Neu oder alt – das ist hier die Frage!

†Wenn die Vereinigten Staaten am 05. November des Jahres ihren 47. Präsidenten (60. Präsidentenwahlen) wählen, ist das Land wohl gespalten wie nie zuvor. Zwischen den republikanischen Anhängern Donald Trumps und jenen der demokratischen Gegnerin Kamala Harris sind die Gräben dermassen tief, sodass ein Zuschütten wohl über Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte dauern wird. Viele schliessen gar auch einen Bürgerkrieg inzwischen nicht mehr aus.

Der 05. November ist für die Vereinigten Staaten demokratisch gesehen der wohl wichtigste Tag seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten. Neben den Präsidentschaftswahlen finden auch die Wahlen zum US-Senat und in 11 Bundesstaaten und zwei Territorien die Gouverneurswahlen statt. Ein Super-Wahltag also sozusagen. Auch hier kann es durchaus zu ent-scheidenden Veränderungen kommen. Bislang verfügten die Republikaner über die Mehrheit im Repräsentantenhaus – die Demokraten bräuchten lediglich vier Sitze um dies zu ändern. Durch diese Mehrheit könnten Präsidialverfügungen („Executiv Orders“), wie sie v.a. Donald Trump liebte, verhindert werden. Das etwa war die Patt-Stellung Barack Obamas. Er konnte viele seiner Versprechen und Vorstellungen nicht umsetzen, da im Kongress die Republikaner das Sagen hatten.

Deshalb ist das Interesse bei den Demokraten so groß wie bislang selten. Und da sieht man gerne über den Streit zwischen den Mainstreamern und den Linksaussen ab! Hauptsache Trump wird nicht mehr gewählt. Sie erhalten Unterstützung durch viele unparteiische Wähler und einige republikanische! Derzeit liegen Harris und Trump lt. Umfragewerten Kopf an Kopf – auch in den Swingstates, also jenen Bundesstaaten, die nicht traditionell republikanisch oder demokratisch wählen. Allerdings wird die Wahlbeteiligung wohl das Zünglein an der Waage darstellen. 2020, bei den letzten US-Präsidentschaftswahlen, lag diese bei 66,4 % – rund 160 Mio Wahlberechtigte gaben ihre Stimmen ab – so viel wie schon lange nicht mehr! Heuer könnten es nochmals mehr werden, was allerdings Trump nicht ganz schmecken dürfte!

Im Folgenden möchte ich das Wahlsystem etwas näher erklären und die Kandidaten vorstellen.

Seit 1788 finden die US-Präsidentschaftswahlen alle vier Jahre statt. Als Wahltag gilt seit 1845 der erste Dienstag im November, da in früheren Zeiten an einem Sonntag der Kirchgang auf dem Programm stand. Mit der Corona-Pandemie kam der Briefwahl eine besondere Bedeutung zu, auch wenn es Donald Trump mehr als missfiel: Grosse Menschenaufläufe vor den Wahllokalen sollten vermieden werden. Zudem konnten 2020 in einigen Bundesstaaten die Wähler erstmals bereits im September (Minne-sota, South Dakota, Vermont, Virginia, Wyoming und Illinois), in anderen im Oktober ihre Stimmen abgeben (Early voters). Beides ist auch heuer von entscheidender Bedeutung. Die Möglichkeit nutzen v.a. die demo-kratischen Wähler, die ansonsten nicht zur Wahlurne gehen können, da sie etwa arbeiten müssen. Deshalb will Donald Trump, sollte er Präsident werden, dies am liebsten wieder abschaffen, da er hier eine gelungene Taktik der Demokraten befürchtet, die Wahlbeteiligung dadurch anzu-heben. Das käme ihm nicht zugute. Übrigens durchaus zurecht – Kamala Harris spornte beispielsweise in Detroit die Wähler an, ihre Stimmen bereits vor der Wahl abzugeben – es wäre der einzige Weg, die Rückkehr Trumps ins Oval Office zu verhindern. Vor Hurricane Helene stellte der Schlüssel-Swing-State North Carolina mit über 350.000 Early voter-Stimmen an nur einem Tag einen neuen Rekord auf. 2020 nutzten rund 100 Mio Menschen diese Möglichkeiten. Acht Staaten und Washington D.C. erlauben heuer gar die Wahl mittels Mail.

