Technologie der Zukunft – Wieso nicht schon heute damit beginnen?

„Das ist einfach Unsinn!“

(Herbert Diess, VW-Vorstandschef 2019)

Als ich dieser Tage hinter dem Tankzug eines grossen Gase-Produzenten herfuhr, dachte ich mir so nebenbei: „Was wäre wohl, hätte ich zuhause und im Auto jeweils eine Brennstoffzelle? Wäre der vor mir fahrende LKW mein Jahresbedarf?“ Dann kehrte ich jedoch zu meiner früheren Ansicht zurück und verwarf den Gedanken sofort wieder. Im Chemie-Unterricht der Oberstufe demonstrierte der Lehrer damals die Gefahr von Knallgas (Oxyhydrogen). Dieses hochexplosive Gas entsteht, sobald sich Wasser-stoff (H2) und Sauerstoff (O2) vermischen. Es reicht nun bereits ein kleiner Funken, um das Ganze mit einem lauten Knall detonieren zu lassen! Somit wäre mir dieser Energielieferant also auf jeden Fall zu gefährlich, da jede Autofahrt einem Ritt auf einem Fass Dynamit gleich käme. Das ist wohl auch die Meinung vieler Anderer, weshalb die Mög-lichkeit einer Brennstoffzelle von vornherein ausgeschlossen wird.

Was aber viele nicht wissen: Liegen die Volumensanteile des Wasserstoffs in der Luft bei unter 18 oder über 76 % (bei atmosphärischem Druck), so ist diese Verbindung nicht mehr explosiv! Da jedoch der obere Grenzwert rasch sinken kann, wäre dies wohl erneut ein zu grosses Risiko! Also kommt für die Nutzung von Wasserstoff nur die erste Variante in Frage. Luft-Wasserstoffgemische mit einem Wasserstoffanteil von 4-18 % sind brennbar, aber nicht detonationsfähig! Erfolgt die Verbrennung kon-trolliert über eine Mischdüse, so kann eine dauerhafte Knallgas-Flamme (keine Explosion) entstehen. Während das Knallgas bereits im Jahr 1620 durch Théodore Turquet de Mayerne entdeckt wurde, ist die Entdeckung der Knallgasflamme etwas jüngeren Datums. Aufgrund der hohen Tem-peratur von bis zu 3.000 Grad Celsius eignet sich diese Flamme für Schweiss- oder Schneidarbeiten bzw. findet Anwendung in einer Gold-schmiede oder bei der Herstellung oder der Schmelze von Glas.

Der deutsche Chemiker Christian Friedrich Schönbein führte 1838 erst-mals in Basel einen Versuch mit zwei in Salzsäure eingelegten Platin-drähten durch, die er mit Wasser- und Sauerstoff umspülte. Dabei ent-stand elektrische Energie und Wärme. Sir William Grove präsentierte 1839 die sog. „Galvanische Gasbatterie“ und damit den Vorgänger der Brennstoffzelle. In dieser galvanischen Zelle erfolgt die sog. „Kalte Verbrennung“. Dabei werden Wasser- und Sauerstoff zusammengefügt – es entsteht elektrische Energie und Wärme, die auf unterschiedlichste Weise genutzt werden können. Das Abfallprodukt ist Wasserdampf. Eine solche Brennstoffzelle besteht aus zwei Teilen, die durch einen Elektrolyt voneinander getrennt sind, der Ionen-durchlässig und somit für den Ionen-Transport zuständig ist. In Teil 1 wird über die Kathode Sauerstoff eingeleitet, in Teil 2 umströmt Wasserstoff die Anode. Zwischen Kathode (Minuspol) und Anode (Pluspol) baut sich aufgrund der ablaufenden chemischen Prozesse (auf die ich im Detail nicht eingehen möchte) eine geringe elektrische Spannung auf. Werden nun mehrere solcher Brenn-stoffzellen in Serie aneinandergebaut, so erhöht sich dadurch die Spannung.

