Government-Shutdown – Nichts geht mehr
Man möchte es nicht glauben, doch kommt es so sicher wie das Amen im Gebet: Das Damoklesschwert des Government-Shutdowns in den USA! Bereits im Januar des laufenden Jahres hatte die noch-grösste Volks-wirtschaft der Welt die selbst auferlegte Schuldenobergrenze von 31,4 Billionen US-Dollar erreicht. Durch einige Notfall-Massnahmen des Finanzministeriums, zu welchen etwa auch das Aussetzen der Zahlungen in staatliche Pensionsfonds zählt, kann das öffentliche Leben weitergehen und die Biden-Regierung weiterarbeiten. Bis vorerst zum 5. Juni! Nach zähen Verhandlungen der regierenden Demokraten und der oppositio-nellen Republikaner konnte es 2023 jedoch vermieden werden – der Kongress stimmte einem Aussetzen der Grenze bis 2025 zu. Gar nicht so einfach, haben doch im Senat die Demokraten eine knappe Mehrheit, im Repräsentantenhaus die Republikaner. US-Präsident Biden hat sich aller-dings verpflichtet, vier Billionen einzusparen. Im kommenden Jahr wird ohnedies neu gewählt. Der Government-Shutdown hat sich inzwischen zum Politikum entwickelt. Doch – was steckt wirklich dahinter – ein geschichtlicher Rückblick mit Schwerpunkt auf den letzten Trump-Shut-down?
31.400.000.000.000 $ – eine unglaubliche Zahl, umgerechnet 29 Billionen Euro – bis zu dieser bisher geltenden Grenze können die USA Ausgaben machen – Zinsen alter Kredite tilgen, Personal bezahlen, Rüstungsgüter anschaffen, … Ist diese Grenze jedoch erreicht, muss der Kongress einer Erhöhung derselben zustimmen. Dies nutzt vornehmlich die Opposition um Forderungen als Sparmassnahmen durchzusetzen. Heuer sind es etwa Kürzungen im Gesundheitswesen bzw. bei den Sozialen Diensten. Stellt sich der Kongress quer, droht die Zahlungs-unfähigkeit des Staates. Dies kann gar soweit gehen, dass die Kredit-würdigkeit der USA herabgestuft wird – wie etwa 2011 bei der Haushalts-krise unter der Regierung Obamas. Unter der Regierung Trump wurde diese Grenze für zwei Jahre ausgesetzt – obwohl Trump ja mit dem Versprechen angetreten ist, die Schulden des Landes zu verkleinern. Ab August 2021 wurde die Schuldenobergrenze wieder auf 28,4 Billionen Dollar festgelegt.
Apropos Trump: Während seiner Regierung kam es zum längsten Shut-Down in der Geschichte der USA – 35 Tage! Die Demokraten blockierten Gelder für den Mauerbau, Trump verweigerte alsdann seine Unterschrift unter das Budget. Erst als Trump die Gelder aus dem Militärbudget abzog, willigten auch die Demokraten ein.
„We have to build the wall!“
(Donald Trump)
Das Weihnachtsfest 2018 war irgendwie anders als die Jahre zuvor. Zumindest in den USA! Seit mehreren Wochen wollte der US-Präsident Donald Trump seine Mauer zu Mexiko durchsetzen ind widersetzte sich. Für seine Parteikollegen nichts neues, vollzogen sie doch in regel-mässigen Abständen diesen Schritt unter demokratischer Präsidentschaft. Doch dieses Mal war die Ausgangssituation eine gänzlichst andere: Die Reps waren in der Regierung! Mr. Trump wollte damit – wie übrigens alle populistischen Regenten, gleichgültig ob rechts oder links – sein Monument durchsetzen. Das Lebenswerk, das ihn bleibend in die Geschichtsbücher hätte bringen sollen: The Wall! Ansonsten würde bei ihm wohl nur der kurze Vermerk zu lesen sein: Der höchstwahrscheinlich schrillste, konfuseste und unprofessionellste „Politiker“, der die Vereinigten Staaten in der Vergangenheit anführte. Mehr als fünf Milliarden sollte diese nicht überwindbare Mauer kosten. Er rechtfertigte den Gigantismus mit dem Kampf gegen den Terror. Es könnten unter den Illegalen auch Terroristen dabei sein. Dies aber wies der ehemalige Chef des nationalen Anti-Terror-Centers, Nick Rasmussen, in einem TV-Interview auf NBC zurück: Es sei höchst unwahrscheinlich. Sie gelangen normalerweise ganz legal mit Visa in die USA – und bleiben einfach dort – auch nach Ablauf des Visums. So beispielsweise auch die Attentäter von 9/11. Aus Mexiko kommend wurden im Jahr 2018 gerade mal 12 Personen wegen Terrorverdachtes festgenommen. Und die vielen Drogen aus Lateinamerika gelangen vornehmlich über die Häfen in’s Land. Wofür also diese Mauer???
