Archive for Oktober, 2024

Neu oder alt – das ist hier die Frage!

†Wenn die Vereinigten Staaten am 05. November des Jahres ihren 47. Präsidenten (60. Präsidentenwahlen) wählen, ist das Land wohl gespalten wie nie zuvor. Zwischen den republikanischen Anhängern Donald Trumps und jenen der demokratischen Gegnerin Kamala Harris sind die Gräben dermassen tief, sodass ein Zuschütten wohl über Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte dauern wird. Viele schliessen gar auch einen Bürgerkrieg inzwischen nicht mehr aus.

Der 05. November ist für die Vereinigten Staaten demokratisch gesehen der wohl wichtigste Tag seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten. Neben den Präsidentschaftswahlen finden auch die Wahlen zum US-Senat und in 11 Bundesstaaten und zwei Territorien die Gouverneurswahlen statt. Ein Super-Wahltag also sozusagen. Auch hier kann es durchaus zu ent-scheidenden Veränderungen kommen. Bislang verfügten die Republikaner über die Mehrheit im Repräsentantenhaus – die Demokraten bräuchten lediglich vier Sitze um dies zu ändern. Durch diese Mehrheit könnten Präsidialverfügungen („Executiv Orders“), wie sie v.a. Donald Trump liebte, verhindert werden. Das etwa war die Patt-Stellung Barack Obamas. Er konnte viele seiner Versprechen und Vorstellungen nicht umsetzen, da im Kongress die Republikaner das Sagen hatten.

Deshalb ist das Interesse bei den Demokraten so groß wie bislang selten. Und da sieht man gerne über den Streit zwischen den Mainstreamern und den Linksaussen ab! Hauptsache Trump wird nicht mehr gewählt. Sie erhalten Unterstützung durch viele unparteiische Wähler und einige republikanische! Derzeit liegen Harris und Trump lt. Umfragewerten Kopf an Kopf – auch in den Swingstates, also jenen Bundesstaaten, die nicht traditionell republikanisch oder demokratisch wählen. Allerdings wird die Wahlbeteiligung wohl das Zünglein an der Waage darstellen. 2020, bei den letzten US-Präsidentschaftswahlen, lag diese bei 66,4 % – rund 160 Mio Wahlberechtigte gaben ihre Stimmen ab – so viel wie schon lange nicht mehr! Heuer könnten es nochmals mehr werden, was allerdings Trump nicht ganz schmecken dürfte!

Im Folgenden möchte ich das Wahlsystem etwas näher erklären und die Kandidaten vorstellen.

Seit 1788 finden die US-Präsidentschaftswahlen alle vier Jahre statt. Als Wahltag gilt seit 1845 der erste Dienstag im November, da in früheren Zeiten an einem Sonntag der Kirchgang auf dem Programm stand. Mit der Corona-Pandemie kam der Briefwahl eine besondere Bedeutung zu, auch wenn es Donald Trump mehr als missfiel: Grosse Menschenaufläufe vor den Wahllokalen sollten vermieden werden. Zudem konnten 2020 in einigen Bundesstaaten die Wähler erstmals bereits im September (Minne-sota, South Dakota, Vermont, Virginia, Wyoming und Illinois), in anderen im Oktober ihre Stimmen abgeben (Early voters). Beides ist auch heuer von entscheidender Bedeutung. Die Möglichkeit nutzen v.a. die demo-kratischen Wähler, die ansonsten nicht zur Wahlurne gehen können, da sie etwa arbeiten müssen. Deshalb will Donald Trump, sollte er Präsident werden, dies am liebsten wieder abschaffen, da er hier eine gelungene Taktik der Demokraten befürchtet, die Wahlbeteiligung dadurch anzu-heben. Das käme ihm nicht zugute. Übrigens durchaus zurecht – Kamala Harris spornte beispielsweise in Detroit die Wähler an, ihre Stimmen bereits vor der Wahl abzugeben – es wäre der einzige Weg, die Rückkehr Trumps ins Oval Office zu verhindern. Vor Hurricane Helene stellte der Schlüssel-Swing-State North Carolina mit über 350.000 Early voter-Stimmen an nur einem Tag einen neuen Rekord auf. 2020 nutzten rund 100 Mio Menschen diese Möglichkeiten. Acht Staaten und Washington D.C. erlauben heuer gar die Wahl mittels Mail.

