Vogelgrippe – es war noch lang nicht alles!

Eigentlich sollte man meinen, nach zwei Jahren Corona-Pandemie müsste es zumindest für diese Generation genug sein! Doch ist dem offenbar ganz und gar nicht so. Die europäische Gesundheitsbehörde ECDC warnt nach der Auswertung der Daten des jüngsten Seuchenzugs vor einer der wohl schwersten Epidemien, die jemals in Europa aufgetreten sind: Die Vogelgrippe (Geflügelpest)!

In der Saison 2021/22 wurden nahezu 2.500 Ausbrüche in Geflügel-haltungen erfasst. Insgesamt mussten 48 Mio Tiere in diesen Haltungen gekeult werden. Noch mehr Ausbrüche (mehr als 3.500) wurden bei Wildvögeln festgestellt. Schwer davon betroffen sind Nord- und Ostsee – allerdings zieht sich der Seuchenzug bis nach Portugal in Richtung Südwesten und in östlicher Richtung bis in die Ukraine. Betroffen sind 37 Länder. Auch in Nordamerika konnte heuer ein derartiges Seuchen-geschehen beobachtet werden. Bislang orientierte sich die Ausbreitung vornehmlich am saisonalen Zug der Vögel – inzwischen aber tritt sie ganzjährig auf. Das ist umso tragischer, als es den Brutbeginn der Vögel in grossen Kolonien überdauert. Dadurch kann es ohne Hindernisse wüten. In Zoos und Wildparks wurde das Virus in 190 Fällen nachge-wiesen – nicht nur bei Geflügel, sondern auch bei Säugetieren. Und hier besteht die grösste Gefahr: Das Vogelgrippe-Virus kann den Menschen befallen und zu schweren Erkrankungen wie beispielsweise einer Lungenentzündung führen. Bislang gab es in der EU noch keine nachge-wiesenen Infektionen. Dennoch ist Vorsicht geboten: Füchse, Marder, Otter und sogar ein Schwarzbär sind bereits an den Folgen dieser Infektion verstorben. Die meisten an einer Meningoenzephalitis. Aller-dings wurden noch keine Infektionsketten festgestellt. 

„Was uns warnen sollte, sind doch eine Reihe von Fällen bei Säugetieren mit genau diesem Virus!“

(Prof. Dr. Timm Harder PhD, Nationales Referenzlabor für Aviäre Influenza (AI) / Geflügelpest)

Gefahr besteht etwa für Menschen mit Atemwegserkrankungen, die Kontakt mit Geflügel haben. Sie werden zu Tests aufgerufen, damit eine mögliche Erkrankung vorzeitig bemerkt werden kann. In vielen Staaten wurden inzwischen Krisenpläne für den Fall einer massiven Ausbreitung der Vogelgrippe erarbeitet, die wohl nach und nach aus den Schubladen geholt werden. Sie sehen u.a. eine Impfung innerhalb von 16 Wochen und eine Folgeimpfung vor. Bei der Impfmoral der mitteleuropäischen Bevölkerung – ein Tropfen auf den heissen Stein.

Viren, die sowohl Tier als auch Mensch infizieren können, werden als „Zoonosen“ bezeichnet. Ebola, die Schweinegrippe, Tollwut, SARS und CoVid19 – aber auch die Vogelgrippe werden durch derartige Zoonosen ausgelöst. Das Virus wechselt den Wirt – seit 1997 auch bei der Vogelgrippe nachgewiesen. Das menschliche Abwehrsystem steht dem Angriff zumeist machtlos gegenüber, da es bis zu diesem Zeitpunkt nicht mit einer solchen Infektion zu tun hatte. Somit bestehen keine Abwehr-mechanismen wie v.a. Antikörper. Deshalb sind derartige Infektionen umso gefürchteter. 

„Wenn wir es schaffen, den Prozess des Wirtswechsels zu verstehen, verbessert sich unser grundsätzliches Verständnis zur Entstehung neuartiger Epidemien!“

(Prof. Dr. Christian Drosten, Institut für Virologie am Universitätsklinikum Bonn)

Auch der Humangrippe-Erreger bzw. andere menschliche Viren wurden in umgekehrter Richtung schon bei Schweinen nachgewiesen – daraus entwickelte sich beispielsweise der Typ H1N2. Diese Virusvarianten werden mit einem „v“ gekennzeichnet – etwa A(H1N1)v. Wissenschaftliche Studien des US-amerikanischen Virologen Jeffery Taubenberger et.al. kamen zu dem Ergebnis, dass die verheerende Pandemie der Spanischen Grippe in den Jahren 1918/19 durch einen mutierten Vogelgrippe-Virus ausgelöst wurde. Diese Erkenntnis ergab die Untersuchung von in Formalin eingelegtem Autopsie-Materials eines Opfers, aber auch unter-suchtem Lungengewebes eines im Permafrost begrabenen weiteren Opfers.