Später zeigte sich Mr. President auch mit einer „Mauer“ aus Stahldraht zufrieden.
„Es wird eine Stahlgrenze werden, und das wird uns große Stärke verleihen.“
(Donald Trump)
Damit wollte er wohl die Stahlindustrie der USA ankurbeln – mit chinesischem Billigstahl würde sie höchstwahrscheinlich günstiger kommen. Fragt sich nur, weshalb Mr. Trump so lange auf die Mauer bestanden hatte, wenn die Stahlgrenze eine „große Stärke“ bringen würde. Die Demokraten – und schliesslich auch viele Republikaner – sprachen sich durchaus zurecht dagegen aus. Ebenso übrigens die Mehrheit der Bevölkerung, wie die unterschiedlichsten Umfragen immer wieder zeigen.
Viele der Leser dieser Zeilen werden sich wohl noch an den Eisernen Vor-hang erinnern können. Das Bollwerk des Kommunismus gegen den Satan, den Kapitalismus. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion errichteten alle verfügbaren Arbeitskräfte am 13. August 1961 in Berlin die Mauer und setzten damit den Anfang der Abschottung des Ostens vom Westen. An allen anderen Teilen des Ostens übrigens zumeist eine Demarkations-linie: Stacheldraht mit Tretminen, Selbstschuss-Anlagen, ständigen Patrouillen etc. Am 09. November 1989 riss schliesslich die Ostbe-völkerung selbst diesen Schutzwall nieder. Auch Donald Trump hätte damit den Kontinent Nordamerika mit Lateinamerika (Mittel- und Südamerika) geteilt. Zudem müssten viele Grundbesitzer zwangsent-eignet werden, da grosse Teile dieser Wall über deren Grundstücke verlaufen wären. Dabei ist ihm offenbar völlig gleichgültig gewesen, was die Anderen dazu meinten. Der bekannte Rapper Snoop Dog (80 Millionen Follower auf Instagram, 44 auf Facebook, 20,8 auf Twitter) etwa äusserte sich dazu:
„Wer Trump wählt, ist ein dummer Mother***!“
Im Speziellen hat es Snoop Dog dabei auf den partiellen Government-Shutdown abgesehen. Schliesslich werden hunderttausende Menschen, die ansonsten im Sold des Staates stehen, während dieser Haushalts-sperre nicht bezahlt. Sollten sie nach alledem nochmals Trump wählen, so seien sie „Mother***“, so der millionenschwere Musiker damals.
Shutdown bedeutet die Stilllegung der Mehrheit der Behörden und Ämter sowie sonstiger Einrichtungen, die im Bundesbesitz sind, wie etwa Museen, Sehenswürdigkeiten oder historischer Stätten, auch des Capitols. 380.000 Menschen wurden dadurch 2019 in den unbezahlten Zwangsurlaub geschickt. Etwa dieselbe Anzahl muss weiterarbeiten – allerdings vorerst unbezahlt! Erst nach einer politischen Einigung erhalten zweitere ihr Gehalt nachbezahlt. Und Trump hatte ja damals damit gedroht, dass dieser Shutdown noch monate-, ja sogar jahrelang hätte weitergehen können – sollte er seine Mauer nicht erhalten. Dabei gibt es eine solche Grenze ja bereits. 19.000 Meilen – grossteils befestigt – werden rund um die Uhr von der United States Border Patrol bewacht, damit keine illegalen Einwanderer die grüne Grenze passieren. 11.000 teils schwer bewaffnete Mitarbeiter zu Luft, Wasser und natürlich zu Land. Sie sind der Homeland Security unterstellt. Einer Behörde, mit der auch viele US-Amerikaner nichts zu tun haben möchten. Auch die Nationalgarde stand lange Zeit in einer Stärke von 6.000 Mann seit 2006 zur Sicherung an der Grenze.
