Käffchen???
Ich muss eingestehen: Ich war ein Kaffee-Junkie! Ohne drei grosse Tassen am Morgen wurde ich nie richtig wach. Unter der Woche habe ich es mir inzwischen abgewöhnt, da ich einen recht langen Anfahrtsweg zur Arbeit habe, meist aber nach der ersten Tasse recht flott auf die Toilette muss. Kaffee entwässert! Übrigens ist es kein Ammenmärchen: Auch die Dick-darm-Tätigkeit wird durch Kaffee angeregt. Alsdann muss so mancher nicht nur Flüssigkeit nach dem Genuss der feinsten Bohne los werden.
Das ist mal das Eine, das leichter zu Verstehende! Das Andere? Als ich davon hörte, dass viele Promis (wie etwa Gwyneth Paltrow) seit geraumer Zeit Kaffee nicht nur auf die gewohnte Art in den Körper fliessen lassen, sondern auf Kaffee-Einläufe schwören, musste ich zuerst herzhaft lachen. Bei der Recherche zu diesem Blog wurde mir aber vieles verständlicher!
So manch ein Leser dieser Zeilen hat schon mal eine Rektoskopie (Darm-spiegelung) über sich ergehen lassen müssen. Für einige wenige sicher-lich ein Heidenspass – für die meisten jedoch mehr als unangenehm. Eine solche Rektoskopie wird dann durchgeführt, wenn der Mastdarm bzw. das Ende des Dickdarms untersucht werden müssen. Dabei wird ein Rohr eingeführt, an dessen einem Ende eine Kamera befestigt ist. Durch das Rohr kann auch eine Schlinge durchgeführt werden, mit der beispiels-weise Polypen direkt entfernt oder Gewebeproben entnommen werden können. Davor ist zur Säuberung des Darms ein Einlauf vonnöten. Auch aus anderen medizinischen Zwecken (etwa bei Verstopfungen) werden Einläufe angewendet.
Dann allerdings kamen findige „Wellnessexperten“ auf die Idee, dies in ihrem Programm durchaus gewinnbringend „einfliessen zu lassen“ (Wort-witz!, Anm. d. Schreiberlings). Das ist eigentlich gar nicht so weit herge-holt, schliesslich geht die Traditionelle Chinesische Medizin in vielerlei Hinsicht vom Darm als Ursache so mancher Krankheit bzw. als Zentrum der Gesundheit aus. Auch die Meinung vieler Heilpraktiker, die oftmals bei der TCM reinschnuppern.
Allerdings sollte eine derartige Massnahme von einem Profi durchgeführt werden, da ansonsten sehr viel geschehen kann – dazu mehr etwas später!
Kritiker nun laufen Sturm: Durch den Kaffee-Einlauf wird die Darmflora beeinflusst, die sich ansonsten selbst regenerieren würde.
„Der Darm muss nicht entschlackt werden und Sie können innerlich auch nicht vergiften. Das ist ein Mythos, der sich hartnäckig hält!“
(Prof. Thomas Frieling, Helios Klinikum Krefeld)
Dennoch betonen Fasten-Experten, dass vor dem Beginn einer Fasten-phase der Darm von allen Schadstoffen gereinigt werden soll. Ähm – ist dies nicht der eigentliche Sinn und Zweck einer Fastenkur zur Entgiftung des Körpers? Wofür bedarf es dann noch zusätzlich eines solchen Einlaufes? Fastenprofis meinen, dass das Hungergefühl nicht dermaßen stark ausgeprägt sei, wenn zuvor alles aus dem Körper gespült wurde! Ah ja…!!!
Nach Angaben der Wellness-Experten gelangt der absorbierte Kaffee über die hämorrhoidalen Venen in die Pfortader, die das Blut aus Magen, Darm, Bauchspeicheldrüse und Milz sammelt und zur Entgiftung an die Leber weitergibt. Dort bewirken die Enzyme und das Koffein eine vermehrte Produktion der Gallenflüssigkeit und die Kontraktion der Gallenwege – die Galle wird direkt in den Dünndarm ausgespült – mit ihr auch die zahlreich enthaltenen Gift- und Schlackenstoffe! Im Darm selbst sollen die im Kaffee enthaltenen Theophylline und Theobromine entzün-dungshemmend und eine Erweiterung der dortigen Blutgefässe bewirken.
