Rote Haare – Zauberkräfte???
Für Glückspiele jeglicher Art gilt: Überlege Dir Deinen Spieleinsatz ganz genau!
Es geschah einst in lustiger Runde beim Kartenspiel. Nachdem ich die Partie verloren hatte, forderten meine Bekannten als Spieleinsatz: Haare blond färben!!! Spielschulden sind Ehrenschulden, weshalb ich mich am Wochenende an die Arbeit machte. Kein leichtes Unterfangen, schliesslich hatte ich zuvor noch nie meine Haare gefärbt. Und glatt ging es daneben: Heraus kam eine undefinierbare Mischung aus rot, rosa, orange und gelb! Der erste Blick in den Spiegel: Einem lauten Schrei folgte ein Stossgebet gen Himmel: „Herr, lass‘ das nicht wahr sein!“ Mein erster Gedanke: Mir blickt der missglückte Klon von Pumuckl entgegen! Sch…! So konnte ich nicht auf die Menschheit losgelassen werden! Also ran an den Kleider-schrank und eine Mütze gesucht. Gottlob änderte sich die Farbe nach rund einer Woche ins dunkelblonde!
Als ich vergangene Woche einen Artikel über die mögliche „Zauberkraft“ von Rothaarigen las, kamen mir diese damaligen Bilder sofort wieder ins Gedächtnis. Doch – was haben die Mythen über Rothaarige wirklich auf sich? Sie werden überrascht sein!
Eines vorweg: Niemand sollte aufgrund seiner natürlichen Haarfarbe diskriminiert werden! Wie hiess es einst in dem Lied: „Ob blond, ob braun, …!“ Niemand ist für diese Laune der Natur verantwortlich – ausser man legt selbst Hand an. Dann verrät die Haarfarbe einiges über den Charakter eines Menschen. Dies nur zum besseren Verständnis, schliess-lich galten im Mittelalter Frauen mit roten Haaren als gefährlich, als „Hexen“, da sie in engem Kontakt mit dem Teufel stehen sollten! Deshalb landeten viele Rothaarige auf den Scheiterhaufen der Inquisition. Auch galt rot lange Zeit als ein typisches jüdisches Merkmal. Alles Mumpitz – erstunken und erlogen. Dennoch sind Rothaarige etwas anders als schwarz-, braun- oder blondbehaarte Mitmenschen.
Rote Haare werden verursacht durch eine Mutation der Chromosoms 16, dem sog. „Ginger-Chromosom“. Bei mehr als 90 % der Rothaarigen ist dieses Chromosom verändert. Das Protein Melanocortin-1-Rezeptor (MC1R) zeichnet verantwortlich für die Produktion der Farbstoffe, beim Menschen der Pigmente. Die Färbung der Haare bestimmt vornehmlich das Pigment Melanin, das in den Melanozyten spezialisierter Hautzellen hergestellt wird. Im menschlichen Körper kommt es als Eumelanin und als Phäomelanin vor. Wie nun beide gemischt werden – das ergibt die Haarfarbe. Viel Eumelanin braunes oder schwarzes Haar, viel Phäomelanin hingegen blondes und rotes Haar. Rothaarige verfügen alsdann über nur wenig Eumelanin, dagegen viel Phäomelanin („Rutilismus“). Das wiederum hat auch Auswirkungen auf die Augen- und Hautfarbe: Rothaarige haben zumeist eine empfindlichere, hellere Haut als die anderen – und Sommer-sprossen. Dieses Pigment hält zudem länger an als das Eumelanin, wodurch rothaarige Menschen wesentlich später ergrauen. Genetiker kamen zu dem Ergebnis, dass rote Haare meist nur dann vererbt werden, wenn Mutter UND Vater rothaarig oder zumindest blond sind. Doch können vereinzelt auch dunkelhaarige Eltern durchaus ein rothaariges Kind bekommen, wenn etwa in der Familie ein Vorfahre rote Haare hatte („rezessive Vererbung“). Auch Mischlinge sind bekannt: So kann ein Mann zwar einen roten Bart, aber eine komplett andere Haarfarbe besitzen. Der wohl prominenteste Vertreter war Kaiser Friedrich I. „Barbarossa“!
