Biogas – tatsächlich eine Furz-Idee???

Deutschland verbrauchte im Jahr 2020 nicht weniger als 86,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Mehr als die Hälfte davon kamen via Pipeline aus Russland, gefolgt von Norwegen und den Niederlanden. Österreich ver-brannte im selben Jahr 8,5 Milliarden Kubikmeter, die Schweiz 3,2. Während bei den Eidgenossen nur rund 35 % aus russischer Förderung stammen (der Rest aus der EU und Norwegen), sind es in Österreich 56 % (nur 12-13 % aus Norwegen und Deutschland).
Angesichts des derzeitigen von Russland angezettelten Krieges gegen die Ukraine mehr als bedenkliche Zahlen. Das Ostsee-Pipeline-Projekt Nord Stream 2 wurde durch den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz erst mal eingefroren. Viele Kritiker (wie die USA) bezeichnen es als fahrlässig, sich derart von nur einem Lieferanten abhängig zu machen! Stimmt zu einem gewissen Anteil. Andererseits versuchen selbstverständlich die Ameri-kaner das wesentlich teurere Fracking-Gas an den gutzahlenden Herrn Müller oder Frau Schmidt zu bekommen. Also sind Ideen gefragt. Eine dieser Ideen wäre sicherlich das Biogas!
Biogas entsteht mit Hilfe von Bakterien bei der Vergärung von pflanz-lichen und tierischen Überresten (Gülle, Bioabfälle, Energiepflanzen,…) – unter Luftabschluss (anaerobes Milieu) in sog. „Fermentern“. Zurück bleibt ein hochwertiges Düngemittel mit einer Vielzahl an Nähr- und humusbildenden Stoffen. Das entstehende Gas beinhaltet neben 25 % CO2 auch zwischen 40-75 % Methan (beim Erdgas sind es 80-90 %) – abhängig vom Oxidationsgrad der verwendeten Substrate. Dieses wird zur Strom- oder Wärmegewinnung verwendet. Daneben kann es auch aufbereitet in das Erdgas-Netz eingespeist werden. Zumeist geschieht diese Produktion nicht in einem grossen Biogas-Kraftwerk sondern direkt bei den Produzenten: Auf den Bauernhöfen. Eine durchschnittliche Anlage bringt eine Kapazität von 600 kW. In Österreich sind derzeit rund 350 Biogas-Anlagen im Einsatz. Sie erzeugen jährlich in etwa 150 Mio Kubik-meter Biogas (rund 2 % des jährlichen Gasbedarfs). In Deutschland sind es rund 9.700, in der Schweiz 30.
Biogas ist die drittwichtigste erneuerbare Energieform in Deutschland – nach der Wasserkraft und der Photovoltaik. 2019 wurden 8,1 Milliarden Euro mit der Produktion und Verwertung von Biogas in Deutschland umgesetzt, zwischen Flensburg und Berchtesgaden im Jahr 2020 5,2 % des verbrauchten Stroms aus Biogasanlagen gewonnen. Alleine in Niedersachsen beläuft sich die Biogaskapazität auf 1,4 Gigawatt, deutschlandweit sind dies 5,6 GW. Klar – bei einer Stromproduktion von 30 Terrawattstunden sind dies vernichtend geringe Zahlen!
Die anderen Bestandteile (neben Methan und CO2) sind Stickstoff N2 (0-7 %), Sauerstoff O2 (0-2 %), Wasserstoff H2 (0-1 %) und Schwefelwasserstoff H2S (0-1 %). Inzwischen sucht neben anderen auch die Technische Universität Graz im „Projekt Biogas 2H2“ nach einer Möglichkeit, aus der Biomasse Wasserstoff H2 zu extrahieren, der für den Antrieb von Brennstoffzellen dienen könnte. Ansonsten muss dieser sehr energie-aufwendig gewonnen werden.
