Archive for Juni, 2024

Die Gefahr lauert im Gras

Kleine Biester, die jedoch sehr grossen Schaden anrichten können. Wer schon mal von einer Zecke gestochen wurde, kann ein Lied davon singen. Auch mich hat ein solches Ungetier mal erwischt. Den Stich selbst habe ich nicht bemerkt – allerdings tagelang danach Schmerzen – doch gottlob war sie nicht infiziert, ich immunisiert oder hatte einfach nur Glück!
Zecken sind meist im Unterholz, Gebüsch, Gras oder Laub zu finden – dass sie von den Bäumen fallen, entspricht nicht der Realität. Die Blutsauger gibt’s in unseren Breiten nahezu das ganze Jahr über – sie sind ab 7 Grad aktiv. Der Wortteil „Frühsommer“ in Frühsommer-Meningo-Enzephalitis lässt sich auf die russische Taiga-Zecke zurück-führen, die dort vornehmlich zu dieser Jahreszeit ständig neue Menschen kennenlernt.

Zumeist ist es der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus), der die Borreliose und die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME – englisch: „tick-borne encephalitis“ TBE) überträgt, eine spezielle Entzündung der Hirnhäute und des Gehirns. Allerdings bereitet die durch Zugvögel aus den Tropen eingeschleppte Art (Invasor) Hyalomma immer mehr Sorgenfalten. Sie kann zudem das Zecken-Fleck- oder das Krim-Kongo-Fieber übertragen. Zweiteres führt (je nach Virusstamm) bei 2-50 % zum Tode durch Multiorganversagen. Zudem besteht die Gefahr nicht in einer zufälligen Ansteckung (zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort – dem Gemeinen Holzbock ist der Wirt gleichgültig), sondern in einer Zielsuche: Diese spezielle Zecke erkennt einen geeigneten Wirt durch die Augen auf rund 10 Metern Entfernung und verfolgt ihn – wenn es sein muss auch über einige hundert Meter. Sie ist deutlich grösser als die heimischen Arten und saugt bis zu acht Milliliter Blut.

Obwohl derartige Erkrankungen eher selten sind, sollte dennoch mittels einer Impfung mit ständigen Auffrischungen einer möglichen Erkrankung vorgebeugt werden. Risikogebiete in Deutschland sind Baden-Württem-berg, Bayern, Südhessen, Teile Sachsens und Brandenburgs sowie das südöstliche Thüringen. Oberhalb von 2000 Metern Seehöhe (Klimaer-wärmung – bis vor wenigen Jahren waren es noch 1.000 m!) wurden noch keine infizierten Insekten gesichtet. Insgesamt sind 180 Landkreise in Deutschland als Risiko-Gebiete vermerkt (vor zwei Jahren waren es noch 175) – inzwischen vereinzelt auch in Mittelhessen, dem Saarland, Rhein-land-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen (Robert Koch-Institut – Epidemiologisches Bulletin 9/2023). Als Risiko-Gebiet gilt ein Kreis dann, wenn über den Zeitraum von fünf Jahren eine Person von 100.000 Einwohnern (Risiko > 1:500.000) an FSME erkrankt ist (Nachweis einer intrathekalen Antikörpersynthese). Diesen Status behält der Kreis über 20 Jahre hinweg – auch wenn es zu keinerlei Neuerkrankungen mehr im Anschluss kam.

Österreich gilt als das Quellgebiet der Zecken – hier leben die meisten entlang der Flüsse und Ströme: Donau (Oberösterreich, Niederösterreich und Wien) oder dem Inn (Tirol), aber auch dem Burgenland, der Steier-mark und Kärnten. Jährlich mehr Erkrankungsfälle meldet auch der Bezirk Feldkirch in Vorarlberg. Nachdem im Alpenland jedoch die Durch-impfungsrate bei rund 90 % liegt, gibt es hier nurmehr wenige Erkrankungen. Und so ganz nebenbei: Sollte Ihnen gegenüber ein Österreicher den Spruch „Du bist lästiger als an Zeck’!“ äussern, so ist das nicht unbedingt liebevoll gemeint! In der Schweiz sind inzwischen alle Kantone betroffen, die über üppige Laubwälder verfügen – von den 26 Kantonen somit nicht weniger als 24 – nur Genf und das Tessin sind noch ausgenommen!!! Stiche wurden allerdings auch schon in China, Japan und Russland gemeldet. In Risikogebieten übrigens liegt der Anteil an infi-zierten Zecken bei 0,1 bis fünf Prozent, in Hochendemiegebieten jedoch auch schon mal bei bis zu 20 %.

Eine Übertragung ist zudem über nicht pasteurisierte Kuh-, Ziegen- oder Schafsmilch bzw. -käse möglich (biphasisches Milchfieber). In früheren Zeiten gar wesentlich häufiger als durch einen Zeckenstich. Infiziert sich ein Tier, so verläuft eine Erkrankung vornehmlich „subklinisch“. Dies bedeutet, das Tier wird sehr rasch anhaltend immun. Allerdings werden während dieser sog. „akut virämischen Phase“ bis zur Immunität Viren mit der Milch ausgeschieden. Wird diese nicht-pasteurisiert getrunken oder beispielsweise in Form eines Rohmilchproduktes verzehrt, so infiziert sich die Person mit dem FSME-Virus. In den baltischen Ländern Lettland, Litauen und Estland wird häufiger rohe Ziegen- oder Schafsmilch getrunken – hier sind auch wesentlich mehr Antikörper im Blut der Menschen zu finden.

Zwischen 70 bis 95 % der Infizierten bleiben beschwerdefrei. Die anderen machen zumeist zwei Krankheitsphasen durch: Die erste beginnt drei bis 30 Tage nach dem Stich mit einer rund 5 cm-grossen Wanderröte um die Stichstelle, zeigt sich dann ein bis zwei Wochen nach dem Stich durch Fieber, Kopf- und Gelenkschmerzen sowie Schwindel, Übelkeit und Erbrechen. Danach folgen 1-3 fieberlose Wochen. Schliesslich beginnt die zweite Phase: Fieber, Übelkeit, Erbrechen und Ausfälle des Nerven-systems. Das wird durch die Entzündung der Hirnhaut verursacht. Lähmungen, Koma sowie die Entzündung des Rückenmarks können folgen. Einer von 100 Infizierten stirbt an den Folgen der Entzündung, drei bis 11 Prozent leiden an bleibenden Schäden, wie Konzentrations-störungen, chronische Kopfschmerzen, Müdigkeit, selten auch Lähmungen. In den nicht so heftig verlaufenden Fällen können Kopf-schmerzen und Lähmungen noch Monate nach dem Abklingen der Krankheit bleiben, dann jedoch verschwinden. Bei Kindern heilt die Erkrankung meist schneller und besser aus – bei älteren Menschen kann sie zu dererlei bleibenden Schäden führen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich. Erkrankungen müssen im deutsch-sprachigen Raum vom behandelnden Arzt gemeldet werden.

Das FSME-Virus ist ein behülltes Einzelstrang-RNA-Virus aus der Familie der Flaviviridae und der Gattung Flavivirus. Derzeit sind drei Subtypen bekannt! In Mitteleuropa ist es vornehmlich der Western-Subtyp. Die Übertragung erfolgt beim Einstich durch die Speicheldrüse der Zecke.
Eine FSME-Infektion kann übrigens nicht mit Hilfe der Medizin geheilt werden. Sie behandelt lediglich die Beschwerden. Wer sich schon mal infiziert hat, ist in der Regel immun gegen das Virus – im Blut finden sich IgM und IgG-Antikörper, die bei einer neuerlichen Infektion die Arbeit aufnehmen. Allerdings sollte sicherheitshalber alle drei bis fünf Jahre eine Auffrischungsimpfung absolviert werden. Die Ärzte empfehlen eine solche Impfung, sofern Sie in Risikogebieten leben und häufig in der Natur zu tun haben. Oder dort den Urlaub verbringen. Der Impfschutz selbst besteht erst nach drei Impfungen. Danach reicht alle 5 Jahre eine Auffrischungsimpfung – ab dem 50. Lebensjahr sollte diese alle drei Jahre erfolgen. Sollte zu lange ausgesetzt worden sein, so muss die Prozedur nicht wieder von vorne begonnen werden. Auch hier reicht normalerweise eine Auffrischungsimpfung.


