Die E-Lüge?

Eigentlich sind es ja gute Nachrichten, die nahezu jeden Tag auf meinen Schreibtisch flattern:
.) Mercedes baut an einem E-Van, der eine Reichweite von 400 Kilometer besitzen soll
.) Ein Porsche Taycan schaffte in einem 24-h-Test nicht weniger als 3.425 km
.) E-5er von BMW innerhalb von 2 Sekunden von 0 auf 100
.) VW erwartet sich einen Run auf den neuen ID.3
.) Fiat wird 2020 seinen Kult-Klassiker 500 auch als E-Car auf den Markt bringen
.) Ionig Elektro von Hyundai mit 136 PS und einem Drittel mehr Reichweite
Nur einige wenige Schlagzeilen, die das Herz eines klimafreundlichen Autofahrers höher schlagen lassen. Und, die beweisen, dass sich nun endlich auch die in fossile Treibstoffe verliebte deutsche Autoindustrie auf dem richtigen Weg wähnt. Doch – wieso erst jetzt? Schliesslich ist der Verkehr EU-weit für 20 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Und das meiste davon wiederum geht als Wärme verloren, liegt doch der Wirkungsgrad eines konventionellen Kraftfahrzeuges mit Verbrennungs-motor bei 25% (Tank to Wheel), jener eines E-Cars jedoch bei 85 % (Plug to Wheel). Würden in Österreich 20 % (1 Mio Autos) aller Fahrzeuge in Form eines E-Cars über die Strassen flitzen, könnten rund 8,4 TWh Energie eingespart werden – im Jahr 2017 wurden in der Alpenrepublik 1,2 Mio E-Cars verkauft. Dies sind 1,5 % der Neuzulassungen. In Norwegen geht jede 5. Neuzulassung an ein E-Car.
Allerdings gesellen sich auch immer mehr negative Meldungen zur E-Mobilität hinzu:
.) Umweltsünder in Herstellung und Entsorgung
.) Lithium- und Kupfer-Lagerstätten werden ausgebeutet
.) Brandgefährlich bei Unfällen
.) Kein Recycling der Akkus möglich
Fakt ist, dass seit 1990 die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen um nicht weniger als 60 % angestiegen sind (in Österreich um 66 %). Das im Vergleich kleine Land Österreich ist derzeit verantwortlich für einen jährlichen Ausstoss von 67 Mio Tonnen! Hier ist also dringender Handlungsbedarf vonnöten. Doch: Ist ausgerechnet die E-Mobilität der richtige Lösungsansatz für die Klimaproblematik? Schlussendlich ist auch sie nicht komplett emissionsfrei und ressourcenschondend.
Strom muss produziert werden. Geschieht dies mit erneuerbaren Energien wie der Sonne, Wind oder Wasser, so ist dies durchwegs als sehr gut zu beurteilen. Dennoch wird ein erheblicher Teil des Strombedarfs nach wie vor durch Kohle- oder Gaskraftwerke getilgt. Vornehmlich erstere sind wahre Klimakiller: So stösst ein Braunkohlekraftwerk nahezu 1,2 kg CO2 pro erzeugter kWh in die Luft aus, ein Steinkohlekraftwerk rund 0,9 und ein Gaskraftwerk 0,4 kg. Damit konzentriert sich der Ausstoss von Treibhausgasen zwar auf die Regionen rund um die Produktionsstätten – dennoch bleibt der Umweltaspekt im Hintertreffen. Käme der Strom ausschliesslich aus Kohlekraftwerken, so wäre die Klimafreundlichkeit der E-Cars defacto eine Lüge!
Machbar jedoch ist alles – man muss nur wollen! Das zeigt am ehesten die Deutsche Bahn, die den Strom für den kompletten Fernverkehr als Ökostrom bezieht – in Österreich werden 92 % des kompletten Bahn-stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen. In einer kWh deutschen Stromes stecken rund 550 g CO2 – in norwegischem Strom jedoch nur rund 60 g. Norwegen deckt das Gros seines Strombedarfs durch Öko- bzw. Atom-Strom ab.
