Hochseeabkommen – ein Riesenerfolg

†„Das Schiff hat das Ufer erreicht!“

(Rena Lee, Vorsitzende der UN-Hochseekonferenz)

Es war wie ein Lichtblick in der vergangenen Woche – für die Medien allerdings nur eine Ein-Tages-Schlagzeile: Bei den mehr als zäh geführten UN-Verhandlungen zum Schutz der Hohen See wurde ein Durchbruch erzielt. Nach nahezu 40-stündiger Dauerverhandlung in New York einigten sich die rund 200 Mitgliedsstaaten auf ein gemeinsames Papier. Demgemäss sollen bis 2030 mindestens 30 % der Weltmeere als Schutzgebiete ausgewiesen werden. Bislang war das nur in Küstenmeeren möglich – in der Hochsee gerade mal 1,2 % (etwa durch den Antarktis-vertrag). Zudem soll jährlich eine Vertragsstaatenkonferenz Aufschluss über weitere Schutzmassnahmen geben und Beschlüsse für eine nach-haltigere Nutzung der Hochsee gefasst werden.

Vor allem China und Russland bestanden bei der Festlegung dieser Schutzzonen auf Einstimmigkeit – damit hätte auch nur ein Mitgliedsstaat jedes Modell zum Fallen bringen können. Nun reicht jedoch eine Dreiviertel-Mehrheit. Allerdings mit einer Opt-out-Massnahme: Ein Staat kann die Schutzzone nicht akzetieren, muss dann allerdings eine Alter-native vorschlagen.

Was das Schriftstück wert ist, wird sich wohl in Zukunft zeigen, gibt es doch – wie bei internationalen Abkommen üblich – keinerlei Sanktionen bei einer Missachtung. Schliesslich wurde ein solches Abkommen ja auch schon zum Schutz der Wale beschlossen. Es erlaubte den Walfang eigentlich nurmehr zu Forschungszwecken. Dies sber wurde sehr grosszügig ausgelegt, bis schliesslich Japan komplett aus dem Abkommen ausstieg. Bringen wir doch etwas Licht in dieses Hochsee-Schutzabkommen.

„Wir begrüßen sehr, dass mit diesem Vertrag die Einrichtung von Schutzgebieten auf der Hohen See, dem größten Lebensraum der Erde, beginnen kann!“

(Fabienne McLellan, Geschäftsführerin OceanCare)

Der Begriff der „Hohen See“ ist definiert im „Seerechtsübereinkommen“ (SRÜ) aus dem Jahr 1982. Er beschreibt jene Teile der Meere, die nicht zur „Ausschliesslichen Wirtschaftszone“ (AWZ), zu den Küstenmeeren und Binnengewässern oder zum Archipelgewässer eines Archipelstaates wie etwa Indonesien zählen. Autonome Länder also, die sich aus Inselgrupen zusammensetzen. Die „Hohe See“ beginnt 200 Seemeilen von der Küste entfernt – das sind rund 60 % der Meeres. und nicht weniger als zirka 43 % der Erdoberfläche. Hier gilt kein nationales, sondern internationales Recht gemäss des Völkerrechts. Soll heissen, dass auch grosszügige Freiheiten damit verbunden sind: Fischerei, Überflug, Schiffahrt, Kabel-Verlegungen etc., ohne dass hier ein Staat eigenes Interesse anmelden kann. Hoheitlich gilt nach Artikel 94 SRÜ das Flaggenstaatsprinzip, also jenes Gesetz des Staates, unter dessen Flagge das Schiff fährt. Bei-spielsweise für Schiffe, die unter der Flagge von Liberia fahren, die Gesetze und Rechtsprechung des westafrikanischen Staates, allerdings auch das dortige Arbeitsrecht und die Entlohnung.

†„Jeder Staat übt seine Hoheitsgewalt und Kontrolle in verwaltungs-mässigen, technischen und sozialen Angelegenheiten über die seine Flagge führenden Schiffe wirksam aus.“

(Art. 94, Abs. 1 SRÜ)

Durch das Seerechtsübereinkommen können Wirtschaftszonen von bis zu 200 Seemeilen geschaffen (etwa für die Öl- oder Gasgewinnung in Küstennähe) oder auch die Hoheitsgewässer von drei auf 12 Seemeilen entlang der Küsten ausgeweitet werden.

All dies bringt auch viele Nachteile dieser Freiheit auf „Hoher See“ mit sich.

„Seit Längerem wächst die Besorgnis über die immer weiter ansteigende anthropogene Belastung der Meeresumwelt durch Aktivitäten in der Tiefsee wie Fischerei, Bergbau, Meeresver-schmutzung und Bioprospektion!“

(Dr. Alexander Proelß, Professor für internationales Seerecht, Umwelt-recht, Völkerrecht und Öffentliches Recht an der Universität Hamburg)

Die Ozeane sind hoffnungslos überfischt. Vielen Tierarten fehlt deshalb die Nahrung. Doch nicht nur das: Durch Schleppnetze werden Korallen-riffe und Schwammgärten zerstört.

