndumping. Doch nicht nur in der EU gab es kritische Stimmen – auch die Schweiz sah sich mit ähnlichen Fragen konfrontiert, verhandelte Mercosur doch parallel dazu auch mit den EFTA-Staaten. So titelte am 23. Dezember 2017 die eidgenössische Bauernzeitung: „Wer will Fleisch aus Südamerika?“

Zu den Punkten im Einzelnen:

.) Abholzungen und Rodungen

Unter der Regierung des rechtspopulistischen Bolsonaro wurde in Brasilien so viel Amazonas-Regenwald wie noch nie gerodet. Die dadurch freigesetzte Anbaufläche ist aber nur für wenige Jahre nutzbar und liegt schliesslich brach. Der Regenwald jedoch hat eine enorme Bedeutung für das Weltklima. Wird nun der Absatz von Soja, Mais und Rindfleisch erhöht, so wird wohl noch mehr Regenwald zerstört werden, auch wenn dies wie vor Bolsonaro gesetzlich verboten ist. Aber auch die Savannen-wälder am brasilianischen Cerrado und die Trockenwälder des argen-tinischen Gran Chaco werden dies wohl nicht überstehen. Das EU-Gesetz vom Dezember 2022, wonach Waren in der EU nicht verkauft werden dürfen, wenn für deren Herstellung Regenwald geopfert wurde, sei mit einem lautstarken Lachen quittiert. Schliesslich wird Soja nach wie vor verkauft – auch Hühnerfleisch oder Zuckerrohr. Zudem stehen bereits Bergbau-Unternehmen Schlange, die an die Rohstoffe unter den Wäldern wollen und dabei keinen Wert auf Klima- und Regenwaldschutz legen. Ähnlich wie das Klima nähert sich auch der Amazonas Regenwald einem Punkt, an dem er zu kippen droht – das eigentlich selbsterhaltende Öko-system bricht zusammen. Dann wird es kein Zurück mehr geben.

.) Agrarprodukte

Mais und Rindfleisch werden auch in Deutschland und Österreich „produziert“. Sogar mehr, als regional gebraucht wird. So weist die Statistik Austria zum 01.12.2023 einen Rinderbestand von 1,84 Mio (25.600 Tiere weniger als im Jahr zuvor) auf, das Statistische Bundesamt Deutschland zum 01.11.2023 10,8 Mio (Tendenz ebenfalls sinkend). Gründe dafür sind sicherlich u.a. das Bauernsterben und die Neu-orientierung bei den Ess- und Lebensgewohnheiten. Neben den unmenschlichen Rinderexporten zeigt auch die Vergasung von Mais anstelle der Einbindung in die Nahrungskette auf, dass zuviel davon da ist. Kommen nun noch mehr Billigfleisch, Soja und Mais über den grossen Teich nach Europa, so muss durchaus mit einer Existenzbedrohung der verbliebenen Vieh- und Ackerbauern gerechnet werden. Eine gemein-same Studie von Greenpeace und Misereor geht davon aus, dass durch Mercosur der Import von Rind- und Hühnerfleisch jeweils um die Hälfte zunehmen wird.

.) Bioethanol

Dieser wird in Lateinamerika massenweise aus Zuckerrüben gewonnen. Sollte nun Europa damit überschwemmt werden (die zuvor ange-sprochene Studie von Greenpeace und Misereor geht von einer Versechs-fachung aus), so wird sich dies durchaus kontraproduktiv auf die weitere Nutzung von Biogas aus Gülle und Mist auswirken. Bereits heute könnte wesentlich mehr davon produziert und genutzt werden – das billige Erdgas aus Russland hatte dies bis zum Ukrainekrieg unterbunden. Anstatt dessen entweicht Methan einfach nach wie vor in die Umwelt, wo es wesentlich aggressiver als CO2 das Klima beeinflusst.

.) Standard und Arbeitsschutz

Viele der Produkte aus Lateinamerika entsprechen nicht den EU-Standards, die jedoch von hier ansässigen Produzenten eingehalten werden müssen. Hierzu zählen neben dem vermehrten Einsatz von Pestiziden (die in der EU nicht mehr zugelassen sind) selbstverständlich auch die gerechte Entlohnung und zumutbaren Verhältnisse der Arbeiter. Während hierzulande Mindestlöhne eingehalten werden müssen, liegt die Entlohnung der lateinamerikanischen Landwirtschaftsarbeitern weit darunter. Dies führt zu einer enormen Wettbewerbsverzerrung, die durch qualitative Unterschiede schlussendlich auch den Konsumenten treffen wird.

