Ginkgo – der Baum der Götter

Ginkgo Biloba
Dieses Baumes Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Gibt geheimen Sinn zu kosten,
Wie’s den Wissenden erbaut.
Ist es ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Dass man sie als eines kennt?
Solche Fragen zu erwidern
Fand ich wohl den rechten Sinn.
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Dass ich eins und doppelt bin ?
(Johann Wolfgang von Goethe 1815)

In unregelmässigen Abständen widme ich meine Aufmerksamkeit an dieser Stelle immer mal wieder den unterschiedlichsten Heilpflanzen, da ich der Meinung bin, daß die Natur vieles an Heilkraft in sich birgt, die nicht mit sündhaft teuren Lebensmittelergänzungen aufgenommen werden muss um den Wohlfühlfaktor zu erhöhen, da sie auch im heimischen Garten wachsen können. Omas Medizinschrank hatte dies-bezüglich vieles anzubieten, das Pharmakonzerne in der heutigen Zeit fette Umsätze beschert. Durch Zufall stolperte ich kürzlich über das Produkt eines österreichischen Fruchtsaftherstellers: Grüner Tee mit Ginkgo! Anlass genug, diesen Wunderbaum mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Ginkgo (offizieller Name „Ginkgo biloba“) wird in Asien seit Jahrtausenden als Heilpflanze verehrt und verwendet. Die erste Erwähnung findet er 2800 v. Chr. Bei Atemwegserkrankungen wie Asthma, Husten, Bronchitis, gegen Tuberkulose, Magenentzündungen und Hautentzündungen. Doch soll er auch bei Durchblutungsstörungen helfen: Kalte Füsse oder Hände. Etwa bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (paVK), der sog. „Schaufensterkrankheit“. Ob – wie bei vielen Anbietern hochgelobt – auch die zerebrale Durchblutung, also die Versorgung des Gehirns mit Blut und somit Sauerstoff bzw. Nährstoffen verbessert werden kann, ist noch nicht wissenschaftlich eindeutig nachgewiesen bzw. umstritten. Dieser Einsatzbereich als Antidementivum könnte alsdann die Konzentration, das Gedächtnis sowie die Stimmung verbessern und der Demenz vorbeugen. Auch bei altersbedingtem Schwindel und Tinnitus könnte er wirken, sofern die Ursache in Durchblutungsstörungen begründet ist! Doch – es mangelt an neutralen Studienergebnissen! Bevor Sie nun zur nächsten Drogerie oder Apotheke stürmen, muß ich Sie einbremsen: Eine Studie des US-National Toxigology Programs führte bei Tierversuchen zu einer Zunahme von Leber- und Schilddrüsenkrebs! Zudem raten manche Experten von Ginkgo-Tees ab, da diese zu wenig kontrolliert werden und somit auch schädliche Anteile von Ginkgolsäuren und Ginkgotoxine aus den Blättern beinhalten können. Ausserdem ist die Menge des verwendeten Ginkgos meist zu gering um dadurch positive Effekte erzielen zu können.
Somit gilt also auch hier: Das Geheimnis liegt in der Menge und der Rezeptur!
Der Ginkgo biloba-Baum gehört zur Untergruppe „Ginkgoatae“ der Nacktsamer – er ist rund 250 Mio Jahre alt, somit möglicherweise die älteste Pflanze auf diesem Planeten. Sogar mehrere Eiszeiten hat er überlebt. Alle anderen Vertreter dieser Untergruppe sind bereits ausge-storben. Ein Baum selbst kann zwischen 1000 und 2000 Jahre alt werden. Nicht selten erreicht er eine Höhe von bis zu 40 m und wirkt dabei sehr dekorativ, weshalb er in Ostasien vornehmlich in Tempelanlagen zu finden ist. Zudem trotzt er der Luftverschmutzung und wird aufgrund dessen in vielen Städten gepflanzt – etwa in Berlin. Beim Atombomben-abwurf auf Hiroshima 1945 brannte ein Ginkgo-Tempelbaum. Noch im selben Jahr trieb er jedoch wieder aus – deshalb wird der Baum in Japan als Zeichen der Hoffnung verehrt.
