Kriegsmilliardäre – das unmoralische Angebot
„Exxon made more money than God this year!“
(US-Präsident Joe Biden)
Es hat sehr lange gedauert, bis sich auch auf nationaler Ebene etwas tut. Nachdem aber EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nun ange-kündigt hat, Übergewinne der Energiekonzerne abschöpfen und auf die Mitgliedsstaaten verteilen zu wollen, sowie eine befristete Erlös-Obergrenze für „inframarginale“ Strom-Produzenten (nicht auf Gas und Erdöl basierend) einführen zu wollen, herrscht nun auch in Berlin und Wien reges Pläneschmieden. Am 30. September werden die ent-sprechenden EU-Minister über den Gesetzvorschlag der Kommission abstimmen. Für viele jedoch kommen diese Massnahmen zu spät.
Selten zuvor hat sich die Preisspirale vor allem in Deutschland und Österreich schneller gedreht als in den vergangenen 7 Monaten. Kopf-schüttelnd stehen die meisten Konsumenten vor den Regalen der Super-märkte. Viele würden zwar gerne, doch können sie nicht: Sie können nicht mehr zugreifen, da es zu teuer für sie ist. Die Preise sind der-massen in die Höhe geschnellt, dass einem schwindelig dabei wird. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine kosten viele Produkte das Doppelte. Konnte man davor noch sparen, indem nicht unbedingt auf Markenartikel sondern vielmehr auf Diskont-Ware zurück-gegriffen wurde, so ist dies inzwischen nicht mehr möglich, da auch diese zugelegt hat, sodass viele nicht wissen, wie sie diesen Winter über die Runden kommen sollen. Die Lebenshaltungskosten steigen unauf-hörlich – jetzt mit dem Beginn der Heizperiode, wird vieles noch wesent-lich schlimmer werden.
Die Gründe, die dahinterstecken sind vielfältig – sie alle klären zu wollen, würde den Rahmen des Blogs sprengen. Doch auf den wohl schwerge-wichtigsten, sei heute im Detail eingegangen: Die Energiepreise. Wären die Sprit- und Gaspreise möglicherweise noch erklärbar, so grenzen die hohen Strompreise an Wucher. Nie zuvor gab es mehr Photovoltaik und Strom aus Windkraft als in diesen Tagen. Und Petrus meint es gar noch gut mit uns: Es war der sonnenreichste Sommer seit Jahrzehnten: 99,4 Terrawattstunden Solarstrom wurden zwischen Mai und August 2022 in der EU produziert (12 % der Stromproduktion) – umgerechnet auf den derzeitigen Gaspreis hätte dies einem Gasimport von 29 Milliarden € entsprochen. In Deutschland wurden 19 % des erzeugten Stroms durch die Sonne abgedeckt, in Spanien 17 und in den Niederlanden gar 23 %. Zudem zogen Fronten auf, aber auch durch die lokalen Sturmereignisse drehten sich die Riesenpropeller der Windparks um einiges schneller und länger. Energie, die in den letzten 7 Monaten keinerlei Mehrkosten wegen Rohstoffbedarfs oder Transports verursachte und trotzdem war die Kilo-wattstunde nie teurer als derzeit. Was ist da geschehen?