Aber zurück zum Shutdown. Eine wahnwitzige Idee wird auf dem Rücken der Regierungsbeamten ausgetragen. Eine Journalistin befragte 2019 hierzu den US-Präsidenten, ob er denn die Lage der Beamten nachvoll-ziehen könne. Er antwortete:
„I can relate!“
Ob er’s tatsächlich konnte, darf jedoch bezweifelt werden. War er doch aufgrund seines Vaters bereits im Alter von acht Jahren Millionär. Viele der Zwangsbeurlaubten leben jedoch stets von einem Monatsgehalt auf das nächste, sind also wirtschaftlich davon abhängig. Immer mehr der 55.000 TSA-Sicherheitsbeamten an den Flughäfen des Landes melden sich beispielsweise krank, um mit Gelegenheitsjobs doch noch die Miete für den Monat bezahlen zu können. Sie sind für die Pass- und Gepäcks-kontrollen zuständig.
Und der letzte Shutdown kostet richtig viel Geld – zu einer mehr als ungünstigen Zeit. So kam die Konjunktur gerade wieder in’s Laufen, der Dow Jones hat sich alsdann eingependelt, das in Rambo-Manier getätigte wirtschaftliche Vorgehen Trumps gegenüber China und Europa wurde durch Verhandlungsmarathone der Biden-Regierung wieder halbwegs hergestellt. Die Rating-Agentur Standard & Poor’s bezifferte den volks-wirtschaftlichen Schaden des bislang zweitlängsten Shutdowns im Jahr 2013 (16 Tage) mit rund 24 Milliarden US-Dollar. Zudem musste das Bruttoinlandsprodukt BIP aufgrund der ausgefallenen Arbeitstage um 0,6 % reduziert werden. Stehen die Ämter wie beispielsweise die Steuer-behörde IRS still, gibt es auch keine Genehmigungen, Aufträge, Auszahlungen für die Wirtschaft und Privatpersonen. 16.000 (von 19.000) Parkranger wurden zum Beispiel nach Hause geschickt – neben zahlreichen Verwüstungen gab es auch bereits drei Todesfälle, die möglicherweise hätten vermieden werden können. Somit kommt also nicht nur die öffentliche Verwaltung, sondern auch Teile der Wirtschaft zum Stillstand. Damit dürfte also der volkswirtschaftliche Schaden dieses 2019-Shutdowns bereits das Mehrfache dieser 5,6 Mauer-Milliarden aus-gemacht haben.
Shutdowns gab es in der Vergangenheit immer dann, wenn sich Senat, Repräsentantenhaus und der Präsident nicht über das Budget einig waren. Im Jahr 1884 wurde dieser „Antideficiency Act“ eingeführt. In den USA beginnt das neue Haushaltsjahr stets mit dem 1. Oktober. Bis zu diesem Termin muss der Kongress den Bundeshaushalt für das folgende Jahr beschliessen. Der Präsident besitzt jedoch ein aufschiebendes Vetorecht. Nur eine Zwei-Drittel-Mehrheit in beiden Kongresskammern kann dieses Veto überstimmen. Somit waren also auch die Republikaner und nicht nur Donald Trump für diesen Shutdown verantwortlich zu machen. Nachdem kein neues Haushaltsbewilligungsgesetz beschlossen wurde, kam es zum Shutdown. Ausgenommen sind von dieser Stilllegung seit dem Jahr 1982 nur jene Teile der Behörden, die für die Sicherheit von Menschenleben und dem Schutz von Eigentum zu sorgen haben (Polizei, FBI, Rettungsdienste, uniformiertes Militär, …). Alle anderen werden – sofern sie keine unerlässliche Position (essential service) in ihrer Abteilung haben, nach Hause geschickt. Die Abgeordneten des Kongresses werden hingegen weiterbezahlt (27. Verfassungszusatz – da sie für die Legis-laturperiode gewählt wurden und nicht vom Jahreshaushalt abhängig sind).