Einige Schutzmassnahmen können schon im Vorfeld durch jeden selbst vorgenommen werden:
– helle Bekleidung, damit eine Zecke schneller entdeckt wird
– geschlossenen Schuhe
– lange Hosen
– die Socken am besten über die Hose ziehen
– langärmelige Hemden
– keine Tiere wie etwa Igel berühren (die Zecken lieben sie als Wirt)
– nach jeder Wanderung absuchen des Körpers (v.a. der Kniekehlen, Leisten, Achseln, am Ohr- sowie am Haaransatz)
– Zeckenschutzmittel (Vorsicht: Hält nur für 2 bis 3 Stunden!)
Ich dusche mich nach jeder Wanderung oder Gartenarbeit inkl. dem festen Abreiben mit dem Handtuch!


Sollte eines der Biester tatsächlich gestochen haben, entfernen Sie die Zecke am besten mit einer Zeckenzange oder einer Pinzette möglichst nah an der Haut. Ziehen Sie sie gerade und vorsichtig heraus. Zuletzt noch die Stichstelle desinfizieren und möglicherweise markieren. Wenn das Insekt mit Öl oder Klebstoff übergossen wird, bekommt es Todes-angst und entleert den kompletten Mageninhalt – auch den Virus, sollte dieser noch nicht bis zu diesem Zeitpunkt übertragen worden sein.
Wesentlich häufiger als eine FSME-Erkrankung ist allerdings die Borreliose. In Deutschland erkranken in den Meldegebieten unter 100.000 Einwohner zwischen 20 bis 90 pro Jahr (in einigen wenigen Regionen bis zu 150) an dieser bakteriologischen Krankheit, die von den Borrelien übertragen wird. Hiervor gibt es keine schützende Impfung – im Infektionsfall müssen Antibiotika verabreicht werden. Wer also gegen FSME geimpft ist, kann trotzdem an Borreliose erkranken.

Der FSME-Impfstoff wurde 1976 erstmals durch den österreichischen Pharma-Konzern Immuno auf den Markt gebracht. Als Zielgruppe galten v.a. die Forstarbeiter. Als das Unternehmen Ende der 1990er-Jahre durch den US-amerikanischen Konzern Baxter geschluckt wurde, verschwand das österreichische Präparat nahezu aus dem Apothekenregal, da diese ihr eigenes Serum verkaufen wollten. Erst als viele Menschen sich aufgrund der Nebenwirkungen weigerten, eine Impfung über sich ergehen zu lassen, wurde der Impfstoff verbessert. Aus diesem Grund ist die FSME-Impfung nicht ganz unumstritten, da einige Nebenwirkungen auch weiterhin bestehen. Gespritzt werden inaktive, abgetötete Viren und Aluminiumhydroxid in den Oberarm. Die Grundimmunisierung besteht aus zwei Impfungen (ein bis drei Monate voneinander getrennt) und einer dritten fünf bis neun Monate nach der zweiten. Danach sollte – je nach Risiko bzw. Alter des Patienten – alle drei bis fünf Jahre aufgefrischt werden. In der Schweiz empfiehlt das Bundesamt für Gesundheit eine solche Auffrischungsimpfung erst nach zehn Jahren. Eine Passiv-Impfung (Impfung mit Antikörpern nach einem Stich) wird nicht mehr durch-geführt. An der Impfstelle kann es vermehrt zu Reaktionen wie etwa Schmerzen, Rötungen und Anschwellungen kommen, leichtes Fieber ist ebenfalls möglich wie Sehstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Müdigkeit und Schüttelfrost. Vergleichbar etwa mit den Reaktionen bei einer Tetanus-Impfung. Kleinkinder können mit Fieberschüben reagieren. Menschen mit allergischer Reaktion auf Hühnereier sollten sich nicht impfen lassen, da die Herstellung des Serums auf embryonierten Hühnereiern (CEC – chick embryo cells) erfolgt.

In Deutschland wurden im Jahr 2023 475 Neuinfektionen gemeldet (2020 waren es noch 704), in der Schweiz 245 (Stand: Ende September 2023) und in Österreich 109 (hospitalisiert). Nachdem sich die Erkrankung bei nur 5 % der Infizierten zu einer Meningoenzephalitis entwickelt, lehnen Gegner die Impfung ab. Auch bei Kindern heilt die Erkrankung zumeist rasch aus, ohne Schäden zu hinterlassen. In der deutschen Fachliteratur ist nur von einem Kind die Rede, das Folgeschäden wie Lähmungen, epileptische Anfälle oder andere Auffälligkeiten aufzeigte. In Deutschland übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Impfkosten, sofern sie in einem Risikogebiet leben. Bei Urlaubsreisen in ein solches innerhalb Deutschlands jedoch steigen viele Kassen aus, bei Auslandsreisen in der Regel alle. In der Schweiz werden die Impfkosten (rund 200 Schweizer Franken) nur dann durch die Krankenkasse übernommen (ausgenommen der Selbstbehalt von 10 %), wenn die Impfung durch einen Arzt in einem Risikogebiet vorgenommen wird. Bei Impfungen in der Apotheke müssen die Kosten selbst getragen werden. In Österreich muss der Patient für die Impfung aufkommen (die Kosten dafür legt der Arzt selbst fest). Die Gesundheitskasse gewährt einen Zuschuss von 4,80 €. Wurde allerdings eine FSME-Erkrankung durchgemacht, so bietet die Immunisierung ein Leben lang Schutz. Ergo: Ein Antikörper-Bluttest vor einer Impfung kann – nicht nur bei FSME – durchaus Aufschluss bringen, was demnächst vom Arzt Ihres Vertrauens verabreicht werden sollte. Und übrigens: Impfungen bei chronisch kranken Menschen zeigten in vielen Fällen auch Besserungen bei diesen Erkrankungen, da das Immunsystem etwas zu tun bekommt.

Lesetipps:

.) Zecken – Was man über FSME und Borreliose wissen muss; Jochen Süss; Irisiana-Hugendubel 2006
.) Epidemiologie und Prophylaxe der Frühsommermeningitis; Roggendorf, M., Girgsdies, O. E.Rosenkranz, G; DIe gelben Hefte 1994
.) Zecken und Zeckenerkrankungen; Ralph Peters; Borreliose und FSME Bund Deutschland e. V. 2006
.) Lyme-Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis; Patrick Oschmann/Peter Kraiczy; UNI-MED 1998

Links:

– www.zecken.de
– www.zecken.at
– www.zecken.ch
– zecken-stich.ch
– www.rki.de
– www.pei.de
– www.apotheker.or.at
– www.gbe-bund.de
– www.bag.admin.ch
– www.blv.admin.ch
– survstat.rki.de/
– infektionsnetz.at
– www.infektionsschutz.de
– dgk.de
– www.sanitaetsdienst-bundeswehr.de
– www.impfen.de
– www.eurosurveillance.org
– www.careplus.eu
– www.infektionsschutz.de
– www.virologie.meduniwien.ac.at/
– www.borreliose-bund.de
– reisemed.at

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Es darf wieder spioniert werden