Der nächste Satz schmerzt – hätte auch niemals gedacht, dies einmal öffentlich sagen zu müssen: Donald Trump hatte mit Nordstream recht! Allerdings hatte er es mehr als schlecht verpackt, schliesslich dachte wohl jeder, dass er das US-amerikanische Fracking-Gas und -Öl ver-kaufen wollte. Anders formuliert, hätte er sicherlich wesentlich mehr Befürworter dafür gefunden: Die allzu starke Bindung an nur einen Anbieter kann zu Problemen führen. China etwa ist ein energiefressender Moloch. Das Land verbraucht fast das Doppelte an Energie als die USA. Auf Platz 3 folgt Indien. Gerade die historisch gewachsenen Beziehungen zwischen Moskau und Peking hätten auch ohne den Einmarsch der Russen in die Ukraine ausgereicht, Alternativen im Einkauf zu suchen. Auch wenn es moralisch durchaus kritisierbar ist, menschenrechts-verachtende Emirate im Nahen Osten oder Regime (wie Venezuela) zu beauftragen, hätte sich eine wesentlich breitere Anbieterschaft und dadurch bessere Aufstellung in der Energiewirtschaft ergeben. Wenn nun – wie geschehen – Putin den Hahnen zudreht oder die Sanktionen keinen weiteren Import von russischem Erdöl zulassen, hätten andere Anbieter den Ausgleich liefern können. Dies wurde jedoch unterlassen. Anstatt dessen belief sich im Jahr 2020 der Anteil der russischen Ölimporte in Deutschland auf 30 % – beim Gas sogar auf 65 %. In Österreich waren es 2021 ganze 38,1 % beim Öl und sage und schreibe 80 % beim Gas. Wie sich dieses Preisspirale dreht – hier ein kleines Beispiel: Die Stadtwerke Konstanz werden zum 01. Oktober die Gaspreise um 200 % steigern. Das Gas wird durch den Fernleitungsbetreiber Terranet BW, einer Tochter der EnBW, zugeliefert. 2017 wurde die Verbundnetz Gas AG (VNG) in Ostdeutschland übernommen. Die VNG versorgt(e), wie auch Uniper, Stadtwerke mit Billiggas aus Russland – jetzt ist sie in argen Schwierig-keiten, da sie das Gas wesentlich teurer über etwa Norwegen oder die Niederlanden einkaufen muss. Die VNG hat deshalb um Hilfe aus der Gasumlage angesucht. Diese ist dafür gedacht, bestehende Verträge erfüllen zu können, ohne dabei Millionenverluste zu machen. Soll heissen, dass das Gas zum bislang geltenden Preis weitergegeben wird. Wenn dies tatsächlich der Fall ist: Wieso erhöhen die Stadtwerke Konstanz dann den Gaspreis derart eklatant (Gasumlage bereits einge-rechnet)? VNG kann keine Gewinne machen, da ansonsten die Hilfe aus der Gasumlage nicht gewährt wird!
Daneben wurde zwar viel versprochen, doch nur wenig gehalten – von der Loslösung von fossilen Brennstoffen. Wurde die Kohleverbrennung eingeschränkt, so vervielfachte sich dafür die Gasnutzung. Weshalb auch etwas ändern, wenn diese Energieart in Hülle und Fülle vorhanden und entsprechend günstig ist. Nun fällt dieses Kartenhaus zusammen. Industrie und Handwerk sind in viel zu grossem Ausmass vom Gas abhängig. So betonte etwa der CEO der Grossbäckerei Lieken, Christian Hörger, im Podcast „Die Stunde Null“, dass das Brot aus zweierlei Gründen teurer werden muss: Die Preise für Mehl sind ordentlich angestiegen (dieses Thema habe ich an dieser Stelle bereits abgearbeitet – Deutschland produziert mehr Getreide, als es verbraucht – sind somit vornehmlich Gierflation-Interessen) und nahezu alle Öfen der Bäcker laufen noch mit Gas! Brot ist das wichtigste Grundnahrungsmittel Deutschlands: Herr Müller und Frau Schmidt verbrauchen pro Jahr 20 kg – pro Kopf!