Im Gegensatz zu unseren Wahlsystemen, bei welchen die Kanzler als Regierungschefs durch die Wahl der Partei faktisch direkt gewählt werden, finden in den USA indirekte Votings statt. Dabei wählen die sog. „Urwähler“ in ihrem Wahlbezirk bzw. Bundesstaat einen Wahlmann. Diese Wahlmänner wählen schliesslich den Kandidaten, für den sie eingetreten sind. Demokratiepolitisch eher fragwürdig, da es beispielsweise bei den Wahlen 2016 zur unverständlichen Situation kam, dass die Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, zwar mehr Urwähler-Stimmen als ihr Kontrahent Trump aus den Reihen der Reps erhielt, dieser jedoch mehr Wahlmänner auf seiner Seite hatte. Das sog. „Electoral College“ setzt sich aus 538 dieser Wahlleute zusammen. Jeder Bundesstaat hat so viele Wahlleute, wie er Abgeordnete in’s Repräsentantenhaus entsendet – durch die beiden Senatoren um 2 aufgestockt. Damit sind Bundesstaaten wie New York und Florida (jeweils 29), Texas (38) und schliesslich Kalifornien (55 Wahlleute) dermassen wichtig. Während Kalifornien als demokratisch gilt, ist Florida hart umkämpft. Danach folgen die „Swing States“ wie Pennsylvania (20 Stimmen) und Ohio (18), North Carolina (15), Michigan, Wisconsin und Minnesota (zusammen 36 Stimmen). Hier wurde einmal so, ein weiteres Mal anders gewählt. Jener Kandidat nun, der die meisten Stimmen in einem Bundesstaat erzielen konnte, bekommt – mit Ausnahme von Maine und Nebraska – die Gesamtzahl der Wahlleute dieses Bundesstaates zugesprochen („winner-takes-all“ bzw. Mehrheits-prinzip). In diesen beiden Bundesstaaten werden die Wahlleute proportio-nal vergeben. Nur wenige Wahlmänner sind bislang zum Gegenkandi-daten gewechselt. In manchen Bundesstaaten werden diese sog. „faithless electors“ gar bestraft oder durch andere ersetzt. Für den Sieg reichen insgesamt 270 Stimmen. Die Wahlleute stimmen grundsätzlich 41 Tage nach der Wahl – am Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember ab – dies wird heuer am 16. Dezember sein. Hillary Clinton konnte nun 2016 in bevölkerungsstarken Bundesstaaten wie New York und Kalifornien gewinnen, hatte aber schliesslich dennoch zu wenig Wahlleute auf ihrer Seite. Ähnliches spielte sich auch in den Jahren 1878 (Rutherford B. Hayes/Samuel Tilden), 1888 (Benjamin Harrison/Grover Cleveland) und schliesslich 2000 (George W. Bush/Al Gore) ab. Ein anderer Spezialfall war die Wahl John Quincy Adams im Jahr 1824. Vier Kandidaten der Demokraten traten gegeneinander an, keiner konnte jedoch die Mehrheit an Wählerstimmen und Wahlleuten erringen. Also wurde der Präsident im Repräsentantenhaus gewählt. Gleiches gilt im Übrigen für die Wahl des Vizepräsidenten, der jedoch bei Nichterreichens der absoluten Mehrheit durch den Senat gewählt wird, da er diesem auch während seiner Amtszeit vorsteht. Die Stimmenauszählung erfolgt stets am ersten Sitzungstag des Kongresses, somit am 03. Januar, in einer gemeinsamen Sitzung des Senats und des Repräsentantenhauses. Das Ergebnis wird am 06. Januar veröffentlicht – die Amtseinführung des neuen Präsidenten findet seit 1933 ab 12.00 Uhr EST jeweils am 20. Januar statt. Wenn da nicht die Befürchtung vieler Experten im Raume stünde, dass die heurige Wahl durch Gerichte entschieden werden wird.

