Fasten, Almosen geben und beten
Ostern ist nicht mehr gar so fern – in den Supermärkten haben die Schokolade-Osterhasen die Schokolade-Weihnachtsmänner unmittelbar ersetzt – der sportbegeisterte Leser spricht dabei von einem “fliegenden Wechsel”. Doch wie jedes Jahr wundere ich mich, wie die Zeit vor den Festtagen – mit immerhin dem höchsten Feiertag der evangelischen Kirche und dem Hochfest in der katholischen Kirche – begangen wird. Im Fasching/Karneval wird gefeiert bis zum Exzess – am Aschermittwoch wird dann alles auf beinahe null zurückgefahren! Ein Bekannter meinte einst mir gegenüber, dass er keinen Fasching feiere, also müsse er auch nicht fasten! Was spielt sich in diesen 40 Tagen nun wirklich ab?!
Heutzutage kommt oftmals der Eindruck auf, die Fastenzeit sei eine Erfindung von Wellness- und Ernährungsberatern! Der Körper muss entgiftet, gereinigt und wieder auf Vordermann gebracht werden – nach der Zeit der Ausschweifungen hat er es sich auch redlichst verdient! Ähm – na ja – ganz so falsch ist dies nicht! Doch geht der Ansatz der Fasten- oder Passionszeit (Quadragesima) auf den christlichen Glauben zurück. Soweit dürfte jeder noch aus dem Religionsunterricht in das spätere Leben mitgenommen haben. Damit soll an das Fasten Jesu Christi zur Vorbereitung auf seine Bestimmung verwiesen werden. Festgelegt wurde diese Zeit allerdings erst auf dem Konzil von Nicäa 325 n. Chr. (entschei-dend war der erste Sonntag nach dem Jerusalemer Frühlingsvollmond). Seit der Synode von Benevent im Jahre 1091 sind jedoch die Sonntage ausgenommen. Deshalb rückte der Beginn um sechs Werktage vor – der Aschermittwoch war geboren! Hiernach müssen sich dann auch der Karneval, die Fastnacht oder der Fasching richten. Das Ende fällt auf die Osternacht – der nächtlichen Vigil, des Stundengebets vor dem Karfreitag. In dieser Osternacht wurden sehr viele Erwachsene getauft! Freitag und Samstag in der Osterwoche sind nicht Bestandteile der Fastenzeit – sie werden mit dem Osterfasten begangen, das nichts mehr mit der Buße zu tun hat. Eine andere Zählweise endet mit dem Palmsonntag – danach beginnt die heilige Woche, die gesondert betrachtet werden muss. In dieser Zeit sollten weder Fleisch noch Milchprodukte (bis 1486) verzehrt, kein Wein getrunken und keine Tanzveranstaltungen abgehalten werden. Im 20. Jahrhundert jedoch wurde sehr vieles gelockert! Immer mehr an deren Stelle trat der Verzicht auf so manche Gewohnheit oder Annehm-lichkeit im täglichen Leben – Auto, Genussmittel (Süssigkeiten, Nikotin, …), Handy, Internet oder gar der Sex! Die Fastenzeit soll demnach eine Zeit der Entbehrungen darstellen. Das Fleisch war in früheren Zeiten das Essen der Reichen – das normale Volk bekam es höchstens am Sonntag. Der Tanz gehörte zu den Volksfesten hinzu, war also Anlass für Vergnügen und Ausschweifungen – vor allem in den unteren Bevöl-kerungsschichten. Dies hat sich im Wandel der Zeiten geändert! Auch in anderen Religionen sind solche Abschnitte des Entbehrens enthalten – im Islam etwa gleichbedeutend mit dem Ramadan.
Doch zu sehr möchte ich eigentlich gar nicht auf die kirchliche Bedeutung der Fasten- oder Passionszeit eingehen, denn ansonsten würde dies den Umfang des Blogs sprengen. Tatsächlich steckt also der Gedanke des Büssens dahinter. Der gläubige Mensch soll sich seiner Fehler bewusst werden und diese durch Entbehrungen büssen. Doch wie büsst man am besten?