Im Gegensatz zu unseren Wahlsystemen, bei welchen die Kanzler als Regierungschefs durch die Wahl der Partei faktisch direkt gewählt werden, finden in den USA indirekte Votings statt. Dabei wählen die sog. „Urwähler“ in ihrem Wahlbezirk bzw. Bundesstaat einen Wahlmann. Diese Wahlmänner wählen schliesslich den Kandidaten, für den sie eingetreten sind. Demokratiepolitisch eher fragwürdig, da es beispielsweise bei den Wahlen 2016 zur unverständlichen Situation kam, dass die Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, zwar mehr Urwähler-Stimmen als ihr Kontrahent Trump aus den Reihen der Reps erhielt, dieser jedoch mehr Wahlmänner auf seiner Seite hatte. Das sog. „Electoral College“ setzt sich aus 538 dieser Wahlleute zusammen. Jeder Bundesstaat hat so viele Wahlleute, wie er Abgeordnete in’s Repräsentantenhaus entsendet – durch die beiden Senatoren um 2 aufgestockt. Damit sind Bundesstaaten wie New York und Florida (jeweils 29), Texas (38) und schliesslich Kalifornien (55 Wahlleute) dermassen wichtig. Während Kalifornien als demokratisch gilt, ist Florida hart umkämpft. Danach folgen die „Swing States“ wie Pennsylvania (20 Stimmen) und Ohio (18), North Carolina (15), Michigan, Wisconsin und Minnesota (zusammen 36 Stimmen). Hier wurde einmal so, ein weiteres Mal anders gewählt. Jener Kandidat nun, der die meisten Stimmen in einem Bundesstaat erzielen konnte, bekommt – mit Ausnahme von Maine und Nebraska – die Gesamtzahl der Wahlleute dieses Bundesstaates zugesprochen („winner-takes-all“ bzw. Mehrheits-prinzip). In diesen beiden Bundesstaaten werden die Wahlleute proportio-nal vergeben. Nur wenige Wahlmänner sind bislang zum Gegenkandi-daten gewechselt. In manchen Bundesstaaten werden diese sog. „faithless electors“ gar bestraft oder durch andere ersetzt. Für den Sieg reichen insgesamt 270 Stimmen. Die Wahlleute stimmen grundsätzlich 41 Tage nach der Wahl – am Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember ab – dies wird heuer am 16. Dezember sein. Hillary Clinton konnte nun 2016 in bevölkerungsstarken Bundesstaaten wie New York und Kalifornien gewinnen, hatte aber schliesslich dennoch zu wenig Wahlleute auf ihrer Seite. Ähnliches spielte sich auch in den Jahren 1878 (Rutherford B. Hayes/Samuel Tilden), 1888 (Benjamin Harrison/Grover Cleveland) und schliesslich 2000 (George W. Bush/Al Gore) ab. Ein anderer Spezialfall war die Wahl John Quincy Adams im Jahr 1824. Vier Kandidaten der Demokraten traten gegeneinander an, keiner konnte jedoch die Mehrheit an Wählerstimmen und Wahlleuten erringen. Also wurde der Präsident im Repräsentantenhaus gewählt. Gleiches gilt im Übrigen für die Wahl des Vizepräsidenten, der jedoch bei Nichterreichens der absoluten Mehrheit durch den Senat gewählt wird, da er diesem auch während seiner Amtszeit vorsteht. Die Stimmenauszählung erfolgt stets am ersten Sitzungstag des Kongresses, somit am 03. Januar, in einer gemeinsamen Sitzung des Senats und des Repräsentantenhauses. Das Ergebnis wird am 06. Januar veröffentlicht – die Amtseinführung des neuen Präsidenten findet seit 1933 ab 12.00 Uhr EST jeweils am 20. Januar statt. Wenn da nicht die Befürchtung vieler Experten im Raume stünde, dass die heurige Wahl durch Gerichte entschieden werden wird.

Ein somit durchaus komplexes und nicht wirklich demokratisches Ver-fahren, da es zudem nur die beiden Grossparteien unterstützt. So erhielt etwa 1992 Ross Perot nicht weniger als 18,9 % der Stimmen, jedoch keinen einzigen Wahlmann.

Wahlberechtigt sind grundsätzlich alle US-Bürger, die das 18. Lebensjahr erreicht haben und sich registrieren liessen. Einwohner von US-Aussen-gebieten, wie Puerto Rico bzw. Amerikanisch-Samoa hingegen sind ausgeschlossen – Soldaten können per Briefwahl abstimmen. Auch Gefängnisinsassen, in manchen Bundesstaaten sogar nach der Verbüs-sung ihrer Haftstrafe, dürfen nicht zur Wahlurne. Alleine die Straftäter machen über fünf Millionen Menschen aus. Da Donald Trump ebenfalls abgeurteilter Straftäter ist, dürfte er eigentlich auch nicht wählen – perversesterweise aber gewählt werden!!! Apropos – wählbar sind nach der Verfassung nur „Natural born citizens“, also gebürtige US-Amerikaner, weshalb Arnold Schwarzenegger beispielsweise zwar Gouverneur, nicht aber US-Präsident werden darf. Seine Kinder hingegen sehr wohl, da jedes Kind, das auf US-amerikanischen Territorium geboren wurde, automatisch den Status eines Natural Born Citizen erhält.

Nun zu den Kandidaten!

.) Donald Trump (Rep) – Ex-US-Präsident (2016-2020) und Spitzen-kandidat der Republikaner – hierzu bedarf es wohl keiner Vorstellung! Wird Trump gewählt, wird der 39-jährige J.D. Vance (Senator aus Ohio – ein ehemaliger Trump-Gegner in eigenen Reihen!) zum Vizepräsident. Sein „Ex-Running Mate“ Mike Pence hat sich inzwischen von Donald Trump distanziert. Trump hatte nach den Wahlen 2016 nahezu alle Personen in seiner Regierung ausgetauscht – wäre nicht verwunderlich, wenn dies auch 2025 geschehen würde.

