Archive for September, 2022

Brasilien wählt – der Klimaschutz hält den Atem an

Nach den vorgezogenen Parlamentswahlen von Italien am vergangenen Wochenende steht an diesem eine erneute, folgenschwere Wahl an: Die Wahl des Präsidenten im grössten Land des lateinamerikanischen Konti-nents: Brasilien! 

Insgesamt sind 156,7 Mio. Einwohner zur Wahl aufgerufen. Was dieser Urnengang bewirken kann, hat die letzte Wahl im Jahre 2018 aufgezeigt. Der Rechtspopulist Jair Messias Bolsonaro machte seiner politischen Einstellung alle Ehre. Sehr zum Ärger der Klimaschützer und Geber-staaten. Bolsonaro steckte zwar die fleissig bezahlten Gelder zum Erhalt des Amazonas-Regenwaldes ein, liess diesen aber unter dubiosesten Umständen trotzdem grossflächig niederbrennen oder roden. Das verschaffte ihm den Spitznamen „politischer Pyromane im Präsidenten-palast“. Ob Naturschutzgebiet oder Schutzzone indigener Völker – voll-kommen gleichgültig. Sein Ziel und damit auch Lebenswerk hat Vorrang vor allem anderen: Die Durchmesser-Autobahn B-163 vom Süden des Amazonas bis zur Grenze Surinams. Zuerst leugnete der die Brände. Als Satellitenbilder des staatlichen Instituts für Weltraumforschung INPE klare Beweise lieferten, setzte er die Verantwortlichen dieser Bundesbehörde auf die Strasse. Nun schob er die Schuld auf die Sonne und den Wind, später dann auf Europäer und Umweltschützer, die den Amazonas-Regenwald angeblich in Brand gesteckt haben sollen um ihn zu verun-glimpfen. Dabei wäre die „grüne Lunge unseres Planeten“ gerade in diesem Jahr so wichtig, da selten zuvor weltweit dermassen viele Wald-brände wüteten, die zu einem Rekordausstoss von CO2 führten. 

Daneben hat sich Bolsonaro, wie kein anderer brasilianische Präsident vor ihm, selbst abgesondert – in Art und Weise seines grossen Vorbildes Donald Trump. Nurmehr wenige wollten mit Brasilien zusammenarbeiten. So boykottierten etwa der französische Präsident Macron, aber auch sein Kollege Higgins von der irischen Insel das geplante Freihandels-abkommen zwischen der EU und Südamerika. „Mercorsur“ sollte schon 2019 auch mit der EU in Kraft getreten sein, wurde alsdann durch das brasilianische Parlament bereits abgesegnet, doch entschieden sich immer mehr EU-Nationalparlamente dagegen, so auch Österreich. Wichtigste Massnahme wäre der Schutz des Regenwaldes, der nicht zuletzt für die Ziele des Handelsabkommen (Export von Rindfleisch und Soja) niedergebrannt wurde und noch immer wird. So deckte die Umwelt-schutzorganisation Greenpeace auf, dass illegale Abholzungen im Feuchtgebiet Pantanal mit dem deutschen Fleischhandel in Verbindung stehen. Einen entsprechenden Passus im Vertrag lehnt Bolsonaro kategorisch ab. Angelegt hat er sich mit nahezu jedem Regierungschef dieser Welt. 

Alles andere entspricht der rechtspopulistischen Grundlagen-Politik: Mehr Macht dem Militär (damit es nicht zu einem Militärputsch kommt) und Ausschalten der kritischen Medien. Eine kurze Geschichte, damit Sie ein besseres Bild von ihm erhalten: Im Jahre 2012 wurde er beim illegalen Angeln im Naturschutzgebiet Estação Ecológica Tamoios südlich von Rio de Janeiro erwischt und erhielt eine saftige Strafe, die er jedoch nie bezahlte. Der Beamte der Umweltbehörde, der dies fotografierte und zur Anzeige brachte, wurde entlassen. Somit war Bolsonaro also alles andere als der erwartete „Messias“ des Landes. Ob seine Söhne, die ebenfalls in der Politik aktiv wurden (zumindest drei von vier), ihn beerben werden, wird sich wohl nach dieser Wahl herausstellen.

Brasilien ist ein Schwellenland, das sich eigentlich auf einem an sich recht guten Weg befand. Doch forderten Korruption und Misswirtschaft enorme Opfer – die wirtschaftliche Situation des Landes war nach der Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2016 und der Fussball-WM 2014 mehr als prekär. Wurden davor noch kräftige Gewinne eingefahren, sank das BIP 2015 um 3,8 %, ein Jahr später um erneut 3,4 %. Verantwortlich dafür zeichneten die gerne als „Brasilien-Kosten“ bezeichneten Zusatzaus-gaben für Korruption, miserabler logistischer Infrastruktur und hohe Steuern sowie Finanzierungskosten. All das setzte sich auch unter Bolsonaro fort. Das BIP (nominal) sank von  1.917 Mrd. US-Dollar 2018 auf 1.609 Mrd. im Jahr 2021 (Angaben: Weltbank). Es muss also dringendst ein Marshallplan gefunden werden, damit die Situation in Brasilien, die geprägt ist von Arbeitslosigkeit, Hunger und ständigen Demonstrationen, verbessert werden kann. Bolsonaro hatte vier Jahre Zeit hier anzugreifen – doch verschlimmerte sich vieles. Gegenwärtig leiden rund 33 Mio Menschen unter Hunger.

Der kommende Sonntag ist – wie alle vier Jahre – ein Super-Wahlsonntag. Neben dem Präsidenten (Staatsoberhaupt und Regierungschef) werden auch die Senatoren und Abgeordneten des Nationalkongresses gewählt, die Gouverneure und Vize-Gouverneure der Bundesstaaten und die Abgeordneten der Legislativversammlungen. 12 Personen stellen sich der Präsidentenwahl. Nur zweien davon werden auch Chancen eingeräumt, die kommenden vier Jahre regieren zu können: Jair Messias Bolsonaro von der Liberalen Partei (rechts) und Luiz Inácio Lula da Silva von der Arbeiterpartei (links). Wie bei Rechtspopulisten anscheinend üblich, bekundete Bolsonaro Zweifel an der Sicherheit des Wahlsystems – dubios, schliesslich hätte er diese in den abgelaufenen vier Jahren herstellen können. Die elektronische Wahlurne ist seit 1996 im Einsatz – die unterschiedlichsten Untersuchungen (auch der UNO) haben nach-gewiesen, dass das System in Ordnung sei. Seither gab es 13 Regional- und Präsidentschaftswahlen – bislang ist noch kein Hinweis oder Beleg für einen Betrug aufgetaucht, betont das Oberste Wahlgericht. Kein Argument für Bolsonaro – das ging gar soweit, dass er meinte, er werde das Wahlergebnis nicht akzeptieren, sollte er nicht gewinnen – das wäre dem Wahlbetrug zuzuordnen. Inzwischen hat er diese Aussage zurück-gezogen. Beide Spitzenkandidaten allerdings könnten unterschiedlicher nicht sein.

.) Jair Messias Bolsonaro

Seine italienischen Vorfahren sind im auslaufenden 19. Jahrhundert ausgewandert. Durch seine um 27 Jahre jüngere dritte Ehefrau kam der römisch-katholische Politiker in Kontakt mit den Baptisten und evangelikalen Freikirchen. Sie sollten ihn auch entscheidend unterstützen. Die politische Laufbahn Bolsonaros begann im Jahre 1988, als er sich für die Christdemokraten (PDC) in den Stadtrat von Rio de Janeiro wählen liess. Zwei Jahre später zog er in die Abgeordneten-kammer des Parlamentes ein. Seither wechselte er die Parteien wie andere ihre Autos – bislang acht mal. 2018 kandidierte Bolsonaro für die in’s rechts-konservative Lager abdriftenden Sozial-Liberalen (PSL) für die Präsidentschaftswahlen. Dabei erhielt er die Unterstützung der Rechts-extremen. Sein Programm gleicht dem aller rechts von der Mitte stehenden Volksvertretern: Kampf gegen die Kriminalität, die Korruption und die Wirtschaftskrise und das Recht auf Waffenbesitz, sowie eine Minimierung des Einflusses der Gerichte und damit des Rechtsstaates. Starker Tobak sind seine rassistischen, frauenfeindlichen und homo-phoben Aussagen. 

„Sie verdient es nicht, weil sie sehr hässlich ist. Sie ist nicht mein Typ. Ich würde sie nie vergewaltigen.“

(Bolsonaro über die Abgeordnete Maria do Rosario)

Bei der Stichwahl gegen Fernando Haddad von der Arbeiterpartei („Partido dos Trabalhadores“) am 28. Oktober 2018 schliesslich erhielt er 55,1 % der Stimmen.

.) Luiz Inácio Lula da Silva

„Lula“, so sein Spitzname, kommt aus ärmlichen Verhältnissen und ist Gründungsmitglied der Arbeiterpartei Brasiliens („Partido dos Tralhadores“). Er hatte in den Jahren zwischen 2003 und 2011 bereits die Führung des Landes inne. Den Regierungsstil bezeichnen Experten als „assistenzialistische Sozial- und entwicklungsorientierte Wirtschafts-politik“. Seine Sozialpolitik setzte durch Programme wie Bolsa Família, Fome Zero und dem „Eine-Million-Häuser-Programm“ innenpolitisch wesentliche Akzente bei der Bekämpfung der Armut und des Hungers. Bei der Bekämpfung des milliardenschweren Korruptionsskandals in der „Operation Lava Jato“ („Operation Waschstraße“) wurde Lula 2017 wegen Korruption und passiver Geldwäsche angeklagt, zu zwölf Jahren Haft verurteilt und vorerst für 1,5 Jahre weggesperrt. Investigative Journalisten (etwa von The Intercept) meinen: Zu Unrecht! Es soll sich dabei um Absprachen zwischen Bolsonaro, Staatsanwälten, den politischen Gegnern Lulas und dem damaligen Bundesrichter Sergio Moro gehandelt haben, der im Übrigen später von Bolsonaro zum Justizminister ernannt worden ist. Da Silva sollte durch die Haft an der Teilnahme der Wahl gehindert werden. Das oberste Gericht hob das Urteil Anfang 2021 aus formellen Gründen auf – Sergio Moro soll parteilich befangen gewesen sein. 

Sollte am 02. Oktober keiner der Kandidaten im ersten Wahlgang über die absolute Mehrheit verfügen, wird es wieder eine Stichwahl geben – wie auch 2018. Übrigens herrscht in Brasilien Wahlpflicht. Fehlt ein Wahlberechtigter unentschuldigt, erhält er eine Strafe von umgerechnet rund neun Euro. Bei Wiederholung kann er gar sein Wahlrecht verlieren.  

Bolsonaros Partei, die „Partido Liberal“ hat sich für diese Wahl mit der „Partido Progressistas“ (Progressiven) und den Republikanern („Republi-canos“) zum Bündnis „Pelo Bem do Brasil“ („Zum Wohle Brasiliens“) zusammengeschlossen. Da Silva hingegen kandidiert für das Bündnis „Vamos Juntos Pelo Brasil“ („Wir gehen zusammen für Brasilien“) – einer Vereinigung der unterschiedlichsten Strömungen und Parteien. Nachdem sich Lula gegen die Entwaldung des Amazonas-Gebietes und die dort herrschende Gewalt v.a. gegen indigene Völker ausgesprochen hat, versprach auch Bolsonaro ein Ende des Ganzen. Damit ist der Regenwald zum schwergewichtiges Wahlkampfthema avanciert. Daneben ging es um die Ernährungssicherheit und der Entlastung der Bevölkerung. Da Silva hatte dies während seiner Regentschaft umgesetzt, Bolsonaro sträflichst vernachlässigt. Er schuf zwar mehr Arbeitsplätze, doch sanken die Löhne und Lebensbedingungen.

„Ich arbeite bis zu 13 Stunden am Tag für 200 Euro im Monat. So kann man nicht überleben.“ 

(Alexandre Magalhães, Wachmann auf dem Parkplatz eines Supermarktes und Rapper „MC Macarrão“)

Daneben ist die Arbeitslosigkeit nach wie vor allerorts spürbar

Bolsonaro baute seinen Wahlkampf auf Emotionen auf: „Kampf des Guten gegen das Böse“! Das „Böse“ habe 14 Jahre lang im Land gewütet und dabei Brasilien fast zerstört. Lula beschuldigt Bolsonaro aufgrund seines Krisenmanagements während der Corona-Pandemie als „Völkermörder“. Zuletzt gingen auch die Anhänger der beiden Kontrahenten gewalttätig aufeinander los. Dabei wurde beispielsweise Anfang September ein Anhänger Lulas von einem Anhänger Bolsonaros mit der Axt erschlagen, ein anderer erschossen. 

