Erdbeben – Gewalt von Mutter Erde

„Die einzige Möglichkeit, Menschen vor Erdbeben zu schützen, ist durch erdbebensicheres Bauen!“

(Fabrice Cotton, Professor für Seismologie, Geoforschungszentrum Potsdam)

Es war ein verheerendes Erdbeben, das kürzlich Marokko heimsuchte: †6,8 auf der Richterskala, 2.901 Tote, 5.530 Verletzte! Doch musste in dieser Region mit einem solchen Ereignis gerechnet werden – das Atlasgebirge zählt zu den Erdbebenregionen dieser Erde!

Ich erlebte bislang zwei Beben: Als Kind in Vorarlberg und in meiner Zeit im Tiroler Stubaital. Beide Male ist uns gottlob nichts geschehen – bei letzterem erlitt jedoch ein Gast eines benachbarten Hotels einen Herz-infarkt! Ein mehr als mulmiges Gefühl, wie machtlos man dieser Natur-gewalt ausgeliefert ist. Dennoch sind Erdbeben auch in Mitteleuropa gar nicht mal so selten: Alleine am gestrigen Tag zählte die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik vier Beben, das stärkste davon im italienischen Ponte di Legno mit einer Magnitude von 2,3 auf der nach oben hin offenen Richterskala. Zumeist jedoch sind sie so klein, dass sie nahezu nicht bemerkt werden: Jenes in Ehrwald/Ausserfern beispiels-weise hatte eine Magnitude von 0,3.

Wie aber entsteht ein solches Erdbeben? Die drei bekanntesten Ursachen habe ich an dieser Stelle in unterschiedlichsten Texten bereits geschildert – Tiefenbohrungen für die Geothermie und Vulkanausbrüche möchte ich deshalb heute aussen vor lassen. In diesem Blog geht es ausschliesslich um die Plattentektonik.

Vor 230 Millionen Jahren gab es nur einen Urkontinent, die „Pangäa“! In den folgenden 50 Millionen Jahren teilte sich dieser Riesenkontinent in zwei kleinere: „Laurasia“ auf der Nordhalbkugel und „Gondwana“ auf der Südhalbkugel. Zu „Gondwana“ zählen heute etwa Südamerika, Afrika, die Antarktis, Indien, Australien, Neuguinea, Madagaskar und Arabien. Beide Grosskontinente „schwimmen“ sozusagen auf dem extrem heissen Magma-Kern des Planeten und driften auch heute noch entlang des Mittelatlantischen Rückens auseinander †(„Kontinentaldrift“ nach Alfred Wegener 1915). Dabei werden rund 40 mm/Jahr zurückgelegt.

Diese Grosskontinente teilten und teilen sich nach wie vor in weitere Bruchstücke. So sind heute sieben grosse und mehrere kleinere Platten bekannt – die grössten davon sind die Pazifische, die Antarktische, die Nord- und Südamerikanische Platte, die Afrikanische, die Eurasische und die Australische Platte. Die schweren Platten liegen unter Wasser (Ozeanische), die leichteren über Wasser (Kontinentalplatten).

Entlang der Plattengrenzen kommt es immer wieder zu Erdbeben, da sich die Platten über- oder untereinander schieben bzw. beim Aneinander-reiben verhaken. Die Gesteinsmassen der oberen, festen Erdkruste sind damit immenser Spannung ausgesetzt. Werden diese Spannungen zu gross, so lösen sie sich ruckartig – ein Erdbeben („Epizentrum“)! Entlang dieser Plattengrenzen entsteht ein Becken, in dem sich die Sedimente Schicht auf Schicht übereinander ansammeln. Auf der anderen Seite jedoch driften die Platten aufeinander zu – es bildet sich ein Gebirge.

Eine der grössten Erdbebenzonen ist die San-Andreas-Verwerfung in Kalifornien, bei der sich die Pazifische und die Nordamerikanische Platte aufeinanderschieben. Das verursacht im gesamten pazifischen Raum Erdbeben und Vulkanausbrüche. Dies ist bekannt als der „Pazifische Feuerring“!