.) Kamala Harris (Dem)

Die 60-jährige amtierende Vizepräsidentin Joe Bidens ist die Tochter einer tamilischen Brustkrebsforscherin und eines aus Jamaika stammenden Wirtschaftswissenschafters. Sie erhielt 1990 die Zulassung als Anwältin und war bis 2016 Staatsanwältin – zuletzt „Attorney General“. Im November 2016 kandidierte sie schliesslich für den US-Senat. Harris wird dem progressiven Flügel der Demokraten zugeordnet. Wird sie gewählt, dürfte sich einiges in den USA ändern.

Trump zog wie zu erwarten war, die unterste Schublade und beleidigte Harris mehrere Male: Sie sei antisemitisch! Daneben meinte er auf der National Association of Black Journalists:

„Ich wusste nicht, dass sie schwarz ist“ … (bis Harris vor einigen Jahren) … „schwarz wurde! Also, ich weiss nicht, ist sie indisch oder ist sie schwarz?“

Harris konterte:

„Das amerikanische Volk verdient einen Anführer, der die Wahrheit sagt, einen Anführer, der nicht mit Feindseligkeit und Wut reagiert, wenn er mit den Fakten konfrontiert wird!“

Sie wiederum bezeichnete Trump als Faschisten. Der lügte im Wahlkampf, dass sich die Balken bogen. So meinte er etwa über die Migranten:

„In Springfield essen sie die Hunde, die Leute, die hierhergekommen sind, sie essen die Katzen. Sie essen die Haustiere der Menschen, die dort leben!“

Viele hochkarätige republikanische Politiker übernahmen das Zitat und blamierten sich damit bis auf die Knochen. Im Internet machte sich Trump damit zur Lachnummer!

Zurück zum Wahlsystem:

Auch wenn sich Liberale und etwa Grüne den Wahlen stellen, so haben diese aufgrund des Wahlsystems zwar die Möglichkeit, in das Geschehen einzugreifen, indem sie Republikanern und Demokraten Stimmen kosten, können jedoch niemals zum US-Präsidenten gewählt werden. So ist es recht einfach zu erklären, weshalb Robert F. Kennedy Jr. nun Trump unterstützt – sein Vater Robert F. und sein Onkel John F. Kennedy dürften sich wohl im Grabe umgedreht haben, als dies bekannt wurde. Kennedy Jr. versuchte es bei den Vorwahlen zuerst bei den Demokraten, dann als Parteiloser! Trump bezeichnete ihn damals als „der wohl dümmste Kennedy“ – jetzt hingegen ist er von ihm mehr als angetan, hält er ihn doch als „schlauen guten Kerl“!

Einen solchen Fauxpas, wie damals bei Hillary Clinton, darf es nicht mehr geben. Da sind sich alle Demokraten einig. Wären die Sanders-Wähler 2016 bei den Wahlen zur Urne gegangen, wäre Donald Trump möglicher-weise nie US-Präsident geworden und Hillary Clinton wohl zum dritten Mal in’s Weisse Haus eingezogen.

Und Trump macht dort weiter, wo er aufgehört hatte: Mit Drohungen in alle mögliche Richtungen: So meinte er etwa, er lasse im Notfall alle NATO-Staaten im Stich, wenn sie nicht ihren Beitrag in das Bündnis einbezahlt haben, Putin forderte er richtiggehend zum Einmarsch in diese Länder auf. Die Verfassung wolle er ändern, … Ob er das Ergebnis der Wahl anerkennen wird, sollte er nicht gewählt werden, darf bezweifelt werden. Manche schliessen sogar einen Bürgerkrieg nicht aus – die Ereignisse vom 6. Januar 2021 würden dies durchaus bestätigen. In seinen Reden sind zuhauf die Worte „Vergeltung“ und „Rache“ enthalten.

Eine gerichtliche Entscheidung über die Wahl, sollte er den Kürzeren ziehen – davon muss auf jeden Fall ausgegangen werden: „Wahlbetrug!“ Obgleich die Wahrscheinlichkeit von Manipulationen verschwindend gering und mit teils hohen Strafen belegt ist, kann er sich dadurch weigern, das Ergebnis anzuerkennen! Gerichte werden wohl über eine Vielzahl von Neuauszählungen vor allem in den Swing-States zu entscheiden haben. Einen solchen „Wahlbetrug“ ortete Trump bereits im Jahr 2020, als Florida neu ausgezählt werden musste. Danach folgte Wisconsin. Auch in Arizona versuchten Trump und sein Anwalt Giuliani ähnliches. Zwei Wochen nach den Wahlen sprachen sie auf den republikanischen Sprecher des dortigen Repräsentantenhaus, Rusty Bowers, ein, dass es dort einen Wahlbetrug mit 200.000 Stimmen gegeben habe. Bowers fehlten die Beweise, er lehnte ab. Als Trump nochmals zu Weihnachten anrief, meinte er:

„Ich habe Sie gewählt, ich habe für Sie gearbeitet, ich habe für Sie Wahlkampf betrieben, ich werde einfach nichts Illegales für Sie tun.“

Bowers blieb integer – das kostete ihn seinen Job. Trump wird auch heuer alle Register ziehen.