Und nun zurück zum Strom: Auch bei den Kraftwerksbetreibern gab es in den letzten Jahren eine grossflächige Umstellung: Von Kohle auf Gas! V.a. die Klimasünderin Braunkohle, deren Abbau nach wie vor in Deutschland erfolgt (nun für den Export), aber auch die Steinkohle, die aus Polen und v.a. Russland importiert wurde, sind nahezu gänzlichst vom Markt verschwunden. Kohlekraftwerke wurden abgeschaltet, Gaskraftwerke aufgestellt. Der Bedarf ist nach wie vor da und auch vonnöten. Beispiel? Das deutsche Flächenland Baden-Württemberg ist seit einigen Jahren in der Lage, den Strombedarf am Sonntag-Nachmittag nur aus Photovoltaik zu beliefern. Ziehen jedoch Wolken auf, die Sonne verschwindet, wird von einer Minute auf die andere immens viel Strom weniger geliefert. Damit das Netz nicht zusammenbricht, werden hierfür Gaskraftwerke hoch-gefahren. Das Problem stellte sich beispielsweise auch bei der Sonnen-finsternis 1999. Erschwerend hinzu kommt die Energie- und Kernkraft-wende. AKWs werden reihenweise abgeschaltet ohne gleichwertige Alter-nativen liefern zu können. Die Zeit dafür wäre da gewesen, doch warteten die Entscheider bis zuletzt! So ist die Stromtrasse, die den deutschen Süden mit Windstrom aus Windparks in der Ost- und Nordsee versorgen sollte, nur auf dem Papier vorhanden. Die drei, derzeit noch laufenden Kernkraftwerke liefern nach wie vor enorm viel Strom:
– Isar 2 (Betreiber: Preussen Elektra und Stadtwerke München) 1.485 Megawatt
– Emsland (Betreiber: RWE, Preussen Elektra) 1.406 Megawatt
– Neckarwestheim (Betreiber: EnBW) 1.400 Megawatt
Alle drei sollten in den kommenden Monaten vom Netz gehen – teilweise werden sie bereits runtergefahren. Atomstrom ist der günstigste Strom, rechnet man die Kosten für die Endlagerung nicht hinzu, die jedoch eigentlich durch Stiftungen, bestückt aus dem laufenden Betrieb, abge-deckt sein sollte. Hier gab man sich blauäugig und verliess sich im Notfall auf Frankreich, das nach wie eine unheimlich hohe AKW-Dichte aufweist. Was hier nicht einberechnet wurde: Die französischen Atom-meiler sind grossteils Schrottmeiler und werden nach und nach wegen Sicherheitsbedenken runtergefahren. Woher kommt nun Ersatz für die drei deutschen AKWs?
Dies alles sind grundsätzliche Probleme, die bereits für ein Ansteigen des Energiepreises ausreichen. Nun aber kommen die Finanzhaie in’s Spiel. Jene Investoren, die früher beispielsweise in Hedgefonds investierten, jetzt andere Betätigungsfelder suchen: Agrar und Energie! Die Rendite muss stimmen – alles andere ist gleichgültig. Moral? Nein – die gibt es in diesem Bereich nicht. Im Agrarsektor schon seit Jahren ein riesiges Problem. Werden doch bereits vor der Ernte riesige Mengen an Getreide, Mais und Raps aufgekauft, damit nach der Ernte die Preise in die Höhe schnellen (geringes Angebot am Markt) und unvorstellbare Gewinne damit gemacht werden. Das gilt nun auch für den Energiesektor. Riesige Mengen an Gas und Öl werden aufgekauft, die Strompreise an den entsprechenden Börsen wie „European Energy Exchange“ (EEX) in Leipzig oder „Energy Exchange Austria“ (EXAA), vor allem aber der EPEX (dem Zusammenschluss der deutschen EEX mit der französischen Powernext in Paris) für den Markt der Central Western Europe (CWE) künstlich nach oben getrieben. Dort ist bekannt, dass vor allem im Winter weniger Strom zur Verfügung stehen wird (wenn die Heizlüfter allerorts ihre Arbeit versehen), der dann mit wesentlich grösserer Gewinnmarge verkauft werden kann. Ein Fehler, den die EU im Jahre 1996 mit der Liberalisierung (EU Richtlinie 96/92/EC) anschob, die einen freien Verkauf auch über die Grenzen hinweg ermöglichte. Davor war dies national organisiert. Somit tritt etwa der Irrsinn auf, dass österreichische Bundesländer wie