Wissenschafter der Universität von Maryland wiesen nicht weniger als 40 Inhaltsstoffe im Ginkgo nach – die heilende Wirkung aber rührt haupt-sächlich von den Flavonoiden (Glykoside) und Terpenoiden (Ginkgolide, Bilobalide) her. Während in Asien vornehmlich die Samen des Baumes verwendet werden, sind es in Europa seine langstieligen und fächer-förmigen Blätter. Beides wird geröstet oder getrocknet und schliesslich pulverisiert. Ginkgo-Samen („Ginkgo-Nuss“) oder -Blätter sollten niemals gekaut werden – der Anteil des negativen Ginkgotoxin ist zu gross. Auch bei zu hoher Konzentration eines Präparates kann es zu Nebenwirkungen wie Verdauungsproblemen und Kopfschmerzen kommen. Alsdann ist das Risiko einer Blutungsneigung nicht auszuschliessen. Deshalb sollte auf jeden Fall vor einer intensiven Ginkgo-Anwendung eine Blutuntersuchung beim Hausarzt erfolgen, da etwa eine nicht-erwünschte Wechselwirkung in Verbindung mit Blutverdünnern auftauchen kann. Abzuraten ist die Verwendung bei Schwangerschaft oder Kindern, da hierzu noch zu wenige Untersuchungen vorliegen.
Eine Studie der britischen University of Northumbria zur aufmerksam-keitssteigernden Wirkung von Ginkgo zeigte zwar ein entsprechendes Ergebnis, doch war die Zahl der Probanden zu gering, sodaß sie nicht als wissenschaftlich fundiert gelten kann.
Zu einer sehr interessanten Erkenntnis hingegen gelangten die Wissen-schafter des Laboratory of Pharmacological Neuroendocrinology in Bratislava. Gegenstand ihrer Studie war die stressreduzierende Wirkung von Ginkgo. Diese Untersuchung entsprach schon mehr den wissen-schaftlichen Bestimmungen: Sie war nicht nur Placebo-kontrolliert sondern auch doppelblind und randomisiert. Soll heißen, daß weder die Probanden noch die Forscher wussten, wer ein Ginkgo-Präparat erhielt bzw. an wen ein Placebo verabreicht wurde (doppel-blind). Bei einer randomisierten klinischen Studie werden auch alle Nebenwirkungen überwacht. 70 Personen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren erhielten einmalig ein 120 mg-Extrakt. Der Blutdruck dieser Gruppe war im Anschluss niedriger als in der Placebo-Gruppe. Zudem wurde weniger Cortisol im Speichel festgestellt. Cortisol ist ein Hormon, das bei Stress gebildet wird und bei dauerhaft grosser Produktion zu Konzen-trationssstörungen und Schlaflosigkeit führt bzw. gar das Immunsystem angreifen kann. Diese negative Wirkung auch auf das menschliche Gehirn kann in einer weiteren Studie des Departments of Biological Sciences der University of Stanford nachgelesen werden. Dementsprechend führt Cortisol zu einem vorzeitigen Altern der Gehirnzellen. Zudem hemmt es deren Neubildung. Das kann die Arbeit des Gehirns stark einschränken – ja sogar zu Gedächtnisverlust führen. Wissenschafter der Universität von Hongkong erkannten, daß Ginkgo gemeinsam mit Rosenwurz zu einer Verbesserung des Trainingseffektes bei Sportlern führt. Massgeblich dafür verantwortlich ist erneut die Senkung des Cortisolspiegels. Im Rahmen dieser Untersuchung erhielten 70 Personen über sieben Wochen hinweg vier Kapseln dieser Pflanzenmischung mit jeweils 270 mg. Gemessen wurde die Ausdauer, der Testosteronspiegel und das Muskel-gewebe. Die Versuchsgruppe verzeichnete eine Verbesserung der Aus-dauer – es wurde gar mehr Muskelgewebe aufgebaut. Cortisol bewirkt nämlich den Abbau von Muskelgewebe.