Dennoch:

Möge im Gegensatz zum vorletzten Mal die Bessere gewinnen!

Lesetipps:

.) History of American Presidential Elections, 1789-1968; Arthur M. Schlesinger et al.; Chelsea House 1971

.) America in Search of Itself: The Making of the President 1956-1980; Theodore H. White; Harper & Row 1982

Links:

No Comments »

Südamerika brennt!

Es ist ein mehr als trauriges Bild, das ich dieser Tage entdeckte:

Ein Mann kniet in Riberalta, einer Stadt im Norden Boliviens, weinend auf dem abgebrannten Feld vor seinem ebenfalls brennenden Haus. Sein Lebenswerk – ein Raub der Flammen!

Wahrhaft keine guten Nachrichten, die uns in den letzten Wochen aus Südamerika erreichten: Tausende Feuer loderten und lodern nach wie vor auf dem lateinamerikanischen Kontinent. Millionen Hektar sind bereits niedergebrannt, viele mehr werden folgen! Ursache Nummer 1 sind nach wie vor Brandstiftungen!

Beginnen wir am besten – na klar – in Brasilien! Im Bundesstaat São Paulo im Südosten des Landes wüteten alleine im vergangenen August 3.480 registrierte Feuer (mehr als doppelt so viele wie im ganzen Jahr zuvor) – in 45 Gemeinden wurde der Notstand ausgerufen, mehr als 15.000 hauptamtliche und freiwillige Feuerwehrleute standen im Einsatz. Beim Kampf gegen die Flammen starben auch mehrere Menschen. Bislang (Stand: Ende August) gab es zwei Festnahmen wegen Brandstiftung. In Brasilien ist die Lage besonders fatal: Seit Wochen herrscht im ganzen Land eine Extrem-Dürre, von der rund 60 % des Landes betroffen ist. Dem Einen oder Anderen werden die Bilder des ausgetrockneten Amazonas-Gebietes aufgefallen sein.

„Dies ist das erste Mal, dass sich eine Dürre vom Norden bis in den Südosten des Landes erstreckt!“

(Ana Paula Cunha, Forscherin am Nationalen Zentrum für die Über-wachung und Frühwarnung von Naturkatastrophen)

Die Trockenzeit dauert in Brasilien normalerweise von August bis Okto-ber. Doch haben Wissenschaftler der World Weather Attribution (WWA) errechnet, dass bereits der Juni der „trockenste, heisseste und windigste“ Monat des Landes seit dem Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1979 war.

Neben dem Bundesstaat São Paulo traf es auch die Hochebene vom Cerrado und das Feuchtgebiet Pantanal. Der Cerrado gilt als „Wiege des Wassers“. Viele der grossen Flüsse Südamerikas entspringen hier. Während die Feuer im Amazonasgebiet seit dem Beginn der Regierung da Silvas zurückgingen, nahmen sie am Cerrado zu. Das Feuchtgebiet Panta-nal liegt zwischen dem Amazonas und São Paulo, ist das grösste und artenreichste Binnen-Feuchtgebiet der Erde, zirka halb so gross wie Deutschland. Alleine im Juni verbranten dort 6.000 Quadratkilometer. Die Experten des WWA warnten aufgrund der vorliegenden Daten im August, dass die Regenfälle dort in den letzten 40 Jahren kontinuierlich zurückgegangen und die Brände um rund 40 % intensiver ausgefallen sind. Nach Berechnungen des Naturschutzökologen Carlos Peres von der University of East Anglia in Großbritannien erlitt das Ökosystem des Pantanal einen Rückgang der Wasserfläche um 61 % im Vergleich zum historischen Durchschnitt von 1985 – dies jedoch alleine im Jahr 2023! Im Jahr 2020 zerstörte schon ein riesiger Brand rund ein Drittel Pantanals – nach Schätzungen starben 17 Millionen Wirbeltiere in den Flammen. Auch dieses Feuer wurde gelegt! In der ersten Hälfte des Septembers kamen im Amazonas-Gebiet noch weitere mehr als 20.000 Waldbrände hinzu. Verstärkung vonseiten der Regierung kam im Juni – zu dem Zeitpunkt aber waren die Brände bereits ausser Kontrolle. Präsident Luiz Inacio Lula da Silva kündigte die Einrichtung einer neuen Behörde an, die sich mit extremen Klimarisiken befassen und Lösungen liefern soll. Zuvor wurde die Regierung durch den Obersten Gerichtshof aufgefordert, Massnahmen zu setzen. Die Grossstadt São Paulo traf es mit extremem Smok.