Das Oberste Wahlgericht hat bereits genaueste Kontrollen vorausgesagt und die Sicherheit der Wähler und ihrer Stimmen garantiert. Das Zünglein an der Waage jedoch könnte das Militär werden. wie wird es sich verhalten, sollte Bolsonaro nicht die Mehrheit erringen? Nachdem da Silva zuletzt in den Umfragen führte, versuchte Bolsonaro die letzten Kräfte zu mobilisieren – auch im Militär. Bereits 2018 war dieses dem ehemaligen Major wohlgesonnen. Vielen Armeeangehörigen hat er zudem Posten in der Regierung vermittelt. Der engste Vertraute des amtierenden Präsi-denten ist dessen Verteidigungsminister, General Walter Braga Netto, der bei einem Erfolg Bolsonaros gar Vizepräsident werden soll. Deshalb schlug der „Chef“ auch vor, eine parallele Stimmauszählung durch das Militär vornehmen zu lassen. Das lässt durchaus Erinnerungen an die Militärdiktatur von 1964 bis 1985 aufkommen. Dennoch hat die Armee angekündigt, Stichproben zu nehmen. Mit dem Argument, eine Zuver-lässigkeit der Stimmen auf 95 % zu gewährleisten. Zum Missfallen des Obersten Wahlgerichtes: Das betont, dass über 100 internationale Wahl-beobachter aus den unterschiedlichsten Organisationen eingeladen wurden.      

„Es ist nicht klar, wie groß der Teil der Militärangehörigen ist, die Bolsonaro wirklich unterstützen.“

(Carolina Botelho, Politikwissenshaftlerin an der föderalen Universität Rio de janeiro)

Einen Militärputsch schliessen Experten inzwischen jedoch aus. Einerseits ist der Rückhalt Bolsonaros hier nicht entsprechend gross, andererseits gäbe es hierfür auch kein Verständnis in der Bevölkerung.

Seine Anhänger allerdings glüht Bolsonaro bereits vor. Es ist somit durchaus möglich, dass sich auch in Brasilia derart schändliche Szenen wie in Washington ereignen werden. Dabei werden wohl auch Waffen eine entscheidende Rolle spielen, schliesslich lockerte der Präsident die Waffengesetze, sodass sich in den letzten fünf Jahren die Waffenbesitzer verzehnfacht haben. Sein Sohn, der Abgeordnete Edorado Bolsonaro, hat inzwischen alle Waffenbesitzer dazu aufgefordert, sich zu einem „Freiwilligen Bolsonaros“ zu machen. Die Universität Rio veröffentlichte zuletzt eine Untersuchung, wonach die politische Gewalt in Brasilien in den letzten drei Jahren um 335 % angestiegen ist. Eine aktuelle Umfrage des Institutes Datafolha zeigte auf, dass 67,5 % der Befragten Angst vor Repressalien durch politische Gewalt haben. 

„Gewalt findet systematisch statt und wird eingesetzt, um bestimmte Ziele zu erreichen. Es ist super wichtig, dass mehrere Organisationen und Institute versuchen, diese Gewalt abzubilden. Aber wir wissen, dass die Straflosigkeit noch immer sehr hoch ist, und das ermutigt auch die Täter“.

(Gisele Barbieri, Justiça Global)

Gewalttaten an Unterstützern der Arbeiterpartei sind inzwischen an der Tagesordnung – oftmals begangen durch rechte bewaffnete Milizen. 

In den letzten Umfragen führte stets Lula mit teils grossem Vorsprung (auch bei einer möglichen Stichwahl)!

PS: 

Der Objektivität halber sollte auch die ehemalige Website von Jair Bolsonaro unten angeführt werden. Wie jedoch darauf zu lesen ist, wurde die Seite nicht mehr gepflegt und bezahlt. Also erwarb der Geschäfts-mann Gabriel Baggio Thomaz die Domain und gestaltete im August den Inhalt gegen die Bolsonaro-Regierung um. 

Links:

– partidoliberal.org.br

– lula.com.br

– pt.org.br

– www.brazil.gov.br

– www.gov.br

– www.tse.jus.br

– www.camara.leg.br

– www.senado.gov.br

– kas.de

– www.greenpeace.de

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Kriegsmilliardäre – das unmoralische Angebot

„Exxon made more money than God this year!“

(US-Präsident Joe Biden)

Es hat sehr lange gedauert, bis sich auch auf nationaler Ebene etwas tut. Nachdem aber EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nun ange-kündigt hat, Übergewinne der Energiekonzerne abschöpfen und auf die Mitgliedsstaaten verteilen zu wollen, sowie eine befristete Erlös-Obergrenze für „inframarginale“ Strom-Produzenten (nicht auf Gas und Erdöl basierend) einführen zu wollen, herrscht nun auch in Berlin und Wien reges Pläneschmieden. Am 30. September werden die ent-sprechenden EU-Minister über den Gesetzvorschlag der Kommission abstimmen. Für viele jedoch kommen diese Massnahmen zu spät.

Selten zuvor hat sich die Preisspirale vor allem in Deutschland und Österreich schneller gedreht als in den vergangenen 7 Monaten. Kopf-schüttelnd stehen die meisten Konsumenten vor den Regalen der Super-märkte. Viele würden zwar gerne, doch können sie nicht: Sie können nicht mehr zugreifen, da es zu teuer für sie ist. Die Preise sind der-massen in die Höhe geschnellt, dass einem schwindelig dabei wird. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine kosten viele Produkte das Doppelte. Konnte man davor noch sparen, indem nicht unbedingt auf Markenartikel sondern vielmehr auf Diskont-Ware zurück-gegriffen wurde, so ist dies inzwischen nicht mehr möglich, da auch diese zugelegt hat, sodass viele nicht wissen, wie sie diesen Winter über die Runden kommen sollen. Die Lebenshaltungskosten steigen unauf-hörlich – jetzt mit dem Beginn der Heizperiode, wird vieles noch wesent-lich schlimmer werden. 

Die Gründe, die dahinterstecken sind vielfältig – sie alle klären zu wollen, würde den Rahmen des Blogs sprengen. Doch auf den wohl schwerge-wichtigsten, sei heute im Detail eingegangen: Die Energiepreise. Wären die Sprit- und Gaspreise möglicherweise noch erklärbar, so grenzen die hohen Strompreise an Wucher. Nie zuvor gab es mehr Photovoltaik und Strom aus Windkraft als in diesen Tagen. Und Petrus meint es gar noch gut mit uns: Es war der sonnenreichste Sommer seit Jahrzehnten: 99,4 Terrawattstunden Solarstrom wurden zwischen Mai und August 2022 in der EU produziert (12 % der Stromproduktion) – umgerechnet auf den derzeitigen Gaspreis hätte dies einem Gasimport von 29 Milliarden € entsprochen. In Deutschland wurden 19 % des erzeugten Stroms durch die Sonne abgedeckt, in Spanien 17 und in den Niederlanden gar 23 %. Zudem zogen Fronten auf, aber auch durch die lokalen Sturmereignisse drehten sich die Riesenpropeller der Windparks um einiges schneller und länger. Energie, die in den letzten 7 Monaten keinerlei Mehrkosten wegen Rohstoffbedarfs oder Transports verursachte und trotzdem war die Kilo-wattstunde nie teurer als derzeit. Was ist da geschehen? 

Der nächste Satz schmerzt – hätte auch niemals gedacht, dies einmal öffentlich sagen zu müssen: Donald Trump hatte mit Nordstream recht! Allerdings hatte er es mehr als schlecht verpackt, schliesslich dachte wohl jeder, dass er das US-amerikanische Fracking-Gas und -Öl ver-kaufen wollte. Anders formuliert, hätte er sicherlich wesentlich mehr Befürworter dafür gefunden: Die allzu starke Bindung an nur einen Anbieter kann zu Problemen führen. China etwa ist ein energiefressender Moloch. Das Land verbraucht fast das Doppelte an Energie als die USA. Auf Platz 3 folgt Indien. Gerade die historisch gewachsenen Beziehungen zwischen Moskau und Peking hätten auch ohne den Einmarsch der Russen in die Ukraine ausgereicht, Alternativen im Einkauf zu suchen. Auch wenn es moralisch durchaus kritisierbar ist, menschenrechts-verachtende Emirate im Nahen Osten oder Regime (wie Venezuela) zu beauftragen, hätte sich eine wesentlich breitere Anbieterschaft und dadurch bessere Aufstellung in der Energiewirtschaft ergeben. Wenn nun – wie geschehen – Putin den Hahnen zudreht oder die Sanktionen keinen weiteren Import von russischem Erdöl zulassen, hätten andere Anbieter den Ausgleich liefern können. Dies wurde jedoch unterlassen. Anstatt dessen belief sich im Jahr 2020 der Anteil der russischen Ölimporte in Deutschland auf 30 % – beim Gas sogar auf 65 %. In Österreich waren es 2021 ganze 38,1 % beim Öl und sage und schreibe 80 % beim Gas. Wie sich dieses Preisspirale dreht – hier ein kleines Beispiel: Die Stadtwerke Konstanz werden zum 01. Oktober die Gaspreise um 200 % steigern. Das Gas wird durch den Fernleitungsbetreiber Terranet BW, einer Tochter der EnBW, zugeliefert. 2017 wurde die Verbundnetz Gas AG (VNG) in Ostdeutschland übernommen. Die VNG versorgt(e), wie auch Uniper, Stadtwerke mit Billiggas aus Russland – jetzt ist sie in argen Schwierig-keiten, da sie das Gas wesentlich teurer über etwa Norwegen oder die Niederlanden einkaufen muss. Die VNG hat deshalb um Hilfe aus der Gasumlage angesucht. Diese ist dafür gedacht, bestehende Verträge erfüllen zu können, ohne dabei Millionenverluste zu machen. Soll heissen, dass das Gas zum bislang geltenden Preis weitergegeben wird. Wenn dies tatsächlich der Fall ist: Wieso erhöhen die Stadtwerke Konstanz dann den Gaspreis derart eklatant (Gasumlage bereits einge-rechnet)? VNG kann keine Gewinne machen, da ansonsten die Hilfe aus der Gasumlage nicht gewährt wird!

Daneben wurde zwar viel versprochen, doch nur wenig gehalten – von der Loslösung von fossilen Brennstoffen. Wurde die Kohleverbrennung eingeschränkt, so vervielfachte sich dafür die Gasnutzung. Weshalb auch etwas ändern, wenn diese Energieart in Hülle und Fülle vorhanden und entsprechend günstig ist. Nun fällt dieses Kartenhaus zusammen. Industrie und Handwerk sind in viel zu grossem Ausmass vom Gas abhängig. So betonte etwa der CEO der Grossbäckerei Lieken, Christian Hörger, im Podcast „Die Stunde Null“, dass das Brot aus zweierlei Gründen teurer werden muss: Die Preise für Mehl sind ordentlich angestiegen (dieses Thema habe ich an dieser Stelle bereits abgearbeitet – Deutschland produziert mehr Getreide, als es verbraucht – sind somit vornehmlich Gierflation-Interessen) und nahezu alle Öfen der Bäcker laufen noch mit Gas! Brot ist das wichtigste Grundnahrungsmittel Deutschlands: Herr Müller und Frau Schmidt verbrauchen pro Jahr 20 kg – pro Kopf!