Apropos Haut! Eumelanin absorbiert rund 50-75 % der UV-Strahlung. Nachdem dieses jedoch bei Rothaarigen nur wenig bzw. gar nicht vor-handen ist, muss zu starkem Sonnenschutz gegriffen werden, damit keine Hautreizung oder gar Sonnenbrand entsteht. Nachgewiesen ist inzwischen, dass vermehrte Sonnenbrände zu Hautkrebs führen. Deshalb sollten Rotschöpfe im Umgang mit der Sonne sehr vorsichtig sein. Zudem deaktiviert Eumelanin auch viele reaktive Radikale, die zu Zellschäden und damit Krebszellen mutieren.
Die meisten Rothaarigen gibt es mit etwa 13 % in Schottland, gefolgt mit 10 % von Irland und Wales. Hier rühren auch die Begriffe „Ginger Heads“ oder „Redheads“ her. Ansonsten ist Rot als Haarfarbe sehr selten: Nur etwa 1-2 % aller Menschen weltweit besitzen diese Genmutation. Wie aus den Studien von Svante Pääbo et al vom Max-Planck-Institut für evo-lutionäre Anthropologie aus Leipzig vom Oktober 2007 zu erfahren ist, hatten mindestens 1 % der Neandertaler bereits rote Haare. Dies konnte aufgrund der DNA von fossilen Überresten festgestellt werden: Gefunden wurde das Forkhead-Box-Protein P2 (FOXP2), ein Transkriptionsfaktor, der mutiert und dadurch etwa Sprachstörungen auslöst. Diese Studien wurden durch die Erkenntnisse von Carles Lalueza-Fox von der Uni-versität Barcelona bekräftigt. Weshalb nun im Norden mehr Rothaarige als im Süden leben, ist leicht zu erklären: Die Pigmentierung der Haut wird dominant vererbt, damit der Körper besser gegen die Sonneneinstrahlung geschützt ist. Als diese stark pigmentierten Urmenschen nach Norden wanderten, wurde dieser Schutz zum Nachteil, da die intensive Filterung der UV-Strahlen die körpereigene Produktion des Vitamins-D senkt. Das aber hat wichtige Aufgaben im Körper wie beispielsweise für die Stärke der Knochen. Also begann die Chromosomen-Mutation. Die britischen Inseln waren sehr lange isoliert – das erklärt die hohe Prozentzahl an Ginger Heads unter den Kelten , Pikten und Caledonier. Redheads sind alsdann in südlicheren Gefilden sehr selten – in Papua-Neuguinea etwa liegt ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung bei rund 0,03 %.
Rotes Haar war im alten Rom heiß begehrt. So sollen gefangenen Frauen aus Gallien und Germanien die Haare abgeschnitten worden sein um den edlen Damen als Perücke herzuhalten. Solche Trends sind auch heute noch in der Modewelt stets wiederkehrend. Nachdem der Film „Lola rennt“ v.a. in Grossbritannien zum Blockbuster wurde, reagierten die Friseure und Coiffeure und boten diese Haarfarbe der Darstellerin Franka Potente (gefärbt, nicht natur) als „Lola Red“ an. Potente übrigens durfte sich über Wochen hinweg während der Dreharbeiten nicht die Haare waschen, damit die Farbe konstant blieb. Apropos rot – die Palette ist recht weit gegriffen: Sie reicht von Rotblond, über Rot-Goldtönen, Orange bis hin zu dunklem Mahagoniebraun.
Rothaarige besitzen weniger Haare als all die anderen: Etwa 90.000 stehen 100.000 (schwarz oder braun) und bis zu 150.000 (blond) gegen-über. Dafür sind die roten jedoch dicker.
