Hyaluronsäure – Wundermittel und Jungbrunnen?

Älter werden hat nicht nur Vorteile – da gibt es schon auch Nachteile, auf die so mancher gerne verzichten würde: Die Gelenkigkeit und Mobilität lassen zu wünschen übrig, der Rücken und die Gelenke schmerzen etc. Den Einen erwischt es dabei mehr als den Anderen – hängt von der allge-meinen Fitness des Körpers, aber auch der Ernährung ab. Allerdings können zudem ehemalige Leistungssportler ein Lied davon singen: Vom Raubbau an ihrem Körper! Jeder therapiert dies anders. Viele alsdann mit Hilfe der Pharmazie und Nahrungs-Ergänzungsmittel-Industrie. Doch sollte bei all den wundervoll klingenden Erfahrungsberichten und Ver-sprechungen eines nicht vergessen werden: In den meisten Präparaten ist schlichtweg die Konzentration zu gering – ansonsten wären sie ein medi-zinischen Produkt vor dessen Gebrauch ein Arzt konsultiert werden muss. Und so ganz nebenbei: Um einen Anti-Aging-Effekt zu bewirken, müssten täglich 200 bis 450 mg Hyaluronsäure mit viel Wasser einge-nommen werden, bei Gelenksentzündungen ab 400 mg – das ist recht viel! Somit ist vieles, das versprochen wird (obgleich „Gesundheits-versprechungen“ in diesem Zusammenhang nach EU-VO 1066/2013 nicht gemacht werden dürfen – deshalb beziehen sie sich auf die eingesetzten Zusatzstoffe wie Vitamin A oder C), wissenschaftlich nicht bewiesen, doch versetzt bekanntlicherweise der Glaube Berge!

Ich bin kürzlichst auf einen Werbefolder über die Regeneration des Gelenk-Verschleisses gestossen. Durch den Wirkkomplex von fünf unterschiedlichen Stoffen soll jedes Gelenk beinahe wieder jugendlich frisch, auf jeden Fall aber schmerzfrei werden, so war in diesem Prospekt zu lesen! Einer dieser Stoffe ist das auch aus der Kosmetik bekannte „Hyaluron“. Was steckt dahinter? Ist das der Jung-Macher, nach dem ganze Generationen gesucht haben? Was meinen die Mediziner zu diesen Wundermitteln? Lassen Sie uns heute mal Gesundheits-Aufklärung betreiben.

Seit Jahrhunderten sucht die Menschheit nach einem Mittel um das Altern zu stoppen oder gar rückgängig zu machen! Immer mal wieder tauchen dabei Wunderpräparate oder abstruse Kuren auf, die ebenso schnell wieder von der Bildfläche verschwinden, wie sie gekommen sind. Trotzdem boomt die (auch medizinische) Industrie des Jugendwahns. Falten werden mal da, mal dort mit Botulinumtoxin weggespritzt, bis das Gesicht zu einem deformierten Etwas, einer satanischen Fratze mutiert, die nurmehr einen einzigen Gesichtsausdruck kennt. Ähnlich ist es, wenn der Schönheitschirurg das Skalpell ansetzt. Ein Hohn, hierbei von „natürlichem Aussehen“ zu reden. Beispiele? Ich werde mich hüten, in diesen Zeilen Namen zu nennen. Blättern Sie doch ganz einfach mal in einem Lifestyle- oder Stars- und Sternchen-Magazin – auf den ersten 4-5 Seiten werden sie sicherlich mehrfach fündig werden.

Doch nun ins Eingemachte!

Karl Meyer und John Palmer haben bereits im Jahre 1934 die Hyaluron-säure chemisch isoliert. Erstmals tauchte sie aber wesentlich später in entsprechenden Präparaten auf – das war 1981. Gewonnen zuerst aus Hahnenkämmen, führte dies zu vielen Allergien, Deshalb werden diese seit 1997 industriell von Bakterien gewonnen. Ganz vegan, obgleich Hefe dabei eine wichtige Rolle spielt.