Und nun zurück zum Strom: Auch bei den Kraftwerksbetreibern gab es in den letzten Jahren eine grossflächige Umstellung: Von Kohle auf Gas! V.a. die Klimasünderin Braunkohle, deren Abbau nach wie vor in Deutschland erfolgt (nun für den Export), aber auch die Steinkohle, die aus Polen und v.a. Russland importiert wurde, sind nahezu gänzlichst vom Markt verschwunden. Kohlekraftwerke wurden abgeschaltet, Gaskraftwerke aufgestellt. Der Bedarf ist nach wie vor da und auch vonnöten. Beispiel? Das deutsche Flächenland Baden-Württemberg ist seit einigen Jahren in der Lage, den Strombedarf am Sonntag-Nachmittag nur aus Photovoltaik zu beliefern. Ziehen jedoch Wolken auf, die Sonne verschwindet, wird von einer Minute auf die andere immens viel Strom weniger geliefert. Damit das Netz nicht zusammenbricht, werden hierfür Gaskraftwerke hoch-gefahren. Das Problem stellte sich beispielsweise auch bei der Sonnen-finsternis 1999. Erschwerend hinzu kommt die Energie- und Kernkraft-wende. AKWs werden reihenweise abgeschaltet ohne gleichwertige Alter-nativen liefern zu können. Die Zeit dafür wäre da gewesen, doch warteten die Entscheider bis zuletzt! So ist die Stromtrasse, die den deutschen Süden mit Windstrom aus Windparks in der Ost- und Nordsee versorgen sollte, nur auf dem Papier vorhanden. Die drei, derzeit noch laufenden Kernkraftwerke liefern nach wie vor enorm viel Strom:

– Isar 2 (Betreiber: Preussen Elektra und Stadtwerke München) 1.485 Megawatt

– Emsland (Betreiber: RWE, Preussen Elektra) 1.406 Megawatt

– Neckarwestheim (Betreiber: EnBW) 1.400 Megawatt

Alle drei sollten in den kommenden Monaten vom Netz gehen – teilweise werden sie bereits runtergefahren. Atomstrom ist der günstigste Strom, rechnet man die Kosten für die Endlagerung nicht hinzu, die jedoch eigentlich durch Stiftungen, bestückt aus dem laufenden Betrieb, abge-deckt sein sollte. Hier gab man sich blauäugig und verliess sich im Notfall auf Frankreich, das nach wie eine unheimlich hohe AKW-Dichte aufweist. Was hier nicht einberechnet wurde: Die französischen Atom-meiler sind grossteils Schrottmeiler und werden nach und nach wegen Sicherheitsbedenken runtergefahren. Woher kommt nun Ersatz für die drei deutschen AKWs?

Dies alles sind grundsätzliche Probleme, die bereits für ein Ansteigen des Energiepreises ausreichen. Nun aber kommen die Finanzhaie in’s Spiel. Jene Investoren, die früher beispielsweise in Hedgefonds investierten, jetzt andere Betätigungsfelder suchen: Agrar und Energie! Die Rendite muss stimmen – alles andere ist gleichgültig. Moral? Nein – die gibt es in diesem Bereich nicht. Im Agrarsektor schon seit Jahren ein riesiges Problem. Werden doch bereits vor der Ernte riesige Mengen an Getreide, Mais und Raps aufgekauft, damit nach der Ernte die Preise in die Höhe schnellen (geringes Angebot am Markt) und unvorstellbare Gewinne damit gemacht werden. Das gilt nun auch für den Energiesektor. Riesige Mengen an Gas und Öl werden aufgekauft, die Strompreise an den entsprechenden Börsen wie „European Energy Exchange“ (EEX) in Leipzig oder „Energy Exchange Austria“ (EXAA), vor allem aber der EPEX (dem Zusammenschluss der deutschen EEX mit der französischen Powernext in Paris) für den Markt der Central Western Europe (CWE) künstlich nach oben getrieben. Dort ist bekannt, dass vor allem im Winter weniger Strom zur Verfügung stehen wird (wenn die Heizlüfter allerorts ihre Arbeit versehen), der dann mit wesentlich grösserer Gewinnmarge verkauft werden kann. Ein Fehler, den die EU im Jahre 1996 mit der Liberalisierung (EU Richtlinie 96/92/EC) anschob, die einen freien Verkauf auch über die Grenzen hinweg ermöglichte. Davor war dies national organisiert. Somit tritt etwa der Irrsinn auf, dass österreichische Bundesländer wie Tirol und v.a. Vorarlberg durch Wasserkraft so viel Strom produzieren, den sie gar nicht selbst aufbrauchen, ihn als Spitzenstrom zu den Preisen der Börsen in’s Ausland verkaufen, die Kilowattstunde bei den heimischen Abnehmern hingegen ebenfalls ordentlich anheben, mit dem Verweis auf die internationale Preisentwicklung. Österreich hat kein Atomkraftwerk und damit eigentlich nicht direkt Zugriff auf den billigen Atomstrom (der jedoch v.a. aus der Slowakei und Tschechien, sowie Ungarn einfliesst). Dennoch wurde im Rahmen der Liberalisierung der sog. „ARENH-Preis“ (Accès régulé à l’électricité nucléaire historique) als Bezugspreis für Stromlieferanten festgelegt, die keinen Zugang zu Atomstrom haben. Die Börsenpreise in Frankreich liegen jedoch oftmals über diesem Preis. Pervers, wird dadurch doch der eigentlich günstigere Atomstrom teurer als beispielsweise Strom aus Wasserkraft verkauft. Österreich teilt sich mit Deutschland den Markt und ist somit an die deutschen Preise gebunden.  

Eine sehr ausführliche Erklärung, die jedoch erforderlich war um das nachfolgende verstehen zu können: Die Übergewinn-Abschöpfung. So sank etwa der Gaspreis innerhalb kürzester Zeit, als bekannt wurde, dass er möglicherweise gedeckelt werden soll. Dies hätte wenn vielleicht auch keine Verluste, so doch eine enorme Einschränkung der Gewinne der Spekulanten bedeutet.  

„Eine reine Umverteilung von Erlösen greift aber zu kurz und wird unweigerlich zu neuen Problemen führen. Wir hätten einen Zugang vorgezogen, der das Thema an der Wurzel packt.“

(Michael Strugl, Präsident von Österreichs Energie und Verbund-Chef)

Neben all den folgenden Informationen sollte eines niemals vergessen werden: Wir müssen uns im Energieverbrauch einschränken! Der World Overshoot Day war dieses Jahr am 28. Juli – ab diesem Zeitpunkt leben wir von den Geo-Ressourcen des kommenden Jahres. Und dieser Tag rückt immer mehr nach vorne! Die EU-Kommission fordert deshalb nicht umsonst die Einschränkung zu Spitzenstromphasen um mindestens 5 % – das würde eine Verringerung des Gasverbrauchs um 1,2 Milliarden Kubikmeter über den Winter hinweg bedeuten. Eine Gesamtersparnis bis 31. März 2023 um 10 % sollte alsdann in’s Auge gefasst werden. 

Nach Vorstellungen von der Leyens soll es europaweit eine „befristete Erlösobergrenze für Stromerzeuger mit geringen Kosten und einen Solidaritätsbeitrag auf der Grundlage von Überschussgewinnen“ geben (greift ab 20 ct/kWh). Derartige Überschussgewinne fallen derzeit im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich an. Die darüber erzielten Gewinne sollen an Haushalte und Unternehmen umverteilt werden. 

„Wir stehen Putins Einsatz von Erdgas als Waffe weiter geschlossen gegenüber und werden die Auswirkungen der hohen Gaspreise auf unsere Stromkosten in diesen außergewöhnlichen Zeiten möglichst gering halten.“

(Ursula von der Leyen, EU-Kommissions-Präsidentin)

Nun – das mit der Solidarität ist so eine Sache. Es gibt Unternehmen (wie etwa Unipern, Gazprom Germania (jetzt Sefe) oder die EnBW-Tochter VNG), die sich nahezu ausschliesslich auf günstigstes Gas, Öl oder Kohle aus Russland verliessen und nun durch dessen Ausbleiben wirtschaftlich schwerst erschüttert sind. Uniper wirbt jetzt auf seiner Webseite mit „…grüner Energie für eine nachhaltige Zukunft“. Zuvor mischten sie den Markt mit günstigen Preisen auf. Daneben stehen andere Unternehmen (wie Shell, BP, Total oder Exxon), die auch andere Anbieter einfliessen liessen, dadurch kein Billig-Gas oder -Öl anbieten konnten und nun ihren ehemaligen Billig-Konkurrenten einen Solidarbeitrag leisten sollen. Nichtsdestotrotz – zweitere freuen sich derzeit über den Energie-Höhen-rausch. Sie fahren Gewinne ein, die noch vor zwei Jahren undenkbar erschienen.     

Diese sog. Steuer auf „Residualgewinne“ (Krisengewinnsteuer oder Windfall Tax) wurde bereits in einigen Ländern der EU eingeführt – in Italien werden diese „Zufallsgewinne“ beispielsweise mit 25 % rückwirkend auf den Zuwachs an Wertschöpfung, in Grossbritannien mit 25 % auf Gewinne (bei Investitionen im UK gibt’s Steuererleichterungen), in Spanien und Griechenland mit bis zu 90 % auf Gewinne besteuert. Sie bringt bringt folgendes in Euro:

Italien – 10-11 Mrd

Spanien – 3,5 Mrd

Ungarn – 2 Mrd

Griechenland – 400 Mio

Rumänien – keine Angaben

(Grossbritannien – 5,9 Mrd €)

Geplant ist sie zudem jetzt im Herbst in Belgien und Tschechien!

Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi allerdings sieht sich mit einem grossen Problem konfrontiert: Viele Unternehmen weigern sich, diese Gewinnsteuer bzw. Teile davon zu bezahlen. Seine Regierung hat ein Massnahmenpaket beschlossen, um Haushalte und Unternehmen ab Januar entlasten zu können. Nun fehlen für dieses Paket in der Höhe von 33 Mrd. € ganze neun Milliarden! Deshalb geht’s nun an’s Eingemachte: Strafgebühren und Zinsen.  

Welche Konzerne sind nun tatsächlich jene, die mit dem Krieg den grössten Reibach machen?! Waren es in der Corona-Pandemie vornehmlich die Pharmakonzerne, so sind es nun vornehmlich die Öl- und Gasmultis – ihre Gewinne im 2. Quartal des laufenden Jahres in US-Dollar (die Gewinnzahlen des 2. Quartals 2021 in Klammer):

Exxon – 17,9 Mrd. (4,7 Mrd)

Chevron – 11,6 Mrd (3,1 Mrd)

Shell – 11,5 Mrd (5,5 Mrd)

bp – 9,3 Mrd (3,1 Mrd)

Total – 5,7 Mrd (3,5 Mrd)

Diese Konzerne verdienen sich derzeit tatsächlich einen goldenen Zapf-hahnen. Doch sind sie dabei nicht alleine: Der ganze Rohstoffmarkt boomt derzeit wie noch nie zuvor. Glencore in Baar/Schweiz etwa ist die weltweit grösste Unternehmensgruppe im Rohstoffhandel und Berg-werksbetrieb. Das Unternehmen machte im ersten Halbjahr 2022 einen Gewinn von 12,1 Mrd. Dollar – vornehmlich aufgrund der Rekordpreise für Kohle und Energieprodukte. 

Die Gewinnüberflieger in Deutschland:

.) Encavis (Betreiber von Solarparks und Windkraftanlagen aus Hamburg) 643 % – geschätzter Gewinn nach Steuern 72 Mio € (mehr als 700 %)

Mit gerade mal 144 Mitarbeitern ein Krisengewinner aufgrund des hohen Strompreises – das ist eindeutig Übergewinn!!!

.) Bayer (Chemie- und Pharmariese aus Leverkusen) 361 % – geschätzter Netto-Gewinn 4,6 Mrd. € (mehr als 450 %)

Die Gewinne resultieren vornehmlich aus der Saatgut-, Dünge- und Pflanzenschutzmittel-Produktion – das ist eindeutig Übergewinn!!!

.) Commerzbank (Finanzinstitut aus Frankfurt) 261 % – geschätzter Gewinn nach Steuern 1,1 Mrd € (mehr als 300 %)

Die Bank schrieb in den letzten Jahren nur rote Zahlen, musste sogar durch den Bund gestützt werden – er hält nach wie vor 15,6 % – Zinserhöhungen in den USA und Europa sowie ein rigoroses Sparprogramm sind hierfür verantwortlich; Kredite aus Russland und der Ukraine müssen abgeschrieben werden

.) Verbio (Biokraftstoffhersteller aus Zörbig) 248 % – geschätzter Netto-Gewinn 322 Mio €

Der ostdeutsche Konzern hat bislang nie die 100 Mio €-Gewinngrenze erreicht – das ist eindeutig Übergewinn!!! 

.) RWE (Stromproduzent aus Essen) 185 % – geschätzter Gewinn nach Steuern 2,1 Mrd € (fast +300 %)

Der Umsatz aus Gas- und Wasserstrom steigert sich in diesem Jahr um 18 % auf 29 Mrd € – das ist eindeutig Übergewinn!!!