Tirol und v.a. Vorarlberg durch Wasserkraft so viel Strom produzieren, den sie gar nicht selbst aufbrauchen, ihn als Spitzenstrom zu den Preisen der Börsen in’s Ausland verkaufen, die Kilowattstunde bei den heimischen Abnehmern hingegen ebenfalls ordentlich anheben, mit dem Verweis auf die internationale Preisentwicklung. Österreich hat kein Atomkraftwerk und damit eigentlich nicht direkt Zugriff auf den billigen Atomstrom (der jedoch v.a. aus der Slowakei und Tschechien, sowie Ungarn einfliesst). Dennoch wurde im Rahmen der Liberalisierung der sog. „ARENH-Preis“ (Accès régulé à l’électricité nucléaire historique) als Bezugspreis für Stromlieferanten festgelegt, die keinen Zugang zu Atomstrom haben. Die Börsenpreise in Frankreich liegen jedoch oftmals über diesem Preis. Pervers, wird dadurch doch der eigentlich günstigere Atomstrom teurer als beispielsweise Strom aus Wasserkraft verkauft. Österreich teilt sich mit Deutschland den Markt und ist somit an die deutschen Preise gebunden.
Eine sehr ausführliche Erklärung, die jedoch erforderlich war um das nachfolgende verstehen zu können: Die Übergewinn-Abschöpfung. So sank etwa der Gaspreis innerhalb kürzester Zeit, als bekannt wurde, dass er möglicherweise gedeckelt werden soll. Dies hätte wenn vielleicht auch keine Verluste, so doch eine enorme Einschränkung der Gewinne der Spekulanten bedeutet.
„Eine reine Umverteilung von Erlösen greift aber zu kurz und wird unweigerlich zu neuen Problemen führen. Wir hätten einen Zugang vorgezogen, der das Thema an der Wurzel packt.“
(Michael Strugl, Präsident von Österreichs Energie und Verbund-Chef)
Neben all den folgenden Informationen sollte eines niemals vergessen werden: Wir müssen uns im Energieverbrauch einschränken! Der World Overshoot Day war dieses Jahr am 28. Juli – ab diesem Zeitpunkt leben wir von den Geo-Ressourcen des kommenden Jahres. Und dieser Tag rückt immer mehr nach vorne! Die EU-Kommission fordert deshalb nicht umsonst die Einschränkung zu Spitzenstromphasen um mindestens 5 % – das würde eine Verringerung des Gasverbrauchs um 1,2 Milliarden Kubikmeter über den Winter hinweg bedeuten. Eine Gesamtersparnis bis 31. März 2023 um 10 % sollte alsdann in’s Auge gefasst werden.
Nach Vorstellungen von der Leyens soll es europaweit eine „befristete Erlösobergrenze für Stromerzeuger mit geringen Kosten und einen Solidaritätsbeitrag auf der Grundlage von Überschussgewinnen“ geben (greift ab 20 ct/kWh). Derartige Überschussgewinne fallen derzeit im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich an. Die darüber erzielten Gewinne sollen an Haushalte und Unternehmen umverteilt werden.
„Wir stehen Putins Einsatz von Erdgas als Waffe weiter geschlossen gegenüber und werden die Auswirkungen der hohen Gaspreise auf unsere Stromkosten in diesen außergewöhnlichen Zeiten möglichst gering halten.“
(Ursula von der Leyen, EU-Kommissions-Präsidentin)
Nun – das mit der Solidarität ist so eine Sache. Es gibt Unternehmen (wie etwa Unipern, Gazprom Germania (jetzt Sefe) oder die EnBW-Tochter VNG), die sich nahezu ausschliesslich auf günstigstes Gas, Öl oder Kohle aus Russland verliessen und nun durch dessen Ausbleiben wirtschaftlich schwerst erschüttert sind. Uniper wirbt jetzt auf seiner Webseite mit „…grüner Energie für eine nachhaltige Zukunft“. Zuvor mischten sie den Markt mit günstigen Preisen auf. Daneben stehen andere Unternehmen (wie Shell, BP, Total oder Exxon), die auch andere Anbieter einfliessen liessen, dadurch kein Billig-Gas oder -Öl anbieten konnten und nun ihren ehemaligen Billig-Konkurrenten einen Solidarbeitrag leisten sollen. Nichtsdestotrotz – zweitere freuen sich derzeit über den Energie-Höhen-rausch. Sie fahren Gewinne ein, die noch vor zwei Jahren undenkbar erschienen.
