CO2-Fussabdruck – verdammt grosse Schuhe!

Ich kann es nicht verhehlen: Ich bin entsetzt! Ehrlich entsetzt! Bislang – so dachte ich – führte ich mein Leben anhand einer hohen Umweltverträg-lichkeit nachhaltig. Klimaneutral sozusagen. Nun stolperte ich über den WWF-Rechner zur Bestimmung meines CO2-Fußabdruckes.

†https://www.wwf.de/themen-projekte/klima-energie/wwf-klimarechner

†††Das Ergebnis: 8,74 Tonnen CO2 pro Jahr. Damit liege ich zwar unter dem deutschen Durchschnitt von 12,74 Tonnen – dennoch ist es zu viel. Der wohl grösste Brocken dabei ist die tägliche Fahrt zur Arbeit. Die Öffis brauchen mit mehrfachem Umsteigen nahezu doppelt so lange, zudem lehne ich es ab, verschwitzt in einen übervollen Bus einzusteigen. Einiges wett mache ich allerdings durch meine Essgewohnheiten: Fleisch etwa nur am Wochen-ende. Das deutsche Umweltbundesamt geht für die Zukunft von einer Tonne pro Jahr und Person aus! Ich muss also an mir arbeiten!
Das sollte sich übrigens jeder vornehmen. Den Beginn macht sicherlich ein solcher Test über den persönlichen CO2-Fussabdruck. Dieser, auf englisch „Carbon Foodprint“, beziffert die Menge an Kohlendioxid-Emissionen, die ein Mensch im Laufe einer Woche, eines Monats oder eines Jahres verursacht. Ein kleiner Fußabdruck wäre empfehlenswert, da nicht nur die Industrie und die falsche Umweltpolitik einer Regierung für derartige Emissionen verantwortlich zeichnet. Nein – es beginnt bereits bei jedem Einzelnen! Im Laufe dieser heutigen Zeilen möchte ich deshalb versuchen, Wissenswertes und einige Anstösse zu vermitteln, wie ein solcher Fussabdruck möglichst klein gehalten werden kann.
Entwickelt haben die Berechnungen die beiden Wissenschaftler Wacker-nagel und Rees anno 1994. Der CO2-Fussabdruck setzt sich aus einer ganzen Menge an Komponenten zusammen: Essgewohnheiten, Heizbe-darf, Konsumverhalten, Stromverbrauch und Transport – um nur einige in alphabetischer Reihenfolge zu nennen.


.) Essgewohnheiten
Die westliche Gesellschaft weist einen viel zu hohen Fleischkonsum auf. Nicht nur die Massentierhaltung, sondern auch die Kühlung des Fleisches sorgt für horrende Emissionen. Weniger Fleisch oder Wurst in der Woche tut übrigens auch der Gesundheit gut. Das wissen v.a. die Diabetes- und Gichtpatienten. Zudem werden die Wasserreserven dadurch geschont – für ein Kilogramm Rindfleisch muss schon mal mit 15.415 Liter Wasser (in der Aufzucht der Tiere) gerechnet werden, bei Schweinefleisch sind es 5.988, bei Geflügel 4.325 Liter.
Regional ist zwar gut – saisonal-regional jedoch umso besser. Saisonales Obst und Gemüse erspart die Kühlung. Erdbeeren oder grüner Blattsalat zu Weihnachten? So kann ein heimischer Apfel im Winter einen schlechteren CO2-Fussabdruck aufweisen, als sein importierter Kollege aus Chile, der tausende Kilometer Transportweg hinter sich hat.
Leitungswasser ist besser als Mineralwasser aus der PET-Flasche. Nicht nur, da die unzähligen Transport-Kilometer wegfallen – Leitungswasser muss nicht abgepackt werden und ist zumeist überall verfügbar.


.) Heizbedarf
Im Winter dermaßen einzuheizen, daß im Wohnzimmer im T-Shirt Fern-sehen geschaut werden kann, ist einfach nur dumm. Die Raumtemperatur tagsüber um 1-2 Grad und am Abend stark gesenkt, spürt nicht nur die Geldtasche, sondern auch das Klima. Zudem sollten nachhaltige Heiz-stoffe wie Holz, Hackschnitzel oder Pellets bzw. Wärmepumpen ver-wendet werden, da die Emissionen von fossilen Brennstoffen (Kohle, Öl, Gas) eigentlich nichts in unserer Atmosphäre zu suchen haben und somit nicht kompensiert werden können.


