Mauerfall – gut oder schlecht?

Als in den frühen Morgenstunden des 13. August 1961 die Baumaschinen auffuhren und hunderte Menschen mit dem Bau einer Mauer rund um die drei Westsektoren Berlins begannen, konnte wohl noch niemand die weitreichenden Folgen des Ganzen absehen. Die Berliner Mauer wurde zum Symbol für die Abgrenzung des Ostens zum Westen!

Der Bau des „Faschistischen Schutzwalls“ wurde nur wenige Tage zuvor zwischen dem Generalsekretär der KPdSU, Nikita Chrustschow und dem Vorsitzenden des Staatsrats der DDR, Walter Ulbricht, bei einem Treffen der Staaten des Warschauer Paktes in Moskau beschlossen. Sie war der Abschluss der Teilung Deutschlands, da in den Jahren zuvor bereits die 1.378 Kilometer lange Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland regel-recht „befestigt“ wurde. Offiziell sollte dieses nahezu unüberwindbare 3,60 Meter hohe und 400 Millionen Ostmark teure Bauwerk die Einwohner der DDR vor dem Kapitalismus des Westens schützen. Inoffiziell jedoch mussten dadurch jene DDR-Bürger zurückgehalten werden, die ihre Zukunft lieber im Westen als im Osten sahen. Alleine im Juni 1961 sind über 30.000 Menschen in den Westteil der Stadt geflüchtet, danach über 3.000 – täglich! Der neugegründete Staat drohte auszudünnen. An der restlichen Grenze galt schon seit 1960 der Schiessbefehl für die Grenz-soldaten, er sollte schliesslich auch auf Berlin ausgedehnt werden. Bis zu 245 Menschen wurden beim Versuch, die Berliner Mauer zu überwinden, getötet – offizielle Zahlen gibt es allerdings nicht.

Als Michail Gorbatschow Staats- und Parteichef in der Sowjetunion wurde, musste er grossflächig reformieren, da die UdSSR wirtschaftlich am Boden lag. Dies aber konnte er nur mit der Bevölkerung, nicht gegen sie umsetzen. Also gewährte er Meinungs- und Pressefreiheit, öffnete das Land für Investoren und versprach Reisefreiheit. Es begann eine Zeit der Entspannung zwischen den Blocks aus West und Ost. Im August 1989 nutzten tausende DDR-Bürger ihren Urlaub in der Tschechoslowakei für eine Flucht in die bundesdeutsche Botschaft in Prag. Auch über die ungarisch-österreichische Grenze flüchteten tausende Menschen. Das Regime in Ost-Berlin musste reagieren, da diese Menschen dem sozia-listischen Arbeitsmarkt und seinem Fünf-Jahres-Plan fehlten – betroffen davon waren alle Schichten: Vom Kraftfahrer, über die Krankenschwester bis hin zum Hochschulprofessor. Nach dem offiziellen Teil einer Presse-konferenz meinte Günter Schabowski vor 35 Jahren am 09. November 1989, dass für alle Bürger der DDR künftig die Reisefreiheit gelte. Damit wollte die SED die Massenflucht in der Annahme verhindern, dass zwar viele in den Westen rüber wollen, danach aber wieder zurückkommen würden. Als ein Reporter den treuen Kader-Soldaten Schabowski fragte, ab wann diese Reisefreiheit gelte, kramte dieser in seinen Unterlagen, da er bei der Abstimmung des Zentralkomitees nicht selbst dabei war und den Entwurf dieses Gesetzes erst kurz vor der Pressekonferenz durch Egon Krenz in die Hand gedrückt bekam, und meinte:

„Das tritt nach meiner Kenntnis… Ist das sofort, unverzüglich.“

So hatten sich dies die Genossen im ZK jedoch nicht vorgestellt!!! Der Satz wurde um 19.04 Uhr durch die DDR-Nachrichtenagentur ADN verbreitet und um 19.30 Uhr in der Sendung „Aktuelle Kamera“ verlesen – eine halbe Stunde später titelte damit auch die Tagesschau in der ARD. Danach machten sich zigtausende Menschen auf den Weg um sich das direkt an der Grenze anzuschauen. Um 21.30 Uhr erhielt der Chef der Passkontrolleure an der Bornholmer Strasse, Oberstleutnant Harald Jäger, den Befehl, den Schlagbaum „ein bisschen zu öffnen“, da sich dort bereits 20.000 Menschen angesammelt hatten, die die Öffnung der Grenze forderten. Den lautesten unter ihnen sollte die Ausreise ermöglicht werden, um sodurch die Lage zu entspannen. Sie erhielten einen Stempel in den Pass, damit sie nicht mehr einreisen konnten. Doch kamen immer mehr Menschen an den Grenzposten. Um 23.29 Uhr schließlich gab Jäger den Befehl, den Schlagbaum zu öffnen. Der Fall der Mauer hat begonnen!