Ein somit durchaus komplexes und nicht wirklich demokratisches Ver-fahren, da es zudem nur die beiden Grossparteien unterstützt. So erhielt etwa 1992 Ross Perot nicht weniger als 18,9 % der Stimmen, jedoch keinen einzigen Wahlmann.

Wahlberechtigt sind grundsätzlich alle US-Bürger, die das 18. Lebensjahr erreicht haben und sich registrieren liessen. Einwohner von US-Aussen-gebieten, wie Puerto Rico bzw. Amerikanisch-Samoa hingegen sind ausgeschlossen – Soldaten können per Briefwahl abstimmen. Auch Gefängnisinsassen, in manchen Bundesstaaten sogar nach der Verbüs-sung ihrer Haftstrafe, dürfen nicht zur Wahlurne. Alleine die Straftäter machen über fünf Millionen Menschen aus. Da Donald Trump ebenfalls abgeurteilter Straftäter ist, dürfte er eigentlich auch nicht wählen – perversesterweise aber gewählt werden!!! Apropos – wählbar sind nach der Verfassung nur „Natural born citizens“, also gebürtige US-Amerikaner, weshalb Arnold Schwarzenegger beispielsweise zwar Gouverneur, nicht aber US-Präsident werden darf. Seine Kinder hingegen sehr wohl, da jedes Kind, das auf US-amerikanischen Territorium geboren wurde, automatisch den Status eines Natural Born Citizen erhält.

Nun zu den Kandidaten!

.) Donald Trump (Rep) – Ex-US-Präsident (2016-2020) und Spitzen-kandidat der Republikaner – hierzu bedarf es wohl keiner Vorstellung! Wird Trump gewählt, wird der 39-jährige J.D. Vance (Senator aus Ohio – ein ehemaliger Trump-Gegner in eigenen Reihen!) zum Vizepräsident. Sein „Ex-Running Mate“ Mike Pence hat sich inzwischen von Donald Trump distanziert. Trump hatte nach den Wahlen 2016 nahezu alle Personen in seiner Regierung ausgetauscht – wäre nicht verwunderlich, wenn dies auch 2025 geschehen würde.

.) Kamala Harris (Dem)

Die 60-jährige amtierende Vizepräsidentin Joe Bidens ist die Tochter einer tamilischen Brustkrebsforscherin und eines aus Jamaika stammenden Wirtschaftswissenschafters. Sie erhielt 1990 die Zulassung als Anwältin und war bis 2016 Staatsanwältin – zuletzt „Attorney General“. Im November 2016 kandidierte sie schliesslich für den US-Senat. Harris wird dem progressiven Flügel der Demokraten zugeordnet. Wird sie gewählt, dürfte sich einiges in den USA ändern.

Trump zog wie zu erwarten war, die unterste Schublade und beleidigte Harris mehrere Male: Sie sei antisemitisch! Daneben meinte er auf der National Association of Black Journalists:

„Ich wusste nicht, dass sie schwarz ist“ … (bis Harris vor einigen Jahren) … „schwarz wurde! Also, ich weiss nicht, ist sie indisch oder ist sie schwarz?“

Harris konterte:

„Das amerikanische Volk verdient einen Anführer, der die Wahrheit sagt, einen Anführer, der nicht mit Feindseligkeit und Wut reagiert, wenn er mit den Fakten konfrontiert wird!“

Sie wiederum bezeichnete Trump als Faschisten. Der lügte im Wahlkampf, dass sich die Balken bogen. So meinte er etwa über die Migranten:

„In Springfield essen sie die Hunde, die Leute, die hierhergekommen sind, sie essen die Katzen. Sie essen die Haustiere der Menschen, die dort leben!“

Viele hochkarätige republikanische Politiker übernahmen das Zitat und blamierten sich damit bis auf die Knochen. Im Internet machte sich Trump damit zur Lachnummer!