Die Hyaluronsäure ist ein Polysaccharid – also ein Mehrfachzucker. Sie kommt nahezu überall in unserem Körper vor: Bandscheiben, Knochen, Haut, Gelenke und Augen. Zucker bindet Wasser – 1g der Säure bindet nahezu sechs Liter Wasser. Deshalb ist diese gelartige Mischung zumeist dort zu finden, wo eine Schmierfunktion erforderlich ist: Gelenke oder auch das Bindegewebe der Haut. Daneben kommt der Verbindung eine entscheidende Rolle bei der Zellteilung, den Prozessen im Gehirn und dem Glaskörper der Augen sowie im Stoffwechsel zu, auf die ich hier nicht weiter im Detail eingehen möchte.

Der Experte unterscheidet drei Formen der Hyaluronsäure:

  • Die Langkettige (Hochmolekulare)

Diese wird vornehmlich in Gelenken eingesetzt. Ein wichtiger Bestandteil eines jeden Gelenks ist der Knorpel. Die langkettige Hyaluronsäure bindet sich direkt an den Knorpel an und verleiht dadurch dem Gelenk eine verbesserte Gleitfähigkeit. Nachteile: Sie wirkt nur kurzfristig und kann bestehende Entzündungen sogar noch verstärken, weshalb sie zumeist präventiv eingesetzt wird. In der Kosmetik werden die Langkettigen vor-nehmlich für einen Feuchtigkeitsfilm verwendet, der die Hautbarriere unterstützt.

  • Die Kurzkettige (Niedermolekulare)

Sie wird direkt in entzündete Gelenke (bei etwa Arthrose) gespritzt, da sie für einen Rückgang der Entzündung, sowie der Schwellungen und Schmerzen sorgt. In der Kosmetik wird die kurzkettige Hyaluronsäure vornehmlich gegen Falten verwendet – sie dringt aufgrund der niedrigeren Molekülmasse tief ein und lagert sich im Bindegewebe ab.

  • Die Oligo-Hyaluronsäure

Diese Ketten sind noch kürzer und somit offensichtlich effektiver. Aller-dings auch wesentlich teurer! Derzeit findet man sie nur in hochpreisigen Kosmetik-Artikeln.

Weshalb es nun vor allem die Kosmetik auf die Hyaluronsäure abgesehen hat, dürfte am Natriumhyaluronat liegen. Dieses ist ein Bestandteil der Hyaluronsäure. Daneben natürlich auch am gebundenen Wasser. Es verleiht der Haut mehr Feuchtigkeit und dadurch alsdann eine Straffung. Das erklärt den Einsatz gegen Knitter-Falten, Akne-Narben, Hänge-backen, Augenringe und Tränensäcke, für schönere Lippen und straffere Brüste oder Gesäss. Im Gegensatz zur Botulinumtoxin-Unterspritzung soll eine solche mit Hyaluronsäure sofort wirken und keine der bekannten Nebenwirkungen aufweisen. Da die Säure aber nach und nach abgebaut wird, muss die Behandlung trotz bis zu drei Nachspritzungen innerhalb von ein bis zwei Wochen nach spätestens 12 bis 18 Monaten wiederholt werden, manche Ärzte emfpehlen eine Wiederholung bereits nach vier bis sechs Monaten. Und wichtig: Von einem entsprechend geschulten Arzt wie einem Dermatologen oder Chirurgen! Gelangt nämlich das Präparat in eine Vene oder Ader, so kann diese absterben oder eine Hirnembolie ausgelöst werden, die zum Schlaganfall führen kann. Der Mediziner gibt im Vorgespräch auch Tipps, was zuvor getan und abgesetzt werden muss und wie nach der Behandlung die entsprechende Stelle massiert wird um Unebenheiten zu vermeiden. Allerdings kostet eine solche kosmetische Therapie je nach Aufwand ab 200,- Euro aufwärts, die im Normalfall nicht von der Krankenkasse übernommen wird. Niemals in Kosmetik-Studios durchführen lassen, auch wenn sie mit wesentlich günstigeren Preisen werben. Apropos: Die Behandlung ist auch medizinisch bei der Wund-heilung sinnvoll. Daneben erfolgt der Einsatz von Hyaluron-Säure etwa bei Arthrose, Gelenksentzündungen, Po-Vergrösserungen, Schlupfwarzen oder gar der Vergrösserung des G-Punktes.