Zitherklänge zu Verfolgungsjagden in den Wiener Kloaken – viele werden ihn noch kennen, den Spionage-Thriller „Der dritte Mann“ von Carol Reed mit Orson Welles in der Hauptrolle aus dem Jahre 1949. Seither hat die österreichische Bundeshauptstadt den Ruf als Dreh- und Angelpunkt der Ost-West-Spionage. Vor allem zu Zeiten des Kalten Krieges waren nicht nur unzählige hochrangige Vertreter des CIAs oder KGBs in den Strassen-schluchten zu finden, auch andere wie der israelische Mossad, der britische SIS oder französische Securité Militaire (heute DPSD), aber zudem die Stasi der DDR. Mit der Auflösung des russischen KGBs auf-grund des Endes der Sowjetunion und der folgenden Öffnung zum Westen dachte man, dies beendet zu haben und als Kapitel der Geschichte zuschlagen zu können! Weit gefehlt! Die illegalen Aufbauten auf der russischen Botschaft zum Zwecke der Abhörung in der Reisner Strasse im 3. Wiener Bezirk beurkunden dies – sozusagen als sichtbares Zeichen der Fortsetzung des Dritten Mannes! Allerdings unter anderen Vorzeichen: Der KGB wurde in der zivilen Auslandsaufklärung durch die Federalnaja Sluschba Ochrany Rossijskoi Federazii (FSO) und in der militärischen durch den Militärgeheimdienst GRU ersetzt; hochrangige Politker und Verwaltungsbeamte werden angeworben (machte damals vornehmlich die Stasi); Nutzung der Digitalisierung; dem Aufrüsten des Agententums auch durch andere Zielstaaten wie China oder Nordkorea, …! Doch eines blieb offenbar gleich: Der chiffrierte Kurzwellenfunk als Transportmittel!

Ein durchaus spannendes Thema, in das ich mich nicht zu tief einarbeiten möchte, damit schlafende Hunde nicht geweckt werden. Deshalb beschränke ich mich in dieser Ausgabe des Blogs auf durch die Medien bereits veröffentlichte Informationen mit aufgedeckten russischen Fällen vornehmlich in Deutschland, nicht in Wien. Kämen jene etwa aus China hinzu, würde dies wohl den Umfang dieses heutigen Blogs sprengen. Ich werde dies in einem anderen Text nachholen!

Seit der Krim-Annexion 2014, v.a. aber mit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine investiert Wladimir Putin viel Geld und Arbeit in seine „Wunderkinder“: Beamte, Wissenschaftler und Studenten, die hierzulande ein unauffälliges Dasein fristen, aber durchaus wertvolle Informationen aus Politik, Wirt- und Wissenschaft, aber auch der Stimmung des Westens fleissig in Richtung Moskau absetzen. Manche kamen schon vor Jahren nach Deutschland und Österreich, andere sind Natives, also dort Geborene und Aufgewachsene. Werden sie aufgedeckt, drohen sehr lange Haftstrafen, die Abschiebung und/oder die Ächtung in ihrem Heimat- bzw. Wohnland

„Ja, wir gehen davon aus, dass es auch in Deutschland weitere Illegale gibt!“

(Thomas Haldenwang, Präsident des deutschen Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV))

Hier nun einige Fälle.

Im Jahr 2011 flog in Deutschland das Paar Heidrun und Andreas Anschlag auf. Angeblich in Südamerika aufgewachsene Österreicher, deren Arbeit-geber über Jahre hinweg im Moskauer Kreml zu finden war. Nach deren Aufdeckung wurden sie zu langen Haftstrafen verurteilt und später nach Russland abgeschoben. Ihr Verbindungsmann war ein niederländischer Diplomat, der Zugang zu wichtigen und geheimen NATO-Akten hatte.

Carsen L. war ein mehr als wertvoller Geheimnisübermittler: Gehalts-empfänger beim Bundesnachrichtendienst und der deutschen Bundes-wehr. Er kommt aus Weilheim, einer Kreisstadt in Oberbayern, nicht weit entfernt von Garmisch-Partenkirchen. Dort befindet sich der Ausbil-dungs- und Erholungsstandort der US-Heeresgarnison Bayern sowie das deutsch-amerikanische George C. Marschall Europäisches Zentrum für Sicherheitsstudien. Im benachbarten Mittenwald ist zudem das Gebirgs-jägerbataillon 233 in der Edelweiss-Kaserne stationiert. Die Infor-mationen soll der Geschäftsmann Arthur E. in Richtung Osten abgesetzt haben. Beiden drohen lange Haftstrafen wegen Landesverrates in besonders schweren Fällen.

Auch ein Reserveoffizier aus NRW, Ralph G., wurde 2022 durch das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilt. Er soll sich regelmässig in der russischen Botschaft in Berlin u.a. auch mit Mitarbeitern des GRU getroffen haben. Seine Strafe allerdings wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Daniil B. war Handelattaché der russischen Botschaft in Berlin. Er vernetzte sich ausgezeichnet mit jungen Politikern und brachte die AfD auf ihren derzeitigen russlandfreundlichen Kurs. Zugleich gründete er in Mecklenburg-Vorpommern das „Ostinstitut“. Hier zu finden war lange Zeit eine grosse Anzahl von russischen Lobbyisten. Ob dort auch der russische Autor und Aktivist Wladimir Wladimirowitsch Sergijenko angeworben wurde, oder ob dieser bereits vorher als Kontaktmann ein-geschleust worden ist, ist derzeit nicht ganz geklärt. Sergijenko arbeitete für den Russlanddeutschen AfD-Bundestagsabgeordneten Egon Schmidt. Nach Recherchen des Magazins „Der Spiegel“ soll sich Sergijenko mehrfach mit dem Oberst des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, Ilja Wetschtomow, getroffen haben. Das Ziel dieser Zusammenarbeit: Eine Verfassungsklage gegen die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine. Schmidt ist in Kasachstan geboren und u.a Beauftragter für Russlands-deutsche. In einem Interview mit der NZZ betonte er, dass Sergijenko infolge der Medienberichterstattung seine Tätigkeit für Schmidt einstellte. Eine weitere Zusammenarbeit mache „die gegen Sergijenko gerichtete Medienkampagne“ unmöglich. Zudem leitete er rechtliche Schritte gegen das grossformatige Boulevardmagazin ein, das mit „Russen-Spion enttarnt“ titelte. Sergijenko trat auch als Redner auf einem vom rechts-radikalen Magazin „Compact“ veranstalteten Treffen auf. Er soll neben der deutschen Staatsangehörigkeit auch eine ukrainische und russische besitzen.

Nach wie vor ist der Fall rund um den AfD-EU-Parlamentsabgeordneten Maximilian Krah nicht geklärt. Während der Einreisekontrolle in die USA wurde Krah im Dezember 2023 durch das FBI einvernommen. Dabei wurden rund 3.000,- € Bargeld vorgefunden. Wie nach Recherche des WDR, NDR und der Süddeutschen Zeitung bekannt, wollte er damit Hotel und Essen bezahlen sowie seinem Bekannten David Bendels eine von ihm ausgelegte Summe für einen Sitzplatz bei der Veranstaltung der Young Republicans in New York zurückerstatten. Bendels ist Chefredakteur des rechts-populistischen Deutschland-Kurier. Das FBI hatte Krah offenbar verdächtigt, das Bargeld von einem prorussischen Aktivisten erhalten zu haben.

In die Niederlanden: Dort flog ein angeblicher Brasilianer auf, der in den USA und Irland studierte und im Land der Deiche und Grachten offiziell ein Praktikum am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag absol-vierte. Es war ein Russe, der mit einer brasilianischen Identität ausge-stattet worden war.

An der norwegischen Universität von Tromsø beschäftigte sich ein brasilianischer Wissenschaftler mit der geopolitischen Bedeutung der Arktis. Besonders interessant, da Norwegen gar nicht Mitgliedsland der EU ist.