Die Produktion der Akkus verbraucht Unmengen von Lithium, Kupfer und Strom. Der CO2-Fussabdruck ist deshalb katastrophal. Dies amortisiert sich – nach unterschiedlichen Berechnungen – im Vergleich zum Diesel-auto erst nach frühestens 100.000 Kilometern. Allerdings ist die Lebens-dauer der Akkus beschränkt. Ähnlich auch das Ergebnis einer ifo-Studie. Dort erhält der Mercedes C220 eine bessere CO2-Bilanz als der Tesla Modell 3: 141 g CO2 pro gefahrenem Kilometer zu 155 bis 180 g (je nachdem, wo die Akkus produziert wurden). Diese Studie jedoch ist viel kritisiert, da bei der Berechnung des Strommixes 35% Kohlestrom einflossen und die Herstellung mit hohen Emissionswerten berücksichtigt wurden. So fällt bei der Produktion der Hauptbatterie des Tesla mit 75 kWh eine CO2-Emission von 11-15 Tonnen an. Aufgeschlüsselt auf 150.000 km sind dies 73-98 g pro gefahrenem Kilometer – nur für diese eine Batterie (Studie des IVL Swedish Environmental Research Institutes aus dem Jahre 2017). Diese Daten dienten als Grundlage der Berechnungen. Normalerweise verwendet auch Tesla kleinere Batterien. Zudem besitzt der Tesla rund 350 PS Motorleistung, der Mercedes jedoch nur rund 190 – ein Vergleich der beiden Kategorien ist also nicht zulässig. Dennoch ist Tesla sicherlich ein Vorzeigehersteller. Schliesslich fertigt das Unternehmen seine Akkus selbst und verwendet dabei am Standort im US-Bundesstaat Nevada einen sehr hohen Anteil an Solarstrom. Ansonsten werden die meisten Akkus für die unterschied-lichsten Automarken in China produziert. Dort gelangt nach wie vor viel Strom aus Kohlekraftwerken in’s Netz, sodass die Ökobilanz um zirka 30 % schlechter ausfällt. Berechnungen des Verkehrsclubs Österreich hingegen kommen auf Emissionen von rund 185 g CO2-Äquivalent pro gefahrenem Personenkilometer bei einem benzinbetriebenen Kompakt-klassewagen, bei einem vergleichbaren E-Car hingegen nur auf 90 g (bei 100 % Ökostrom gar auf 25 g).
Die Entsorgung der Akkus wirft ebenfalls grosse Probleme auf, da sie nicht zu 100 % recycelt werden können. Die durchschnittliche Laufleistung wird auf 150.000 km beschränkt. Tesla gewährt für die grosse Batterie auf bis zu 192.000 km Garantie. Danach können die Akkus noch eingeschränkt als Speicher verwendet werden. Interessantes Detail übrigens am Rande: Je häufiger Schnellladestationen verwendet werden, umso kürzer ist die Lebensdauer der Akkus, da sie bei jedem Ladevorgang stark in Anspruch genommen werden. Einige wenige Unternehmen haben sich auf das Teilrecycling der Akkus spezialisiert. So verbrennt etwa der Akku-Recycling-Weltmarktführer Umicore aus Belgien die Akkus. Danach werden sie zermahlen. Dadurch können zumindest die Bestandteile Kobalt, Kupfer und Nickel wiedergewonnen werden. Verloren gehen Lithium, Graphit, Aluminium und der Elektrolyt. Die schweizerische Batres Industrie AG verwendet ebenfalls die thermische Bearbeitung – danach wird der Rückstand einer Abgas-Nass- und -Trockenreinigung unterzogen und in die einzelnen Elemente zerteilt. Konkurrent Duesenfeld aus Deutschland schreddert die Akkus im Stickstoffumfeld, da sie ansonsten leicht entzündlich sind. Dadurch kann der Elektrolyt ebenso wie Graphit, Kobalt, Lithium, Mangan und Nickel rückgewonnen werden. Durch derartiges Recycling verringert such der CO2-Fussabdruck der Produktion um 40 %. Trotzdem sind derzeit noch keine Informationen bekannt, wieviel Recycling-Material bei der Neuproduktion eingesetzt wird.
Die europäischen Autohersteller verweigern bislang alternative Batterien und setzen auch weiterhin auf die Lithium-Ionen-Akkus. Dabei könnten wesentlich umweltfreundlichere ebenso eingesetzt werden – etwa mit einem Metall oder Schwefel an der Kathode.
Ob nun ein E-Car zu Ihnen passt – hier erhalten Sie mehr Informationen:

https://www.energiesparverband.at/fileadmin/redakteure/ESV/Info_und_Service/Publikationen/E-Auto-Broschuere.pdf

Was jedoch könnte anstelle der E-Cars Verwendung finden? Ich bin ein begeisterter Anhänger der Brennstoffzelle. Mit Wasserstoffantrieb liegen auch weite Strecken im Bereich des Möglichen. Angetrieben wird ein Elektromotor, aus dem Auspuff tropft Wasser. Das wiederum kann ausgezeichnet den Boden kühlen und für mehr Regen sorgen. BMW schickte vor einigen Jahren den ersten Prototyp mit Brennstoffzelle auf Weltumrundung. Nachteil auch hier ist die derzeit noch aufwendige Produktion von Wasserstoff. Grosser Vorteil: Die Produktion aus natürlichen Beständen ist unerschöpflich. Ausserdem kann in nahezu derselben Zeit wie beim Benzin- oder Dieselmotor nachgetankt werden. Experten allerdings sehen die Akkus auf kürzeren Strecken als effizienter. Wo hingegen diese Motorart richtiggehend revolutionieren wird, ist der Gütertransport und die Personenbeförderung.
Zuletzt noch ein kurzes Wort zu den Hybridfahrzeugen. Normale Hybridfahrzeuge stossen nur unwesentlich weniger Emissionen wie ihre Benzin- oder Dieselkollegen aus. „Plug-in-Hybridautos“ (PHEV) allerdings verfügen über stärkere Batterien, die zusätzlich über das Stromnetz geladen werden können und dadurch tatsächlich E-Kilometer ermög-lichen. Der Verbrennungsantrieb ist somit vornehmlich für die Lang-strecke konzipiert.

Lesetipps:

.) Elektromobilität. Grundlagen einer Zukunftstechnologie; Hrsg.: Achim Kampker/Dirk Vallée/Armin Schnettler; Springer Vieweg 2018
.) Elektromobilität: Im Spannungsfeld technologischer Innovation, kommunaler Planung und gesellschaftlicher Akzeptanz; Hrsg.: Nadine Appelhans/Jürgen Gies/Anne Klein-Hitpaß; Deutsches Institut für Urbanistik 2016
.) Das Elektroauto: Mobilität im Umbruch; Marcus Keichel/Oliver Schwedes; Springer-Verlag 2013
.) Mit dem Elektroauto in die Sackgasse: Warum E-Mobilität den Klimawandel beschleunigt; Winfried Wolf; Promedia 2019
.) Schlaue Netze: Wie die Energie- und Verkehrswende gelingt; Waert Canzler/Andreas Knie; oekom verlag 2013
.) Chancen und Risiken der Elektromobilität in der Schweiz; Peter de Haan/Rainer Zah; Vdf Hochschulverlag AG 2013

Links:

– bem-ev.de
– bemvi.de
– dcti.de
– www.beoe.at
– www.biem.at
– www.forum-elektromobilitaet.ch
– vcoe.at
– www.elektroauto-news.net
– e-connected.at
– www.klimafonds.gv.at
– www.energiesparverband.at
– ladenetz.de
– kraftwerkforschung.info
– www.unendlich-viel-energie.de
– www.umweltbundesamt.de
– www.umweltbundesamt.at
– www.digitale-technologien.de
– www.iea.org/weo/
– www.ivl.se
– www.globalcarbonproject.org

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