Diese sog. Steuer auf „Residualgewinne“ (Krisengewinnsteuer oder Windfall Tax) wurde bereits in einigen Ländern der EU eingeführt – in Italien werden diese „Zufallsgewinne“ beispielsweise mit 25 % rückwirkend auf den Zuwachs an Wertschöpfung, in Grossbritannien mit 25 % auf Gewinne (bei Investitionen im UK gibt’s Steuererleichterungen), in Spanien und Griechenland mit bis zu 90 % auf Gewinne besteuert. Sie bringt bringt folgendes in Euro:
Italien – 10-11 Mrd
Spanien – 3,5 Mrd
Ungarn – 2 Mrd
Griechenland – 400 Mio
Rumänien – keine Angaben
(Grossbritannien – 5,9 Mrd €)
Geplant ist sie zudem jetzt im Herbst in Belgien und Tschechien!
Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi allerdings sieht sich mit einem grossen Problem konfrontiert: Viele Unternehmen weigern sich, diese Gewinnsteuer bzw. Teile davon zu bezahlen. Seine Regierung hat ein Massnahmenpaket beschlossen, um Haushalte und Unternehmen ab Januar entlasten zu können. Nun fehlen für dieses Paket in der Höhe von 33 Mrd. € ganze neun Milliarden! Deshalb geht’s nun an’s Eingemachte: Strafgebühren und Zinsen.
Welche Konzerne sind nun tatsächlich jene, die mit dem Krieg den grössten Reibach machen?! Waren es in der Corona-Pandemie vornehmlich die Pharmakonzerne, so sind es nun vornehmlich die Öl- und Gasmultis – ihre Gewinne im 2. Quartal des laufenden Jahres in US-Dollar (die Gewinnzahlen des 2. Quartals 2021 in Klammer):
Exxon – 17,9 Mrd. (4,7 Mrd)
Chevron – 11,6 Mrd (3,1 Mrd)
Shell – 11,5 Mrd (5,5 Mrd)
bp – 9,3 Mrd (3,1 Mrd)
Total – 5,7 Mrd (3,5 Mrd)
Diese Konzerne verdienen sich derzeit tatsächlich einen goldenen Zapf-hahnen. Doch sind sie dabei nicht alleine: Der ganze Rohstoffmarkt boomt derzeit wie noch nie zuvor. Glencore in Baar/Schweiz etwa ist die weltweit grösste Unternehmensgruppe im Rohstoffhandel und Berg-werksbetrieb. Das Unternehmen machte im ersten Halbjahr 2022 einen Gewinn von 12,1 Mrd. Dollar – vornehmlich aufgrund der Rekordpreise für Kohle und Energieprodukte.
Die Gewinnüberflieger in Deutschland:
.) Encavis (Betreiber von Solarparks und Windkraftanlagen aus Hamburg) 643 % – geschätzter Gewinn nach Steuern 72 Mio € (mehr als 700 %)
Mit gerade mal 144 Mitarbeitern ein Krisengewinner aufgrund des hohen Strompreises – das ist eindeutig Übergewinn!!!