.) Traton (ausgegliederte VW-Nutzfahrzeugsparte aus München) 184 % – geschätzter Netto-Gewinn 1,3 Mrd € (fast +300 %)

Durch Corona brach viel Gewinn weg – 2019 lag dieser bei 1,5 Mrd – heuer aufgrund der Übernahme des US-Herstellers Navistar

.) Medios (Pharmakonzern aus Berlin) 175 % – geschätzter Gewinn nach Steuern 21 Mio

Der Gewinn resultiert vornehmlich aus dem Ankauf eines kleineren Unternehmens – spezialisiert auf seltene Krankheiten

.) Hochtief (Baukonzern aus Essen) 146 % – geschätzter Netto-Gewinn 511 Mio  € (+246 %)

†Der Umsatz ist geringer als 2019 – v.a. in der Asien-Pazifik-Region laufen die Geschäfte dennoch ausgezeichnet

.) Aareal Bank (Immobilienfinanzierer aus Wiesbaden) 125 % – geschätzter Gewinn nach Steuern 120 Mio € (+50 %)

Diese Zahlen wurden jedoch bereits vor der Corona-Krise geschrieben

.) Brenntag (Chemikalienhändler mit Sitz in Essen) 112 % – geschätzter Nettogewinn 2022 950 Mio € (mehr als +50 % im Vergleich zu 2021)

Gewinnsteigerung durch höhere Preise und ein Sparprogramm

Somit werden durch die Einführung einer Krisengewinnsteuer weitaus weniger deutsche Unternehmen als bislang gedacht zur Kasse gebeten. Doch es geht auch anders: Der Energiehändler E.ON wird seinen Gewinn heuer von 4,6 auf geschätzte 1,8 Mrd verringern, Windkraftbetreiber PNE baut ein Gewinn-Minus von 85 %, SME Solar wird gar in die roten Zahlen abdriften. Der Gas-Grosshändler Uniper musste gestützt und verstaat-licht werden, da sich die wirtschaftliche Situation extremst zuspitzte. Das Unternehmen bezog 50 % seines Gases aus Russland – insgesamt werden 40 % der Gas-Nutzer in Deutschland damit beliefert. Ein Konkurs von Uniper hätte unglaubliche Auswirkungen gehabt. Gleiches gilt auch für die Gazprom-Tochter Gazprom Germania (jetzt Sefe). Russland hatte sie abgestossen, die Verwaltung wurde bereits durch den Bund treu-händerisch übernommen – jetzt soll auch sie (nach einem 10 Milliarden-Kredit durch die KfW) verstaatlicht werden. Auch Unternehmen aus anderen Bereichen, wie die Deutsche Bank oder die Deutsche Börse gleichen die letzten Minus-Jahre aus, die DWS-Gruppe und die Deutsche Pfandbriefbank liegen bei Normalgewinnen. Trotzdem rechnet etwa die Rosa-Luxemburg-Stiftung (politisch links einzuordnen) mit Mehrein-nahmen durch die Krisengewinnsteuer in der Höhe von bis zu 102 Mrd – bei einer Versteuerung von 90 % wie in Spanien oder Griechenland. 

Ein ähnliches Bild ergibt sich in Österreich – auch hier wird es schwierig werden, die Krisengewinne von den Normalgewinnen zu unterscheiden. Dabei sollen jedoch die Energieanbieter aus erneuerbaren Energien ausgeklammert werden. Somit bleiben die Übergewinne aus Gas und Öl bzw. Atomstrom über, da die Kosten der Stromproduzenten aus Kohle-, Gas- oder Öl-Kraftwerken nicht gestiegen sind. Auch im Alpenstaat wird man deshalb auf einer Preisdeckelung bei Gas und Strom setzen. Zu den Gewinnern zählt eindeutig die OMV, die den operativen Gewinn im 2. Quartal 2022 um 1,6 Mrd auf 2,9 Mrd Euro steigern konnte – im Ver-gleich zum 2. Quartal 2021. Die Manager klopfen sich auf die Schultern – sie kassieren zusätzliche Boni in der Höhe von 6,2 Mio € ab (Quelle: kontrast.at). Hier würde sich eine Übergewinnsteuer durchaus lohnen. Doch ist der Bund über die ÖBAG zu 31,5 % an der OMV beteiligt – er würde sich also in den eigenen Schwanz beissen. Gleiches gilt für die Strom- und Gasanbieter in den Bundesländern, die zumeist das jeweilige Land als einen der Gesellschafter vorzuweisen haben. Trotzdem brächte eine solche Steuer dem Alpenstaat zwischen vier bis sechs Milliarden.  

Selbstverständlich sorgt eine solche Übergewinnsteuer für Unruhe am Markt. In Spanien knickten die Kurse der Energieriesen und Banken ein, auch in Österreich legte vor allem der Verbund einen Tiefflug hin, als Bundeskanzler Karl Nehammer dies im Mai des Jahres in’s Auge fasste. Doch handelt es sich hierbei ja um Kurse, die zuvor künstlich nach oben gedrückt wurden. Ökonomen warnen erneut: Durch eine derartige Steuer würde das Vertrauen der Investoren und jenes in den Standort riskiert. In der Schweiz wird gar der Wohlstand des Landes als Argument in’s Spiel gebracht. Dem sei entgegengestellt, dass die Investoren auch bei nor-malem Gewinnverlauf durchaus gute Rendite machen, ansonsten hätten Sie ja keine Beteiligung vor dem Steigflug der Preise angestrebt. Bei einem Residualgewinn von 0 werden nämlich die Ansprüche der Kapital-geber bereits vollständig erfüllt. Und wenn Stadtwerke bzw. Unternehmen mit Länder- oder Bundesbeteiligung plötzlich mit der Auslagerung beginnen, so muss ernsthaft über eine derartige Beteiligung der öffent-lichen Hand diskutiert werden, da ja dann alsdann die Steuerpflicht in’s Ausland verlagert wird, was in keinem Falle dem Interesse der Volks-vertreter entsprechen sollte, da es auch der einfache Bürger als Aufruf zur Steuerflucht verstehen könnte.

Links:

– www.eex.com/de

– www.exaa.at

– www.epexspot.com

– www.preussenelektra.de

– www.rwe.com

– www.enbw.com

– www.stadtwerke-konstanz.de/de/

– www.uniper.energy/de

– vng.de

– www.sefe-group.com

– www.omv.at/de-at

– kontrast.at

– www.oegb.at

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Elizabeth II. – Die grösste Monarchin aller Zeiten

Am 6. September des Jahres ernannte sie noch die neue britische Premierministerin, lächelte in die Kameras der Journalisten, zwei Tage später schockierte die Meldung über ihren Tod die Welt: Queen Elizabeth II. verstarb im 96. Lebensjahr auf ihrer geliebten Sommerresidenz, Balmoral Castle in Schottland. Sie soll nach Angaben der Familie der Royals im Kreise ihrer engsten Familie friedlich eingeschlafen sein. 

Ich wurde geboren – die Frau war da, ich zitterte bei der Matura (dem Abitur) – die Frau war da, ich stotterte mich durch meine erste Radio-sendung – die Frau war da. Für die meisten unter uns, war die Queen stets da – für viele gar länger als der eigene Ehepartner. Klar – 96 Jahre sind ein hohes Alter, zudem zehrte der Verlust ihres Mannes sehr an ihr. Ihr Tod musste somit durchaus erwartet werden – dennoch kam es sehr überraschend. Queen Elizabeth II. war die am längsten regierende Königin der Geschichte (70 Jahre und 214 Tage) – nur Ludwig XIV. („Der Sonnenkönig“ aus Frankreich) und Sobhuza II. (Oberhaupt von Swasiland) regierten länger, wobei beide als kleine Kinder bereits auf den Thron kamen und die Mütter vorerst die Staatsgeschäfte führten. Die Queen ernannte während ihrer 70-jährigen Amtszeit drei Frauen und 12 Männer zu Premierministern. Ihr ganzes Lebens stellte sie in den Dienst an ihren  Untertanen, ihres Landes und des Commonwealth, wie sie es anlässlich ihres 21. Geburtstages in einer Rundfunkansprache versprochen hatte. Eine grossartige Frau, die jeden Respekt und Ehrerbietung verdient hat. Ihr möchte ich deshalb diesen Blog widmen.

Elizabeth II. wurde am 21. April 1926 als Elizabeth Alexandra Mary in Mayfair/London geboren. Zu diesem Zeitpunkt stand sie auf Platz drei der Thronfolge, nach ihrem amtierenden Onkel Eduard VIII. und ihrem Vater dem Herzog von York, Prinz Albert später König Georg VI. Im Jahr 1936 dankte Eduard vorzeitig ab – Grund dafür waren, nach zahlreichen Affären mit zumeist verheirateten Frauen, die Hochzeitspläne mit der zweifach geschiedenen US-Amerikanerin Wallis Simpson, die er als Oberhaupt der anglikanischen Kirche von Gesetzes wegen nicht ehelichen durfte. Er war übrigens Zeit seines Lebens nicht gekrönt. Sein Bruder Albert bestieg 1936 als Georg VI. den Thron. Kronprinzessin Elizabeth musste ihn jedoch ab 1949 immer öfter bei öffentlichen Anlässen vertreten, da Georg an Lungenkrebs und Arteriosklerose litt. Er verstarb in der Nacht vom 5. auf den 6. Februar 1952 an einer arteriellen Throm-bose. Prinzessin Elizabeth folgte auf den Thron, die Krönungs-Zeremonie fand am 2. Juni 1953 in Westminster Abbey statt. Erstmals wurde die Krönung eines Staatsoberhauptes im Fernsehen übertragen – 300 Mio Menschen sollen dies weltweit mitverfolgt haben.

Queen Victoria (gestorben im Jahre 1901) entstammte dem Hause Hannover. Mit ihr endete auch dieses Stammhaus, da der letzte Herzog Ernst II. 1893 ohne leibliche Erben verstarb. Damit erlosch aber auch die deutsche Linie des Hauses. Mit Victorias jüngstem Sohn, Eduard VII. ging das Königshaus an die Linie Saxe-Coburg and Gotha (Sachsen-Coburg und Gotha). Während des Ersten Weltkriegs wurde das Haus am 17. Juli 1917 in „Windsor“ umbenannt. Windsor ist eine kleine Gemeinde in der Grafschaft Berkshire, in dem Windsor Castle steht. Das Schloss diente seit Wilhelm dem Eroberer als Residenz der königlichen Familie. Auch heute noch stehen deutsche Nachkommen der Häuser Hannover und Sachsen-Coburg zwar in der Thronfolge, jedoch praktisch ohne Chancen auf den Thron. So trägt etwa Ernst August von Hannover (jener Hochadeliger, der sich an einem Pavillon der Weltausstellung erleichterte) die offizielle Bezeichnung: Ernst August Prinz von Hannover Herzog zu Braunschweig und Lüneburg Königlicher Prinz von Großbritannien und Irland. Elizabeth wollte mit der Thronbesteigung eigentlich den Namen ihres Mannes „Mountbatten“ übernehmen (somit wäre auch das Königshaus umbenannt worden), doch wussten ihre Grossmutter (Königin Mary) und Premier-minister Winston Churchill dies zu verhindern. Prinz Philip meinte einst, dass er der einzige Mann im UK wäre, der seinen Kindern nicht seinen Namen mitgeben könne. Nach dem Ableben Elizabeths steht nun King Charles III. dem Hause Windsor vor. 