2022 griffen in Ljubljana die slowenischen Sicherheitsbehörden bei einem Paar zu, das offenbar die Gehälter in Europa verteilt hatte. Sie kamen bei ihren vielen Reisen nach Deutschland in den Fokus des Verfassungs-schutzes. Bei der Hausdurchsuchung stiessen sie auf immens hohe Bar-geldbeträge. Der Namibier war im IT-Sektor tätig, seine Frau aus Argentinien als Galeristin in der Kunst.

„Wir gehen davon aus, Russland nutzt den vollen Werkzeugkasten aller Spionagewerkzeuge, die vorstellbar sind, bis hin auch zur Tötung von Gegnern!“

(Thomas Haldenwang, Präsident des deutschen Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV))

Allerdings ist es nicht nur die Weitergabe von relevanten Informationen, die die Russen interessieren, sondern offenbar auch das Ausführen von Sabotagenakten an wichtigen Einrichtungen, warnen unisono alle euro-päischen Geheimdienste. So wurden erst vor kurzem zwei Bayern festgenommen, die verdächtig sind, Behörden zu sabotieren, die sich mit der militärischen Unterstützung der Ukraine beschäftigen. Daneben sollen sie auch wichtige Informationen zu den Sanktionen gegen Russland und der deutschen bzw. europäischen Rüstungspolitik weiter-geleitet haben.

Manches Mal jedoch bissen sich die Russen die Zähne aus. So etwa bei dem CDU-Abgeordneten zum Bundestag, Roderich Kiesewetter. Der Oberst a.D. im Generalstabsdienst und derzeitige Vorsitzende des Reservistenverbandes berichtet von Einladungen in die russische Bot-schaft, welchen er jedoch nicht nachkam.

Ich für meine Person musste mich bei meiner zweiten Verpflichtung als Zeitsoldat beim Österreichischen Bundesheer nachrichtendienstlich über-prüfen lassen, da meine Wurzeln in Deutschland liegen und ich zu diesem Zeitpunkt noch viele Verwandte dort hatte. Offenbar galt dies nur unzu-länglich in Form der Sicherheitsüberprüfungen bei der deutschen Bundeswehr und den Geheimdiensten. Das wurde inzwischen nachgeholt: Nach Angaben des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) wurden alleine im Jahr 2022 rund 57.000 Überprüfungen durchgeführt. In 300 Fällen bestand ein Sicherheitsrisiko, in weiteren kanpp 2.000 Fällen wurden Einschränkungen bzw. personenbezogene Sicherheitshinweise ausge-geben. Weitere 68.000 Prüfungen standen bereits zu Silvester 2023 in Arbeit. Geheimnisträger oder Mitarbeiter in Schlüsselfunktionen werden zudem regelmässig alle fünf Jahre gecheckt.

Auch die Politik reagiert sehr empfindlich auf Spionage-Vermutungen. 2022 wurden in nur einer Aktion 40 mit Diplomatenpass ausgestattete Mitarbeiter der russischen Botschaft Unter den Linden in Berlin ausgewiesen. Sie sollen dem russischen Militärgeheimdienst GRU ange-hören. Nach nicht bestätigten Angaben sollten 100 ausgewiesen werden – europaweit waren es 400. Ferner wurde die Zahl der akkreditierten russischen Diplomaten in Berlin und Diplomaten in der deutschen Botschaft in Moskau reduziert. Der russische Botschafter in Deutschland ist bereits mehrfach durch die Aussenministerin Annalena Baerbock in das Auswärtige Amt zitiert worden.

Zuletzt möchte ich noch einige Fragen unbeantwortet im Raum stehen lassen: Wieso wurde der AfD-Chef Tino Chrupalla im Dezember 2020 durch den russischen Aussenminister Sergej Lawrow in Moskau empfangen (dplomatisch mehr als ungewöhnlich)? Wofür planten mehrere AfD-Abgeordnete im September 2022 eine Reise nach Moskau, obwohl der russische Überfall auf die Ukraine bereits im Februar 2022 begonnen hatte? Weshalb besuchten am 9. Mai 2023 Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), Tino Chrupalla (AfD) und Alexander Gauland (Ehrenvorsitzender der AfD) sowie Klaus Ernst (Die Linkspartei) anlässlich der Gedenk-veranstaltung zum Sieg der Sowjetunion über Nazi-Deutschland die russische Botschaft in Berlin, obgleich in der Ukraine der russische Angriffskrieg tobt? Im Zweiten Weltkrieg hatte Hitler trotz Nichtangriffs-paktes die Sowjetunion überfallen.†

Quellen-Hinweis:

Alle hier erwähnte Fälle sind bereits durch Medien veröffentlicht worden!

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PFAS – geschaffen für die Ewigkeit

Nun – wohl jeder hat mit ihnen schon zu tun gehabt, man kommt ihnen einfach nicht aus. „Per- und Polyfluorierte Alkylsubstanzen“, erlauben Sie mir bitte die Abkürzung: PFAS! Ohne sie ist vieles im normalen, alltäg-lichen Leben nicht mehr machbar. Zu finden sind sie in Pfannen und Halbleitern, in der Outdoor-Bekleidung, in der Lebensmittel-Verpackungsindustrie und ja sogar in der Zahnseide.

Ihre Kennzeichen: Wasser- und schmutzabweisend, hitze- und druck-beständig – auch die meisten Säuren können ihnen nichts antun.

Die Gefahr: Sie machen krank und bleiben nahezu „ewig“ in der Umwelt („Forever Chemicals“)! Die biologische Halbwertszeit von PFOA liegt bei ca. 2,7 Jahren, von PFOS bei ca. 4,7 und bei PFHxS bei ca. 5,3 Jahren. Nachdem sie bereits im Trinkwasser vorkommen, werden sie zum akuten Problem!

Die Chemie gleich vorweg: Bei diesen organischen Substanzen wurden die Wasserstoff- industriell durch Fluoratome ersetzt! Inzwischen gibt es mehr als 10.000 dieser chemisch-zusammengesetzten Stoffe – nahezu täglich werden es mehr.

Und nun wird’s heftig: Seit bereits den 1960er-Jahren ist es bekannt und wissenschaftlich nachgewiesen, dass bestimmte PFAS im menschlichen Körper Krankheiten wie etwa Krebs auslösen können!

„PFAS können auf die Fruchtbarkeit wirken, auf die Spermaqualität oder auch auf die Entwicklung des Kindes im Mutterleib. Sie können die Reaktion bei Impfungen herabsetzen. Einige werden als krebs-erzeugend eingestuft.“

(Marike Kolossa-Gehring, Chef-Toxikologin am dt. Umweltbundesamt)

Inzwischen werden PFASs neben dem Wasser auch in Pflanzen, Böden, Tieren und im Blut des Menschen nachgewiesen. Auch übrigens in der Arktis und Antarktis. Zu Beginn des letzten Jahres haben vier EU-Staaten neben Deutschland den Vorschlag bei der EU-Chemikalienbehörde ECHA eingebracht, den Einsatz dieser PFASs zu beschränken oder gar zu verbieten. Ein halbes Jahr lang hätten alle EU-Bürger die Möglichkeit gehabt, diesen Vorschlag zu unterstützen. Geschehen ist freilich so gut wie gar nichts. Ganz im Gegenteil: Die Industrie nutzte die Möglichkeit, um weiterhin auf die „Positiven Eigenschaften“ hinzuweisen und ein Szenario aufzustellen, wie das Leben wohl wäre, gäbe es die PFASs nicht mehr. Klar – weshalb kompliziert, wenn es einfach auch gehen könnte! Erst eine Greenpeace-Kampagne zeigte auf, dass Outdoor-Bekleidung auch ohne PFAS wasserdicht oder Küchenpfannen antihaftend werden können. Übrigens auch der Löschschaum der Feuerwehr. V.a. Flughäfen sind nach wie vor stark PFAS-belastet. Nicht unbedingt durch reale Ein-sätze, sondern oftmals durch die Lösch-Trainings. Die Chemikalien versickern oder kommen ins Abwasser und bleiben dort für Jahre hinweg. Derartige Schäume (auch in Feuerlöschern) sind seit heuer in der EU nicht mehr zugelassen – es gelten allerdings erneut Übergangsfristen. An den Altlasten allerdings haben wir schwer zu beißen.