.) Klimaschutz

Wenn auch der Klimaschutz in Südamerika möglicherweise eingehalten wird, so wird dies durch den Transport über tausende von Kilometern wieder zunichte gemacht. So hat ein Apfel aus brasilianischer Erzeugung, ein Steak aus argentinischer oder gar Grillkohle aus Paraguay einen wesentlich grösseren CO2-Fussabdruck als dieselben Produkte aus heimischer Erzeugung. Ja – richtig gelesen: Grillkohle! Paraguay exportiert jährlich Grillkohle im Wert von 40 Mio US-Dollar, damit Herr Schmidt in Buxtehude seiner samstäglichen Lieblingsbeschäftigung nachgehen kann.

Für die neue Verhandlungsrunde forderte Brüssel eine beschleunigte Durchsetzung durch ein Splitting der Assoziierungsabkommen. Am 06. Dezember hat Kommissionspräsidentein Ursula von der Leyen den Vertrag unterschrieben. Soll heissen, dass die EU-Mitgliedsstaaten vor vollendete Tatsachen gestellt werden und keinerlei Mitspracherecht mehr besitzen. Die Meinungen hierzu sind unterschiedlich: Während die kränkelnde deutsche und österreichische Industrie den Vertrag befür-worten, weinen die Landwirtschafts- und Arbeitnehmervertretungen bittere Krokodilstränen.

Unterstützt wird dies alsdann vom „Trend zur Deglobalisierung“. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass eine zu grosse Abhängigkeit von weltweiten Handelsströmen existenzbedrohend werden kann. Die Produktionen werden wieder zurückgeholt. Dies bescheinigt das Kieler Institut für Weltwirtschaft anhand der harten Wirtschaftsdaten. Die Tatsache blieb auch Buenos Aires und Brasilia nicht verborgen: Seit 2021 stagnieren die argentinischen Exporte und auch Brasilien musste zuletzt einen spürbaren Rückgang verzeichnen. Durch eine rasche Umsetzung der Freihandelszone mit der EU könnte dem entgegen gewirkt werden.

Trotzdem gab es zuletzt in der EU einen spürbaren Gegenwind. Den Bedenken Österreichs haben sich Frankreich und Belgien angeschlossen. Für den Vertrag hingegen ausgesprochen hat sich der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz. Kein Wunder, machen doch die Exporte von Produkten aus dem Maschinen- und Fahrzeugbau rund ein Drittel der Gesamtexporte aus. Das käme der bundesdeutschen Industrie sehr zugute. Allerdings besteht eine Zwickmühle für den Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen, die noch 2019 lautstark zum Ausdruck brachten: „… fatale Entscheidung für Klimaschutz und Menschenrechte“ – nachzulesen etwa in „Der Stern“ vom 29. Juni 2019.

In anderer Richtung ist die EU schon jetzt der wichtigste Absatzmarkt der Mercosurstaaten. Sie liefern vornehmlich Produkte aus der Landwirt-schaft, Lebensmittelindustrie und dem Bergbau. Zudem will Argentinien auch einen verlässlichen Abnehmer für das aus Fracking gewonnene Flüssiggas – inzwischen ein entscheidender Köder für die EU!

Nicht, dass Sie mich nun falsch verstehen: Eine intensivere Zusammen-arbeit zwischen Lateinamerika und Europa ist durchaus wünschenswert. Allerdings hat gerade der Fall Bolsonaro aufgezeigt, dass das politische Abkommen zwischen beiden Kontinenten, die „biregionale Partnerschaft der EU mit den Staaten Lateinamerikas und der Karibik („Comunidad de Estados Latinoamericanos y Caribeños“, CELAC)“, sehr rasch zu Schall und Rauch werden kann und das Papier mehr wert ist als die darauf enthaltene Unterschrift. Zudem – wenn ein Abkommen auf dem Rücken und zu Ungunsten der Bevölkerung geschlossen wird – sollten die Volks-vertreter lautstark auf ihre eigentliche Funktion hingewiesen werden.

Lesetipps:

.) Lateinamerika im internationalen System. Zwischen Regionalismus und Globalisierung; Hrsg.: Bodemer/Gratius; VS Verlag für Sozialwissen-schaften 2003

.) Die Freihandelszone zwischen Mercosur und EU. Eine von Hindernissen geprägte Kooperation; Silvia Hunger; VDM Verlag Dr. Müller

.) Der Mercosur. Wirtschaftliche Integration, Unternehmer und Gewerk-schaften; Wolfram Klein; Arnold-Bergstraesser-Institut 1996

.) Der Mercosur in der Weltökonomie. Eine periphere Handelsgemein-schaft in der neoliberalen Globalisierung; Ingo Malcher; Nomos 2005

.) Der Mercosur. Rechtsfragen und Funktionsfähigkeit eines neuartigen Integrationsprojektes und die Erfolsaussichten der interregionalen Kooperation mit der Europäischen Union; Ulrich Wehner; Nomos 1999

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