Mauersegler – Könige der Lüfte
Vielen wird es aufgefallen sein: Der Sommer ist noch nicht vorbei und schon tun sich Vogelarten zusammen und verlassen in grossen Schwärmen unsere Region. Nein – das liegt nicht am Klimawandel. Die Mauersegler sind Jahr für Jahr die ersten, obwohl sie erst in der zweiten Aprilhälfte bzw. im ersten Maidrittel zu uns kamen. Und dabei ist auf sie Verlass – egal ob noch Schnee liegt: In München sind sie beispielsweise zwischen dem 29. April und 01. Mai zu entdecken. Da es sich um eine mehr als faszinierende Vogelart handelt, möchte ich diesen heutigen Text den Königen der Lüfte widmen!
Apus Apus – der lateinische Name des Mauerseglers wird diesem Segel-künstler in keinster Weise gerecht – der volkstümliche Name “Turm-schwalbe” hingegen schon eher, da sich der Mauersegler oftmals auf hohen Türmen aufhält. Vom Iran bis nach China ist die Unterart Apus apus pekinensis zu finden. Den grössten Teil seines Lebens (er kann bis zu 20 Jahre alt werden) allerdings verbringt der Mauersegler in der Luft. Der Vogel des Jahres 2003 (Deutschland und Österreich, 2005 in der Schweiz) galt lange Zeit als gefährdet – nun wird sein Bestand in Europa auf bis zu 4,8 Mio, in Deutschland auf rund 345.000 Brutpaare geschätzt – das reicht aus, um von der Vorwarnung der Roten Liste des Washingtoner Tierschutzabkommen genommen zu werden. In der Mytho-logie galt der Mauersegler aufgrund der Farbe des Federkleides, seines plötzlichen Auftauchens und seinem Schrei als “Teufelsvogel”. Zu erkennen sind die 17-18,5 cm grossen Tiere an ihrem dunkelbraunen bis russschwarzen Gefieder, der weissen Kehle und den sichelförmigen Flügeln mit einer Spannweite von über 40 Zentimetern, die ihnen auch diese unglaubliche Flugeigenschaft verleihen. Nur zur Brut und der Auf-zucht der zwei bis drei Jungvögel pro Saison landet der Mauersegler in seinem Nest. Dieses baut er in unmittelbarer Nähe zum Menschen (“Kul-turfolger”), meist in Mauerrissen, Hohlräumen, in Regenrinnen, unter Balkonen oder den Dächern der Häuser, was für die Jungvögel durchaus tödlich enden kann. Hier wird es dermassen heiß, dass die noch flug-unfähigen Vögel aus dem Nest springen. Sollte Ihnen ein junger, auf dem Boden liegender, verletzter Vogel direkt neben einem Haus auffallen, so bringen sie ihn bitte zur nächsten Wildvogelstation oder Tierklinik. Die Aufzucht durch einen Laien ist zu kompliziert. Ist er jedoch schon etwas grösser, so kann es sich um einen Fluganfänger handeln, der sich nur rasch ausruht. Diesen bitte nicht berühren. Die Niststätten allerdings sind auch ausserhalb der Brutzeit geschützt, da die monogamen Paare im kommenden Jahr punktgenau diese wieder aufsuchen. Wird der Brutplatz auch nur einige Zentimeter versetzt, können ihn die Vögel nicht mehr finden. Die Nestchen dürfen also nicht entfernt werden – das muss auch bei Sanierungen berücksichtigt werden. Aufgrund der Dichtungs-massnahmen bei Gebäuden wird ihm zunehmend die Nistmöglichkeit genommen – er muss sich Alternativen suchen. Natur- und Vogelschutz-organisationen bieten hierfür spezielle Nistkästen an, die der Mauersegler auch dankend annimmt. Kommen andere Vögel dem Nistplatz zu nahe, reagiert der Mauersegler sehr aggressiv. Es kommt zu Kämpfen, die bis zu fünf Stunden lang andauern können. Ansonsten jedoch ist der Vogel stets in der Luft zu finden – bis zu zehn Monate hinweg, ohne Unter-brechung. Dort wird auch die Fortpflanzung vollzogen und ja: Er schläft sogar während des Segelns. Experten gehen davon aus, dass während dieses fliegenden Schlafes stets nur eine Hirnhälfte ausgeschaltet wird, die andere jedoch weiterarbeitet. So ist auch die unglaubliche Wegstrecke über tausende Kilometer hinweg zu erklären, die die Vögel zweimal jährlich zurücklegen: Von der südlichen Hälfte des afrikanischen Kontinents bis nach Europa (über den Polarkreis hinaus) und auch wieder retour.