„Man kann ohne Übertreibung sagen, dass es die problematischste Stoffgruppe ist, die wir bisher im Rahmen der Industriechemikalien haben.“

(Prof. Martin Scheringer, Umweltchemiker an der ETH Zürich)

Doch damit noch lange nicht genug: PFAS ist auch eng verbunden mit der Energiewende. So sind sie enthalten in den Trennschichten der Lithium-Batterie bzw. den Membranen der Brennstoffzellen. Die möglichen Alternativen hierzu werden – wie üblich – nur ganz vereinzelt genutzt, da zu teuer oder schlichtweg zu aufwendig. Propan als Kältemittel in Wärmepumpen oder Klimaanlagen wäre sogar leistungsfähiger als PFAS-Gas! Zwar erfolgt dessen Verwendung immer öfter, doch könnte es wesentlich rascher umgesetzt werden! Treten dann die Gesetze endlich in Kraft, sind lautstarke Proteste aus Wirtschaft und Industrie zu vernehmen, da all dies zu schnell gehe, zu teuer werde und schliesslich Arbeitsplätze koste.

Wie gefährlich können diese Chemikalien aber wirklich werden? Hier ein Beispiel!

1999 erhielt der Umweltrechtsanwalt Robert Bilott einen Anruf des Viehbauern Wilbur Tennant aus Parkersburg/West Virginia. Der Farmer meinte, dass ihm reihenweise das Vieh wegsterben würde. Billot ver-teidigte bis zu diesem Zeitpunkt vornehmlich Chemiekonzerne, weshalb er mit dem Kommenden seine eigene Karriere und den Ruf seiner Kanzlei auf’s Spiel setzte. Der Anwalt, der damals in der Kanzlei Taft, Stettinius & Hollister beschäftigt war, nahm die Recherchen auf und überzeugte seinen Arbeitgeber mit einem Video, das verendete Kälber mit verfärbten Eingeweiden, aus der Nase blutende tote Wildtiere, Kühe mit Schaum am Maul sowie missgebildete Hufe zeigte. Es stellte sich heraus, dass die Tennants in den 1980er-Jahren ein Stück Land an den benachbarten Chemiekonzern DuPont verkauft hatten. Dieser nutzte es offenbar als Mülldeponie. Durch diese Deponie verläuft ein Flüsschen, dem die Tennants weiter flussabwärts Wasser für ihre Farm entnahmen. Bilott reichte Klage beim Bundesgericht ein. Diese wurde abgewiesen mit dem Hinweis auf schlechte Haltungsbedingungen des Viehs bei den Tennants. In einem Schreiben fiel die Abkürzung „PFOA“ (Perfluoroctansäure). Der Anwalt klagte den Chemiekonzern auf Herausgabe entsprechender Unterlagen, da dieser sich zuvor weigerte, und bekam Recht.

1951 erwarb DuPont das Patent auf PFOA von 3M, das es zur Herstellung von Teflon verwendete. 3M hatte DuPont davon informiert, dass PFOA-Reste bzw. -abfälle als Sondermüll zu behandeln sind. Dieser aber pumpte offenbar seither Tonnen davon in den Ohio-River und deponierte rund 7.100 to PFOA-haltigen Schlamm in den Sickergruben auf diesem Gelände in Parkersburg. Dadurch gelangte die Chemikalie auch in das Grund- und somit Trinkwasser für mehr als 100.000 Menschen aus der Umgebung.

Der Chemiekonzern hatte selbst weitere Forschungsstudien zu PFOA durchgeführt, dessen Ergebnisse jedoch nie veröffentlicht: Geburtsfehler bei Ratten, Hoden-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenkrebs bei Versuchs-tieren, hohe Konzentrationen im Blut der Mitarbeiter, Augenfehler bei neugeborenen Kindern sowie mehr als 3 ppb (Parts per Billion) im Trink-wasser, obgleich die Wissenschaftler des Unternehmens selbst den Grenzwert von max. 1 ppb empfohlen hatten. Somit tranken teils über Jahrzehnte hinweg zig-tausende Menschen verseuchtes Wasser. 1993 hatte der Konzern ein weitaus weniger gefährliches Ersatzprodukt ent-wickelt, das finanzielle Risiko allerdings war den Verantwortlichen zu hoch. Durch die Schornsteine wurde alsdann fleissig weiter PFOA-Gas und -staub in die Luft geblasen, die selbstverständlich auch entferntere Regionen erreichten. Im Jahre 2000 stellte 3M die PFOA-Verwendung gänzlichst ein, Dupont allerdings hielt auch weiterhin daran fest.

„Wir haben bestätigt, dass Chemikalien und Schadstoffe, die von DuPont bei Dry Run Landfill und anderen nahegelegenen DuPont-Anlagen in die Umwelt abgegeben wurden, eine unmittelbare und substanzielle Gefahr für Gesundheit und Umwelt darstellen.“

(Robert Bilott 2001 in einem 972 Seiten starken offenen Brief an alle entsprechenden Behörden)

Nach diesem Schreiben musste nun auch die US-Umweltbehörde EPA reagieren, die bislang entsprechende Kontrollen den Konzernen selbst überlassen hatte. 2001 reichte Bilott eine Sammelklage gegen den Konzern ein. Dieser zahlte den Klägern 70 Mio Dollar und liess Filteranlagen in sechs Wasserdistrikten installieren. 2005 kam es zu einem Vergleich zwischen DuPont und der EPA im Wert von 16,5 Mio Dollar. Billott und weitere mit der Sache beschäftigte Anwälte erhielten 21,7 Mio Dollar. Damit erhoffte sich der Konzern, dass endlich wieder Ruhe einkehren würde. Die Anwälte finanzierten damit allerdings eine umfassende Untersuchung, deren Ergebnisse 2011 vorgelegt wurden. Eine durchaus mögliche Verbindung zwischen PFOA mit Nieren- und Hodenkrebs sowie Schilddrüsenerkankungen, Schwangerschaftshyper-tonie, Colitis ulcerosa (eine chronisch-entzündliche Erkrankung im End-darm) etc. galt als erwiesen.

PFOA dockt an Blutplasmaproteine an und gelangt dadurch nicht nur in einzelne, sondern in alle

Organe und lagert sich im ganzen Körper ab. Neben den bereits beschriebenen Erkrankungen kann dies auch zu Fruchtschädigungen und Geburtsdefekten sowie Organanomalien führen.

3.535 Personen verklagten daraufhin den Konzern. Zwei Jahre später legten Bilott und seine Kollegen den Fall zu den Akten. 2013 beendete DuPont die Verwendung von PFOA in der Produktion, alle anderen Hersteller verpflichteten bis 2015 sich ebenfalls dazu. Noch heute übrigens warnen Experten davor, Teflon-beschichtete Pfannen zu stark zu erhitzen, da es hierbei zu giftigen Dämpfen kommen kann. Ebenso sollten Pfannen mit beschädigtem Belag nicht mehr verwendet werden.