Ferner würde das Rektum geleert, das ohnedies stets leer sein sollte, da ansonsten die Giftstoffe, die eigentlich ausgeschieden werden sollen, über den Mastdarm erneut aufgenommen und an die Leber weitergeleitet werden.
Doch: Das ist ja eigentlich das Prinzip einer Kur, die zumeist über mehrere Tage andauert und sündhaft teuer ist. Wäre also ein Kaffee-einlauf eine mögliche Alternative zur Kur? Kürzer und wesentlich günstiger!
Wie aber nun funktioniert das Prozedere? Gehen wir „in’s Eingelaufene“, sozusagen!
Benötigt wird gefiltertes Wasser (destilliertes oder Osmose-Wasser – niemals gechlortes aus dem Wasserhahn), grob-gemahlener, unge-rösteter und alsdann grüner Bio-Kaffee, ein sauberer Topf und ein Einlauf-Kit mit einem sog. „Irrigator“ – das gibt’s in jeder Apotheke. Der Kaffee wird gekocht – danach muss er für 10-15 Minuten bei niedriger Temperatur köcheln, gefiltert werden und danach abkühlen (auf maximal 37 Grad – also lauwarm bis kalt). Sollte eigentlich für jeden einsichtig sein, dass nicht eine 75 Grad heisse Flüssigkeit reingeschossen wird! Bio-Kaffee deshalb, da dieser frei von Pestiziden sein sollte. Die Zugabe von Zucker oder Milch bitte unterlassen – Latte oder Cappuccino sind für den Gaumen bestimmt, nicht den Anus!!! Wer nun von einer g’scheiten Menge ausgehen sollte, der irrt. „Einläufer“ verwenden für zwei Runden (der Voreinlauf kann auch alternativ mit warmem Wasser absolviert werden) etwa einen viertel bis halben Liter (2-3 Tassen – pro Tasse ein gehäufter Löffel Kaffee)! Bei Beginnern macht sich die Flüssigkeit recht häufig selb-ständig. Geübtere halten die erste Runde relativ kurz (Spülung), die zweite Runde bleibt dann schon mal für 15 bis 20 Minuten im Darm. Diese Prozedur sollte regelmässig (einmal die Woche) über einen Zeit-raum von 3-6 Monaten angewendet werden.
Einlauf-Fans sagen aus, dass der Kaffee innerhalb von 12 Minuten durch den „Kleindarm“ absorbiert wird, was zu einem zusätzlichen „Kick“ führt! Gemeint ist damit wohl der Mastdarm, nicht der Dünndarm, da ein Schlauch in dieser sehr empfindlichen Region absolut nichts zu suchen hat, sofern der Eingriff nicht medizinisch notwendig ist. Hintergrund dieses Kicks ist jedoch wahrscheinlich nicht nur das Koffein, sondern die vermehrte Produktion des Stresshormons Adrenalin durch die Neben-nieren. Dies bekänpft alsdann Schmerzen im Körper. Anwender berichten zudem davon, dass Einläufe gegen Bauchbeschwerden (wie Blähbauch) helfen sollen, sie mehr Energie dem Körper verleihen und wacher machen sollen.
Die Geschichte der Kaffee-Einläufe ist nicht wie viele behaupten uralt. Erstmals beschrieb sie der US-Arzt Dr. Lawrence Wilson zur Hilfe nach einer Bauchoperation, gegen Schock oder für andere Therapien im Jahr 1896. Danach wurde die Idee durch die beiden Heilpraktiker Ariane Zappe und Dr. Dietrich Klinghardt aufgegriffen. Bekannt wurde der Kaffee-Einlauf schliesslich durch den deutschen Arzt Max Gerson als Bestandteil der Gerson-Therapie zur Behandlung von Tuberkulose, Krebs, Diabetes und Migräne in den 1920er-Jahren. Gerson liess an Krebs-patienten alle zwei Stunden einen Kaffee-Einlauf durchführen. Die Gerson-Therapie jedoch, aber auch die Therapie nach Florian Sauer wird schulmedizinisch abgelehnt, da sie nie wissenschaftlich belegt wurde.