Derzeit sind vor allem zwei Brennstoffzellen im Einsatz, die sich einzig durch den Elektrolyten unterscheiden: In der Polymerelektrolyt-Brenn-stoffzelle (PEMFC), besteht dieser Elektrolyt aus der Polymer-Membran, einer dünnen, aber festen Kunststoffhaut. In der Festoxid-Brennstoffzelle (SOFC) aus der Hightech-Keramik Zirkondioxid, die hitze- und korro-sionsbeständiger ist.

Der grosse Vorteil dieser Brennstoffzellen liegt im Wirkungsgrad: Er bewegt sich zwischen 70-80 %! Soll heissen, dass 60-70 % der verwendeten Energie in Strom umgewandelt werden kann. Bei einer Gasturbine etwa liegt dieser nur bei rund 40 %

bei einem Benziner bei rund 24 und einem Diesel bei rund 40%. Wird nun der Wasserstoff mit Hilfe von Photovoltaik-Strom produziert, so ist die Brennstoffzelle die umweltfreundlichste Art, Energie zu produzieren. In der Raumfahrt kam die Brennstoffzelle bereits in den 1960er-Jahren zum Einsatz.

Bleibt das Problem, wie ich den Wasserstoff in den Tank bekomme, da es eines unheimlichen Mehraufwandes bedarf, den Wasserstoff pur zu tanken. In gasförmiger Form wird ein Druckbehälter von 700 bar benötigt – hier bleibt das Problem mit der geringen Reichweite. Möglich ist also nur das Tanken von flüssigem Wasserstoff. Dieser aber muss in einem Tiefsttemperaturtank auf -253 Grad Celsius gekühlt werden. So wiegt ein Liter Wasserstoff gerade mal 70 Gramm. Beides nicht wirklich wirt-schaftliche Lösungen.

Es muss also eine Verbindung gefunden werden, die sich rasch und leicht tanken lässt, die nicht explosiv oder brennbar ist und die sich rasch wieder trennen lässt. Dibenzyltoluol lautet eine mögliche Lösung: Eine substituierte, aromatische Kohlenwasserstoffverbindung. Diese Flüssig-keit lässt sich mit Wasserstoff „aufladen“ (LOHC). An der Tankstelle lässt es sich wie Benzin oder Diesel tanken. Im Auto wird der Wasserstoff von seinem Trägermedium abgespaltet (endotherme Dehydrierungsreaktion), das beim Tankvorgang abgepumpt und beispielsweise in sonnigen Gebieten mit Photovoltaiktechnologie durch eine exotherme Hydrierungsreaktion wieder „aufgeladen“ wird. Da Dibenzyltoluol jedoch wasser- und gesundheitsgefährdend ist (Wassergefährdungsklasse 2), wird derzeit vornehmlich auf eine andere Art der Wasserstoffgewinnung zurückgegriffen: Aus Erdgas durch einen sog. „Reformer“. Damit sind wir aber erneut bei den fossilen Brennstoffen angelangt, da der Reformer mit Erdgas beheizt werden muss. Allerdings kann hierfür auch CO2-neutrales Bio-Erdgas verwendet werden. Weitere Trägermedien wären: Toluol/Methylcyclohexan, N-Ethylcarbazol, Benzyltoluol, Naphthalin und Azaborine – die beiden Letzteren scheinen allerdings nicht wirklich ausgereift zu sein!

Dennoch finden sich mehr Erdgas-Zapfanlagen als Wasserstofftankstellen (in Deutschland 82 – in Planung weitere 11/in Österreich 5/in der Schweiz 17). Auf 100 km wird rund 1 kg H2 benötigt, der Tank eines PKW fasst derzeit rund 5 kg Wasserstoff. Der Preis etwa in Österreich liegt bei rund 9,- Euro/kg.

