Fracking – O’zapft is!!!

†„Um es klar zu sagen: Ich halte die Festlegung des Koalitionsvertrages, dass wir in der Nordsee nicht mehr Öl und Gas fördern wollen und keine neuen Felder explorieren wollen, für aus der Zeit gefallen.“

(Der dt. Bundesfinanzminister Christian Lindner)

Vor einigen Tagen forderte der deutsche Finanzminister Christian Lindner die Bundesregierung in Berlin, in welcher auch er ein schwergewichtiges Wort mitzureden hat, dazu auf, das Verbot des Frackings in Deutschland aufzuheben. Ich glaube, Herr Lindner überschreitet damit seine mögliche Fachkompetenz in diesem Bereich um Meilen und dürfte keinerlei Ahnung haben, welche Konsequenzen das für Deutschland hätte. Aus diesem Grunde möchte ich an dieser Stelle Aufklärungsarbeit liefern, da diese Methode der Erdöl- und Erdgas-Gewinnung ein Spiel mit dem Feuer ist. Oder anders ausgedrückt, wie es bereits Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1797 in seinem „Zauberlehrling“ schilderte: „Die Geister, die ich rief, werd’ ich nun nicht mehr los!“

Viele reden darüber, wenige wissen wirklich was es ist. Und trotzdem wird es seit Jahrzehnten gemacht, ohne irgendwie gross beachtet worden zu sein: Das Fracking!

Das sog. „Hydraulic Fracturing“ (richtige Bezeichnung) ist eine spezielle, inzwischen jedoch höchst umstrittene Methode, um fossile Brennstoff-Vorkommen in der Erde zu fördern. Erdöl und auch Erdgas kommen zumeist in Blasen in tieferen Erdschichten vor. Wird nun die Blase angebohrt, schiesst das Material aufgrund des Eigendrucks durch das Bohrloch an die Oberfläche. Dies ist die herkömmliche Methode, das „schwarze Gold“ oder Erdgas zu gewinnen. Bohrungen nun ergaben, dass unglaubliche Vorkommen in der Erde lagern, die allerdings auf diese Art und Weise nicht gewonnen werden können. Soll heissen, dass die Gesteinsporen von schwarzem Ton- oder Alaunschiefer nicht ausreichend miteinander verbunden sind. Man spricht auch gerne vom Schieferöl oder -gas. Diese Lagerstätten entstanden vor rund 350 Millionen Jahren durch die Ablagerung grosser Mengen organischen Materials. Hier müssen in meist 5.000 Metern Tiefe zuerst Fliesswege in Form von künstlichen Rissen geschaffen werden. Da dies so ohne weiteres nicht möglich ist, wird mit sehr hohem Druck eine gelartige Flüssigkeit in den Boden gepumpt. Damit sich die künstlichen Risse („Fractures“) rund um das Bohrloch nicht wieder durch den nachgebenden Boden schliessen, nachdem die Pumpe abgestellt ist, werden Quarzsand oder kleine Keramikkügelchen eingeführt. Dadurch können Gas bzw. Öl leichter zur Bohrstelle gelangen und abgepumpt werden. Diese Methode wird in Deutschland seit bereits 60 Jahren verwendet (allerdings nicht in solcher Tiefe) – in etwa ein Drittel des heimisch geförderten Erdgases kam auf diese Weise an die Oberfläche. Auch in der Geothermie ist die Methode durchaus in Verwendung.