Deshalb warnen die Vereinten Nationen vor derartigen Pandemien, die im Worst Case bis zu 150 Mio Menschen das Leben kosten können. Das soll jedoch nicht dazu animieren, die normale Grippe „Influenza“ auf die leichte Schulter zu nehmen. Grosse Grippe-Epidemien gab es beispiels-weise in den Jahren 1957 und 1968, aber auch 2005. Alleine in Deutschland mussten bei letzterer bis zu 32.000 Personen in Kranken-häuser eingewiesen werden – 15-20.000 verstarben daran. 2 Millionen Menschen wurden krankgeschrieben. Die Influenza ist und bleibt eine schwere Infektionskrankheit, die durchaus tödlich enden kann. Erste Befürchtungen, wonach in diesem Jahr die Grippe mit CoVID-19 zusammenfallen könnte (wie im abgelaufenen Winter auf der Südhalb-kugel) weisen schon mal auf erhöhte Alarmbereitschaft bei den Gesund-heitsbehörden hin. Wenn nun auch die Vogelgrippe mitmischt, könnte es durchaus zu einem Schreckensszenario kommen. Es macht also Sinn, die FFP2-Schutzmaske alsdann gegen die Influenza wieder zu verwenden – auch wenn es keine Tragepflicht geben sollte. Die normale Grippe-impfung übrigens wirkt ebenso wenig gegen die Vogelgrippe wie eine präventive Einnahme von etwa Tamiflu®! Davon ist übrigens unbedingt abzuraten, da die Erreger gegen die Arzneimittel resistent werden können. Soll heissen: Das Arzneimittel hilft bei einer Erkrankung nicht mehr.

Die Influenza wird durch die sog. „Orthomyxoviren“ der Typen A, B und C übertragen. Die Humangrippe durch Erreger der Typen A sowie der Subtypen H1 bis H3. H5 und H7 lösen vornehmlich bei Hausgeflügel die Vogelgrippe aus. A(H7N9) trat erstmals im Frühjahr 2013 in China auf – es spielt hierzulande noch keine Rolle – ist aber auch für den Menschen sehr gefährlich! Nicht weniger als 1.500 Erkrankungen wurden bislang gemeldet – einige hundert Personen verstarben daran. Ebenso beim Menschen nachgewiesen wurden: A(H10N8), A(H9N2) und A(H5N6) vornehmlich bei Patienten in China. Tödlich verliefen in einigen Fällen die A(H5N6)-Erkrankungen – während die A(H9N2)-Verläufe recht mild ausfielen.

Die Symptome einer A(H5N1)-Erkrankung treten 2-5 Tage nach der Infektion auf, in Einzelfällen auch bis zu 14 Tage danach. Sie gleichen den Symptomen der Humangrippe: Hohes Fieber, Halsschmerzen, Atem-not und Husten. Hinzu kommt bei rund der Hälfte der Erkrankungen Durchfall und seltener auch Bauchschmerzen und Erbrechen. Der weitere Verlauf ist gekennzeichnet durch eine Lungenentzündung, die zu einem Lungenversagen und dem Tod führen kann. Im Frühstadium der Erkrankung werden sog. „antivirale Neuraminidase-Hemmer“ wie Oseltamivir (Tamiflu®) bzw. Zanamivir (Relenza®) eingesetzt. 

Wildvögel können alle 18 H-Typen übertragen. „H“ steht dabei für Hämagglutinin-Proteine. Zusätzlich werden neun verschiedene N-Subtypen unterschieden – „N“ steht dabei für Neuraminidase-Proteine. Einige dieser Influenza-Viren treten nur bei speziellen Arten auf: Schweine, Wale, Pferde, Wild- und Hauskatzen, Seehunde und eben der Mensch. Die Human-Grippe wird vornehmlich durch den Typus A(H3N2) oder A(H1N1) mittels Tröpfcheninfektion übertragen. Der Virentyp B bildet keine Subtypen aus – hier unterscheidet man nach Linien (etwa der Yamagata- und der Victoria-Linie). Er trat bislang nur bei Menschen auf! Der Vogelgrippe-Virus hingegen ist ein hochinfektiöser Typ A(H5N1). Er wird zumeist mit dem Kot der Tiere ausgeschieden und bleibt etwa im Wasser oder feuchtem Schlamm für längere Zeit infektiös. Hierbei ergibt sich für den Menschen der Übertragungsweg durch virenbelastete Tröpfchen oder Staub. In Deutschland kursiert der Subtyp A(H5N8). Auch wenn hier noch keine Infektion nachgewiesen werden konnte, heisst dies nicht automatisch, dass eine solche nicht möglich ist. 

Taubenberger konnte eine Korrelation der Virolenz (Aggressivität) des Viruses mit seiner Erbsubstanz nachweisen. Werden Sequenzen davon durch Sequenzen normaler Grippe-Viren ersetzt, ist das Virus weitaus weniger ansteckend. Eine Forschergruppe rund um Elodie Ghedin vom Institute for Genomic Research wies zudem nach, dass sich die Viren in jeder Saison ändern (mutieren) und neue Stämme hervorbringen. So könnte sich auch der Vogelgrippe-Virus „menschentauglich“ mutiert haben. 