Der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl weilte an diesem Tag in Warschau. Um 19.30 Uhr wurde die deutsch-polnische Sitzung unter-brochen, da sich offenbar etwas in Berlin ereignete. Auch der regierende Oberbürgermeister von Berlin, Walter Momper, durch die Meldung überrascht, eilte sofort zur Grenze und wurde dort förmlich überrannt. Ein Museum fragte bei ihm an, ob er seinen roten Schal, den er in dieser Nacht trug, als ein Zeichen für den Mauerfall abgebe, was Momper jedoch bisher standhaft verweigerte. In den Regierungsgebäuden der DDR herrschte Panik. Es war also ein Versprecher, der den Mauerfall einleitete!

Doch was hat sich „drüben“ seither getan? Ehrlich? Nicht wirklich viel! Ein Aufbauprogramm nach dem anderen verpuffte – die Wirtschaft in den „neuen“ Bundesländern kam nicht in’s Laufen! Ausgerechnet der US-Konzern Tesla und dessen Chef Elon Musk ging schliesslich fahnen-schwingend voraus und zeigte den deutschen Wirtschaftsbossen, wie es wirklich geht! In Grünheide südöstlich von Berlin (Bundesland Branden-burg) entstand die neue Giga-Factory – Nobel-E-Cars und Batterien! Milliarden wurden investiert – tausende neue Arbeitsplätze im struktur-schwachen Ostdeutschland dadurch geschaffen. Bei der Eröffnung 2022 meinte Bundeskanzler Olaf Scholz: „Der Osten ist industriell vorne mit dabei!“

Tatsächlich haben sich seit dem Mauerfall nur wenige in Richtung Osten erweitert. 1990 belief sich die Wirtschaftskraft in den ostdeutschen Bundesländern nur auf etwa 43 % der westdeutschen. Erst 2018 konnte sie auf 75 % gesteigert werden, die Löhne erreichten im selben Jahr rund 85 % des Westniveaus – 29 Jahre nach dem Mauerfall! Handelsriesen wie Amazon sind nicht dafür verantwortlich, da sie ihren Mitarbeitern tariffremde Gehälter anbieten und somit nur das niedrige Lohnniveau nutzen. Das Bruttoinlandsprodukt Ostdeutschlands lag 2023 bei 467, in Westdeutschland (mit Berlin) bei ca. 3.654 Milliarden Euro. Das sind 11,3 Prozent! Sachsen findet sich als bestes Ost-Bundesland auf Platz 8 im Vergleich.

1990 – kurz nach dem Mauerfall wanderten rund 400.000 Ostdeutsche in Richtung Westen ab. Verantwortlich zeichneten damals oft die Schliessungen jener Betriebe bzw. Staatsbetriebe, die vom Mauerfall überrascht wurden. Die Arbeitslosigkeit stieg in besorgniserregende Höhen – die Angst vor der Zukunft zog ihre Kreise. Rund um den Jahr-tausendwechsel anno 2000 wanderten weitere nahezu 200.000 Menschen ab – junge, Frauen und gut ausgebildete Bürger, die sich in den west-lichen Bundesländern ein wesentlich besseres Leben erwarteten – vornehmliches Ziel: Baden Württemberg und Bayern. Dies hatte weit-reichende Folgen, an welchen auch heute noch einige Regionen schwer zu beissen haben: Steuerentgang, Niedergang der sozialen Infrastruktur, wie etwa im Bildungsbereich, der medizinischen Versorgung, Freizeit, … Erst 2017 kippte die Abwanderung – es zogen mehr Menschen in den Osten als in den Westen! Auch jene, die geblieben sind, haben die Zukunftsplanung genauer angegangen: Die Angst vor dem Verlust der Arbeit liess zeitweise die Geburtenrate auf nahezu 50 % sinken. Ergo: Familienplanung auf Eis gelegt! Das wiederum lässt das Durchschnitts-alter ansteigen – schlechter Boden für die Wirtschaft. Derartige Regionen sind nach Aussage vieler Politikwissenschafter ein perfekter Nährboden für die AfD.