Das Atlasgebirge ist eine weitere dieser Zonen. Hier schieben sich auf einer Strecke von 2.300 km (Marokko, Algerien und Tunesien) die Afri-kanische und die Eurasische Platte aufeinander – es entstand im Laufe von Jahrmillionen das Faltgebirge „Atlas“. An Bruchstellen der Platten tritt Magma aus – ein Vulkan wie beispielsweise der Kilimandscharo entsteht.

Im Jahr 2012 veröffentlichten Experten rund um Gottfried Grünthal vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) anhand unzähliger Daten einen Atlas für Erdbebenzonen in Europa. Demnach muss jederzeit im östlichen Mittelmeer (Türkei, Griechenland, den Balkanstaaten und auch Italien) mit schweren Erschütterungen gerechnet werden, da sich hier die Afri-kanische unter die Eurasische Platte schiebt. An dieser Schnittstelle ist die Eurasische Platte in tausende Bruchstücke zersprungen. Der italienische Stiefel etwa wird wie ein Nagel nach Mitteleuropa hineingetrieben. Die Folge: Die Alpen bildeten sich heraus. Doch kann das Gebirge die enorme Wucht nicht komplett schlucken. Entlang des Oberrheingrabens bricht Europa langsam auf. Auch an der tschechischen Grenze kommt es immer wieder zu Erschütterungen.

Seismologen bezeichnen Erdbeben mit einer Stärke von 5,0 als „schwere“ Beben, da ab hier sichtbare Schäden an Gebäuden auftreten können. Die Richterskala wurde in den 1930er-Jahren von dem US-amerikanischen Seismologen Charles Francis Richter entwickelt. Dabei verstärken sich die Werte um den Faktor 10. Soll heissen, dass ein Beben mit der Magnitude von 7 zehnmal so schwer ist als eines mit 6! Diese „Richterskala“ wäre eigentlich begrenzt mit dem Wert 9 – wird heute jedoch als „nach oben offen“ geführt.

Unter Wasser lösen Beben zumeist Tsunamis aus, mehrere Meter hohe Wellen, die – wenn sie auf Land treffen – grosse Überflutungen anrichten, wie etwa jener am 26. Dezember 2004 in West-Indonesien und Thailand, der rund 230.000 Menschenleben forderte. Dem voraus ging ein „Megathrust“, ein Erdbeben mit einer Magnitude von 9,1 nach Richter mit dem unterseeischen Epizentrum rund 85 km von der Nordwestküste von Sumatra entfernt.

Nach einem stärkeren Erdbeben treten zumeist kleinere Nachbeben auf, da sich die Platten noch weiterbewegen und erst langsam wieder zum Stillstand kommen. Derartige Nachbeben sind nicht zu unterschätzen, da durch das Hauptbeben bereits beschädigte Gebäude komplett zerstört werden.

Erdbeben können nie unter Kontrolle gebracht werden. Also muss mit anderen Mitteln gegen hohe Opferzahlen gekämpft werden: Mit erdbebensicherer Bauweise, wie sie in Japan bei mehrstöckigen Gebäuden ein Muss darstellt. Doch – wie die Türkei (etwa in der ostanatolischen Verwerfung) oder zuletzt auch Marokko erwiesen haben, ist dies durch Pfusch oder zu wenig Geld nicht machbar. Wenn nun – wie etwa am Rheingraben – zusätzliche geothermische Tiefenbohrung durchgeführt oder gar Kernkraftwerke bzw. Endlagerstätten für Atommüll errichtet werden, so kann dies eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes nach sich ziehen.

Lesetipps:

.) Naturkatastrophen, Tsunamis, Hurrikane, Erdbeben, Vulkanausbrüche; Claire Watts; Gerstenberg Verlag 2008

.) Erdbeben – Gefahr aus der Tiefe; Gerd Höhler; Hoffmann & Campe 1984

.) Plattentektonik – Vulkane, Erdbeben & Co.; Friedhelm Heitmann; Kohl-Verlag 2015

.) Bauwerke und Erdbeben; Hrsg.: Konstanin Meskouris/Klaus-G. Hinzen/Christoph Butenwang/Michael Mistler; Vieweg und Teubner 2011

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Links:

††www.gfz-potsdam.de

www.zamg.ac.at/cms/de/geophysik/erdbeben

www.seismo.ethz.ch/de/home/

www.geo.uni-hamburg.de

www.seismo.uni-koeln.de/

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