„Bis vor etwa 25 Jahren brannten die Wälder im Amazonasgebiet nicht, selbst wenn sie auf Sandböden und saisonal trockenen Gebieten lagen, es sei denn, es gab irgendeine Art von Störung durch den Menschen, wie z.B. Holzgewinnung. Aber das hat sich geändert.“

(Carlos Peres, University of East Anglia/GB)

Werden nun Brände in einem ohnedies schon ausgedürrtem Gebiet gelegt, so hat dies meist fatale Folgen. In Europa ist dies seit Jahren v.a. aus Griechenland, aber auch aus Portugal und Spanien bekannt. Und das ist leider nach wie vor der Fall. Es gilt auch für die nachfolgenden Bei-spiele der anderen Länder: Wurde der Wald gerodet, werden Feuer gelegt, um die Flächen von den Baumstümpfen zu befreien, damit das Land als Acker, Plantage oder Weideland genutzt werden kann, bis es komplett ausgelaugt ist (dauert rund 2 Jahre). Und – dass mit dem Amazonas nicht nur die grüne Lunge unseres Plantene stirbt, weiss Luciana Gatti vom brasilianischen Institut für Weltraumforschung:

„Wir beschleunigen den Klimakollaps. Der verbleibende Wald ist nicht mehr derselbe; es ist, als wäre der Amazonas krank.“

Sie stellte mit ihrem Team fest, dass die Abholzung wesentlich mehr zur Temperaturerhöhung im Amazonasgebiet beiträgt, als der Klimawandel selbst. Logisch – denn: Wo keine Bäume, da auch kein Schatten, da auch kein Wasserspeicher, da in Folge staubtrocken! Zur Erklärung: jeder Regenwald ist ein Biotop. Dort dient nicht nur der Boden als Wasser-speicher, sondern die Bäume und anderen Pflanzen geben auch Wasser über die Blätter ab (Evotranspiration). Das sorgt für eine hohe Luft-feuchtigkeit – es regnet öfters. Peres betont, dass jeder Waldbrand bessere Bedingungen für den nächsten bringt!

Nach Bolivien: Vornehmlich in der östlichen Region Santa Cruz wüteten im Naturschutzgebiet Valle de Tucabaca 85.500 Brände. Sie vernichteten nach Angaben des Nationalen Instituts für Agrarreform (Inra) eine Fläche von mehr als 10 Millionen Hektar – das ist mehr als die Landesfläche von Portugal. Schon im Vorjahr vernichteten Feuer rund 6,3 Millionen Hektar – 60 % Wälder und 40 % Weiden. La Paz spricht von der schlimmsten Umweltkatastrophe in der Geschichte des Landes. Das Land hat den nationalen Katastrophenzustand ausgerufen und um internationale Hilfe gebeten. Auch dort sind die Ursachen der Klimawandel, Brandstifter und auch „El Niño“.

In Argentinien ist Ende September hauptsächlich die Region Cordóba betroffen. 700 Feuerwehrleute standen im Einsatz. Auch hier wurden die Brände gelegt – für 2 Personen klickten die Handschellen. Die Flammen kennen dabei keinen Unterschied zwischen Wald, Plantage, Feld oder Dorf.

Ecuador – Flammen tobten Ende September in der Hauptstadt Quito. Sie wurden offenbar am Stadtrand gelegt und frassen sich durch die Stadt. 100 Familien mussten in Sicherheit gebracht werden. Auch in Ecuador ist es staubtrocken! Präsident Noboa versprach auf X, dass die Brandstifter wegen Terrorismus vor Gericht gestellt werden, sofern es sich um Vorsatz handelte.

Chile – schon im Februar forderten Waldbrände mehr als 50 Todesopfer – über 21.000 Hektar waren davon betroffen.

Durch diese verheerenden Brände werden nicht nur wichtige Sauerstoff-produzenten zerstört – auch der CO2-Ausstoss befindet sich in diesem Jahr auf Rekordniveau. Um aufzuzeigen, um welche Ausmaße es geht – im Februar meldete der Atmosphärenüberwachungsdienst von Coper-nicus diese Emissionen für das Jahr 2023: Brasilien 4,1 Megatonnen CO2, Venezuela 5,2 Megatonnen, Bolivien 0,3. Im Vergleich dazu die Zahlen vom Februar 2003: 3,1 in Brasilien, 4,3 in Venezuela und 0,08 in Bolivien. Das ganze Ausmaß der Brände ist auf Satellitenbildern erkennbar. Auf-genommen durch den NASA-Satelliten DSCOVR verdecken grosse Rauch-wolken Teile Ecuadors, Perus, Boliviens, Brasiliens und auch Paraguays!

Links:

No Comments »

Hurricanes – Fingerzeig des Todes

In der Nacht auf Donnerstag (KW 41) hat Europa den Hurrikan „Kirk“ kennenlernen dürfen bzw. das, was von ihm übrig geblieben ist. Orkan-böen auf den Bergen, teils starke Windböen im Tal und viel Regen! Europa ist eigentlich so gar nicht das Zielpublikum der Monster-Unwetter, doch schafft es immer mal wieder eines dieser Naturereignisse auf den alten Kontinent, wenn auch nicht mehr als Hurrikan, so doch als Sturmfront.

Inzwischen aber tobte jenseits des Atlantiks „Milton“.