2021 wurde für 90 % der Bürger der Soli-Beitrag abgeschafft – nach 30 Jahren! Nurmehr Besserverdiener, GmbHs und andere Kapitalanleger sowie Körperschaften müssen ihn bezahlen. Der Solidaritätszuschlag sollte den Aufbau Ostdeutschlands unterstützen. Der Soli belief sich davor auf 5,5 % der Körperschafts- bzw. Einkommenssteuer. Dies brachte der Staatskasse satte rund 19 Milliarden Euro pro Jahr. Eine wahrhaft politische Entscheidung, schliesslich wäre dieser Solidarpakt eigentlich ohnedies Ende 2019 ausgelaufen. Böse Zungen behaupten, dass damit nur Wählerstimmen eingefangen werden sollten. So hiess es aus Kreisen der CDU, dass diese Entscheidung die wohl grösste Steuerentlastung seit vielen Jahren bedeuten sollte. Die Gegenfinanzierung übrigens steht auch heute noch nicht.

Erlauben Sie mir zum Schluss einen eigenen Gedanken – vornehmlich zum Soli: Wäre in den vergangenen 30 Jahren das Geld zweckgebunden eingesetzt worden, bestünde heute kein Bedarf mehr dafür. Da dies jedoch ganz offensichtlich nicht der Fall zu sein scheint, muss ich mich wirklich fragen: Was wurde aus der deutschen Wiedervereinigung? Auch der Bund selbst wagte sich nur sehr zögerlich in die neuen Bundesländer. Ist es somit das Aschenputtel, das die BRD übernommen hat? Wäre es vielleicht gar besser gewesen, die DDR hätte noch über zehn weitere Jahre bestanden und mit Hilfe der BRD eine Grundbasis für die Wiedervereinigung schaffen können?

Sei’s drum – einem Mann ist dies vornehmlich zu verdanken, dass 1989 kein Blut geflossen ist – wie Jahre zuvor in Ungarn oder der Tschechos-lowakei: Dem verstorbenen Friedensnobelpreisträger Michail Gorbat-schow! Er musste aus wirtschaftlichen Gründen so handeln – er handelte jedoch auf eine Art und Weise, wie es viele vor und nach ihm nicht taten oder tun werden: Als Mensch!

Filmtipps:

.) Geheimsache Mauer; Fernsehfilm; Deutschland 2010

.) Geheimakte Mauerbau; Fernsehfilm; Deutschland 2011

.) Es geschah im August. Der Bau der Berliner Mauer; Fernsehfilm, Deutschland 2001

.) Die Mauer – Berlin ’61; Fernsehfilm; Deutschland 2006

Lesetipps:

.) Die Berliner Mauer. Geschichte eines politischen Bauwerks; Thomas Flemming/Hagen Koch; be.bra 2001

.) Die Mauer. 13. August 1961 bis 9. November 1989; Frederick Taylor; Siedler 2009

.) Die Berliner Mauer 1984 von Westen aus gesehen; Philipp J. Bösel/Burkhard Maus; Berlag Kettler / White-Press 2014

.) Halt! Grenzgebiet! Leben im Schatten der Mauer; Thomas Scholze/Falk Blask; Basis-Druck 1997

.) Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt; Frederick Kempe; Siedler 2011

.) Die Nacht, in der die Mauer fiel – Schriftsteller erzählen vom 9. November 1989; Hrsg.: Renatus Deckert; Suhrkamp 2009;

.) Die längste Nacht, der größte Tag – Deutschland am 9. November 1989; Jrsg.: Kai Diekmann/Ralf Georg Reuth; Piper 2009

.) Der Mann, der die Mauer öffnete. Warum Oberstleutnant Harald Jäger den Befehl verweigerte und damit Weltgeschichte schrieb; Gerhard Haase-Hindenberg; Heyne 2007

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