.) Bayer (Chemie- und Pharmariese aus Leverkusen) 361 % – geschätzter Netto-Gewinn 4,6 Mrd. € (mehr als 450 %)
Die Gewinne resultieren vornehmlich aus der Saatgut-, Dünge- und Pflanzenschutzmittel-Produktion – das ist eindeutig Übergewinn!!!
.) Commerzbank (Finanzinstitut aus Frankfurt) 261 % – geschätzter Gewinn nach Steuern 1,1 Mrd € (mehr als 300 %)
Die Bank schrieb in den letzten Jahren nur rote Zahlen, musste sogar durch den Bund gestützt werden – er hält nach wie vor 15,6 % – Zinserhöhungen in den USA und Europa sowie ein rigoroses Sparprogramm sind hierfür verantwortlich; Kredite aus Russland und der Ukraine müssen abgeschrieben werden
.) Verbio (Biokraftstoffhersteller aus Zörbig) 248 % – geschätzter Netto-Gewinn 322 Mio €
Der ostdeutsche Konzern hat bislang nie die 100 Mio €-Gewinngrenze erreicht – das ist eindeutig Übergewinn!!!
.) RWE (Stromproduzent aus Essen) 185 % – geschätzter Gewinn nach Steuern 2,1 Mrd € (fast +300 %)
Der Umsatz aus Gas- und Wasserstrom steigert sich in diesem Jahr um 18 % auf 29 Mrd € – das ist eindeutig Übergewinn!!!
.) Traton (ausgegliederte VW-Nutzfahrzeugsparte aus München) 184 % – geschätzter Netto-Gewinn 1,3 Mrd € (fast +300 %)
Durch Corona brach viel Gewinn weg – 2019 lag dieser bei 1,5 Mrd – heuer aufgrund der Übernahme des US-Herstellers Navistar
.) Medios (Pharmakonzern aus Berlin) 175 % – geschätzter Gewinn nach Steuern 21 Mio
Der Gewinn resultiert vornehmlich aus dem Ankauf eines kleineren Unternehmens – spezialisiert auf seltene Krankheiten
.) Hochtief (Baukonzern aus Essen) 146 % – geschätzter Netto-Gewinn 511 Mio € (+246 %)
Der Umsatz ist geringer als 2019 – v.a. in der Asien-Pazifik-Region laufen die Geschäfte dennoch ausgezeichnet
.) Aareal Bank (Immobilienfinanzierer aus Wiesbaden) 125 % – geschätzter Gewinn nach Steuern 120 Mio € (+50 %)
Diese Zahlen wurden jedoch bereits vor der Corona-Krise geschrieben
.) Brenntag (Chemikalienhändler mit Sitz in Essen) 112 % – geschätzter Nettogewinn 2022 950 Mio € (mehr als +50 % im Vergleich zu 2021)
Gewinnsteigerung durch höhere Preise und ein Sparprogramm
Somit werden durch die Einführung einer Krisengewinnsteuer weitaus weniger deutsche Unternehmen als bislang gedacht zur Kasse gebeten. Doch es geht auch anders: Der Energiehändler E.ON wird seinen Gewinn heuer von 4,6 auf geschätzte 1,8 Mrd verringern, Windkraftbetreiber PNE baut ein Gewinn-Minus von 85 %, SME Solar wird gar in die roten Zahlen abdriften. Der Gas-Grosshändler Uniper musste gestützt und verstaat-licht werden, da sich die wirtschaftliche Situation extremst zuspitzte. Das Unternehmen bezog 50 % seines Gases aus Russland – insgesamt werden 40 % der Gas-Nutzer in Deutschland damit beliefert. Ein Konkurs von Uniper hätte unglaubliche Auswirkungen gehabt. Gleiches gilt auch für die Gazprom-Tochter Gazprom Germania (jetzt Sefe). Russland hatte sie abgestossen, die Verwaltung wurde bereits durch den Bund treu-händerisch übernommen – jetzt soll auch sie (nach einem 10 Milliarden-Kredit durch die KfW) verstaatlicht werden. Auch Unternehmen aus anderen Bereichen, wie die Deutsche Bank oder die Deutsche Börse gleichen die letzten Minus-Jahre aus, die DWS-Gruppe und die Deutsche Pfandbriefbank liegen bei Normalgewinnen. Trotzdem rechnet etwa die Rosa-Luxemburg-Stiftung (politisch links einzuordnen) mit Mehrein-nahmen durch die Krisengewinnsteuer in der Höhe von bis zu 102 Mrd – bei einer Versteuerung von 90 % wie in Spanien oder Griechenland.