Erste Berechnungen gingen davon aus, dass er mit einer Geschwindigkeit von 270 km/h auf Land treffen würde. Das wäre tatsächlich fatal gewesen! Doch hat er sich im Golf von Mexiko „abgeschwächt“ und traf Florida mit 200 Stundenkilometern. Das reichte um eine Spur der Verwüstung zu hinterlassen. Floridas Gouverneur Ron DeSantis meinte:

„Was wir sagen können: Der Sturm war beträchtlich, aber dankens-werterweise nicht das Worst-Case-Szenario.“

Nur 14 Tage zuvor wütete dort „Helen“ mit einer Sturmflut von sechs Metern Höhe (bei Milton waren es vier Meter). Allerdings waren die Regenmengen gigantisch: „Milton“ brachte teilweise 410 l Wasser auf den Quadratmeter. Drei Millionen Menschen hatten keinen Strom, in der Stadt St. Petersburg auch kein Trinkwasser. Trümmer soweit das Auge reicht. „Milton“ machte aber eines noch gefährlicher: Im Gepäck hatte er 37 Tornados, die niemand vorhergesehen hatte. Diese Windhosen trafen etwa St. Lucie County an der Atlantikküste heftig – ein Seniorenwohnheim kam in den Sog – vier Menschen starben, viele wurden vermisst. Milton forderte mindestens sechzehn Menschenleben (bei „Helen“ waren es mehr als 230) und richtete Milliardenschaden an.

Wie aber entstehen solche Monster-Unwetter und was macht sie so gefährlich?

Hurrikane sind tropische Wirbelstürme, die vornehmlich in der Karibik und dem Golf von Mexiko aber auch dem Nord- und Südpazifik entstehen. Hurrikan-Zeit ist zwischen Mai bis Dezember – die meisten aber wüten zwischen Juli und September. Um als Hurrikan anerkannt zu werden, muss zumindest Orkanstärke (Windstärke 12 auf der Beau-fortskala) erreicht werden, das etwa 118 Stundenkilometern entspricht. Die Bezeichnung selbst geht wohl auf die indianischen Einwohner der Grossen Antillen („Taino“) zurück, die Griechen bezeichneten dies als „Typhṓn“ (Taifun). Das betrifft aber heute nurmehr die Wirbelstürme in Süd- und Südost-Asien. Im Indischen und südlichen Pazifischen Ozean werden diese als „Zyklon“ benannt. Die Enstehung der Stürme ist recht kompliziert. Übersteigt ein gleichmäßiges Temperaturgefälle ein bestimmtes Maß im Vergleich zu grossen Höhen, so kann dies die Geburtstsunde eines Hurrikans sein. Dies geschieht zumeist in einer Passatwindzone über dem Atlantik oder östlichen Pazifik bei einer Wassertemperatur von zumindest 26,5 Grad Celsius. Dadurch verdunstet das Wasser und steigt auf. Daraus bilden sich durch die Kondensation riesige Wolken. Unglaubliche Energie wird freigesetzt. Über dem Meeresspiegel bildet sich Unterdruck, der grosse Mengen an verdunstetem Wasser aus der Umgebung ansaugt. Über den Wolken herrscht Überdruck, das verursacht einen Wirbel in entgegengesetzter Richtung. Das sind die sog. „Antizyklone“. Typisch für tropische Zyklone hingegen sind die spiralförmigen Regenbänder, in welchen thermische Aufwinde herrschen. Die feuchten Luftmassen steigen auf und schiessen immer mehr Wasser und Energie nach. In den dazwischen liegenden Zonen strömt kühlere und trockene Luft nach, die absinkt. Am Meeresspiegel fliesst weiter feuchte Luft nach, die durch die Corioliskraft einen Wirbel verursachen.

Trifft nun einer dieser grossflächigen Wirbel auf Land, wird das System gestört, es fliesst anstatt der feuchten Meeresluft trockene Landluft nach. Dadurch erhält der Wirbelsturm kein Wasser und keine Energie mehr – er wird schwächer und endet schliesslich als tropisches Tief. Übrigens – die Energie oberhalb der Wolken wird zu grossen Teilen ins Weltall abge-strahlt. Die Intensität eines solchen Hurrikans hängt von der Ober-flächentemperatur des Wassers ab: Je höher, desto gefährlicher wird der Hurrikan. Die Wassertemperatur steigt aufgrund des Klimawechsels stark an, somit muss vermehrt mit heftigen und wasserreichen Hurrikans/Taifunen gerechnet werden.