Die Vorteile der Brennstoffzellen liegen also ganz klar auf der Hand:

– hoher Wirkungsgrad

– praktisch schadstofffrei

– wartungsarm

Allerdings gibt es auch Nachteile:

– hohe Kosten

– hohe technische Anforderungen

– begrenzte Brennstoffzellen-Lebensdauer

Die Lebensdauer der Brennstoffzelle hängt von der Haltbarkeit der Polyelektrolytmembranen (PEM) ab – das Fraunhofer-Institut arbeitet mit Hochdruck neben anderenen auch an einer Optimierung. Sie liegt bei knapp über 10.000 Stunden – das kommt einer Reichweite von 400-450.000 Kilometern gleich. Als Heizung im Haus kann eine Brennstoffzelle für rund zehn Jahre verwendet werden – sie wird zumeist mit einer Gasheizung kombiniert. In Japan finden solche Heizsysteme aufgrund einer hohen staatlichen Subventionierung reissenden Absatz – seit 2010 ist das System auch für Einfamilienhäuser erhältlich. Hierzulande gilt das „Langweid-Village“ als federführend. In Langweid bei Augsburg werden 62 Wohneinheiten in 30 Doppel- und Reihenhäuser durch Brennstoffzellen beheizt und mit Strom ausgestattet. Die staatliche Förderung in Deutschland wurde gestrichen, die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gewährt unter gewissen Voraussetzungen einen Zuschuss von bis zu 40 % für „Energieeffizient Bauen und Sanieren – Zuschuss Brennstoffzelle“! In Deutschland wird die Brennstoff-zellenheizung inklusive Montage für 30-35.000 Euro angeboten

Folgende Autohersteller haben das Brennstoffzellen-Auto bereits zur Serienreife gebracht:

  • Honda (CR-V FCEV derzeit nur in Japan und Kalifornien erhältlich)
  • Hyundai (Nexo ca. € 77.000 €)
  • Hyundai (iX35 – nurmehr als Gebrauchtwagen)
  • Toyota (Mirai II ca. € 64.000)
  • Renault (Scenic Vision H2-Tech Concept Car – kein Preis entdeckt)
  • Mercedes-Benz (GLC Fuel Cell – aus dem Verkauf genommen)

BMW führte als erster eine Weltumrundung mit einem Wasserstoff-Prototypen (BMW †iX5 Hydrogen – als Pilotflotte seit 2023 im Einsatz – kein Preis bekannt)

Brennstoffzellenautos werden in Österreich im Rahmen der E-Mobilität 2024 vom †Staat gefördert (Bundesländerförderungen sind unterschied-lich).

Im Vergleich zu Elektrofahrzeugen entstehen alsdann bei der Produktion weniger umweltschädliche Abfallstoffe, da der Strom für den Elektromotor nicht aus Batterien stammt, sondern direkt erzeugt wird. Zudem kann durch das Abfallprodukt Wasser auch der Boden gekühlt und das Klima verbessert werden – es wird auch in Trockenzonen zu mehr Regenfällen kommen.

Brennstoffzellen-Fahrzeuge werden künftig vor allem im Personen- und Gütertransport eine gewichtige Rolle spielen. Auch sind mit dem Mireo Plus H von Siemens bei der Deutschen Bahn (seit bereits 2016 auf verschiedenen Strecken – die Werke in Ulm und Tübingen werden derzeit gerade wasserstofftauglich gemacht) und der ÖBB (mit dem Coradia iLint von Alstom seit 2020 auf verschiedenen Strecken) bereits Züge im Linieneinsatz – sehr zufriedenstellend übrigens. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelte bereits im Jahre 2016 einen Flugzeugprototyp mit PEMFC-Brennstoffzellen („HY 4“) – mit der Dornier 328 soll 2025 ein Demonstrationsflugzeug für klimaneutrale Flüge in der Großflugzeugklasse der EASA („CS25“) in Einsatz gehen.

Während die Heizung mit Brennstoffzellen immer interessanter wird, besteht nach Brennstoffzellenautos kaum Nachfrage. Der Hauptgrund hierfür sind vornehmlich die hohen Anschaffungs- und Betriebsmittel-kosten.

Lesetipps:

.) Wasserstoff & Brennstoffzellen – Die Technik von morgen; Sven Geitmann; Hydrogeit Verlag 2004

.) Brennstoffzellentechnik; Peter Kurzweil; Vieweg 2003

.) Brennstoffzellen in der Kraft-Wärme-Kopplung – Ökobilanzen, Szenarien, Marktpotenziale; Krewitt, Pehnt, Fischedick, Temming; Erich Schmidt Verlag 2004

.) Fuel Cells; Noriko Hikosaka Behling; Elsevier B. V. 2013

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