Am 20. November 1947 heiratete die damalige Thronfolgerin Prinz Philip von Griechenland und Dänemark. Angeblich war die 13-jährige Elizabeth bereits in den fünf Jahre älteren Cousin dritten Grades verliebt, nachdem sie sich im Royal Naval College in Dartmouth getroffen hatten. Queen Victoria war ihre gemeinsame Ururgrossmutter. Am 14. November 1948 kam deren erstes Kind Charles Philip Arthur George zur Welt, ihm folgten später Anne, Andrew und Edward. Philip war zu Beginn sehr umstritten. Er hatte im Boulevard den Titel „Prinz ohne Heimat und Königreich“, Elizabeths Mutter soll ihn gar als „Hunnen“ bezeichnet haben, ein Schimpfwort für Deutsche, das auf der „Hunnenrede“ Kaiser Wilhelms II. bei der Verabschiedung des ostasiatischen Expeditionskorps anno 1900 beruhte. Vor der Hochzeit konvertierte er vom griechisch-orthodoxen Glauben zum Anglikanismus und verzichtete auf seine Ansprüche in Griechenland und Dänemark. Zudem nahm er den anglisierten Namen seiner Mutter an (aus „Battenberg“ wurde „Mountbatten“) und kurz vor der Hochzeit wurde er zum Duke of Edinburgh. Damit stand einer Aufnahme in die königlichen Familie nichts mehr im Wege, er musste offiziell als „His Royal Highness“ angesprochen werden. Philip wurde mit der Zeit zu einem der beliebtesten Royals, nicht zuletzt aufgrund seines Humors, den auch Elizabeth teilte. Er verstarb am 9. April 2021 – ein grosser Schicksalsschlag für die Queen. Das Bild der Trauerfeierlichkeiten rührte Millionen von Menschen auf der ganzen Welt zu Tränen: Aufgrund der CoVID-19-Bestimmungen sassen die Mitglieder des Königshauses getrennt voneinander – die Queen komplett abgeschottet gänzlichst alleine.  

Vom Tode ihres Vaters erfuhr Elizabeth während einer Reise im Jahre 1952, die in Kenia begann und weiter nach Australien und Neuseeland führen sollte. Doch bereits nach der ersten Nacht in Kenia erhielt sie die Todesnachricht. Nachdem sich Georgs Gesundheitszustand seit 1951 kontinuierlich verschlechtert hatte, trug Martin Charteris, Elizabeths Privatsekretär, stets den Entwurf der Thronbesteigungserklärung bei sich. Die Reise wurde abgebrochen, Elizabeth kehrte mit ihrem Gemahl sofort nach London zurück.     

Die Queen hatte eine sehr enge Beziehung zu Schottland. Das war vornehmlich familiär bedingt. Ihre Mutter „Queen-Mum“ war die jüngste Tochter des schottischen Grafen Claude Bowes-Lyon, 14. Earl of Strathmore and Kinghorne. Deshalb hätte sie wohl eine Loslösung Schottlands aus dem United Kingdom schwer getroffen. Zudem hatte sie auch mit Marion Crawford eine schottische Gouvernante. Balmoral Castle gehört jedoch nicht zum königlichen Besitz, sondern vielmehr zum Privatbesitz Elizabeths. Das ehemalige Jagdschloss Roberts II. wurde durch James Duff, dem 2. Earl Fife an Königin Victoria vermietet und später von Albert käuflich erworben. Wie ihre Ururgrossmutter war auch Elizabeth von der schottischen Landschaft stark beeindruckt.  

Wie bereits vorher erwähnt, versprach Queen Elizabeth II., ihr Leben in den Dienst ihres Landes und ihrer Untertanen zu stellen. Dieses wichtige Kapitel möchte ich deshalb keineswegs in diesen heutigen Ausführungen aussparen. 

Im Zweiten Weltkrieg wollte Lord-Kanzler Hailsham die Königsgemahlin und ihre Kinder nach Kanada in Sicherheit bringen. Dies jedoch lehnte diese ab: Sie verlasse niemals ohne ihren Mann das Land und die Kinder nicht ohne sie. 1942 absolvierte die Thronfolgerin mit ihrem Besuch bei den Grenadier Guards ihren ersten öffentlichen Auftritt. Im Frühjahr 1945 trat sie in den Auxiliary Territorial Service (ATS) ein, wo sie eine Ausbildung zur Lastwagenfahrerin und Mechanikerin erhielt. Ein Jahr nach ihrer Thronbesteigung besuchte sie im Rahmen einer Weltreise mit ihrem Gatten alle Länder des Commonwealth. Erstmals als Oberhaupt auch Australien und Neuseeland. Später kamen jede Menge hinzu. Insgesamt absolvierte sie 100 Staatsbesuche und 180 Reisen in die Länder des Commonwealth – sie ist somit das weitestgereiste Staats-oberhaupt der Welt. Trotz veröffentlichten Attentatsplänen (etwa 1961 in Ghana oder 1964 in Quebec) hielt die Queen an ihren Reiseplänen fest. Ja – sie setzte gar noch eins drauf: So führte sie die sog. „Royal Walkabouts“ ein – Spaziergänge und Händeschütteln beim normalen Volk.

In ihrer Amtszeit fehlte sie nur dreimal bei der Eröffnung der Sitzungs-periode des britischen Parlaments: 1959 und 1963 war sie schwanger (Andrew und Edward), 2022 liess es ihr Gesundheitszustand nicht mehr zu. Obgleich es ist nicht die Aufgabe der Queen bzw. Kings ist, sich in einer konstitutionellen, parlamentarischen Monarchie in das politische Tagesgeschäft einzumischen, nahm sie 2012 als erste Monarchin seit Georg III. im Jahre 1781 an einer Kabinettssitzung in Friedenszeiten teil. Nach Angaben der Zeitung „The Guardian“ liess die Queen während ihrer Amtszeit nicht weniger als 1062 Gesetze überprüfen („Queens Consent“). Zu ihrer politischen Einstellung hingegen äusserte sie sich niemals in der Öffentlichkeit. Margaret Thatcher meinte einst, sie würde wohl die Labour Party wählen. Bei der Einmischung Grossbritanniens in der Suezkrise, dem Falklandkrieg gegen Argentinien, dem Brexit hielt sie sich zurück – obwohl es ihr enorm schwer fiel. Als es im damaligen Rhodesien Probleme mit der Proklamation der Unabhängigkeit gab, entliess sie den dortigen Gouverneur Ian Smith, der ihr kurz zuvor noch seine Loyalität und Ergebenheit zum Ausdruck brachte, sich jedoch gegen die Unab-hängigkeitspläne stemmte. Auch bei dem vorzeitigen Ende der süd-afrikanischen Apartheidspolitik soll Elizabeth im Hintergrund vermittelt haben. Die Staatsbesuche des rumänischen Diktators Nicolae Ceausescue 1978 und des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump 2019 absolvierte sie nur widerwillig. Ansonsten zeigten sich alle Staatsober-häupter stets von der Queen beeindruckt. Übrigens auch Michael Fagan, der sich am 09. Juli 1982 in das königliche Schlafzimmer eingeschlichen hatte. Die Queen verwickelte ihn für mehrere Minuten in ein Gespräch, bis die Polizei ihn festnehmen konnte. 1992 klagte die Königin das Boulevard-Blatt The Sun auf Verletzung der Urheberrechte, da diese die königliche Weihnachtsansprache zumindest teilweise im Vorhinein abdruckte. Die Zeitung musste die Anwaltskosten der Königin über-nehmen und 200.000 Pfund an wohltätige Zwecke und Einrichtungen überweisen. 

Immer wieder allerdings scheute sie nicht davor zurück, als Mahnerin zu agieren. Die Queen genoss während ihrer gesamten Amtszeit sehr hohe Beliebtheitswerte in der Bevölkerung – auch unter Gegnern der Monarchie als solche. Einzig die Abschottung des Königshauses nach dem Tod von Lady Di bis einen Tag vor ihrer Beerdigung sorgte für Unmut in den Strassen. Die öffentlichen Thronjubiläen, aber auch das alljährliche Geburtstagsspektakel „Trooping the coulor“ machten bis zuletzt die meisten Briten stolz auf ihr Königshaus. Auch völlig unerwartet der Humor der Queen: Wie beim Kurzfilm mit Daniel Craig alias James Bond anlässlich der olympischen Sommerspiele in London 2012 („unvergess-lichstes Bond-Girl aller Zeiten“) oder zuletzt das Video mit dem sehr beliebten TV-Teddy Paddington zu ihrem 70. Thronjubiläum. Elizabeth stand als Schirmherrin über 600 wohltätigen und ehrenamtlichen Organisationen vor. Als Oberhaupt der anglikanischen Kirche traf sie sich mit drei Päpsten und unterstützte den interreligiösen Dialog. 

„Mehr als 50 Jahre hat Elizabeth Windsor ihre Würde, ihr Pflichtgefühl und ihre Frisur behalten. Ich bewundere sie für Ihren Mut, und ihr Durch-haltevermögen. Ohne sie würde ich jetzt nicht hier stehen!“

(Helen Mirren, Oscar beste weibliche Hauptrolle 2007 in „Die Queen“)

Auf Charles III. lastet nun grosse Verantwortung. Schliesslich wusste seine Mutter wie keine andere, mit Streitschlichtung umzugehen. Sie schickte Charles und Diana nach Australien, das sich vom Commonwealth abzuspalten drohte. Dank Di’s Zutun geschah dies nicht. Beim ersten Besuch einer britischen Monarchin in der Republik Irland trat Elizabeth im Mai 2011 in einem grünen Kostüm auf (Nationalfarbe Irlands) und begann ihre Ansprache auf Gälisch. Beides vergassen ihr die Verant-wortlichen nie, obwohl die Briten dort nach wie vor als Kolonialverbrecher gelten. Auch ging das Königshaus auf nordirische Politiker mit IRA-Wurzeln zu obgleich Lord Mountbatten, ein enger Vertrauter der Queen, durch die IRA umgebracht wurde.  

Bei der Fahrt über rund 300 km von Balmoral nach Edinburgh gaben zehntausende Menschen der Queen die letzte Ehre. Viele mit Tränen in den Augen, manche applaudierten, andere salutierten. Von Schottlands Hauptstadt ging es mit dem Flugzeug weiter nach London. Das Staats-begräbnis findet am 19. September im Beisein vieler internationaler, hochrangiger Würdenträger aus Politik und Königshäusern sowie mehreren hunderttausend Menschen in London statt!

Filmtipps:

.) Tod einer Jahrhundertzeugin: Queen Elizabeth II. – ARTE-Doku

.) Elizabeth II., ganz privat – ARTE-Doku

.) Die Queen; Regie: Stephen Frears 2006)

Lesetipps:

.) Die Queen. Elizabeth II – Porträt einer Königin; Paola Calvetti; Piper Verlag 2021

.) Elizabeth II.; Thomas Kielinger, C.H. Beck 2022 

.) Queen Elizabeth II. und die königlicher Familie, Susan Kennedy; DK 2021

.) Her majesty; Christopher Warwick; Raschen 2021

.) The Queen: Elizabeth II and the Monarchy; Ben Pimlott; HarperPress 2012

.) Queen Elizabeth II: Her Life in Our Times, Sarah Bradford; Penguin 2012

.) The Servant Queen and the King She Serves, William Shawcross; Bible Society 2016

Links:

– www.royal.uk

– www.stasi-unterlagen-archiv.de

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Transhumanz – Der Zug der Schafe

Das Ötztal ist eines der wohl schönsten und besten Beispiele dafür, wes-halb das österreichische Bundesland Tirol jedes Jahr von Touristen aus nah und fern förmlich überrannt wird. Im Winter aufgrund der Möglich-keiten in den Wintersportregionen Sölden-Hochsölden, Obergurgl-Hoch-gurgl und Oetz, im Sommer aufgrund der unglaublichen Wander- und Bergsteigerimpressionen in jener Region der Ostalpen mit den meisten 3000ern. Beispielsweise auf dem Weltwanderweg Via Alpina, der in insgesamt neun Etappen geteilt ist. Vom Inntal aus geht es über 65 Kilo-meter direkt hinein in das Zentrum der Alpen. Es ist das längste Quertal der Ostalpen, das die Stubaier Alpen im Osten von den Ötztaler Alpen im Westen trennt. Bei Zwieselstein teilt sich dieses Haupttal in das Venter- und das Gurglertal. Verkehrstechnisch endet das Gurglertal mit dem Timmelsjoch, einem der höchstgelegensten Grenzübergänge der Alpen (2.474 m über dem Meeresspiegel). Die Timmelsjoch-Hochalpenstrasse ist einer der schönsten Autostraßen Europas und war eine Heraus-forderung für den Strassenbau der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts. Auf Südtiroler Seite liess Benito Mussolini ab 1933 eine Militärstrasse im Passeier errichten, die bis zwei Kilometer vor das Joch reichte, um dadurch die Möglichkeit für eine Offensive gegen Österreich zu bieten. Am 15. September 1968 wurde die Verbindung für den Verkehr freige-geben. 

Das Jahr 2018 war sehr schneereich, während die Räumung 2022 ein-facher und rascher vonstatten ging.