Die Klima- und Hurrikan-Forscher beobachteten in der Vergangenheit ein weiteres sehr interessantes Detail: So wechselt die sog. „Atlantic Multi-decadal Oscillation“ (AMO) in einem Abstand von 40 bis 80 Jahren zwischen „warm“ und „kalt“. Seit 1995 läuft im Nordatlantik die Warm-Phase – voraussichtlich noch bis rund 2035. Das erhöht die Hurrikan-Wahrscheinlichkeit. Zu sehen ist dies auch bei den Ereignissen der Vergangenheit: Der bisher tödlichste Hurrikan (Hurricane San Calixto II) wütete 1780 in der Karibik. Mehr als 22.000 Menschen kamen um’s Leben! Viele davon auf See, da zu diesem Zeitpunkt gerade der amerikanische Unabhängigkeitskrieg tobte. So fielen viele britische und französische Soldaten dem Hurrikan auf hoher See zum Opfer. „Mitch“ zog seine tödliche Spur zwischen dem 22. Oktober und 8. November 1998 in Mittelamerika – bis zu 18.000 Menschen starben. Wir alle kennen noch „Katrina“ aus dem Jahr 2005 mit Windgeschwindigkeiten von 250-300 km/h und 1.836 Toten. Der durch sie verursachte Sachschaden belief sich auf 125 Milliarden US-Dollar. Im Vergleich dazu „Helen“: 88 Tote – Sachschaden 110 Milliarden $. Der schnellste jemals gemessene war „Patricia“ mit 345 km/h, in Böen gar 400 Sachen – er traf im Oktober 2015 vom Pazifik kommend bei Mexiko auf Land. Der „Spanien-Hurrikan“ von 1842 war der erste erfasste Hurrikan, der Europa erreichte.

Die Zerstörungskraft eines dieser Ungeheuer steigt übrigens mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit. Unglaublich aber wirklich wahr ist die Tatsache zum Schluss, dass das Azorenhoch mit seinen Luftdruck- und Strömungsverhältnissen für die Laufbahn der Karibik-Hurrikane verantwortlich zeichnet: Golf von Mexiko oder amerikanische Atlantik-küste! Die Azoren liegen rund 5.000 km Luftlinie von Miami entfernt.

Filmtipp:†

– Tropenwelt Karibik – Sturm im Paradies; NDR-Doku 2007

Lesetipps:

.) The Five-Hundred-Year History of America’s Hurricanes; Eric Jay Dolin; Liveright 2020

.) Sea of Storms: A History of Hurricanes in the Greater Caribbean from Columbus to Katrina; Stuart B. Schwartz; Princeton University Press 2015

†

Links:

No Comments »

Hydrotherme Karbonisierung – die Zukunft aus dem 20. Jahrhundert?

Der bayerische Kabarettist Gerhard Polt hat einst sinngemäss gemeint, dass man vieles verändern könne – nur will es niemand!

Leider symptomatisch für unsere Gesellschaft – in allen Belangen. Im heutigen Blog möchte ich ein Beispiel aus der Energiewirtschaft erläutern, das viele der heutigen Krisen im Vorhinein angewendet hätte verhindern können – doch wollte es niemand!

Der deutsche Chemiker Friedrich Carl Rudolf Bergius forschte bereits in jungen Jahren an der Herstellung von Benzin und Diesel aus Kohle und Wasserstoff. Dafür setzte er die Grundlage für das chemische Hochdruckverfahren, für das er 1931 den Nobelpreis für Chemie erhielt (neben Carl Bosch) – „… für ihre Verdienste um die Entdeckung und Entwicklung der chemischen Hochdruckverfahren“. Bei der Entgegen-nahme des Preises meinte Bergius, er habe sich „… das Ziel gesetzt, Erkenntnisse zu suchen, die der Menschheit nutzen sollten“! Dies könnte nun – mehr als hundert Jahre später – durchaus der Fall sein und eine mögliche Lösung für die derzeitige panische Suche nach neuen Energie-trägern darstellen!

Bergius arbeitete an der Herstellung von Braunkohle im Labor! Das, wofür die Natur Jahrtausende braucht („geomorphologische Wirkung“), soll innerhalb kurzer Zeit industriell geschaffen werden: Biomasse wird unter Ausschluss von Sauerstoff auf hohe Temperaturen erhitzt. Das Resultat: Biokohlenstoff! Bergius‘ Mitarbeiter Hugo Specht führte den Versuch weiter: Er erhitzte das Inkohlungsprodukt des Torfs auf 450 Grad Celsius bei einem Wasserstoffdruck von 150 atm – heraus kam eine benzolartige organische Flüssigkeit. Diese Hydrierung von Kohle wurde 1913 als Patent angemeldet. Hierauf baute dann das Bergius-Pier-Verfahren auf: Durch hohen Druck und direkte Hydrierung werden die Makromoleküle der Kohle in kleinere Molküle abgebaut. Die Produkte, die entstehen, sind gasförmige und flüssige Kohlenwasserstoffe, die als Kraftstoff oder Schmiermittel verwendet werden können.

Bergius übernahm 1914 das wissenschaftliche Labor der Theodor Gold-schmidt AG in Essen. Der 1. Weltkrieg und die anschliessende Inflation führten zu erheblichen finanziellen Problemen. 1925 verkaufte deshalb Bergius seine Patente an den BASF-Konzern, bei dem er eigentlich für weitere zehn Jahre als Berater agieren sollte. Davon wurde aber nie Gebrauch gemacht, weshalb sich Bergius aus der weiteren Verfahrens-entwicklung ausklinkte. Diese wurde durch Matthias Pier fortgeführt.

Wie aber könnte dies nun förderlich für die Gegenwart und Zukunft sein? Die Abhängigkeit der industrialisierten Welt von den Erdöl und Erdgas fördernden Ländern ist frappierend! Können vorort in industriellen Groß-anlagen synthetische Kraftstoffe hergestellt werden, so ist dies ein grossen Schritt raus aus dieser Abhängigkeit von den OPEC-Ländern!