Am interessantesten jedoch bleibt die Herstellung von Biomethan. Ein Kubikmeter Methan hat einen Energiegehalt von 9,97 kWh. Umgerechnet auf einen Methananteil von 60 % bei Biogas entspricht dies einem Energiegehalt von 6 kWh pro Kubikmeter (rund 0,6 l Heizöl).
In Blockheizkraftwerken erfolgt die Stromgewinnung. Leider wird in den meisten Fällen die Abwärme noch nicht zur Heizung von Gebäuden genutzt. Dadurch geht rund 2/3 der enthaltenen Energie verloren. Eine vorbildhaft geführte 190 kWh-Biogasanlage produziert rund 1,5 Mio kWh Strom und speist zudem 350.000 kWh Wärme in das Wärmenetz einer Gemeinde ein. Dadurch können 430 Haushalte mit Strom und 30 Haushalte mit Wärmeenergie beliefert werden. Hochgerechnet auf den CO2-Ausstoss ergibt sich gegenüber der Verwendung fossiler Treibstoffe (1.100 to CO2) eine Einsparung von zirka 650 to pro Jahr – dabei eingerechnet ist übrigens auch der Bau der Anlage!
Bei den Gasanbietern kann der Biogas-Anteil selbst gewählt werden. So erzeugt beispielsweise die Biogas-Aufbereitungsanlage Wien-Simmering pro Jahr über eine Million Kubikmeter Biomethan aus zirka 22.000 Tonnen biogenem Küchenabfall und speist dies in das Gasnetz ein. Aus 1,3 kg biogenen Hausabfällen lässt sich 1 kWh Strom gewinnen. Damit können 900 Haushalte der österreichischen Bundeshauptstadt umwelt-freundlich versorgt werden. Somit verringert sich der Ausstoss von CO2 um jährlich mehr als 3.000 Tonnen. Auch im schweizerischen Freiburg wird weitergedacht. Gemeinsam mit dem Projekt E Celsius nutzt die Stadt das durch die Klärschlammvergärung entstehende Gas nach erfolgter Aufbereitung zur Einspeisung in das städtische Gasnetz. 17.000 Kubikmeter Abwasser strömen täglich in die Kläranlagen der Stadt. Daraus entstehen jährlich 10 GWh Energie (gegengerechnet etwa 1 Mio Liter Heizöl). Damit ist der Wärmebedarf von 1.000 Einfamilienhäusern gedeckt.
Biomethan gelangt aber auch bei Gasmotoren zum Einsatz. So kann umgerechnet mit einer Tonne Grüngut ca. 1.000 Kilometer weit gefahren werden. Wurde der Methangehalt auf 98 % aufbereitet, so kann auch ein gasbetriebenes Fahrzeug ohne Folgen oder Problemen damit betankt werden. Dies reduziert den CO2-Ausstoss um bis zu 90 % und hilft alsdann beim Sparen auf jedem gefahrenen Kilometer. Biomethan kann zudem verflüssigt werden – man spricht dann von „LNG“ (Liquid Natural Gas). Damit werden LKW und Schiffe betankt und betrieben. Eine solche Aufbereitungsanlage steht neben 200 anderen in Deutschland in Pliening bei München.
Bei all diesen positiven Aspekten sollten aber auch objektiverweise die negativen nicht ausser Acht gelassen werden. So produzieren zusehends mehr Ackerbauern Mais oder Futterrüben (Energiepflanzen) nur für die Vergärung zu Biogas. Zur Zeit auf über 2 Mio Hektar Ackerland (1/5 des Gesamtackerlandes) – alleine in Deutschland. Durch Monokulturen verödet die Landschaft, Schädlinge oder Klima-Veränderungen können grossen Schaden anrichten (zur Resistentmachung gelangt die Genmanipulation zum Einsatz), der Boden wird ausgelaugt. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz aus dem Jahr 2014 versuchte die deutsche Bundesregierung dem entgegenzutreten. So erhalten seither grosse Betriebe nurmehr die Grundvergütung für die Stromeinspeisung, die Subventionen für Energiepflanzen wurden gänzlich gestrichen. Nurmehr Klein-Anbieter bis 75 kWh erhalten eine hohe Einspeisevergütung. Die Verwendung von Energiepflanzen sollte gänzlich verboten werden, da die Ernährung der Bevölkerung (v.a. fernab der grossen internationalen Lieferketten) immer mehr zum Problem wird (die derzeitigen Weizenpreise sprechen wohl Bände!). Nahrungsmittel sollten stets den Vorrang gegenüber Antriebsmitteln haben! Schliesslich gibt es genügend Küchenabfälle, Rückstände aus der Bier- und Weinproduktion (Treber), aus der Saftproduktion (Trester), Ernterückstände (Pflanzenblätter etwa) oder auch Molkerei- und Schlachtereiabfälle, Gülle oder Klärschlamm, die dafür eingesetzt werden kann. Apropos Gülle: Derzeit werden nur rund 1/4 der in Deutschland entstehenden tierischen Exkremente in Biogas-Anlagen vergärt – der Rest landet entweder auf den Ackern und Feldern, wo sie für eine übermässige Nitratbelastung des Grundwassers sorgt, oder wird in andere Staaten exportiert.
Daneben bestehen auch einige Gefahren, die von derartigen Biogas-Anlagen ausgehen. So entstehen hochentzündliche und extrem klima-schädliche Gase, die durch ein Leck leicht in die Umwelt abgegeben oder im Brandfall gar zu einer verheerenden Verpuffung führen können. Daneben bilden die Substrate, Gülle und Gärreste eine erhebliche Gefahr für Grund- und Fliesswasser. Schon mehrfach wurde schlichtweg ein Ventil bei einer Zuführungs- oder Ablassstelle nicht geschlossen, wodurch das Leben in Bächen oder Flüssen vernichtet wurde. Deshalb unterliegen Biogas-Anlagen strengen gesetzlichen Richtlinien und Kontrollen. Doch so sicher auch die Technik sein mag – menschliches Versagen kann niemals ausgeschlossen werden.
Nachdem bereits von ernst zu nehmenden Ökonomen mit einer Verdoppelung des derzeitigen Gaspreises bis kommendes Jahr gerechnet wird, wäre die Umstellung auf Biogas durchaus erstrebenswert. Es ist nicht nur klimaneutral und das ganze Jahr über verfügbar, sondern bietet auch die Möglichkeit, das Geld wertschöpfend in der eigenen Region zu belassen anstatt es nach Russland zu schicken. Ihrer Gastherme übrigens ist es völlig gleichgültig, ob Erdgas oder aufbereitetes Biogas verwendet wird.

Lesetipps:

.) Biogas-Praxis. Grundlagen, Planung, Anlagenbau, Beispiele; Heinz Schulz/Barbara Eder; Ökobuch 2005
,) Vom Bauern zum Energielieferant. Die Zukunft des Energiewirt; Martin Stroh; Landwirtschaftsverlag 2000
.) Energie aus Biomasse. Grundlagen, Techniken und Verfahren; Hrsg.: Martin Kaltschmitt/Hans Hartmann/Hermann Hofbauer; Springer 209
.) Kraftwerk Wiese Strom und Wärme aus Gras;Walter Graf; Books on Demand 1999

Links:

– www.biogas.org
– www.dbfz.de
– biogas.fnr.de
– www.ergar.org
– www.umweltbundesamt.de
– www.klimaaktiv.at
– www.gruenes-gas.at
– task37.ieabioenergy.com
– www.chemie.de
– www.aee.at
– gazenergie.ch
– oekostrom.at
– www.energieag.at
– gazenergie.ch
– www.biogas-netzeinspeisung.at

Leave a Reply


WP Login