Zurück zum Wahlsystem:

Auch wenn sich Liberale und etwa Grüne den Wahlen stellen, so haben diese aufgrund des Wahlsystems zwar die Möglichkeit, in das Geschehen einzugreifen, indem sie Republikanern und Demokraten Stimmen kosten, können jedoch niemals zum US-Präsidenten gewählt werden. So ist es recht einfach zu erklären, weshalb Robert F. Kennedy Jr. nun Trump unterstützt – sein Vater Robert F. und sein Onkel John F. Kennedy dürften sich wohl im Grabe umgedreht haben, als dies bekannt wurde. Kennedy Jr. versuchte es bei den Vorwahlen zuerst bei den Demokraten, dann als Parteiloser! Trump bezeichnete ihn damals als „der wohl dümmste Kennedy“ – jetzt hingegen ist er von ihm mehr als angetan, hält er ihn doch als „schlauen guten Kerl“!

Einen solchen Fauxpas, wie damals bei Hillary Clinton, darf es nicht mehr geben. Da sind sich alle Demokraten einig. Wären die Sanders-Wähler 2016 bei den Wahlen zur Urne gegangen, wäre Donald Trump möglicher-weise nie US-Präsident geworden und Hillary Clinton wohl zum dritten Mal in’s Weisse Haus eingezogen.

Und Trump macht dort weiter, wo er aufgehört hatte: Mit Drohungen in alle mögliche Richtungen: So meinte er etwa, er lasse im Notfall alle NATO-Staaten im Stich, wenn sie nicht ihren Beitrag in das Bündnis einbezahlt haben, Putin forderte er richtiggehend zum Einmarsch in diese Länder auf. Die Verfassung wolle er ändern, … Ob er das Ergebnis der Wahl anerkennen wird, sollte er nicht gewählt werden, darf bezweifelt werden. Manche schliessen sogar einen Bürgerkrieg nicht aus – die Ereignisse vom 6. Januar 2021 würden dies durchaus bestätigen. In seinen Reden sind zuhauf die Worte „Vergeltung“ und „Rache“ enthalten.

Eine gerichtliche Entscheidung über die Wahl, sollte er den Kürzeren ziehen – davon muss auf jeden Fall ausgegangen werden: „Wahlbetrug!“ Obgleich die Wahrscheinlichkeit von Manipulationen verschwindend gering und mit teils hohen Strafen belegt ist, kann er sich dadurch weigern, das Ergebnis anzuerkennen! Gerichte werden wohl über eine Vielzahl von Neuauszählungen vor allem in den Swing-States zu entscheiden haben. Einen solchen „Wahlbetrug“ ortete Trump bereits im Jahr 2020, als Florida neu ausgezählt werden musste. Danach folgte Wisconsin. Auch in Arizona versuchten Trump und sein Anwalt Giuliani ähnliches. Zwei Wochen nach den Wahlen sprachen sie auf den republikanischen Sprecher des dortigen Repräsentantenhaus, Rusty Bowers, ein, dass es dort einen Wahlbetrug mit 200.000 Stimmen gegeben habe. Bowers fehlten die Beweise, er lehnte ab. Als Trump nochmals zu Weihnachten anrief, meinte er:

„Ich habe Sie gewählt, ich habe für Sie gearbeitet, ich habe für Sie Wahlkampf betrieben, ich werde einfach nichts Illegales für Sie tun.“

Bowers blieb integer – das kostete ihn seinen Job. Trump wird auch heuer alle Register ziehen.

Dennoch:

Möge im Gegensatz zum vorletzten Mal die Bessere gewinnen!

Lesetipps:

.) History of American Presidential Elections, 1789-1968; Arthur M. Schlesinger et al.; Chelsea House 1971

.) America in Search of Itself: The Making of the President 1956-1980; Theodore H. White; Harper & Row 1982

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