Andere Teile sind mit Kunststoff vollgemüllt.

In Zukunft sollen wirtschaftliche Projekte und Expeditionen in den Schutzgebieten auf ihre Umweltverträglichkeit hin überprüft werden. Stellt sich jedoch die Frage: Durch wen? Das Gremium hierfür muss erst geschaffen werden. In diesen Zonen sollen sich die Arten erholen können. Die Artenvielfalt ist immens wichtig auch im Kampf gegen die Klimakrise. So beschreibt etwa Till Seidensticker von Greenpeace dies folgender-massen: Die Arten holen Kohlenstoff von der Oberfläche und verfrachten ihn in weitaus tiefere Teile der Meere.

„Ohne diese wichtige Leistung würde unsere Atmosphäre 50 Prozent mehr Kohlendioxid enthalten. Die Erde wäre überhitzt und unbewohn-bar.“

(Till Seidensticker, Greenpeace)

Die Verhandlungen wurden über knapp 15 Jahre geführt. Ein sehr wichtiger der vielen Knackpunkte ist die Regelung, welche Länder wie an den Gewinnen der Meeresressourcen beteiligt werden. Vor allem die Länder des sog. „Globalen Südens“ nutzen diese nicht oder zu wenig, sie sollen deshalb einen Teil aus einem noch zu schaffendem Fonds der reichen Industrie- und Wirtschaftsstaaten des Nordens erhalten. Das betrifft vornehmlich den Tiefsee-Bergbau, aber auch die Gewinnung neuer medizinischer Mitteln bzw. genetischer Erkenntnisse. 84 % aller Patente sind auf zehn reiche Länder konzentriert, der BASF-Konzern alleine hält 47 % der Patente auf marine genetische Ressourcen.

Übrigens – unmittelbar vor der Einigung in New York genehmigten die Teilnehmer der „Our Oceans-Konferenz“ in Panama nahezu 20 Milliarden Dollar für den Schutz der Meere – 77 Projekte sollen alleine mit den durch die US-Regierung zur Verfügung gestellten sechs Milliarden realisiert werden.

Allerdings könnten sich die 168 Teilnehmer der Internationalen Meeres-bodenbehörde (International Seabed Authority ISA) bei ihrer Konferenz auf Jamaika (07.-31. März) nicht einigen. Somit müssen vorerst Anträge von Unternehmen auf Tiefsee-Bergbau genehmigt werden. Bei dieser Ausbeutung mariner Ressourcen kann es auch weiterhin zu enormen Gefahren für die „Hohe See“ kommen – beispielsweise durch die beab-sichtigte Erdölförderung im Arktischen Meer oder die Mangan- (5 Mrd. to), Kobald- (44 Mio to) und Kupfergewinnung (274 Mio to) in der Clarion-Clipperton-Zone vor den Cook-Inseln im Indischem Ozean für die E-Mobilität. Dort sind derzeit 1,4 Mio Quadratkilometer Meeresgrund geschützt – allerdings knapp das Doppelte zur Exploration freigegeben. Eine dafür erforderliche Erforschungslizenz hält der Inselstaat Nauru und das kanadische Bergbauunternehmen TMC Durch den Tiefseebergbau in diesem Bereich würde wohl das gesamte dortige Ökosystem für immer zerstört. Soweit das Ergebnis einer Simulationsstudie aus dem Jahr 1989 im Perubecken. Dort wurden die Manganknollen mit einer Pflugegge „geenrtet“. Auch 26 Jahre danach waren die Spuren noch zu sehen und die Biodiversität gestört. Ausserdem ist es gänzlich ungewiss, wie sich der durch den Abbau freigesetzte Kohlenstoff aus dem Meeresgrund auswirken wird.

Es wird somit höchste Zeit für eine Regulierung bzw. Schutz dieser wichtigen grössten Region unseres Planeten! Hoffen wir, dass es nicht wieder nur ein guter Wille ist und weitere Schritte sehr rasch folgen!

Filmtipp:

Extreme der Tiefsee – Eisige Abgründe; TerraX/ZDF-Doku

Lesetipps:

.) Biologie der Hochsee; David G. Senn; Books on Demand 2012

.) Tierleben der Hochsee; Carl Apstein; ‎ Inktank Publishing 2019

.) Tiefseewesen – Einblicke in eine kaum bekannte Welt; Solvin Zankl / Maike Nicolai; Delius Klasing Verlag 2020

.) Tiefsee – Vielfalt in der Dunkelheit; Hrsg.: Thorolf Müller / Gerd Hoffmann-Wieck; ‎ Schweizerbart’sche, E. 2020

.) Tiefsee: Von Schwarzen Rauchern und blinkenden Fischen; Dagmar Röhrlich; Mare 2010

.) Eine Reise in die geheimnisvolle Tiefsee; Annika Siems / Wolfgang Dreyer; Prestel Verlag 2019

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