Und nun wird’s interessant: Heutzutage wird der „Torf“ als Ausgangs-produkt selbst hergestellt! Aus biogenen Reststoffen und Abfall-biomassen wie Klärschlamm, Grünschnitt, Destillationsrückständen usw. So etwa arbeitet in Relzow/Mecklenburg-Vorpommern seit 2017 eine Anlage zur Herstellung von Bio-Kohle aus Abfällen – damals weltweit die erste! Eine weitere steht im chinesischen Jining, wo Klärschlamm zu Biokohle verarbeitet wird – nach eigenen Angaben 14.000 Tonnen jährlich. Die Kohle wird im lokalen Kraftwerk verbrannt. Diese Bio-Kohle kann als Brennstoff, als Dünger oder als Erdöl-Ersatz verwendet werden. Dazu bedarf es keiner Jahrhunderte oder Jahrtausende mehr, sondern nurmehr weniger Stunden (rund 12 h!). Zudem wird weniger als 5 % CO2 freigesetzt. Koppelt man dies mit der Biogas-Produktion oder dem Einsatz von Gärresten als Einsatzstoff, so spricht der Experte von „Kaskadennutzung“.

Die Hydrothermale Karbonisiering sollte nicht mit der „Pyrolyse“ verwechselt werden. Während inzwischen bei Ersterer Temperaturen von 180-200 Grad Celsius ausreichen, bedarf es bei der Pyrolyse wesentlich höherer Temperaturen, die – je nach eingesetztem Grundstoff – schon mal bis zu 700 Grad erreichen müssen. Das Endprodunkt der Pyrolyse ist zumeist Holzkohle. Dazwischen liegt noch die „Torrefizierung“ bei Temperaturen bis zu 300 Grad. Auch die Vergasung ist ein anderer Vorgang. Das schliesslich fünfte Verfahren heisst „Vapothermale Karbonisierung“, bei dem der Grundstoff mit heissem Wasserdampf behandelt wird.

Nach Angaben des Deutschen Bundesumweltamtes fielen im Jahr 2021 zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen nicht weniger als 16,1 Mio Tonnen Bioabfälle an: Abfälle aus der Biotonne, Grünschnitt aus Garten und Park, Destillationsrückstände und auch Klärschlamm-Kom-post. In Österreich waren es 2019 alleine durch die Sammlung biogener Abfälle aus Haushalten und ähnlichen Einrichtungen knapp 1,059 Mio Tonnen (Statusbericht 2021 zum BAWP). Dies zeigt auf, über welche Mengen, über wieviel Energie hierbei gesprochen werden kann. Doch kann der künstlich erzeugte Humus auch zur Wiederbegrünung erodierter Flächen verwendet werden, was in weiterer Folge zum weiteren Entzug von CO2 aus der Luft durch die Photosynthese sorgt (negative CO2-Bilanz). Übrigens: Der US-Forscher Dominic Woolf hat berechnet, dass in den Boden eingearbeitete Pflanzenkohle nach 100 Jahren noch rund 70 % des Kohlenstoffs im Acker bindet. Geht man davon aus, dass zwei bis drei Kilogramm CO2 in einem Kilogramm Pflanzenkohle gespeichert sind, könnten nach Schätzungen der Wissenschafter im besten Falle jährlich und weltweit bis zu 6,6 Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden – bei einem Gesamt-Ausstoss von beispielsweise 36,4 Milliarden Tonnen 2021 (Angaben: Global Carbon Project).

Natürlich sind nicht nur deutsche Forscher in diesem Bereich tätig. So arbeiten Wissenschafter der Harvard-Universität an der Nutzung des Kohleschlamms entweder durch Verbrennung oder zum Antrieb spezieller Brennstoffzellen bei einem Wirkungsgrad von rund 60 %. Dabei wird das Kohle-Wasser-Gemisch erhitzt – es entsteht das sog. „Synthesegas“ (Gasgemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff).

C 6 H 2 O + 5 H 2 O → 6 C O + 6 H 2

Aus diesem Gas liesse sich in weiterer Folge durch das „Fischer-Tropsch-Verfahren“ (ein grosstechnisches, heterogenkatalytisches Polymeri-sationsverfahren zur Herstellung von Kohlenwasserstoffen) Benzin her-stellen. Sie sehen also: Die Möglichkeiten wären da, die Grundstoffe zweifelsohne in riesigen Massen vorhanden, doch bleiben die meisten Staaten noch bei den fossilen Brennstoffen! Schade eigentlich – für unser Klima!!!

Lesetipps:†

.) Hydrothermale Karbonisierung; Tobias Helmut Freitag; Studienarbeit 2011 .) Einfluss von HTC-Biokohle auf chemische und physikalische Bodeneigenschaften und Pflanzenwachstum; Ana Gajić; Cuvillier Verlag 2012 .) Teerbildung und Teerkonversion bei der Biomassevergasung – Anwendung der nasschemischen Teerbestimmung nach CEN-Standard; Michael Kübel; Cuvillier Verlag 2007

Links:

No Comments »

WP Login