Die körpereigene Produktion der Hyaluronsäure sinkt bereits ab dem 25. Lebensjahr kontinuierlich, bis etwa zum 60. Lebensjahr nurmehr rund 10 % der jugendlichen Produktion erzielt werden. Dadurch verliert nicht nur das Bindegewebe der Haut die Spannkraft, die Beweglichkeit der Gelenke wird eingeschränkt und die Augen trocknen rascher aus, was sich in der Sehkraft auswirkt. Ausserdem sorgen Nikotin, Alkohol, Stress, Schlaf-mangel aber auch die UV-Strahlung für eine raschere Abnahme des Hyaluron-Haushaltes. Studien haben hingegen ergeben, dass das weibliche Sexualhormon Östrogen positiv auf Hyaluron wirkt, da Zink und Magnesium besser verarbeitet werden.

Von einer Hyaluron-Therapie sollten Sie Abstand nehmen, wenn sie blutverdünnende Medikamente benötigen, unter einer Autoimmun-krankheit leiden oder Hautentzündungen behandeln müssen. Ärzte empfehlen auch in der Schwangerschaft von einer Verwendung abzu-sehen.

Hyaluron ist in vielen straffenden Cremes, feuchtigkeitsspendenden Salben aber auch Augentropfen und Nasensprays enthalten, da sie die Schleimhäute unterstützen und feucht halten. Bei allen anderen Anwendungsarten wie Kapseln, Tabletten, Trinkampullen, Pulver etc. sollte zurecht an der Wirksamkeit gezweifelt werden, da einerseits (wie bereits angesprochen) die Dosierung zu gering ist und andererseits der Verdauungstrakt mit der Magensäure überwunden werden muss. Wieviel und wie lange solche Wundermittel eingenommen werden müssen, damit ein möglicher Effekt erfolgt, ist deshalb umstritten.

Bevor Sie Unsummen von Euros ausgeben (Stiftung Warentest 10/2022: „… teuer und überflüssig!“), zuletzt noch einige Tipps, wo die Hyaluron-säure von Natur aus vorkommt:

  • Petersilie und Pfeffer
  • Eier
  • (Süss-)Kartoffeln
  • Bananen
  • Blatt- und Wurzelgemüse
  • Erbsen
  • Soja
  • Beeren

Die körpereigene Produktion der Hyaluronsäure kann alsdann durch den Verzehr von Vitamin C-haltigem Obst und Gemüse wie Brokkoli, Rosen- und Grünkohl, Paprika, Orangen und auch Erdbeeren angekurbelt werden!

Bleiben Sie gesund!

Lesetipps:

.) Hyaluronan – Structure, Biology and Biotechnology; Alberto Passi; Springer Verlag 2023

.) Dermatologie und medizinische Kosmetik – Leitfaden für die kosme-tische Praxis; Konrad Herrmann/Ute Trinkkeller; Springer Verlag GmbH 2020

.) Minimalinvasive nichtoperative Methoden in der Gesichtsästhetik; Hrsg.: Wolfgang Funk/Hans-Robert Metelmann; Springer Verlag GmbH 2020

.) Präventionsmedizin und Anti-Aging-Medizin; Hrsg.: Bernd Kleine-Gunk/Alfred Wolf; Springer Verlag GmbH 2022

.) EFSA-Journal 2012 10 (7)

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