Der Mauersegler trinkt im Gleitflug aus allen möglichen Gewässern und ernährt sich von Fluginsekten wie Hautflüglern, Fliegen oder Käfern, aber auch von Blattläusen und Ameisen, die – wie soll es auch anders ein – während des Fluges eingefangen werden. Für die Jungvögel werden diese zu Nahrungsballen gepresst, die im Kehlsack bis zum Nest transportiert werden. Das kann auch schon mal bis zu drei Tage lang andauern – die Kleinen verfallen während dieser Zeit in eine Art Hungerschlaf, eine Starre, während derer sie ohne Nahrung auskommen können. Diese bis zu 14 Tage werden durch Fettreserven bzw. durch die Leber überbrückt. Sinkt allerdings die Körpertemperatur auf unter 20 Grad, so stirbt der Jungvogel.
Doch wird das Nahrungsangebot immer weniger. Deshalb sind die Vögel besonders während längeren Schlechtwetterperioden auf die Hilfe der Menschen angewiesen. Dazu sollten Sie keine Insektizide im Garten verwenden und möglicherweise “Insektenhotels” für Fluginsekten auf-stellen.
Seine Rufe sind schrill und gleichen einem „sri sri“ – die Männchen höher, die Weibchen niedriger! Das hört man nicht selten an lauen Sommer-abenden, wenn man noch auf der Terasse oder dem Balkon ein Gläschen Wein geniesst. Dann nämlich umfliegt er in rasantem Tempo die Häuser. Auch ich habe die Vögel schon wahrgenommen, doch dachte ich bislang, dass es sich um Fledermäuse handelt, da sie nahezu geräuschlos und mit unglaublicher Geschwindigkeit um das Haus fliegen. Durch die langen Gleitzeiten können die Mauersegler auch leicht von den etwas kleineren Schwalben unterschieden werden, die öfter flattern müssen.
Andere Zugvögel wie Störche oder Kraniche benötigen für ihre Reise Aufwinde – nicht so der Mauersegler. Er fliegt in Höhen von bis zu 3.000 m im Sog von Tiefdruckgebieten. Schwedischen Wissenschaftern ist es gelungen, bei einigen Vögeln Datensammelgeräte anzubringen und diese auch auszuwerten. So fliegen die Mauersegler bis zu 570 Kilometer pro Tag (manche gar bis zu 832 km) und legen die Zugstrecke zumeist ohne Bodenkontakt zurück.
Die natürlichen Feinde sind Falken und andere Greifvögel. Erscheint ein solcher, so tun sich die Mauersegler zu einem grossen Schwarm zusammen und fliegen Scheinangriffe gegen den Fressfeind, der dann zumeist das Weite sucht.
Die erste Erwähnung fand der Mauersegler bei Albertus Magnus im 13. Jahrhundert. Er meinte damals, der Vogel habe keine Füsse. Er krieche vielmehr auf den Ellbogen seiner Flügel und seiner Brust wie die Fleder-mäuse über den Boden.
Seit 2015 beringt der NABU Hamburg die Mauersegler-Kolonie Ochsen-werder um dadurch das Flugverhalten der Vögel besser kennenlernen zu können.
Morgens und abends steigt der Vogel in grosse Höhen auf, dann beginnt die Segelzeit bzw. auch der Schlaf. Ansonsten kann der Vogel schon mal bis zu 250 Stundenkilometer Reisegeschwindigkeit erreichen.
Im Schwarm kommt es stets zu sehr sehenswerten Flugmanövern. Ob sie dem Sozialverhalten in der Gruppe dienen, Wettbewerbe oder einfach nur Zeitvertreib sind, ist nicht bekannt.
Der Mauersegler – ein toller Vogel!
Links:
Lesetipps:
.) Segler am Sommerhimmel – Bemerkungen über Mauersegler; Stefan Bosch; Niebühl 2003
.) Mein Vogel – Aus dem Leben des Mauersegler Apus apus; Emil Weitnauer; Basellandschaftlicher Natur- u. Vogelschutzverband 1994
.) Handbuch der Vögel Mitteleuropas – Band 9; Hrsg.: Glutz von Blotzheim et al; AULA-Verlag 1994
.) Birds of the World; Hrsg.: Josep del Hoyo; Cornell Lab of Ornithology 2020
.) Swifts – A Guide to the Swifts and Tree-Swifts of the World; Phil Chantler; Pica Press 2000