.) Konsumverhalten
Ist es wirklich notwendig, stets up-to-date zu sein? Produkte, die noch funktionieren, gehören nicht in den Müll. Gilt auch für die Bekleidung. Ist der jährliche Garderobenwechsel wirklich vonnöten? Seit Jahren lassen auch Markenhersteller durch Billigstarbeiterinnen produzieren. Somit wäre alsdann den Niedrigstlöhnern geholfen, wenn nicht dermaßen viel eingekauft werden würde.
Zudem werden beispielsweise für die Produktion nur einer Jeans rund 120 Liter Wasser benötigt! Grosse Teile des Baumwoll-Bedarfs kommen aus Indien – hier wird für die Herstellung von nur einem Kilogramm Baumwolle 23.000 l Wasser verbraucht. Wiederverwenden ist somit das grosse Schlagwort!


.) Stromverbrauch
Der Strom muss produziert werden. Deshalb ist die E-Mobilität nicht wirklich die beste Lösung für das Klima. Photovoltaik-Anlagen funktionieren nur bei Licht, Windräder nur bei Wind. Bei Pumpspeicher-kraftwerken wird zwar die Wasserkraft als vermeintlich umweltfreund-liches Produktionsmittel verwendet, dennoch muss das Wasser wieder in den Stausee hinaufgepumpt werden. Eine Studie aus dem Jahr 2018 ergab, dass eine einzige Suchanfrage bei Google 0,0003 Kilowatt Strom verbraucht. Im Schnitt könnte jeder Google-Nutzer monatlich eine 60 Watt-Glühbirne für drei Stunden zum Leuchten bringen. Es ist ja nicht nur die Rechenleistung des eigenen PCs oder noch schlimmer Smartphones. An allen internetbezogenen Aktivitäten hängt eine ganze Armada von Rechenzentren und Grossrechnern (und Mobilfunkstationen).
Zudem: Frisch besorgt und angerichtet ist alle mal besser als gekauft und eingefroren. Die Gefriertruhe erweist sich in vielen Fällen als wahrer Stromfresser!


.) Transport
Das österreichische Bundesland Tirol kann ein Lied davon singen: Millionen LKW jedes Jahr auf der Inntal- und Brennerautobahn. Da kommt es schon mal vor, dass die italienische Milch zur Abpackung nach Deutschland gefahren, dann wieder nach Italien retour verfrachtet und für den Verkauf erneut nach Deutschland geführt wird. Eine Flasche hoch-preisiger Chardonnay aus Kalifornien/USA nach London verfrachtet kostet 24 Eurocent – im Flexitank gar nur die Hälfte. Ein solcher Flexitank fasst bis zu 24.000 l – die Flaschenabfüllung erfolgt dann am Bestimmungsort. Alleine Hapag Lloyd verschifft auf diese Art rund 288 Mio Liter Wein aus der ganzen Welt pro Jahr (Zahlen: www.hapag-lloyd.com/de). Riesige Containerschiffe machen es möglich. Schmeckt dieser wirklich besser als der deutsche oder österreichische? Güter, die weniger transportiert und v.a. geflogen werden müssen, sind eine Wohltat für die Umwelt. Perver-sionen gehören eingestellt: Landwirtschaftliche Produkte, die angeblich nicht verkaufbar sind, weil die Gurke zu krumm oder die Zwiebel zu klein ist, werden wieder in den Acker eingepflügt. Dafür ordern viele Heim- oder Grosskantinen ihre Lebensmittel von Firmen, die hunderte Kilometer weit entfernt sind!
Auch die tägliche Autofahrt zum Einkaufen ist nicht notwendig. Wer gut plant, kommt mit einem Wocheneinkauf durchaus zurecht. Oder: Man fährt noch kurz nach der Arbeit im Supermarkt vorbei, da der ohnedies auf der Strecke liegt.


In dieser Auflistung habe ich eines ganz absichtlich außer acht gelassen: Die Urlaubsreise! Der Urlaub ist für jeden Einzelnen unter uns die wohl schönste Zeit des Jahres. Dafür gibt es auch traumhafte Urlaubs-destinationen. Einziger Nachteil: Die meisten davon müssen angeflogen werden. So verursacht beispielsweise der Hin- und Rückflug von Frankfurt nach Bangkok über die rund 17.922 km nicht weniger als 1,56 to CO2 – für jede einzelne Person! Von Frankfurt/Main bis nach Lignano sind es 895,5 Kilometer. Ein Diesel-PKW, Baujahr 2017, verbraucht im Schnitt 7 Liter auf 100 km (ich weiss: Auf der Autobahn sind es aufgrund der höheren Geschwindigkeit wesentlich mehr!). Hin und retour produzieren Sie 0,494 to CO2 – ebenfalls pro Person. Gerade beim Urlaub kann sehr viel Ausstoss vermieden werden. Und mal ganz ehrlich: Was nutzt es mir, wenn ich die kleine Jazz-Kneipe in New Orleans kenne, dafür aber nicht weiss, was sich innerhalb eines Radius von 20 km rund um mein Zuhause abspielt?