Wer allerdings denken sollte, dass das Ötztal eine erst recht neue Verbindung von Nord nach Süd darstellt, geht fehl. Am 19. September 1991 fand das Bergwanderpaar Erika und Helmut Simon aus Nürnberg am Tilsenjoch (im Similaungletscher) die Leiche eines Mannes. Bei den Untersuchungen an der Universität Innsbruck wurde sehr rasch klar, dass es sich hierbei um einen Menschen handelt, der wohl seit rund 5.300 Jahren im ewigen Eis konserviert die Wirren der Menschheitsgeschichte überstand: Der „Ötzi“ (engl. „Iceman“ oder mein Lieblingsausdruck: „Frozen Fritz“)! Eine Wunde zeigte zudem auf, dass er von einem Pfeil getroffen wurde, dessen Schaft auch wieder herausgezogen wurde. Er war also nicht allein. Dieser Umstand beweist, dass auch unsere Urahnen diese Verbindung über die Alpen durch das ewige Eis der Gletscher („Ferner“) nutzten. Zu Fuss! Der Grund dafür sind die Berge selbst. So schirmt der Tschirgant das Tal vor eisigen Nordwinden ab, die Winde aus dem Süden werden beim Aufsteigen sehr stark erwärmt – das beschert dem Tal ein aussergewöhnlich mildes Klima, das sich zudem auch beim Pflanzenwachstum nachvollziehen lässt. Das Schiefergestein bildet als-dann einen ausgezeichneten Boden dafür. Heute geht die Geschichts-forschung deshalb davon aus, dass diese Hochgebirgsregion schon zu Ötzis Zeiten als Hochweidegebiet genutzt wurde.

In den Chroniken ist nachzulesen, dass schon im 13. und 14. Jahrhundert neben den Herren von Schwangau, von Starkenberg sowie den Klöstern und Stiften von Frauenchiemsee und Stams auch die Herren von Montalban bei Meran zu den Grossgrundbesitzern gehörten. Ein durchaus starker Einfluss also auch von Südtiroler Seite beim nördlichen Bruder. Der erste Saumweg über das Timmelsjoch wurde im Jahr 1320 angelegt. 

Fernab von alledem erfolgt seit Jahrhunderten zweimal im Jahr ein Spek-takel, das eindruckvoller nicht sein könnte: Der Schafstrieb über die Jöcher. Tatsächlich soll diese Tradition rund 6.000 Jahre alt sein – urkundlich erwähnt wurden die Weiderechte der Schnalser Bauern auf dem Rofenberg erstmals anno 1357, im Niedertal anno 1415 (zu besichtigen im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck). Vor 1977 querten auf diese Weise rund 7.000 Tiere die Alpen – bis zirka 1900 waren auch Rinder und Pferde dabei.

Mitte Juni werden über 3.000 Schafe in kleineren Gruppen vom Schnalstal in Südtirol bis ins Venttal zur Martin Busch-Hütte und dem Hochjoch-Hospiz aufgetrieben, Anfang bzw. Mitte September erfolgt dann in zwei grossen Gruppen der Abtrieb, wo sie in Vernagt im Rahmen eines grossen Volksfestes („Schôfschoad“) wieder in Empfang genommen werden. Dabei geht es via teils sehr schmale Pfade über Bergwiesen, steile Felsabhänge, durch Gebirgsbäche aber auch durch Schnee und Eis des Similaunferners. Bei Sonnenschein, Regen- oder Schneefall, dichtestem Nebel oder auch von allem etwas, da das Wetter in den Bergen sehr rasch umschlägt. Insbesondere der Aufstieg ist sehr mühsam und gefährlich. Nicht selten müssen Männer mit Schaufeln vor der Herde die Wege freimachen und vortrampeln. Jeder Fehltritt kann das eigene Leben kosten oder viele Tiere in den Tod treiben. Beginnt für die ersten bereits um 03.00 Uhr der eigentliche Aufstieg in Vernagt, kommen etwa die Vinschgauer Gruppen einen Tag zuvor aus Laas über das Taschenjöchl. Ein Zwölfstunden-Marsch, der bereits Mensch und Tier alles abverlangt. Die Überquerung des Alpenhauptkammes erfolgt entweder am Niederjoch (3.019 m) oder dem etwas niedrigeren Hochjoch (2.770 m – dieser Zug endet bei der Rofenbergalm). Ein dritter Zug übrigens mit Tieren aus dem Passeier geht über das Timmelsjoch nach Obergurgl. Bis zum Jahr 1962 wurde noch ein weiterer Auftrieb geführt: Über den Gurgler Ferner mit der Alpenhaupt-kamm-Überquerung am Gurgler Eisjoch (3.154 m)! Diese gefährlichste Tour (Gletscherspalten, Eisfelder, …) aber wurde eingestellt. 

Wir bleiben etwas beim beschwerlichsten, beim ersten Zug. Nach einer kurzen Pause bei der Similaunhütte beginnt der Abstieg in’s Ötztal. Die ersten Schafe werden beim Martin-Busch-Haus zurückgelassen, die zweite Gruppe folgt bei der alten, die restlichen dann bei der neuen Schäferhütte. Nicht allen Schafrassen kann diese Tortur zugemutet werden. Ausgesucht für die Almkräuter und Höhenluft werden vornehm-lich das Tiroler Berg- bzw. Steinschaf und das Schwarznasenschaf. Immer wieder müssen Lämmer über die steilsten Wegstrecken hinweg von den Hirten und Treibern getragen werden. 

Nach elfstündigem Marsch und über 1.800 überwundenen Höhenmetern ist die Karawane auf der Alm angelangt. Im Vergleich dazu die noch beeindruckenderen Zahlen für die Herden aus Laas im Vinschgau: 44 km, 3200 Höhenmeter im Aufstieg und 1800 Meter im Abstieg – wohlgemerkt für den Alm-Auftrieb! Waren am Aufstieg noch bis zu 80 Menschen als Schaufler oder Treiber beteiligt, so reicht für die kommenden drei Monate ein Schäfer mit Hunden, um die Herden zu beaufsichtigen. Einer dieser Schäfer und Leiter des Schafsübertriebs ist Elmar Horrer mit seinem Hirtenhund Aiko. Ein braungebrannter, kerniger Mann, den nahezu nichts mehr erschüttern kann. Er verbringt die meiste Zeit unter freiem Himmel, hat selbst nur die alte oder neue Schäferhütte als Unterstand und ist das Leben allein auf der Alm gewöhnt: Ohne Handy, ohne Internet oder Fernsehen. In der 800 Jahre alten Schäfer-Hütte gibt es nach wie vor keinen Strom oder fliessendes Wasser. Nur selten erhält er Besuch vom zuständigen Jäger oder dem Pächter der Similaunhütte, der ihn auch mit dem Lebensnotwendigsten versorgt. Ansonsten muss er selbst bis nach Sölden absteigen, um sich Vorräte zu holen. Tagwache ist um halb sechs. Als erstes wird mittels des Fernglases der Tierbestand kontrolliert. Kurz danach geht es auch schon in’s Gelände. Schafe müssen gesucht, gebrochene Läufe gegipst und verunfallte oder verendete Schafe geborgen, sowie die Salzbehälter aufgefüllt werden. Ein bis zwei Prozent der Schafe bleiben übrigens verschwunden. Die Hirten sprechen davon, dass sie „vom Berg gefressen“ werden. So spult der Hirte Tag für Tag Kilometer um Kilometer ab. Insgesamt sind es 2.900 Hektar, die zwar nicht abgegangen, allerdings beobachtet werden müssen. 

Neben all den guten Jahren, in welchen nichts geschehen ist, sitzt den Bauern das Jahr 1979 nach wie vor als Katastrophe in den Rippen. Bei einem Schneesturm erstickten unterhalb der Similaunhütte rund 70 Tiere. Das Leben in den Bergen sollte niemals verharmlost werden.

Kein Job für Warmduscher!

Auch das Ötztal profitiert von diesem Zug der Schafe. Dominierte doch dort in Urzeiten der Flachsanbau und später die Rinderzucht die Land-wirtschaft. Erst in letzter Zeit wurden wieder die Vorzüge der Schaf-haltung erkannt. Die Tiere sorgen dafür, dass auch an unzugänglichen Stellen einerseits das Gras auf der Hochalm nicht zu hoch wächst, was zu Hangrutschungen und im Winter Lawinenabgängen führt, und anderer-seits werden unerwünschte Pflanzen wie junge Bäume oder Unkräuter von ihnen samt der Wurzel entfernt. Dadurch verwaldet das Gebiet nicht vollends.   

Die ersten zweibeinigen Sommerfrischler übrigens brachte gegen 1866 Clemens Franz Xaver Reichsgraf von Westphalen nach Oetz. Inzwischen wird das Ötztal alljährlich in den Wintermonaten von Millionen Urlaubs-gästen geradezu überflutet (alleine in Sölden rund 2 Millionen Über-nachtungen). Noch mehr erwarteten sich die Touristiker im hinteren Ötztal durch die Seilbahnverbindung mit dem Pitztal – diese Verbindung allerdings wurde fallen gelassen. In einem Bürgerentscheid sprachen sich im Juli 2022 von 1.200 Einwohnern in St. Leonhard im Pitztal 50,4 % gegen das Projekt aus. Insgesamt kamen 59 % zu den Urnen. 

Die dortige Sprache (Bairisch vornehmlich beeinflusst durch das Passeier- und das Schnalsertal) gehört zum immateriellen Kulturerbe Österreichs.  

Transhumanz – der Zug der Schafe wurde im Jahr 2011 in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Wie lange es diese noch geben wird, ist jedoch fraglich. Immer mehr Weidegebiete fallen der Gewinnsucht der Wintertouristiker zum Opfer, neue Seilbahn- und Pisten-erschliessungen sorgen immer wieder für Kontroversen. Sollten Sie die Gelegenheit haben, den Zug der Schafe vorort mitzuverfolgen, so nutzen sie dies. Die Schnalser Gletscherbahnen ermöglichen es auch für die Nicht-Alpinisten! Selbstverständlich können Sie im nächsten Jahr zudem als freiwilliger Helfer aktiv werden. Dafür sollten Sie durchtrainiert, wetterfest und bergtauglich sein sowie sich mit Schafen auskennen. Die Eindrücke werden Sie Ihr Leben lang nicht vergessen!

Rückkehrtermine 2022:

– Niedertalalm am 10. September nach Vernagt

– Rofenbergalm am 11. September nach Kurzras

Infos:

.) www.merano-suedtirol.it/de/schnalstal/natur-kultur/land-leute/trans-humanz.html#ltseventslist

.) www.suedtirolerland.it/de/suedtirol/schnalstal/vernagt-am-see/

.) www.suedtirolerland.it/de/suedtirol/schnalstal/kurzras/

Filmtipps:

– Mit di Schoof gian; Sebastian Marseiller 

– Schafe und Schneefelder; Rolf Bickel

Lesetipps:

.) Pässe, Übergänge, Hospize; G. Bodini;  Tappeiner Verlag 1999 

.) Wege der Schafe: Die jahrtausendalte Hirtenkultur zwischen Südtirol und dem Ötztal; Hans Haid; Tyrolia-Verlag 2008

.) Schafe und Hirten im Vinschgau & Schnalstal; G. Bodini; Hrsg: Kultur-verein Schnals  2005 

.) Schafe in Tirol; Thomas Stoffaneller/Susanne Schaber; Tyrolia-Verlag 2016

.) Aufbruch in die Einsamkeit – 5000 Jahre überleben in den Alpen; Hans Haid; Ed. Tau 1992

.) Die Grundherrschaften des Tales Schnals in Untervinschgau; Franz Huter; Innsbruck 1926

.) Alpenvereinsführer Ötztaler Alpen; Walter Klier; Bergverlag Rother Ottobrunn 1997

Links:

– www.transhumanz.net

– www.kulturverein-schnals.it

– www.provitaalpina.com

– www.vent.at

– www.merano-suedtirol.it

– www.naturpark-oetztal.at

– www.timmelsjoch.com

– www.unesco.at

– similaun.net

– www.museen-suedtirol.it

– www.oetzi-dorf.at

– www.oetztal.com

– www.kulturnatur.de

– hoehepunkt-tirols.oetztal.com

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Na denn: Mahlzeit!!!