Was nun für derartigen Wirbel sorgt, ist jene gallertartige Masse und deren Additive, die für die Risse verantwortlich zeichnet: Die „Frack-Fluids“. Sie bestehen zum grössten Teil aus Wasser – allerdings auch aus Chemikalien, die die Volksseele zum Kochen bringen. Dabei geht es vor allem um die unmittelbaren, aber auch mittelbaren Folgewirkungen der Stoffe vor allem auf das Trinkwasser. So muss beispielsweise mit solchen Fluiden kontaminierte Erde als Giftmüll entsorgt werden. Bei 100 der 750 verwendeten Additiven besteht nachgewiesenermassen erhöhtes Gesundheitsrisiko durch sog. „endokrine Disruptoren“ (EDC). Sie wirken wie das Geschlechtshormon Östrogen und können zu Missbildungen der männlichen Genitalien inklusive Unfruchtbarkeit und bei beiden Geschlechtern zu Krebs führen. Die Industrie arbeitet fieberhaft an der Entwicklung von Materialien, die umwelt- und gesundheitsverträglicher sind. Angeblich werden bereits Tests durchgeführt, in welchen diese Flüssigkeit dem Abwasser einer Spülmaschine entspricht (unterste Wassergefährdungsklasse).

Allerdings sind auch die seismischen Reaktionen nicht zu unterschätzen. So werden durch den entstehenden Druck künstliche Erdbeben hervor-gerufen. Daneben kann es zu Senkungen in Gebirgskörpern kommen.

Vonseiten der Energiewirtschaft versuchte bereits 2013 der damalige Vorstandsvorsitzende des deutschen Stromriesen E-On, Johannes Teyssen (inzwischen Verwaltungsratspräsident des schweizerischen Energieproduzenten Alpiq Holding), zu beruhigen. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur betonte er, dass man sich neuer Technologien nicht verschliessen solle. Das Fracking in tiefen Schichten jedoch erst dann vorangetrieben würde, wenn nachgewiesen ist, dass die eingesetzten Chemikalien beherrschbar sind. Dies ist jedoch nach mehreren epidemiologischen Untersuchungen aus dem Jahr 2020 nach wie vor nicht der Fall. Dabei wird u.a. auch von „Geburtsdefekten“ gesprochen. Andere deutsche und internationale Studien (unter Mitwirkung des Deutschen Krebsregisters, des Umweltbundesamtes und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) haben zudem einen Zusammenhang zwischen Fracking und der Häufung von Krebs-erkrankungen aufgezeigt, die im Juni 2016 auch dem Deutschen Bundestag vorgelegt wurden.

Berlin reagierte im Jahre 2017 mit einem Verbot des Frackings. Erst kürzlich meinte Bundeskanzler Olaf Scholz, dass daran nicht zu rütteln sei. Davor war die Ausbeutung dieser Vorkommen zwar nicht verboten, allerdings für Heilquellen- oder Trinkwasserschutzgebieten ausge-schlossen. Deshalb wurden auch auf der deutschen Seite des Bodensees entsprechende Unternehmungen eingestellt, da eine Kontaminierung des Wassers für Millionen Menschen in Baden-Württemberg Konsequenzen hätte. Zudem müssten umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfungen absolviert werden. Dies war nicht etwa die Entscheidung des Bundestags, sondern vielmehr der Ländervertretung, des Bundesrats. Offiziell hiess es damals vonseiten der Industrie, dass solche UVPs zwar unterstützt werden, jedoch einen klaren zeitlichen Rahmen haben sollten, damit „die Planungssicherheit für die Unternehmen gewährleistet sei“, so Klaus Angerer, Deutschlandchef des multinationalen Konzerns BNK gegenüber des Handelsblattes.

Länder wie beispielsweise Baden Württemberg, Bayern oder auch das österreichische Vorarlberg haben sich bereits damals von dieser Förderung distanziert. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) forderte im Nachrichten-Magazin „Der Spiegel“ ebenso wie der damalige bayerische Umweltminister Marcel Huber (CSU) ein Verbot dieser Methode „solange die Risiken für Mensch und Natur nicht sicher abschätzbar sind!“ (Huber in der Süddeutschen Zeitung). Auch viele von Huber’s Amtskollegen (nicht nur aus dem rot-grünen Lager) haben sich gegen das Fracking ausgesprochen und damit diese umstrittene Gesetzesvorlage als „untauglich“ zurückgewiesen. So auch sein damaliger grüner Kollege aus Nordrhein-Westfalen, Johannes Remmel. Hier ergab sich eine durchaus brisante Situation, befürwortete doch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) grundsätzlich das Fracking mit strengen Auflagen. Schliesslich wurden die ersten vier Genehmigungen in NRW erteilt – und sofort wieder ausgesetzt. Gleichzeitig ist jedoch NRW das bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands. Undenkbar was passieren könnte, wenn etwas schief läuft. Kraft übrigens war damals auch sozialdemokratische Verhandlungs-führerin im Bundesrat. Der hatte die Fracking-Gesetzes-Vorlage schon einmal an die Bundesregierung zurückgewiesen, da diese wichtigen Auflagen fehlten. Auch der damalige Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) betonte – so wird er in den Ruhr-Nachrichten zitiert:

„Mit unserem Gesetz wird nichts erlaubt, was vorher verboten war… Es wird sogar einiges verboten, was bisher erlaubt war.“

Und nun holt ausgerechnet der studierte Politikwissenschafter und Philosoph Christian Lindner in seiner Funktion als Bundesfinanzminister, der schon alleine aufgrund seiner politischen Herkunft (FDP) für wirtschaftliche Interessen eintritt, die Akte wieder aus der Schublade hervor. Allerdings haben sich auch der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart und überraschend Bayerns Ministerpräsident Markus Söder für eine ergebnisoffene Prüfung ausgesprochen, obgleich Bayern das Fracking ja vor einigen Jahren partout zurückgewiesen hat. Es kann also sehr rasch gehen, da etwa die Industrie nach wie vor zu 30 % vom Erdgas als Energielieferant abhängig ist!

„Das wird gesellschaftlich und politisch nicht unterstützt. Das hat die Industrie verstanden, und das respektiert sie!“

(Miriam Ahrens, Pressesprecherin des BVEG)

Allerdings auch ein Zeichen dafür, dass Deutschland die Energiewende nicht geschafft hat. Der „Motor der EU“ verfehlte auch im abgelaufenen Jahr seine Klimaschutzziele – durch die Nutzung von Fracking-Gas bzw. –Öl wird es auch weiterhin so bleiben. Von einer Energieautonomie sei hier angesichts der Ereignisse der letzten Monate gar nicht zu reden. Wie war kürzlich zu lesen: Wenn Tanker mit LNG-Fracking-Gas am Terminal anlegen, ist Deutschland dort angelangt, wo es niemals sein wollte: Ganz unten!

Doch – wie nutzten die USA den Fracking-Hype? Dort purzelte der Gaspreis durch die Erschliessung solcher Schiefervorkommen vornehmlich in North Dakota innerhalb kürzester Zeit. Zudem wurden die Vorkommen alleine hier auf mehrere hundert Milliarden Barrel Schieferöl geschätzt – eine gute Quelle kann bis zu 500 Barrel pro Tag bringen. Der kleine Bundesstaat der USA lag mit einem Monatsausstoss von 23,08 Millionen Barrel bereits nach Texas auf Platz zwei der US-amerikanischen Ölproduzenten. Und beim Erdgas mussten gar bis zu 30 % des Ausstosses abgefackelt werden, da die Gewinnung zu rasch vonstatten ging. Im Vergleich dazu fördert Saudi Arabien eine solche Menge binnen zweier Tage! Einige wenige sind in North Dakota zu Millionären geworden. Die Pläne für wirtschaftliche Blüte und Reichtum jedoch schlugen fehl. Eine Studie der Duke University wies schon 2016 hohe Kontaminationen im Wasser nach! „Frackingstädte“ sind inzwischen verwaist. Zurück bleibt eine Bevölkerung, die das Wasser aus ihren Wasserhähnen zwar anzünden, jedoch nicht trinken kann.