2015 unterzeichneten nicht weniger als 200 Wissenschaftler die „Madrider Erklärung“, in welcher der Ersatz aller PFAS- durch ungiftigere Chemikalien gefordert wird. Erst jetzt hat Brüssel mit Grenzwerten reagiert – gesteht der Industrie jedoch Übergangsfristen von 18 Monaten bis zu 12 Jahren ein. Das reicht durchaus aus, sich zu vergiften und an den Folgen zu sterben. Umso wichtiger sind Informationen hierüber, die den Konsumenten möglicherweise dazu veranlassen, auf andere Produkte umzusteigen. Fehlt der Absatz, reagieren auch die Hersteller schneller darauf!

Im Mai 2023 stellte die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) erhöhte PFAS-Werte im Schwäbischen Meer fest und forderte das sofortige Verbot dieser Fluor-Polymere.

Weitere Hotspots:

.) Südostoberbayern 2006

.) Ruhr und Möhne/NRW 2006

.) Rhede/NRW 2006

.) Brillon/NRW 2009

.) Flughafen Nürnberg 2012

.) Flughafen München 2012

.) Flugplatz Bitburg/Rheinland-Pfalz) 2012 und 2015

.) Fliegerhorst Ingolstadt/Manching 2012

.) Rastatt/Baden-Württemberg 2013

.) Flughafen Frankfurt-Hahn 2014

.) Allgäu Airport Memmingen

.) Fliegerhorst Landsberg/Lech

.) Flugplatz Büchel/Rheinland-Pfalz

.) Air-Base Spangdahlem/Rheinland-Pfalz

.) Ochtum (Quellfluss der Weser in Niedersachsen bzw. Bremen) 2019

.) Bezirk Leibnitz/Steiermark 2019

.) Flughafen Salzburg 2022

.) Tullnerfeld/Niederösterreich 2022

.) Leonding/Oberösterreich 2022

.) Wagram und Pasching/Oberösterreich 2023

.) Kanton St. Gallen

Filmtipps:

.) PFAS – Gift für die Ewigkeit! Wie abhängig sind wir? (ARD-Doku)

.) The devil we know (Dokumentarfilm zu Parkersburg) 2018

.) Dark waters – Vergiftete Wahrheit (Doku-Drama zu Parkersburg) 2019

.) GenX – A chemical cocktail (US-amerikanische Doku) 2019

Lesetipps:

.) Schwerpunkt 1-2020: PFAS: Gekommen, um zu bleiben; Umwelt-bundesamt 2020

.) Berichte aus der Forschung – Perfluorierte Tenside; Bundesinstitut für Risikobewertung 2013

.) Fluorinated Surfactants and Repellents; Erik Kissa; CRC Press 2001

Links:

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Großpleiten – wieso gehen die Fusionen weiter?

Riesenaufregung diese Woche im Blätterwald: FTI ist pleite – zigtausende Menschen davon betroffen! Dem Bund entgehen dadurch rund 500 Mio an nicht zurückbezahlter Corona-Unterstützung. Dabei hat ein US-Inves-tor erst noch vermeintliche 125 Millionen reingesteckt!

Des Deutschen liebstes Steckenpferd ist – selbstverständlich nach seinem Auto – das Verreisen in ferne Länder. Ich bekam dies bitterst zu spüren, als der Flughafen Köln/Bonn im März 2022 durch die Gewerkschaft Verdi bestreikt wurde und viele Flüge (auch in Urlaubsdestinationen) ausfielen. Ich meinte in den Sozialen Medien, dass die finanzielle Not in Deutsch-land doch nicht so gross wie berichtet und auch die Heimat sehr schön sein kann. Daraufhin wurde ich wüstest beschimpft, so ganz nach dem Motto, dass ich hart arbeitenden Menschen den wohlverdienten Urlaub nicht gönnen würde! Und dies ausgerechnet nach dem Corona-Katas-trophenjahr! Gottlob habe ich die Angstzustände inzwischen über-wunden!

Aber mal ganz im Ernst: Unsere Eltern und Grosseltern fuhren zumeist mit dem Auto zu Verwandten und verbrachten dort ihren Urlaub. Das schweisste nicht zuletzt die Familie zusammen. Fliegen? Damals finanziell nicht machbar. Es blieb der Oberklasse vorbehalten. Heute ist ein Flug mit einer Billig-Airline in eine europäische Hauptstadt bereits ab 76,- € möglich, also auch durch die Unterklasse buchbar! Inzwischen ist über unseren Köpfen nahezu mehr los als auf den Eisenbahn-Schienen. Kein Wunder, ist das Verreisen mit dem Zug seit Jahren gar teurer als mit dem Flieger!

Zurück zur FTI-Insolvenz! FTI wurde 1980 durch Dietmar Gunz und Partnern gegründet. Sechs Jahre später wurde mit der Übernahme der CA Ferntouristik GmbH der Einstieg in das Fernreisegeschäft vollzogen. In den nächsten Jahren wuchs das Unternehmen und wurde immer grösser. Im Mai 1998 stieg der damals zweitgrösste Reiseveranstalter Europas, die Airtours plc mit Sitz in Grossbritannien, mit 30 % bei der FTI ein – zwei Jahre später kam es zur Elefantenhochzeit – Airtours übernahm alle Anteile an der FTI, deren Gründer sich zurückzog. Airtours wurde 1972 durch David Crossland gegründet. Er schluckte nach und nach viele kleinere britische Mitbewerber, 1994 auch die Scandinavian Leisure Group und 1996 die Simon Spies Holding in Dänemark. 2002 erfolgte das Rebranding – aus der Airtours Group plc wurde die My Travel Group plc, die später mit Thomas Cook fusioniert wurde. 2003 kam Dietmar Gunz wieder zu FTI zurück, indem er die vorher verkauften Anteile gemeinsam mit einer Investorengruppe wieder zurückerwarb. Er hatte sich inzwischen auf den Verkauf von Billigreisen konzentriert. So richtete er auch FTI neu aus. 2012 schluckte FTI den britischen Reiseveranstalter Youtravel, 2016 auch den Luxusreiseveranstalter Windrose Finest Travel. 2020 steigert im Zeichen der Corona-Krise der ägyptisch-montenegrinische Unternehmer Samih Onsi Sawiris sein Engagement an FTI auf insgesamt 75,1 % der Anteile, nachdem er zuvor bereits zu einem Drittel beteiligt war. Im darauffolgenden Jahr zieht sich Dietmar Gunz erneut zurück. 2024 schliesslich übernimmt – so ist auf der FTI-Website zu erfahren – ein von Vertares geführtes Konsortium 100 % der Geschäftsanteile und verspricht eine Finanzspritze von 125 Mio Euro. 50 Mio davon sollen sozusagen als Anzahlung bereits geflossen sein. Gleichzeitig kaufen die Investoren auch die Schuld der Corona-Unterstützung vom Bund zu einem deutlich niedrigeren Preis. Zum Zeitpunkt der Insolvenz der Dachgesellschaft war FTI nach TUI und DER Toruristik drittgrösster Reiseveranstalter in Europa, beschäftigte weltweit 11.000 Mitarbeiter und machte im Geschäftsjahr 2022/23 einen Umsatz von 4,1 Mrd. Euro (+10 %). Fragt sich, wo dieses Geld gelandet ist, da viele Hotelbetreiber Urlauber, die über FTI das Hotel gebucht haben, auf die Strasse setzen, wenn sie die ausstehenden Kosten nicht bar bezahlen. Bei Pauschalreisen kommt die Reiseversicherung (Deutscher Reise-versicherungsfonds) dafür auf. Alle anderen werden es schwer haben – sie müssen sich als Gläubiger beim zuständigen Gericht melden und in das Insolvenzverfahren eintragen lassen. Gilt übrigens auch für Österreicher, da sie in diesem Falle nach Angaben der Arbeiterkammer dem Deutschen Insolvenzrecht unterliegen. Wie viele der Tochter-gesellschaften nun Folgeinsolvenz anmelden müssen, wird sich zeigen. Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, will ich hier nicht zu genau auf die Zusammenhänge eingehen.