Wir alle kennen – spätestens seit dem Amtsantritt Donald Trumps als US-amerikanischer Präsident den Ausdruck „Fake News“ für erfundene Nach-richten. Inzwischen ist „Fake“ salonfähig geworden und dient in sehr vielen Bereichen für etwas, das nicht so ganz der Wahrheit entspricht. In der Werbung werden immer wieder Fake-Geschichten vorgespiegelt, damit der Absatz für die Produkte steigt, wenn etwa der Toilettenreiniger glücklich macht oder eine hübsche Bikini-Frau die Kürbis-Prostata-Zusatzernährung anpreist. Jeder weiss inzwischen, dass durch gute Ausleuchtung und Lebensmittelfarbe beispielsweise Tellergerichte, Fleisch oder Obst wesentlich besser aussehen, als sie es tatsächlich sind. Dass nun jedoch nicht mehr das in der Verpackung ist, was auch drauf steht, das wird offenbar leider immer mehr zur Sitte. Man nennt dies übrigens „Fake-Foods“! Hier wäre es mehr als wichtig, durchzugreifen, da der Konsument auf das Übelste gefoppt wird. 

Eines der begehrtesten Schauplätze hierfür ist der Begriff „Bio“. 

So warnte beispielsweise die sächsische Geflügelwirtschaft bereits im April davor, dass Bio-Eier aufgrund des Ukraine-Krieges knapp werden könnten, da das Futter (Soja, Sonnenblumenkerne und Raps) für die Hühner zwar vornehmlich über den Grosshandel in Polen bezogen, tat-sächlich aber aus der Ukraine stammt. Ohne der Beifügung von konventionellem Futter werde das Bio-Ei vom Markt verschwinden. In Natura kommen nahezu alle zwei Jahre Skandale vom Bio-Eier-Markt an’s Tageslicht. So warnte Öko-Test 2019 vor den Bio-Eiern bei Lidl und Aldi. Zwei Jahre zuvor berichteten Mimikama und der SWR über die Zulieferer-betriebe von Aldi Süd. 2015 stand die Geflügelwirtschaft Niedersachsens im Scheinwerferlicht… 

Greift der Konsument zu einer Ware mit dem Etikett „Bio“, so ist er gerne dazu bereit, rund 15 Cent pro Ei mehr zu bezahlen, da er weiss, dass nicht nur die Qualität des Produktes stimmt, sondern auch die Herstellung bzw. die Tierhaltung! Das nennt sich „bewusste Ernährung“! Leider eine Wunschvorstellung! In vielen Bioställen sieht es gleich wie in der kon-ventionellen Landwirtschaft aus. 2013 ermittelte die Staatsanwaltschaft Oldenburg gegen 200 landwirtschaftliche Betriebe, die beschuldigt wurden, dass auf der Eier-Verpackung etwas anderes stehe, als tatsächlich drinnen war. Nur ein Jahr später musste der Agrarminister Mecklenburg-Vorpommerns, Till Backhaus, eingestehen, dass 12.000 Eier aus vier Betrieben des Bundeslandes mit dem Öko-Siegel gekennzeichnet waren, obwohl sie das gar nicht verdient hätten. Auch hier ermittelte die Staatsanwaldschaft Rostock. Dieser Fall wurde allerdings nach besten Mitteln und Methoden durch die Politik verschleiert, obgleich im §40 des Lebens- und Futtermittelgesetzes klar definiert ist, dass die Öffentlichkeit ein Anrecht auf die Namen jener Betriebe hat, die den Verbraucher getäuscht haben. Klasse Lobby-Arbeit! 

Wann darf aber nun tatsächlich das Ei als Bio-Ei verkauft werden? Hier gibt es klare Richtlinien des deutschen Bio-Siegels in Verbindung mit der EG-Öko-Verordnung als Mindestanforderungen. So muss etwa die Henne zumindest vier Quadratmeter Auslauf (ausserhalb des Stalles) pro Tag haben, im Stall selbst dürfen nicht mehr als sechs Hühner auf einem Quadratmeter gehalten werden (in der Regel sind es nach wie vor 12!) – nicht mehr als 3.000 pro Stallung (wer zählt das nach?). Eine präventive Medikamentierung mit Antibiotika ist verboten – dem Huhn darf nur Biofutter verfüttert werden. Werden diese Kriterien nicht erfüllt, so ist das Ei aus „Bodenhaltung“! Ein natürliches Huhn legt pro Jahr 30 Eier – die meisten Hühner auch aus der Bio-Haltung allerdings 300. Es sind Hybrid-Hühner, gezüchtete Legemaschinen, die nach einem Jahr ihren anstrengenden Job erledigt haben und entsorgt werden. Zudem: Was geschieht mit den männlichen Küken am Bio-Gut? In Deutschland ist das Kükenschreddern seit dem 01. Januar 2022 verboten – davor waren es rund 45 Mio im Jahr. Auch in der Schweiz ist dies seit 2019 verboten – hier werden jedes Jahr etwa 3 Mio männliche Küken vergast – 1/4 davon stammt aus Bio-Produktion. In Österreich ist das „sinnlose“ Töten von männlichen Küken erst mit 2023 verboten. Die Bio-Branche jedoch zieht auch die Hähne in der sog. „Bruderhahn-Mast“ gross.  

Inzwischen hat sich auch im Bio-Bereich die industrielle Produktion etabliert, die übrigens vom Deutschen Tierschutzbund toleriert wird. Somit kann sich wohl jeder selbst ausrechnen, was diese 15 Cent mehr pro Ei bei 10.000 Hühnern mit jeweils 300 Eiern pro Jahr pro Farm ausmachen. Bio-Betriebe werden dreimal im Jahr durch Kontrolleure der jeweiligen Verbände oder in deren Auftrag überprüft – zweimal unan-gekündigt, einmal angekündigt. Hinzu kommen die Lebensmittel-kontrolleure. Deshalb und aufgrund des bürokratischen Aufwandes drehen viele Bauern dem Ökolandbau inzwischen wieder den Rücken zu und  zur konventionellen Landwirtschaft zurück. 

Ähnliches ist auch in Österreich zu sehen: Halbnackt scharren bis zu 10 Hühner pro Quadratmeter nach Futter. Mit den glücklichen, freilaufenden Hühnern aus der Werbung hat auch dies hier wenig zu tun. Auch im Alpenland werden grossteils Hybridhühner verwendet, die sich aufgrund der Züchtung meist gar nicht mehr selbst vermehren können. Auch zwischen Neusiedler- und Bodensee werden in den meisten Bio-Betrieben die männlichen Küken gleich nach dem Schlüpfen vergast oder geschreddert. Das bestätigte anno 2013 auch der Obmann der österreichischen Biobauernvereinigung „Bio Austria“, Rudi Vierbauch. 

Doch leider können oder wollen die Kontrolleure die toten Tiere nicht sehen. Jene, die langsam und schmerzvoll krepiert sind an Eileiter- oder Bauchfellentzündung, Parasitenbefall, Brustbeinverkrümmungen und Brustbeinbrüchen, Kannibalismus, Viren, Bakterien. 

Obgleich Österreich mit 26,4 % der landwirtschaftlichen Fläche (Stand: 2020) als Bio-Fläche europaweit eine Vorreiterrolle eingenommen hatte, landeten bislang gerade mal 6 % Bioprodukte im Supermarkt (in Deutschland waren es 4 %). Dies änderte sich allerdings während der Corona-Pandemie: 2020 wurde in Österreich erstmals ein Marktanteil von 10 % erreicht. In Deutschland nahm der Biomarkt im Vergleich zu 2019 um 22 % auf 6,4 % zu – hier geht es inzwischen um Umsätze in der Höhe von 14,99 Milliarden Euro. Ähnlich auch in der Schweiz – ein Plus von 19,1 % im Vergleich zu 2019 auf 10,8 % – 3,856 Milliarden Schweizer Franken. Es ist also durchaus möglich, auf dem Bio-Markt gutes Geld zu verdienen.  

Wenn Sie sich wirklich bio-bewusst ernähren wollen, dann schauen Sie sich den Hof Ihres Vertrauens genau an! Das empfiehlt auch der österreichische Bio-Vorzeigebauer Werner Lampert, der für die Rewe-Gruppe die „Ja-natürlich!“ und für Hofer die „Zurück zum Ursprung“-Marke gründete: 

„Bio ist kein Paradies!“

Allerdings stellt er auch den Konsumenten die Rute in’s Fenster: Nach wie vor – auch bei Bio – erweisen sich zu kleine Kartoffeln oder krumme Gurken als Ladenhüter. Da kann sich auch der ehrliche Klein-Bio-Bauer den Rücken krumm arbeiten – werden seine Produkte nicht verkauft, wird er nicht mehr von Bio zu begeistern sein. 

2016 wurde durch eine Untersuchung aufgedeckt, dass immenses Schindluder mit dem Begriff „fair“ am Markt getrieben wird. Der Begriff ist bei der Vergabe von Siegeln nicht geschützt – er wird somit stets anders interpretiert. Über 100 Öko- und Bio-Siegel gibt es alleine am bundes-deutschen Markt, von Demeter über Bioland, Naturland oder GÄA e.V. usw. So wurde nach Untersuchungen veröffentlicht, dass etwa im Kara-mell-Eis von Ben & Jerry’s nur 19 % Fair Trade-Produkte enthalten waren – trotzdem ist das Eis mit dem Fairtrade-Siegel versehen. In der Schokolade von Cavalier machte dieser Anteil gerade mal 32 %, in der Nuss-Nougat-Crème von Rewe 53 % aus. Zur Erklärung: Bei der Herstellung von Kakao, Orangensaft, Tee und Zucker muss kein einziges Fairtrade-Produkt enthalten sein – wichtig ist der Mengenausgleich, da hier konventionelle und Fairtrade-Produkte vermischt werden. Entdecken Sie also bei Ihrer Suche nach fairen Produkten die Aufschrift „Mengenausgleich“ auf der Packung, würde ich mir durchaus überlegen, ob ich für dieses Produkt wirklich mehr bezahlen möchte als für ein herkömmliches! Nur Kaffee mit dem Fairtrade-Siegel muss auch tatsächlich zu 100 % fair sein, ansonsten reichen seit 2011 nurmehr 20 % – auf die Gefahr hin, dass sich nun viele die Haare raufen werden, weil sie seit Jahren viel mehr für inhaltlich fast dieselben Waren bezahlen! Im Kakao der Aldi-Waffeln waren gar nur 8 %, im Kakao von Netto 20 % aus fairem Anbau aus kleinbäuerlichen Strukturen enthalten. Trotzdem prangert auf beiden Produkten das UTZ-Siegel. Beim UTZ-Siegel ist keine Mindestmenge an fair gehandelten Bestandteilen festgeschrieben. Das Gepa-Siegel hingegen geht von einem Mindestanteil von 50 % fair gehandelter Bestandteile aus. Meines Erach-tens eine bewusste Aufweichung der ansonsten recht guten und sinn-vollen Kriterien und damit ein Betrug am verantwortungsbewussten Konsumenten. Fairtrade Deutschland hingegen argumentiert, dass das Siegel nur dann vergeben wird, wenn die Zutaten, die fair angebaut und gehandelt wurden, auch auf der Verpackung angeführt sind. Tatsächlich kann nur zwei Bio-Labels getraut werden: dem EU- und dem Deutschen-Bio-Siegel. Hier müssen 95 % der landwirtschaftlich produzierten Zutaten aus ökologischen Anbau stammen. Ansonsten ist die Zertifizierung rasch verloren – regelmässig finden deshalb angekündigt und nicht-angekündigte Kontrollen statt. 

Nicht jedermann’s Geschmack (meiner etwa gar nicht) sind Garnelen. Trotzdem ist ausgerechnet die Surimi-Garnele heiss begehrt! Doch –  was die meisten Anhänger gar nicht wissen: Von Meeresfrucht keine Spur! Surimi ist nämlich ein Meeresfrüchte-Fake, hergestellt aus Fisch, Salz und Hühnereiweiss oder Stärke! Nachdem das meist nach gar nichts schmeckt, sorgen Aromen und Geschmacksverstärker (Krebsaroma) sowie Lebens-mittelfarben für das Prickeln auf der Zunge und das Leuchten in den Augen. Entdeckt wurde das, was der Japaner unter „zermahlenem Fleisch“ versteht, vor rund 900 Jahren, als ausfindig gemacht wurde, dass sich derart zubereiteter Fisch länger hält. Europa entdeckte Surimi in den 1950ern – verwendet werden Fischsorten, die zumeist nicht direkt verkauft werden können, wie beispielsweise Magerfisch oder auch Krill. Es ist zumeist alsdann ein Produkt aus dem Beifang. Überzeugte Surimi-Gustianer sprechen allerdings von Fischfilets von Weissfischen (Seelachs, Kabeljau, Brassen oder auch Seehecht). Sie können es sich somit aussuchen! Wer also so oder so wirklich Garnelen essen möchte, sollte auf Surimi verzichten!!! Apropos: Mit Tintenfischresten vermischt dient Surimi als Tintenfischersatz, kommt aber auch in so manchem Würstchen zum Einsatz! Wurde Surimi verwendet, so sollte dies gut sichtbar auf der Verpackung angeführt sein! Sollte! 1994 führte die Hamburger Bundes-forschungsanstalt für Fischerei eine Überprüfung durch – in sieben von zehn Garnelenfleischproben wurde nicht angeführtes Surimi verarbeitet. 2010 entschied der Verwaltungsgerichtshof von Baden-Württemberg, dass ab einem Surimi-Anteil von zumindest 20 % Deklarationspflicht besteht (Az. 9 S 1130/08). 