Weitere Studien etwa zur Steigerung der Libido, als Prävention für Schlaganfallpatienten (Blutgerinnsel sollen sich schwerer bilden), zu Alzheimer, dem Erhalt der Sehkraft, ADHS, Diabetes oder als Antioxidant sind zum Teil noch am Laufen oder noch nicht wissenschaftlich fundiert.
Der Ginkgo-Baum kann auch in unseren Breiten im Garten gesetzt werden – Sie sollten allerdings bedenken, daß er recht gross wird. Der Boden ist ihm eigentlich gleichgültig – er bevorzugt den Halbschatten bzw. leicht sonnige Stellen. In den beiden ersten Jahren ist der Baum noch nicht winterhart, deshalb sollte er vorerst als Kübelpflanze gehalten werden, den man im Keller überwintern lassen kann. Die Samenfrüchte der weiblichen Bäume riechen im Herbst ranzig, weshalb vornehmlich männliche Bäume gepflanzt werden.
Die Blätter werden kurz vor ihrem Abfallen meist im Oktober gesammelt und im Halbschatten getrocknet. Ginkgo kann nun folgendermaßen auf-genommen werden:
.) Als Nahrungsergänzung (Tablette oder Kapsel)
Beachten Sie hier jedoch unbedingt die Dosierung. Das Produkt sollte auf jeden Fall zwischen 24-32 % Flavonoide (Flavonglykoside oder Heteroside) sowie 6-12 % Terpenoide (Triterpenlactone), jedoch weniger als 5 ppm Ginkgolsäure beinhalten.
.) Als Tinktur
Dazu übergiessen Sie Ginkgo in einem Glas mit Schraubverschluss mit Weingeist oder Doppelkorn. Dies lassen Sie für zwei bis sechs Wochen ziehen. Danach den Ginkgo abseihen, die Flüssigkeit in eine dunkle Glas-flasche geben. Täglich können ein- bis zweimal je 10 bis 50 Tropfen eingenommen werden.
.) Als Tee
Überbrühen Sie zwei Teelöffel Ginkgo mit kochendem Wasser und lassen Sie dies für rund zehn Minuten ziehen. Danach auch hier den Ginkgo abseihen und in kleinen Schlücken trinken. Mehr als drei Tassen sollten Sie jedoch nicht am Tag konsumieren.
.) Als Umschlag
Bei Geschwüren oder schlecht heilenden Wunden kann ein sauberes Tuch getränkt mit Ginkgo-Tee oder verdünnter Tinktur am besten über Nacht aufgelegt werden.
Vor einer Ginkgo-Kur sollten Sie auf jeden Fall den Arzt Ihres Vertrauens hinzuziehen. Nur so können nicht-erwünschte Nebenwirkungen ausge-schlossen werden. Daneben ist die Dosierung extrem wichtig, da ein positiver Effekt erst ab etwa 40 mg des Extraktes erzielt werden kann, zu hohe Dosen jedoch zu Problemen bei der Verdauung und zu Schwindel führen können. Ähnlich wie bei Kurkuma (mit Honig) kann auch eine Kombination mit anderen Pflanzenextrakten wie etwa Gotu Kola (Indischer Wassernabel), Brahmi (Kleines Fettblatt), indisches Basilikum und Ginseng bzw. der bereits erwähnten Rosenwurz zu besseren Ergebnissen führen. Lassen Sie sich also gut beraten.

Lesetipps:

.) Ginkgo. Ur-Baum und Arzneipflanze; Hrsg.: Maria Schmid; Hirzel 2001
.) Ginkgo, der Baum des Lebens. Ein Lesebuch; Walter E. Müller/Ernst Pöppel; Insel Verlag 2003
.) Spektrum Ginkgo biloba; Hans D. Reuter; Aesopus 1993
.) Ginkgo Biloba; Hrsg.: Teris A van Beek; Harwood Academic Publishers 2000
.) Ginkgo biloba extract (EGb 761): from chemistry to the clinic; Francis V. DeFeudis; Ullstein 1998
.) Ginkgo Biloba (Medicinal and Aromatic Plants: Industrial Profiles); Vanbeek A. Vanbeek; CRC Press 2000
.) Pharmakognosie. Phytopharmazie; Hrsg.: Rudolf Hänsel, Otto Sticher; Springer Medizin Verlag 2010
.) Lexikon der Traditionellen Chinesischen Medizin; Komet 2006

Links:

– www.ginkgomuseum.de
– kwanten.home.xs4all.nl/history.htm
– www.heilkraeuter.de
– www.awl.ch
– www.wfsbp.org/home/
– ntp.niehs.nih.gov
– legacy.tropicos.org

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