FTI ist nicht der einzige Reisekonzern, der durch Übernahmen dermassen gross wurde und bei seiner Insolvenz für derart Probleme am Markt sorgt. Die Thomas Cook Group plc – zuvor schon kurz erwähnt – ging 2019 pleite. In der Nacht vom 22. auf 23. September wurde die Zwangsliquidation beantragt. Diese Geschichte ist noch weitaus bunter als jene der FTI! Das Unternehmen enstand 2007 durch den Zusammen-schluss der Thomas Cook AG mit der My Travel Group. Thomas Cook selbst wurde am 22. November 1808 in Melbourne/Australien geboren. Ab 1845 organisierte er erste Reisen nach Liverpool, 1855 Europa-Rundreisen für britische Touristen, Cook gilt deshalb als Erfinder der Pauschalreisen. 1992 übernahmen die Westdeutsche Landesbank (WestLB) und die LTU International Airways das Unternehmen. 1995 kaufte die WestLB die 10%-Anteile von LTU. 1999 erwarb die WestLB-Tochter Preussag (der Vorläufer von TUI) 24,9 % der Thomas Cook-Aktien und fusionierte mit der britischen Carlson Leisure Group. 2001 wurde Thomas Cook durch den Konkurrenten C&N Touristic übernommen, TUI hatte zuvor seinen Konkurrenten Thomson Travel übernommen. Auch die Arcandor AG (früher Karstadt/Quelle) war bis 2009 Anteilseigner an Thomas Cook. Nach dessen Pleite wurden seine Anteile für Kredite verpfändet. Unter dem Dach von Arcandor waren u.a. Karstadt, Hertie, die Neckermann Textilversand AG etc. vereint. Zusammenschlüsse en masse. Zum Zeitpunkt der Liquidation gehörten touristisch zu Thomas Cook auch die Tochtergesellschaften Neckermann-Reisen, Condor-Flugdienst und etwa die BucherReisen & Öger-Tours GmbH.

Doch ist dieses Prozedere nicht nur in der Reise-Branche der Fall, wie das derzeit ebenso in Schwebe befindliche Insolvenzverfahren der Signa Holding des österreichischen Unternehmers Benko aufzeigt. Neben vielen Immobilien-Tochtergesellschaften gehörten hierzu auch Galeria Karstadt Kaufhof und die KIKA/Leiner-Gruppe. Benko wurde als Arbeitsplatz-Retter gefeiert, nun geht es um fünf Milliarden Euro Schulden. Auch im Lebensmittel-Einzelhandel sind solche Übernahmen Gang und gäbe. Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck hat solche Macht-Monopole im Lebensmittel-Einzelhandel bereits auf das Schärfste kritisiert. Hier eine kleine Auflistung nach Netto-Umsätzen 2022 (Quelle: statista.de):

.) Edeka-Gruppe

†1995 wurden etliche Konsum- und HO-Verkaufsstellen übernommen, 1999 zudem die Nanz-Gruppe mit rund 400 Geschäften im süddeutschen Raum. 2005 erfolgte die Integration der Spar Deutschland in den Konzern – mit ihm auch jene der rund 2.100 Spar-Einzelhändler. Zugleich wechselten 25 % der Anteile am Spar-Diskonter NETTO den Besitzer. Zum 1. Januar 2022 durfte mit dem Goodwill des damaligen Bundeswirt-schaftsministers Gabriel, nachdem das Bundeskartellamt eine Fusion untersagt hatte, Kaiser’s Tengelmann in das Unternehmen eingegliedert werden.

.) Schwarz-Gruppe

Zur Neckarsulmer Schwarz-Gruppe gehören Lidl und Kaufland. Von der insolventen Real-Gruppe wurden 92 Standorte übernommen. Ansonsten kam es zu Käufen in der Müllbranche (Tönsmeier, PreZero/Frankreich) und des israelischen IT-Security Unternehmens XM Cyber.


.) Rewe-Gruppe
Die Rewe-Group schluckte u.a. HL, penny, MiniMAL, Stüssgen, Petz und toom-Markt. In Österreich ferner Billa, Merkur und ADEG. 2023 erlaubte das deutsche Bundeskartellamt nur die Übernahme von 15 Real-Stand-orten.


.) Aldi-Gruppe

Zur Aldi-Gruppe zählen Aldi-Nord und Aldi-Süd. Zu zweiterem auch etwa die Hofer-Gruppe in Österreich. Aldi investiert vornehmlich in den internationalen Ausbau, so gibt es etwa auch in China bereits rund 30 Geschäfte.


.) Metro-Gruppe

Die Metro-Gruppe umfasste die Metro C&C, real sowie Media-Saturn. real wurde 2020 an die SCP-Group verkauft und ging ein Jahr später pleite. 1996 erfolgte eine Verschmelzung von „Deutsche SB-Kauf AG“, „Kaufhof Holding AG“ und „Asko Deutsche Kaufhaus AG“ in die Metro AG. †2021 wurden die Gastronomie- und Grossküchen-Einrichtungsexperten, die Günther-Gruppe, übernommen. Ansonsten konzentriert sich auch die Metro-Gruppe auf den internationalen Ausbau etwa in Russland, Japan und China. †Metro Österreich übernahm zuletzt die AGM-Grossmärkte (von ADEG) und die C&C-Abholmärkte GmbH.

Bei all diesen Fusionen und Übernahmen fragt man sich als Otto-Normalbürger durchaus berechtigt, weshalb das Kartellamt bzw. -gericht diese zuliessen, kam es doch zu einer durchaus marktbestimmenden Position der Folgeunternehmen. Rutscht nun die Holding eines solchen Konzerns mit den unterschiedlichsten Tochtergesellschaften in die Insol-venz, so werden zumeist auch diese in die Pleite mitgerissen. Tausende Arbeitsplätze gehen verloren, Milliarden Euro ebenso. Ein bunter und vielfältiger Markt – darunter verstehe ich etwas anderes!!!

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Abnehmen – die Spritze hilft! Oder auch nicht!!!

Lassen Sie mich heute – zu Beginn des Blogs – mal folgende Frage stellen:

Wir leben in einer Welt, in der sich die Kiddies mit dem neuen Party-Hype Lachgas das Hirn rausballern, in dem Fastfood und kiloweise weisser Zucker konsumiert und mit einer Spritze die Kilos wieder bekämpft werden, in der Verfassungsgegner auf die Strasse gehen, pochend auf ihr verfassungsrechtlich gegebenes Recht der Meinungs- und Demonstra-tionsfreiheit, …!

Ein aussenstehender Beobachter dürfte sich sicherlich denken: „Die spinnen, die Wessies!“

Politisch war ich vergangene Woche, Lachgas finde ich zwar tragisch, dennoch aber zum Lachen – also: Die Spritze, die sich zum Milliarden-geschäft entwickelt!!!