Die Medizin steht dem Kaffee-Treiben ohnedies eher mit gemischten Gefühlen gegenüber. So ist nach einer Studie der englischen Universität Exeter (Dr. Edzard Ernst et al.) weder der positive Effekt des Kaffees im Darm noch der Leber wissenschaftlich nachzuweisen.
„Kaffee-Einläufe sind ein gefährlicher Ableger der Darmtherapie. … Nichts davon ist jemals bewiesen worden. Auch gibt es keine klinischen Beweise für einen positiven medizinischen Effekt von Kaffee-Einläufen.“
(Dr. Edzard Ernst)
Dr. Ernst belegte bis 1993 den Lehrstuhl für Physikalische Medizin und Rehabilitation an der Universität in Wien, wechselte dann an die University of Exeter, wo sich der inzwischen emeritierte Professor vornehmlich der Erforschung der Alternativmedizin widmete.
Eine Darmspülung ist aus medizinischen Aspekten nur vor einer Rektos-kopie oder bei einer Verstopfung und ähnlichem sinnvoll, so die Schul-medizin. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf den positiven Effekt der Konsumation von fermentierten Lebensmitteln wie Sauerkraut oder Kefir. Wissenschaftlich erwiesen ist hingegen die positive Wirkung des Kaffees auf das Risiko einer Krebserkrankung des Enddarms. Die Studie von Stephen Gruber et al. von der University of Southern California an 9.100 gesunden und an Darmkrebs erkrankten Menschen zeigte auf, dass grössere Kaffeemengen durchaus das Risiko senken können. Ein bis zwei Tassen pro Tag um ein Viertel, ab 2,5 Tassen gar um die Hälfte. Aller-dings sind möglicherweise auch Terpene und Melanoidine dafür verant-wortlich. Diese entstehen bei der Röstung – beim Einlauf werden aber ungeröstete Bohnen verwendet.
Ein Einlauf kann allerdings – sofern nicht von einem Kundigen durch-geführt – auch zu einigen Problemen führen. Damit sind nicht das Druck-gefühl und die Flatulenzen gemeint. Harmlos dabei ist, dass sich der Stuhl für ein bzw. zwei Tage in seiner Konsistenz durchaus ändern wird. Wesentlich bedenklicher hingegen sind:
.) Blutungen
.) Verletzungen der Darmwand
.) Verletzung des Schliessmuskels und eine mögliche Bauchfellent-zündung als Folge
.) Gasentwicklung und Schmerzen (lassen in der Regel nach wenigen Tagen nach)
.) Infektionen
.) Wird zu viel Gallenflüssigkeit gebildet, so kann dies zum Überlaufen des Zwölffinger-Darms in den Magen mit einhergehender Übelkeit und Krämpfen führen.
.) Rückvergiftung, da zu viel Adrenalin gebildet wird, das durch die Leber nicht mehr abgebaut werden kann
.) Koffein-Vergiftung, da der Magen nicht als Koffein-Puffer agiert
Mit Ausnahme der Gase sollten diese Nebenwirkungen durchaus ernst genommen werden, da sie lebensbedrohlich ausufern können. In der Literatur werden drei Todesfälle genannt, die direkt auf einen oder mehrere Kaffeeeinläufe zurückzuführen sind: Eine bakteriologische Infektion und zwei auf das Ungleichgewicht des Elektrolythaushaltes im Körper!
ACHTUNG:
Vor einer möglichen solchen Behandlung sollten Sie unbedingt den Arzt Ihres Vertrauens beiziehen!!!
Lesetipps:
.) Heile Deine Leber; Anthony William; ePUB Penguin Random House 2019
.) Der Kaffee-Einlauf – Entgiftung und Schmerztherapie; Kerstin Adler; AKSE 2017
.) Schmerzen lindern – Energie steigern: Rasche Hilfe durch den Kaffee-Einlauf; Tanja Baker-Zöllner; BoD 2011
.) Darmreinigung – Das Original nach Dr. med. F.X. Mayr; Trias 2019
.) Meine russischen Geheimrezepte für natürliches Entgiften; Jana Iger; Heyne 2019