Seit dem Jahr 1976 gab es bis 2023 insgesamt 21 Shutdowns – vier davon für nur jeweils einen Tag. Während sechs Shutdowns unter den Präsi-denten Ford und Carter nur geringe Teile der Verwaltung betrafen, waren jene unter Reagan, Bush, Clinton, Obama und schliesslich Trump kom-plette Shutdowns. Den bislang längsten gab es unter Bill Clinton vom 16. Dezember 1995 bis zum 06. Januar 1996 – er ist nach jenem aus 2019 auf Platz zwei zurückgefallen. Der wohl kurioseste war jener von 20. bis 23. November 1981. Der republikanische Präsident Ronald Reagan hatte ein Sparbudget gefordert. Der Senat (republikanisch dominiert) kam diesem Wunsch nach, das von den Demokraten geführte Repräsentanten-haus jedoch nicht, da hier wesentlich höhere Kürzungen gefordert wurden. Der vorgelegte Kompromiss lag jedoch zwei Milliarden über den Vorstellungen Reagans, womit dieser seine Unterschrift verweigerte. Reagan hatte aber grundsätzlich Probleme: Mit Ausnahme der Jahre 1985, 1988 und 1989 gab es diesen Shutdown jährlich, in den Jahren 1982 und 1984 gar jeweils zweimal. Gleich dahinter folgt mit fünfmal Jimmy Carter. Diese Shutdowns sind gleichwohl interessant, schliesslich hatten die Demokraten in seiner Amtszeit die Mehrheit in beiden Häusern und stellten den Präsidenten. Es waren somit innerparteiliche Querelen, die auf diese Art ausgetragen wurden. Und dann Donald Trump mit dreimal – innerhalb nur eines Jahres!
Das US-amerikanische Budget beläuft sich bei den Ausgaben 2023 auf 1,7 Billionen US-Dollar. Mit 858 Milliarden erhält das Verteidigungs-ministerium den grössten Batzen, gefolgt mit 138 Milliarden vom Ministerium für Gesundheitspflege und Soziale Dienste, sowie mit 135 Milliarden vom Kriegsveteranenministerium.
Biden bot an, über die kommenden 10 Jahre das Haushaltsdefizit der USA um weitere 1 Billion Dollar zu reduzieren – zusätzlich zu seinem Ziel von 3 Billionen. Alsdann soll das Ausgabenniveau für zwei Jahre eingefroren werden. Ein Streitpunkt sind Steuern bzw. höhere Steuern für reiche und grosse Unternehmen – Biden will sie einführen, die Republikaner hingegen lehnen dies ab.
Zuletzt ein Überblick, wie viele Regierungsbeamte in welchen Ressorts aufgrund des Shutdowns 2018/19 in den unbezahlten Urlaub nach Hause geschickt wurden (Quelle: The Guardian):
Homeland Security – 13 % von 232.860 Angestellten
Justiz – 17 % von 114.154 Angestellten
Landwirtschaft – 40 % von 95.383 Angestellten
Finanz – 83 % von 87.267 Angestellten
Innen – 78 % von 68.469 Angestellten
Transport – 34 % von 54.230 Angestellten
Wirtschaft – 87 % von 47.896 Angestellten
Umweltschutz Agentur – 95 % von 13.872 Angestellten
Wohnungs- und Stadtentwicklung – 95 % von 7.497 Angestellten
Lesetipps:
.) The Antideficiency Act Answer Book; William G. Arnold; Berrett-Koehler Publishers 2009
.) Die Finanz- und Wirtschaftspolitik des US-Präsidenten William Jefferson Clinton 1993–2001; Ludovic Roy; Tectum Verlag 2003
.) The Restless Giant. The United States from Watergate to Bush v. Gore; James T. Patterson; Oxford University Press 2007
.) Encyclopedia of the Clinton Presidency; Peter B. Levy; Greenwood 2001
Links:
– ultimatehistoryproject.com
– edition.cnn.com