Angeblich hat Elon Musk schon darauf zugegriffen, Kim Kardeshian es ebenfalls getan haben und viele andere sowieso: Die „spezielle Behandlung zur Gewichtsreduktion“, wie es offiziell heisst. „Wegovy“ oder „Ozempic“ von Novo Nordisk (wertvollstes Unternehmen Europas) oder „Zepbound“ von Eli Lilly (wertvollster Pharmakonzern der Welt), ein sog. „GLP-1-Agonist“, basierend auf Peptiden! Ein Medikament, das eigentlich für die Behandlung von Diabetes Typ-2 entwickelt wurde. Dessen Verabreichung soll ein längeres Sättigungsgefühl vermitteln und gemein-sam mit Sport und entsprechender Ernährung zu einer Gewichtsreduktion von bis zu 15 % führen. Für Diabetiker enorm wichtig! Doch für den gesunden, übergewichtigen Normalo? Übrigens – eine ähnliche Ver-sprechung machte auch vor ein paar Jahren eine spezielle Hormon-Kur. Inzwischen aus den Schlagzeilen wieder verschwunden. War recht teuer – danach gab’s wohl den JoJo-Effekt und man musste die Kur erneut beginnen. Auch diese Spritzenbehandlung ist teuer – mehrere hundert Euro monatlich. Die Versicherungen in Deutschland und Österreich erstatten hierzu nichts, da es sich nach deren Gedankengängen um ein „Lifestyle-Medikament“ handelt. Bleibt die Hoffnung der Hersteller, dass sich das in Zukunft ändern wird. Schliesslich ist Adipositas (Übergewicht) der Grund für viele anderen Erkrankungen, deren Behandlung in weiterer Folge ein Vielfaches kosten würde.

Dieser Tage nun erschien eine Studie des Marktforschungsinstitutes IQVIA, wonach im Jahr 2023 weltweit rund 24 Milliarden US-Dollar für Adipositas-Mittel ausgegeben wurden – bis 2028 könnten dies gar bis zu 131 Milliarden werden.

„Es ist sehr ungewöhnlich, dass ein Medikament die Fantasie von Millionen von Menschen beflügelt!“

(Michael Kleinrock, Senior Research Director IQVIA)

Die Nachfrage sei enorm. BMO Capital Markets geht von einem jährlichen Umsatz von 150 Milliarden Dollar bis 2033 aus. Begründet wird dies mit Schätzungen, wonach mehr als 100 Mio US-Amerikaner bzw. weltweit fast eine Milliarde Menschen übergewichtig sind. Man kann also durchaus von einem sehr steilen Anstieg der Umsatzkurve sprechen. Der US-Pharmakonzern Eli Lilly soll nach einem Bericht des „Managermagazins“ rund neun Milliarden Dollar in den Bau eines neuen Werks im US-Bundes-staat Indiana investieren. Hier soll auch das Diabetes-Mittel Mounjaro produziert werden. Übrigens sollen auch in Alzey (Rheinland-Pfalz) rund 2,5 Milliarden Dollar investiert werden. Novo Nordisk will nach eigenen Angaben heuer nicht weniger als 6,5 Milliarden Dollar in den Ausbau der Werke in Dänemark, Frankreich, den USA und China stecken, nach 4,4 Milliarden in den beiden vergangenen Jahren. Ob dieser Hype nun begründet oder nicht begründet ist? Diese Frage möchte ich nicht beantworten. Schliesslich werden ja auch Sport und Ernährung in die Behandlung eingebunden. Wer hierbei nicht mitmacht, wird wohl auch keinen Erfolg haben. Nein – heute sei vielmehr hinter die Kulissen geblickt.

Novo Nordisk betonte im Rahmen einer dieswöchigen Pressekonferenz, dass die Produktionskapazitäten derzeit nicht ausreichen. Gegenwärtig würden wohl 45 Mio Menschen die Abnehmspritze nutzen. Es ist also mit Wartezeiten in den Apotheken zu rechnen, da der Konzern die Abgabe im Moment rationiert. Bevorzugt werden Kunden, welche die 16-wöchige Therapie bereits begonnen haben. Der Hintergrund: In den USA wurde beobachtet, dass Behandlungsabbrecher sehr rasch wieder an Gewicht zugelegt haben. In Österreich, Frankreich und Italien ist Wegovy übrigens noch nicht zugelassen. Allerdings wird es wohl nicht mehr lange dauern, schliesslich hat die EU bereits 2022 ihr OK gegeben, ein Jahr davor die USA.

Hinter Wegovy und dem älteren Ozempic steckt der Wirkstoff Semagludit, ein GLP-1-Rezeptoragonist. Es wurde Anfang 2022 in Deutschland zugelassen. Doch muss anscheinend jeder für sich die Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen. So berichtet beispielsweise das Fachmagazin „International Journal of Impotence Research“ von einer Studie der University of Texas Medical Branch School of Medicine, wonach Nicht-Diabetiker unter 50 Jahren im Zusammenhang mit diesem Wirkstoff möglicherweise mit Erektionsstörungen bzw. Testosteronmangel (TT-Wert) rechnen müssen. Zusammengefasst wurden die Patientendaten von 3094 Männern im Alter von 18-50 Jahren, die nicht unter Diabetes leiden und vor Beginn der Kur bzw. Therapie weder unter Testosteromangel noch einer erektilen Dysfunktion litten. Alle waren adipös. Bereits einen Monat nach der Verschreibung kam es zu einem Anstieg des Risikos einer erektilen Dysfunktion um den Faktor 3,5, eines Hormonmangels um 2. Schon im Februar war dies auch Inhalt einer anderen Studie: Aufgetreten bei einem von 75 Nutzern! Durch Ausdauersport etwa kann jedoch solchen Potenzstörungen entgegengewirkt werden. Apotheker warnen zudem, dass weitere schwerwiegende Probleme wie ein erhöhtes Herz-infarkt- bzw. Darmverschlussrisiko auftreten können. Dem allerdings steht ein Artikel aus der Mai-Ausgabe des Fachmagazins „Nature Medicine“ gegenüber, wonach das Herzinfarktrisiko um 20 % gesenkt werden konnte. Ist allerdings kein Wunder, schliesslich ist Übergewicht eines der Ursachen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Zu Beginn der 16-wöchigen Kur steht eine niedrige Dosis, die Woche für Woche erhöht wird. Die meisten Kurabbrecher gab es bei Woche 12, oft-mals aufgrund von Übelkeit. Der Konzern beeilt sich jedoch zu betonen, dass das Medikament im Allgemeinen gut vertragen werde. Nach den 16 Wochen allerdings ist offenbar nicht Schluss. So zeigten Erhebungen auf, dass der Durchschnitt in den USA bei sieben Monaten, in Dänemark bei einem Jahr liegt, in dem Wegovy nach wie vor verwendet wird. So ganz nebenbei: In den USA ist das Medikament um einiges teurer als in Good Old Europe. Bleiben wir noch etwas beim Zahlenspiel! Im ersten Quartal 2024 stieg der Umsatz von Novo Nordisk um 22 % auf rund 8,7 Milliarden Euro.

Doch auch andere nutzen diesen Hype: Nestlé aus der Schweiz arbeitet bereits an Tiefkühlpizzen und Nudeln, die mit Proteinen, Ballaststoffen, Eisen, Kalzium und Vitamin C angereichert sind und ab Oktober als „Vital Pursuit“ für die geeignete Ernährung während der Kur verkauft werden soll. Die Entwicklung begann bereits im vergangenen Jahr. Auch Mondelez (Milka, Oreo) hat bereits einen entsprechenden Snackriegel auf den Markt gebracht. Herbalife verkauft alsdann Shakes und Ballaststoff-präparate als Begleiter der normalen Ernährung.

Proteine sind deshalb enorm wichtig, da weitaus weniger gegessen wird. Dadurch erhält auch die Muskulatur weitaus weniger Nährstoffe. Somit besteht die Gefahr, dass neben der Fettreduktion auch eine Abnahme der Muskelmasse einhergeht. Schliesslich greift der Körper unter normalen Umständen erst dann auf das Speicherfett zurück, wenn er zu wenig versorgt wird.

Es liegt also an Ihnen, eine solche Kur bzw. Therapie zu überdenken, wobei Sie auf jeden Fall die Meinung des Arztes Ihres Vertrauens einholen sollten. Zudem dürfen derartige Medikamente nur von Fachkundigen gespritzt werden!

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