Seit Mitte der 90er-Jahre sucht der Subtyp A(H5N1) jährlich Südostasien heim. Mehr als 100 Mio Tiere sind bislang daran verendet oder mussten gekeult werden, 60 Menschen sind an den Folgen einer H5N1-Vogelgrippe-Infektion verstorben. Sie hatten sich an Tieren angesteckt – eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist bislang nicht nicht bekannt – kann sich jedoch rasch durch eine Mutation ändern. Die grössten Befürchtungen der Verantwortlichen! Beispielsweise wenn zwei unter-schiedliche Virentypen (etwa H5N1 und H3N2) in einem Wirt aufeinander-treffen, wodurch sich das Erbgut vermischen könnte. 

Versuche ergaben, dass sich Stockenten zwar anstecken und das Virus weitergeben können, jedoch selbst nicht daran erkranken. Eine Impfung von Hausgeflügel ist zwar möglich, jedoch unheimlich aufwendig. Wie kann geimpftes Geflügel von nicht-geimpftem unterschieden werden? Die Antikörper sind nahezu dieselben. Ergo: Es muss ein Marker-Impf-stoff verwendet werden. Dies kann zudem nur in der Küken-Phase erfolgen. Doch da werden die Tiere bereits mit allen möglichen pharma-zeutischen Produkten vollgepumpt. Und auch hier ist Vorsicht geboten: Impfstoffe gelangen dadurch in die Nahrungskette. Ähnlich wie bei Hormonen oder Antibiotika bei Säugetieren kann das zu erheblichen Auswirkungen beim Konsumenten und der Humanmedizin führen.

Bei Verhaltensauffälligkeiten von Haustieren, die eine Ansteckung und Erkrankung vermuten lassen, sollte dringenst der Tierarzt aufgesucht werden. Auf Rügen und in Österreich hatten sich nachweislich Katzen infiziert.  Bei Geflügelhöfen wird eine Sperrzone mit einem Radius von 3 km eingerichtet. Zudem eine Beobachtungszone von daran anschliessend 10 km und eine Kontrollzone von 13 km.

In diesem Winter kann wahrhaftig einiges auf uns zukommen. Deshalb hier einige Tipps:

– Regelmässiges Händewaschen

– Greifen Sie niemals totes Geflügel an

– Melden Sie grössere Tod-Funde (Gänse, Enten, Greifvögel, …) der Polizei oder dem Veterinäramt, die auch die Beseitigung übernehmen

– Leinen Sie Hunde vornehmlich im Uferbereich stets an und halten Sie Katzen davon fern

– Braten oder kochen Sie Geflügelfleisch und auch Eier ordentlich durch (mindestens fünf Minuten über 70 Grad)

– Vorsicht auch im Umgang mit Schweinen, die als Zwischenwirte dienen können

– Bei Fernreisen vorher über die aktuelle Situation vorort informieren (Zusatzversicherung für einen möglichen Rücktransport)

Hier noch weitere Hinweise:

.) Tierhalter

– Österreich: https://www.kammern-liesingtal.at/wp-content/uploads

/2017/01/Merkblatt_Tierhalter_GP_Risikogebiet.pdf

– Deutschland: https://vv.potsdam.de/vv/Merkblatt-fuer-Gefluegel-halter-††zur-Gefluegelpest.pdf

.) Reisen in betroffene Gebiete

– Österreich: https://www.bmeia.gv.at/ministerium/presse/aktuelles/

2005/†information-des-aussenministeriums-zur-vogelgrippe/

– Deutschland: https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/tiergesundheit/

tierseuchen/†gefluegelpest-hinweise-reisende.html

.) Influenza -Pandemiepläne

– Österreich https://eportal.mountsinai.ca/Microbiology//avian/Plans/

Austria.pdf

– Deutschland https://www.gmkonline.de/documents/

pandemieplan_teil-i_1510042222_1585228735.pdf

und

https://edoc.rki.de/bitstream/handle/176904/174/29x3vlR5Miwxa6.pdf?sequence=1&isAllowed=y

– Schweiz https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/das-bag

/publikationen/†broschueren/publikationen-uebertragbare-krankheiten/pandemieplan-2018.html

Lesetipps:

.) Vogelgrippe. Zur gesellschaftlichen Produktion von Epidemien; Mike Davis; Assoziation A 2005

.) The Fatal Strain: On the Trail of Avian Flu and the Coming Pandemic; Alan Sipress; Viking 2009††

.) Bird Flu. A Virus of Our Own Hatching; Michael Greger; Lantern Books 2006†

Links:

– www.zoonosen.net

– www.who.int

– www.ecdc.europa.eu

– www.fli.de

– www.bundesregierung.de

– www.bmel.de

– www.gesundheitsforschung-bmbf.de

– www.sozialministerium.at

– www.bfr.bund.de

– www.llv.li

– www.rki.de

– www.ukbonn.de/virologie/

– www.mpg.de

– www.ages.at

– www.lungenaerzte-im-netz.de

– www.lbv.de

– www.afip.org

– www.cdc.gov

– www.jcvi.org

– www.askjpc.org

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