Der Global Player Shell macht inzwischen mehr Umsatz mit Gas als mit Öl: 60,3 Mrd. Dollar (Zahl: 2021, Quelle: statista.de). Dies wird auch weiterhin so bleiben, schliesslich ist der Konzern der weltweit grösste Anbieter von LNG-Gas. Trotzdem wird vonseiten des Unternehmens betont, dass die normalen Gasreserven für rund 240 Jahre ausreichen würden. Schiefergas wäre da nicht unbedingt erforderlich. Alsdann gilt es hierzulande als ausgeschlossen, dass schon bald die Bohrtürme allerorts in den Himmel wachsen. Schliesslich ist das Fracking sehr aufwendig, noch dazu wenn es in einem solch dicht besiedelten Gebiet wie in Deutschland oder Österreich durchgeführt wird. Soweit ebenfalls die Einschätzung bei E-On, aber auch beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Ferner sind 14 % der betroffenen Fläche als Wasserschutzgebiet deklariert. Damit ergeben sich drei signifikante Unterschiede zu den USA: Strengere Umwelt- und Genehmigungsstandards und alsdann liegen die Vorkommen aufgrund der geologischen Beschaffenheit wesentlich tiefer.

Sehr grosses Interesse hatte dennoch der Öl-Multi ExxonMobil aus den USA. Das Unternehmen führte bereits Tiefenbohrungen bei Rotenburg-Wümme durch. Aber auch die heimische BASF-Tochter Wintershall hatte sich zu Wort gemeldet. All das selbstredend wohlwollend für den Staat, bliebe doch die Wertschöpfung im Lande – es würden Milliarden mehr in den Staatssäckel fliessen. Und dies nicht nur durch die privaten Konsumenten, obwohl noch rund 70 % des Erdgases in Deutschland zum Heizen verwendet wird. Schliesslich wurden neben Kohle- auch Gaskraftwerke wieder hochgefahren (nicht gerade förderlich für das Erreichen der Kyoto-Ziele). Kritische Stimmen betonen: Nur bei dauerhaft niedrigem Gaspreis kann wieder von der umweltschädigenden Kohle abgekommen werden.

Zum Abschluss noch einige Zahlen, die das Interesse der Wirtschaft verdeutlichen sollen: Herr und Frau Schmidt verbrauchten zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen rund 90 Milliarden Kubikmeter Gas (Privathaushalte und Unternehmen) – aufgrund des Gaspreises und entsprechender Massnahmen dürften es im abgelaufenen Jahr 2022 weniger sein (bis November waren es 749 Mrd kWh). Gazprom-Chef Alexej Miller spricht in diesem Zusammenhang von einem „schwierigen Jahr“ – dennoch hat der Import von russischem LNG-Gas in die EU und Grossbritannien um 1/5 seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine zugenommen. Shell etwa spricht von langfristigen Verträgen. Gerade mal 5,2 Mrd. Kubikmeter Erdgas waren 2021 Made in Germany (hauptsächlich aus Onshore-Förderungen in Niedersachsen). Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) schätzt das Schiefergasvorkommen unter Deutschland auf 1000 Milliarden Kubikmeter. Dies könnte den Gasbedarf in Deutschland für rund 10 Jahre zur Gänze decken. Doch – zu welchem Preis? Und mit Energiewende und Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen hat dies nicht im Geringsten zu tun.

In den Mitgliedsbetrieben des deutschen Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) waren 2021 insgesamt 7.669 Personen beschäftigt. Der durch Unternehmen wie Uniper, Shell Erdgas, Wintershall Dea, Esso Deutschland, Exxon Mobile, EnBW, RWE oder auch VNG erzielte Umsatz lag 2021 bei ca. 42 Milliarden €. Noch vor zwanzig Jahren wurden 20 % des Bedarfs durch heimisches Gas abgedeckt. Das Schiefergas könnte diesen Wert nach oben schnellen lassen. Und v.a. könnte es wertvolle Zeit bringen. Zeit, die dringend benötigt wird, um die bislang stark vernachlässigten alternativen, erneuerbaren Energien weiter auszubauen. Doch birgt es auch eine andere Gefahr: Öl und Gas werden dermassen billig, dass an einen solchen Aufbau von Alternativen erneut nicht mehr gedacht wird – wie zu Zeiten der Kernenergie oder seinerzeit in den USA! Für welche dieser beiden Varianten Sie sich entscheiden, überlasse ich Ihnen!

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