Ach ja – weil wir’s gerade so schön von Meer und Früchten hatten: Wissenschafter des Leibnitz-Institutes für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin entdeckten vor einigen Jahren einen riesigen Kaviar-Fake. Von 27 Kaviar-Produkten enthielten nicht weniger als 10 keinen oder nur einen Teil des Original-Kaviars, sondern vielmehr Eier anderer Fischarten oder künstlich hergestellte Imitate. Dies konnte jedoch nur aufgrund von DNA-Abgleichen („DNA-Barcoding“) festgestellt werden. Bei Preisen von 220,- € bis 450,- € pro 100 Gramm der Sorte des Beluga Störs – durchaus rentabel dieser Betrug! Die Kollegen des Forschungsinstitutes Wilhelms-haven entlarvten mittels des Bar-Codings auch Ölfische, die als Makrelen verpackt waren oder statt des echten Heilbutts den Schwarzen Heilbutt usw.!

Bleiben wir doch noch etwas in Japan und beim Sushi. Die Umweltgruppe Oceana entdeckte bei einer Untersuchung von Sushi-Restaurants in Japan anderen Fisch als jener, der tatsächlich verkauft wurde. Erschreckend ist die Quote: 100 %! Oceana schreibt in der Aussendung, dass die Wahr-scheinlichkeit weissen Thunfisch in einem Sushi-Restaurant zu bekommen, gleich ist mit jener, beim Roulette in Vegas eine Null oder Doppel-Null zu erspielen! Vor 2013 übrigens lag die Quote bei rund 84 % weisser Thunfisch.

Wer übrigens Sushi mag, wird wohl auch Wasabi mögen. Wasabi ist ein japanischer Meerrettich, somit also ein Kreuzblütengewächs, dessen Stamm vornehmlich in der japanischen Küche den Speisen eine extreme Schärfe verleihen kann. Da die Pflanze jedoch nur in Japan und auf der russischen Insel Sachalin wächst, ist das Gewürz sehr selten und damit teuer (Kilopreis der Wurzel: Bis zu 400 €). Hierzulande bekommt man den Scharfmacher in Dosen, Gläsern oder auch Tuben als Paste. Apropos Paste: In den meisten in Deutschland angebotenen Produkten ist nur eine Mixtur aus europäischem Meerettich- und Senfpulver in Verbindung mit Stärke und den Farbstoffen E133 und E102 enthalten – ein Produkt aus dem Lebensmittellabor! Echter Wasabi ist nicht froschgrün sondern mint und kitzelt die Geschmackpapillen der Zunge mit einem süsslichen Unterton und die Nase mit dem Geruch ätherischer Öle. Frisch gerieben allerdings hält sich Wasabi nur über rund eine halbe Stunde. Zu diesem Chemie-Mus kommt noch hinzu, dass in den meisten Fällen der Azo-Farbstoff Tartrazin enthalten ist. Dieser war lange Zeit in heimischen Landen verboten, da er heftige Allerigen auslösen kann. Der Kunst-Wasabi ist inzwischen in vielen anderen Lebensmitteln wie Nüssen, Chips oder Knuspererbsen enthalten. Untersuchungen derartiger Wasabi-Produkte aus dem Supermarktregal ergaben jedoch einen Anteil von 0,003 bis gerade mal 2 % des Gesamtproduktes. 2009 musste das Unternehmen Kattus nach einem Urteil des Münchener Landgerichtes II umbenennen, da in den „Wasabierbsen“ kein einziges Gramm Wasabi enthalten war. Und trotzdem produziert dessen Tochtergesellschaft Bamboo Garden die Wasabi-Paste auch weiterhin – mit unglaublichen 3,5 Prozent Wasabi-Gehalt lt. Zutatenliste. 

Ich mag sie ja unheimlich gern – viele andere verabscheuen sie: Die weisse Schokolade! Streng genommen aber ist dies keine Schokolade mehr, da sie kein Kakaopulver oder Kakaomasse sondern nurmehr die Kakaobutter enthält. Ergänzt durch Zucker und Milch liegt der Angriff auf die menschlichen Hüften schön sortiert bei ihren schwarzen bzw. braunen Kollegen im Supermarkt. 

Schwarze Oliven sind für so manch einen etwas ganz exklusives. Doch ist dem nicht wirklich so. Zumeist werden einfach die grünen Kumpels schwarz eingefärbt. Das muss auf der Verpackung nicht mal angeführt sein. Finden Sie allerdings dort die Bezeichnungen E579 (Eisen-II-Gluconat) und/oder E585 (ERisen-II-Lactat), so sollten Sie vielleicht doch besser die Ware im Regal belassen. 

Über die Unsitte der Cornflakes und des angeblich so gesunden Fertig-Müslis habe ich an dieser Stelle ja schon mal geschrieben. Auch Vollkornbrot ist nicht immer unbedingt Vollkorn und damit gesund. Es könnte auch eingefärbtes Weizenbrot dahinterstecken – das nennt sich dann „Vollkorn-Look“. In originalem Vollkornbrot muss mindestens 90 % Vollkornschrot enthalten sein. 

Zu all diesen ganz offiziellen, teilweise nicht ganz legalen Fällen der Verbrauchertäuschung kommen noch die Imitate hinzu: Champagner aus italienischem Spumante, Oregano aus Olivenblättern, Babymilch, die mit dem Kunststoff Melamin gestreckt wird. Anno 2008 starben in China nicht weniger als 6 Kinder daran, 300.000 waren erkrankt. Auch der Grossteil des Apfelsaftes, der in den USA verkauft wird, stammt nach Aussagen des Aufdeckers Larry Olmsted aus chinesischen Konzentraten – inklusive Pestiziden oder anderer Chemikalien!  

Die Ministerien für Ernährung und Landwirtschaft sowie für Verbraucher-schutz, das Bundesamt für Verbraucherschutz, das Bundesinstitut für Risiko-Berwertung aber bereits auch schon die Staatsanwaltschaft, Zoll, Interpol und Europol sprechen von Gewinnraten wie im Drogenhandel. Auch die Mafia ist inzwischen mit von der Partie. Und es wird immer einfacher für die Betrüger: Gab es früher wesentlich mehr Einzelhändler mit einer somit auch grösseren Vielfalt am Markt, so konzentriert sich zusehends alles auf drei bis max. vier Supermarktketten, die bei einem Lieferanten für all ihre Märkte bzw. Tochtergesellschaften einkaufen. 

Unternehmen, aber auch Überwachungsbehörden begegnen dem Treiben nun mit einem chemischen Fingerabdruck (Nuclear Magnetic Resonance). Mit der Hilfe der Kernmagnetresonanz-Spektroskopie können die magne-tischen Eigenschaften der Wasserstoffmoleküle aufgezeigt und damit echte von nachgemachter Ware unterschieden werden. Nur mit diesem Echtheitsnachweis wird in vielen Fällen Betrug aufgedeckt. Nachdem derartige Laboruntersuchungen zumeist nicht günstig sind und sich so mancher Laborbetreiber entsprechende Daten vergolden lässt, wurde in Deutschland die staatlichen Datenbank „FoodAuthent“ aufgebaut. Darin enthalten sind Daten, auf welche die Behörden jederzeit zugreifen können, wenn Verbraucher geschützt werden müssen. So kann der Ölfisch beispielsweise Krämpfe hervorrufen, künstliche Salze im Käse ebenfalls an die Gesundheit gehen. 

Bisherige Erfolge:

– Chinesischer Honig wurde als US-Qualitätsware verkauft

– Billiges Olivenöl umgefüllt und als hochwertige 1A-Ware verkauft

– Cabernet Sauvignon entpuppte sich als Tempranillo 

– Orangensaft aus Südafrika wurde als spanischer ausgegeben

– Chinesisches Kürbiskernöl kam angeblich aus der Steiermark

– Chardonnay aus einem Verschnitt von Pinot Grigio und Sauvignon zusammengestellt

– Honig, gestreckt mit Zuckersirup

Während der „Operation Opson VI“ wurden 2016/17 von Zoll, Europol, Interpol und den Lebensmittelbehörden in weltweit 61 Ländern, darunter 21 EU-Länder, Waren im Wert von rund 230 Mio € (10.000 Tonnen) beschlagnahmt. Vom gefälschten Mineralwasser, falschen Haselnüssen bis hin zu erneut verpackten, zuvor jedoch abgelaufenen Sardinen – es war alles dabei. ein Jahr später (Operation Opson VII) lag der Schwerpunkt bei manipuliertem Thunfisch, 2018/19 (Opson VIII) bei verfälschtem Kaffee, 2019/20 bei gefälschtem Olivenöl und 2020/21 bei verfälschtem Honig. Beschlagnahmt wurden bei Opson X nicht weniger als 15.451 Tonnen von illegalen oder gefälschten Produkten

Wenn Sie also wirklich nachhaltig, umwelt- und sozialbewusst einkaufen möchten, sollten Sie sich davor kundig machen. Auch ich kam erst nach Strichcode-Recherchen drauf, dass meine Kaffeebohnen eigentlich in Estland geröstet werden. Wie auch ein grosses Produkt, von dem immer wieder behauptet wird, dass es aus Österreich käme! Den Angaben und Herstellern vertrauen – das war gestern!!!

Film-Tipps

– Die Bio-Lüge (ARTE-Doku)

– Biofleisch – Ethik oder Etikettenschwindel (SWR-Doku)

– Am Schauplatz: Das Bio-Dilemma (ORF-Doku)

Lesetipps:

.) Die Wahrheit über Bio-Lebensmittel; Alex A. Avery; TvR Medienverlag 2007

.) Friss oder stirb; Clemens G. Arvay;  Ecowin-Verlag 2013

.) Sushi-Bar: Japanischer Genuss häppchenweise: Sushi, Suppen, Salate und Spießchen; Tanja Dusy; GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH 2008

.) Chemie im Essen: Lebensmittel-Zusatzstoffe. Wie sie wirken, warum sie schaden; Hans-Ulrich Grimm/Bernhard Ubbenhorst;  Knaur 2013

.) Bio-Lebensmittel. Worauf Sie wirklich achten müssen: Warum sie wirklich gesünder sind; Andrea Flemmer; humboldt / Schlütersche 2008

.) Die unsichtbare Kraft in Lebensmitteln, BIO und NICHTBIO im Vergleich; A.W. Dänzer; Verlag Bewusstes Dasein 2014

.) Strategische Positionierung im Markt für Bio-Lebensmittel; Hannes Hanke; VDM 2015

.) Extra Vergine: Die erhabene und skandalöse Welt des Olivenöls; Tom Mueller; Redline Verlag 2012

.) Real Food/Fake Food: Why You Don’t Know What You’re Eating and What You Can Do About It by; Larry Olmsted; Algonquin Books 2017

.) Food Forensics: The Hidden Toxins Lurking in Your Food and How You Can Avoid Them for Lifelong Health; Mike Adams; BenBella Books 2016

Links:

– www.biowahrheit.de

– agriculture.ec.europa.eu/farming/organic-farming/organic-logo_de

– www.oekolandbau.de/bio-siegel/

– www.tierschutzbund.de

– www.was-steht-auf-dem-ei.de

– www.alternativ-gesund-leben.de

– www.lebensmittelklarheit.de

– www.bio-austria.at

– www.kinjirushi.co.jp/

– osuseafoodlab.oregonstate.edu

– www.fairtrade-deutschland.de/

– foodrisklabs.bfr.bund.de

– oceana.org

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