Körperlich zeigt uns dies die Gesundheits- und Lebensmittelindustrie vor. Spezielle Produkte sollen den gewohnten und zumeist ungesunden Ernährungsplan ersetzen und die Rettungsringe verkleinern. Ein Blick in die Bestandteile sehr vieler der Produkte widerlegt allerdings diese These. Diät ist eine gute Massnahme, den Körper wieder auf Vordermann zu bekommen – allerdings hat diese nur mittelbar mit der Fastenzeit zu tun. Busse – ja durchaus, denn die Kalorien, die durch die fettreiche Kost im Winter aufgefuttert wurden, sollen purzeln. Doch sollte hier wirklich mit Vorsicht agiert werden, denn nicht jede Diät ist zielführend und gesund. So lässt etwa eine Nulldiät die Kilos sehr rasch purzeln – Nebenwirkungen sind Mangelerscheinungen und v.a. psychischer Stress. Ist die Diät vorbei, geht auch der Zeiger auf der Waage innerhalb kürzester Zeit wieder in unerwünschte Regionen. Eine solche Nulldiät ist somit eine Selbst-kasteiung und hat nichts mit dem Fasten zu tun. Denn: Die Sonntage sind ausgenommen! Sie gelten sozusagen als “Atempause während des Fastens”! Dies zeigt uns etwa auf, dass man das, was man tut, aus Überzeugung und Freude tun soll. Während der Fastenzeit sollte sich der Mensch mit sich selbst beschäftigen. Hinterfragen, was eigentlich getan wird und wie man es besser machen kann. Damit sind wir beim Kern des Fastens: Genussmittel sind zum Genuss da – nicht als Grundnahrungs-mittel vorgesehen. Essen in Maßen und körperliche Bewegung sind wesentlich besser als grosse, gefüllte Teller und der anschliessende Mittagsschlaf. Dies empfehlen auch die Ernährungsberater: Öfter am Tag eine gesunde Kleinigkeit gegessen als dreimal in die Vollen zu greifen! Der Unterschied zwischen Diät und Fasten liegt also in der bewussten Änderung der Essensgewohnheiten, der Umkehr. Dabei können einem so manche Ansätze aus den unterschiedlichen Kuren durchaus behilflich sein! Buchinger, F.X. Mayr, SchrothKur, Basen-, Molke- oder Lichtfasten – jeder sollte selbst testen, was ihm gut tut.
Neben diesen körperlichen Entbehrungen aber sollte noch wesentlich mehr zum Fasten dazugehören: Weniger Konsum im Allgemeinen! Schalten Sie mal bewusst den Fernseher einmal die Woche nach den Nachrichten ab und nehmen ein gutes Buch zur Hand. Verbringen sie mehr Zeit mit der Familie. Muss jede Strecke mit dem Auto zurückgelegt werden? Zu Fuss gehen oder Radfahren – gerade wenn es in der Grupe geschieht, macht sehr viel Spass. Machen Sie einen Waldspaziergang. Lassen Sie sich davon begeistern, wie schön eigentlich die Natur ist. Seien Sie ausnahmsweise nicht erreichbar! Handy oder Internet machen unsere Zeit immer kurzlebiger – alles muss noch schneller, noch erfolgreicher gehen! Machen Sie eine Pause! Eine Pause von dem, was Sie aus sich gemacht haben! Schalten Sie einfach mal ab!
Erleben Sie dadurch die Gegenwart bewusster! Sollten Sie das nicht aus eigener Kraft können – nein nicht ins Wellnesshotel! Lassen Sie es sich beispielsweise mal im Kloster zeigen, mit wie viel der Mensch eigentlich das Auslangen findet. Sehr viele Ordensgemeinschaften bieten gerade in der Fastenzeit eine solche Einkehrmöglichkeit an (Franziskaner, Bene-diktiner, Zisterzienser, Pallottiner,…). Auch für Nicht-Gläubige durchaus eine Möglichkeit, wieder zu sich selbst zu finden. Zu erkennen, dass der Tag nicht mit dem Aufstehen beginnt, mit Meetings vollgestopft ist und mit dem Zu-Bett-Gehen endet ohne mal eine Minute Zeit für sich selbst gefunden zu haben. Sollte das Kloster doch zu abschreckend für Sie sein: Verplanen Sie für den Rest der Fastenzeit zehn Minuten am Tag für Vogelgezwitscher, Wassergeplätscher, Ausblick geniessen,… Ich bin mir sicher, sie entdecken sehr vieles wieder, das sie völlig vergessen haben (bewusstes Erleben der Naturschönheiten). Ausserdem hilft Ihnen dies, um durchzuatmen, Kraft zu schöpfen, den eigenen Rhythmus wiederzu-finden. Und: Geniessen Sie es!!!