Ein ähnliches Bild ergibt sich in Österreich – auch hier wird es schwierig werden, die Krisengewinne von den Normalgewinnen zu unterscheiden. Dabei sollen jedoch die Energieanbieter aus erneuerbaren Energien ausgeklammert werden. Somit bleiben die Übergewinne aus Gas und Öl bzw. Atomstrom über, da die Kosten der Stromproduzenten aus Kohle-, Gas- oder Öl-Kraftwerken nicht gestiegen sind. Auch im Alpenstaat wird man deshalb auf einer Preisdeckelung bei Gas und Strom setzen. Zu den Gewinnern zählt eindeutig die OMV, die den operativen Gewinn im 2. Quartal 2022 um 1,6 Mrd auf 2,9 Mrd Euro steigern konnte – im Ver-gleich zum 2. Quartal 2021. Die Manager klopfen sich auf die Schultern – sie kassieren zusätzliche Boni in der Höhe von 6,2 Mio € ab (Quelle: kontrast.at). Hier würde sich eine Übergewinnsteuer durchaus lohnen. Doch ist der Bund über die ÖBAG zu 31,5 % an der OMV beteiligt – er würde sich also in den eigenen Schwanz beissen. Gleiches gilt für die Strom- und Gasanbieter in den Bundesländern, die zumeist das jeweilige Land als einen der Gesellschafter vorzuweisen haben. Trotzdem brächte eine solche Steuer dem Alpenstaat zwischen vier bis sechs Milliarden.
Selbstverständlich sorgt eine solche Übergewinnsteuer für Unruhe am Markt. In Spanien knickten die Kurse der Energieriesen und Banken ein, auch in Österreich legte vor allem der Verbund einen Tiefflug hin, als Bundeskanzler Karl Nehammer dies im Mai des Jahres in’s Auge fasste. Doch handelt es sich hierbei ja um Kurse, die zuvor künstlich nach oben gedrückt wurden. Ökonomen warnen erneut: Durch eine derartige Steuer würde das Vertrauen der Investoren und jenes in den Standort riskiert. In der Schweiz wird gar der Wohlstand des Landes als Argument in’s Spiel gebracht. Dem sei entgegengestellt, dass die Investoren auch bei nor-malem Gewinnverlauf durchaus gute Rendite machen, ansonsten hätten Sie ja keine Beteiligung vor dem Steigflug der Preise angestrebt. Bei einem Residualgewinn von 0 werden nämlich die Ansprüche der Kapital-geber bereits vollständig erfüllt. Und wenn Stadtwerke bzw. Unternehmen mit Länder- oder Bundesbeteiligung plötzlich mit der Auslagerung beginnen, so muss ernsthaft über eine derartige Beteiligung der öffent-lichen Hand diskutiert werden, da ja dann alsdann die Steuerpflicht in’s Ausland verlagert wird, was in keinem Falle dem Interesse der Volks-vertreter entsprechen sollte, da es auch der einfache Bürger als Aufruf zur Steuerflucht verstehen könnte.
Links:
– www.eex.com/de
– www.exaa.at
– www.epexspot.com
– www.preussenelektra.de
– www.rwe.com
– www.enbw.com
– www.stadtwerke-konstanz.de/de/
– www.uniper.energy/de
– vng.de
– www.sefe-group.com
– www.omv.at/de-at
– kontrast.at
– www.oegb.at