Ich habe es kurz angesprochen: Die E-Mobilität ist nicht wirklich das Gelbe vom Ei! Diese Fahrzeuge sind in der Produktion wahre Umwelt-sünder. Daneben ist der Anteil fossiler Brennstoffe bei der Stromer-zeugung noch zu hoch. Deshalb sorgt erst eine hohe Kilometerleistung für die gewünschten Vorteile. Besser wäre die Brennstoffzelle. Wenn aus dem Auspuff Wasser tropft, könnte das zudem unseren Boden kühlen und kleine Klima-Biotope schaffen, in welchen es mehr regnet und kühlere Temperaturen bestehen. Doch ist auch die Herstellung von Wasserstoff sehr teuer und zudem werden alsdann damit Elektromotoren angetrieben.
Die Politik hat lange Zeit zugesehen und Forschungsprojekte nur sehr zögerlich subventioniert, wenn sie nichts mit fossilen Treibstoffen zu tun hatten. Jetzt straft sie. Alle! Manche können zwar Teile der CO2-Steuer wieder zurückholen, dennoch ist es eine zusätzliche Steuer, die gerade die Klein- und Kleinstverdiener, Alleinstehende und Mindestrentner hart trifft und noch schlimmer treffen wird, da die CO2-Steuer mit der Zeit ansteigen wird. Wäre es da nicht viel sinnvoller gewesen, peu à peu Massnahmen zur Energiewende in Angriff zu nehmen? Es hätte in all den Jahren bis heute so viel bringen können. Andere Staaten haben dies gemacht und stehen jetzt wesentlich besser als Deutschland oder Österreich da! Wieso etwa wurden Wasserstoffzüge durch die DB (mit Siemens) und die ÖBB (mit Alstom) erst vor kurzem getestet? Nach den ersten 100.000 Kilometer herrschte bei den Testern grosse Begeisterung! Während die Deutsche Bahn derzeit das DB-Regio-Werk Ulm für die Wasserstoffzüge umrüstet (H2goesRail), war bei den ÖBB vor gar nicht allzu langer Zeit zu lesen, dass es zu wenig sauberen Wasserstoff gebe, da er noch grossteils mittels Erdgas produziert werde.
Wieso gibt es immer weniger Einheimischen-Tarife, dafür übernachten Bus-Touristen und Pauschalreisende fast zum Nulltarif?
Bei diesem heutigen Blog habe ich absichtlich Unternehmen außen vor gelassen, da es mir darum ging, die Meinung und Einstellung eines jeden Einzelnen zur Klimaproblematik hoffentlich positiv zu verändern. Alles andere würde wohl den Platz und das Thema sprengen. Eines sei erwähnt, dass bereits viele Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen einen „Product Carbon Foodprint“ (PCF) erstellen lassen um damit die CO2-Emissionen entlang der kompletten Wertschöpfungskette analysieren zu können. Ein sehr wertvoller Beitrag, den auch jeder Konsument in seine Kaufentscheidung einfliessen lassen sollte. Doch das ist wieder ein ganz anderes Thema.

Lesetipps:

.) Vier fürs Klima: Wie unsere Familie versucht, CO2-neutral zu leben; Petra Pinzler/Günther Wessel; Droemer HC 2018
.) Und jetzt retten wir die Welt: Wie du die Veränderung wirst, die due dir wünscht; Marek Rohde/Ilona Koglin; Franckh Kosmos Verlag 2016
.) Nachhaltig leben: Bewusst kaufen, sinnvoll nutzen. Alternativen zum Wegwerfen; Susanne Wolf; Verein für Konsumenteninformation VKI 2013
.) Foodprint: Die Welt neu vermessen; Mathis Wackernagel/Bert Revers; CEP Europäische Verlagsgsanstalt 2016
.) Das Weltretter-Workout: In 6 Wochen zum Weltretter; Philipp Appenzeller; rap verlag 2015
.) Dein Weg zur Nachhaltigkeit: 350 praktische Tipps für den Alltag; Florian Schreckenbach/Leena Volland; Books on Demand 2016
.( Der Ökologische Fußabdruck: Fachliche Grundlagen und didaktisch methodische Potenziale; Johannes Schulz; GRIN Verlag 2010

Links:

www.mein-fussabdruck.at
www.co2.rechner.at
uba.co2-rechner.de
www.fussabdruck.de
applications.icao.int/icec
www.bmuv.de
www.umweltbundesamt.de
www.bafu.admin.ch
www.carbonfootprint.com
www.klimaschutz-portal.aero
www.wri.org
www.oeko.de
co2.myclimate.org
www.climatepartner.com/de
www.wwf.de
wfd.de
www.greenpeace.de
reset.org
nachhaltigkeit.deutschebahn.com

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