Wenn der Badeurlaub lebensgefährlich wird
Die Urlaubssaison ist schon nahezu vorbei – ich hoffe, auch Sie sind gut und wohlbehalten wieder zurückgekehrt und wissen so einiges zu erzählen – natürlich Positives! Na ja – so selbstverständlich ist das nicht mehr, schliesslich lauern die Gefahren überall: Strassenverkehr, Wald-brände, Kriminelle oder gesundheitliche Probleme… Und das Tragische daran ist: All diese Probleme kennen keine Grenzen, sie kommen immer näher – auch in unsere Regionen!
So ist beispielsweise das Baden im Meer an der gesamten US-Ostküste, in Japan oder Taiwan gerade für ältere Menschen oder Personen mit geschwächtem Immunsystem mit erhöhter Vorsicht zu geniessen. Im Jahr 2022 gab es in den USA 74 Fälle – 17 davon verliefen tödlich. Im vergangenen Jahr waren es immer noch 26 bei 5 Todesfällen. Die dortigen Gesundheitsbehörden warnen auch lautstark davor – vor dem Vibrio vulnificus: „Der fleischfressenden Mikrobe“!
V. vulnificus ist ein stäbchenförmiges, bewegliches Bakterium, das im Salz- und Brackwasser vorkommt. Es zählt zur Gattung der Vibrionen, zu welchem etwa auch der Cholera-Erreger gehört. Die meisten hiervon verursachen schwere Störungen des Magen-Darm-Traktes, aber auch Wund- und Ohrinfektionen (ICD: A00B98). V. vulnificus überträgt keine Cholera!
Da die Salzkonzentration des Wassers nicht zu hoch sein darf (1-2 % bis max. 6%) siedelt es sich v.a. dort an, wo Flüsse und Ströme in’s Meer einmünden. Sind die Wassertemperaturen über längere Zeit kalt (im Winter etwa), so befindet sich das Bakterium im nicht nachweisbaren, nicht kultuvierbaren Zustand. Steigen jedoch die Wassertemperaturen auf 20 +-Grad, so wird der Erreger aktiv und vermehrt sich rasant.
Das Bazillum wird entweder beim Umgang und Verzehr von Meerestieren oder beim Schwimmen im Meerwasser durch den Mund oder Wunden aufgenommen. Gelangt er in den Verdauungstrakt, so kommt es zu Durchfall und möglicherweise einer Blutvergiftung. Ansonsten verursacht das Bakterium eine schwere Wundinfektion, die bei geschwächten und vorerkrankten Menschen (Herzleiden, Krebs, Diabetes, Leberzirrhose) tödlich enden kann.
Blieben das Mittelmeer sowie die Nord- und Ostsee bislang grösstenteils davon verschont, so werfen die steigenden Temperaturen des Wassers in der Ostsee, in Lagunen und auch dem Neusiedlersee im Burgenland oder Badeteichem bei vielen Bakteriologen inzwischen die Sorgenfalten auf. In besonders heissen Sommern wurden derartige schwere Wundinfektionen etwa in Dänemark, Schweden und auch in Deutschland gemeldet, die ein-deutig auf den Kontakt mit Meerwasser oder Meerestieren zurück-zuführen waren. Auch aus dem Burgenland und Niederösterreich wurden mehrere Wund- und Ohrinfektionen bekannt, davon verlief eine aufgrund einer Vorerkrankung tödlich.
Tritt eine derartige Wundinfektion (etwa bei Neurodermitis) auf, so ist rasches Handeln unbedingt vonnöten. Andernfalls kann es zu Ampu-tationen oder gar dem Tod kommen (Mortalitätsrate liegt bei 7-25 %). Wesentlich höher ist der tödliche Ausgang bei einer Blutvergiftung (bis zu 60 %).
Die Inkubationszeit beläuft sich auf 12-96 Stunden. Nachweisbar ist eine Infektion entweder durch eine Stuhl- oder eine Wundsekret-Probe. Die Symptome einer Erkrankung sind folgende:
.) Magen-Darm-Infektion
Teils heftige, krampfartige Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall
.) Wundinfektion
Geschwollene und gerötete, stark schmerzende Wunde, die auch in tiefere Hautschichten vordringt, Schüttelfrost und Fieber
.) Ohrinfektion
Teils starke Ohrenschmerzen, austretendes Sekret und ebenfalls Fieber
Zur Behandlung werden Antibiotika, in schweren Fällen auch Infusionen mit Salzlösungen verwendet – Wunden müssen durch einen Experten versorgt werden.
Die Präventionsmassnahmen beschränken sich auf das Verbot der Ein-leitung von Kühlwasser v.a. in die Ostsee, damit das Wasser nicht noch zusätzlich aufgeheizt wird. Das Bakterium kommt ansonsten natürlich vor, weshalb weitere, öffentliche Präventionsmassnahmen nicht durchge-führt werden können bzw. unwirksam erscheinen. Meeresfrüchte und Fisch sollten jedoch stets ordentlich gekocht werden.
Ist die 20 Grad-Marke und damit die Aktivierungsgrenze überschritten, so bleiben die Vibrionen auch bei wieder sinkenden Temperaturen über einige Wochen hinweg aktiv. In dieser Zeit sollten Risiko-Patienten oder Menschen mit Wunden möglichst nicht im Meerwasser baden gehen.
Bleiben Sie gesund!
Lesetipps:
.) Vibrio vulnificus. Ugeskrift for Laeger; Hrsg.: Høi, L., Larsen, J.L., Dalsgaard, I., and Dalsgaard, A.; 1998
.) Vibrio vulnificus – Erste Nachweise in
Deutschland; Stephan, R. und Knabner,D.; Bundesgesundheitsblatt 1996
.) Food Microbiology: Fundamentals and Frontiers; Hrsg.: MP Doyle et al.; ASM Press 2001
.) A. Andrews’ Diseases of the Skin: clinical Dermatology; Saunders Elsevier 2006
.) Oceans and Health: Pathogens in the Marine Environment; Hrsg. SS Belken, RR Colwell; Springer Science 2005
.) Vibrio spp. Infections; Hrsg.: Baker-Austin C, Oliver JD, Alam M, Ali A, Waldor MK, Qadri F, Martinez-Urtaza J.; Nat Rev Dis Primers 2018
.) Fatal case of necrotising fasciitis due to Vibrio vulnificus in a patient with alcoholic liver disease and diabetes mellitus; Hrsg.: Bhat P, Bhaskar M, Sistla S, Kadhiravan T.; BMJ Case Rep. 2019
.) Vibrio vulnificus: new insights into a deadly opportunistic pathogen; Baker-Austin C, Oliver JD.; Environ Microbiol. 2018
.) Impact of Climate Change on Vibrio vulnificus Abundance and Exposure Risk; Deeb R, Tufford D, Scott GI, Moore JG, Dow K.; Estuaries Coast 2018
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