Das Schmerzempfinden bei Redheads ist anders. Sie benötigen etwa bei Operationen rund 20 % mehr an Narkosemitteln, da sie schmerz-empfindlicher sind. Soweit das Resultat einer Studie von Edwin Liem et al. von der University of Louisville. Ferner sind v.a. rothaarige Frauen empfindlicher gegenüber Kälte und Hitze (Jeffrey Mogil et al. McGill-University Montreal).
Im Rahmen einer Diplomarbeit wurde von Martin Rinck an der Universität von Saarbrücken im Jahr 2002 eine Studie zur Wirkunf von roten Haaren beim Betracher angestellt. Darin bewerteten 2.000 Probanden in einer Online-Befragung rothaarige Frauen als emotional stabil, risikobereit und extravertiert. Im Umgang mit anderen (soziale Verträglichkeit) allerdings als relativ unverträglich.
Rund um den roten Haarschopf wurde auch einiges ins Leben gerufen. So gibt es mit „mc1r“ ein eigenes Magazin für rothaarige Leser bzw. mit dem „Tag der Rothaarigen“ in der niederländischen Stadt Breda ein alljähr-liches Treffen, in Mailand am letzten Sonntag im Mai das „Rossitalia“. In England wird am 19. Mai der „Redhead Day“ gefeiert. In der Haupstadt Libyens, Tripolis, färbten sich vor dem Bürgerkrieg viele Einwohner die Haare mit Hilfe von Zinnober rötlich, da im gesamten arabischen Raum rote Haare sehr begehrt sind.
Übrigens besitzen Rothaarige auch in der Literatur eine Sonderstellung. So mussten im Roman „Das Parfum“ von Patrick Süsskind das erste und das letzte Opfer Frauen mit roten Haaren sein. Immer wieder werden von Schriftstellern schurkische Juden mit roten Haaren beschrieben – so etwa auch in „Oliver Twist“ (Dickens) die Figur des Fagins oder in „Der Kaufmann von Venedig“ (Shakespeare) die Person des Shylocks. Zudem wird der Verräter Jesus‘ (Judas) immer wieder mit roten Haaren dargestellt. Unvergessen natürlich die Kinderheldin „Pippi Langstrumpf“ oder auch „Max und Moritz“.
Bekannte Rothaarige waren bzw. sind:
- Erik der Rote (norwegisch-isländischer Seefahrer)
- Elisabeth I. (Königin von England)
- Antonio Vivaldi (italienischer Geiger und Komponist)
- Mick Hucknall (Sänger der Pop-Band Simply Red)
- Boris Becker (Ex-Tennisstar)
- Harry (zweiter Sohn von Prinz Charles und Prinzessin Diana) …
Zuletzt noch eine witzige Herleitung: Im Kölschen Dialekt werden Rothaarige als „Fussköppe“ (Fuchsköpfe) bezeichnet.
Lesetipps:
.) Rotschöpfe; Uwe Ditz; Edition Stemmle 2000
.) Untersuchungen über Zusammenhänge zwischen Rothaarigkeit und Charakter; Fritz Maroske; Universität Greifswald 1937
.) Rotes Haar – Böser Blick. Unser alltäglicher Aberglaube; Axel Stellmann; Agentur des rauhen Hauses 2002
.) The Redhead Encyclopedia; Stephen Douglas; Stonecastle Literary Group 1996
.) Roots of desire: The Myth, Meaning and Sexual Power of Red Hair; Marion Roach; Bloomsbury 2006
.) Red – A history of the redhead; Jackie Colliss Harvey; Black Dog & Leventhal 2015
.) Never let a Ginger SNAP!: Life as a Redhead; Claudia Hagen; Independently Published 2020
Links:
- gingerparrot.co.uk
- redheaddays.nl
- mc1r-magazine.com
- www.ibe.upf-csic.es/lalueza
- www.mcgill.ca/psychology/jeffrey-mogil
- pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15277908/
- www.genecards.org
- www.cancerindex.org